Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber, der eine Kündigung auf mehrer Gründe stützen könnte, ist nicht gehalten, dem Betriebsrat auch solche Gründe mitzuteilen, die er tatsächlich nicht zum Anlaß für die Kündigung nehmen will (Bestätigung von BAG 1978-07-13 2 AZR 798/77 AP Nr 18 zu § 102 BetrVG 1972).
2. Nachgeschobene Kündigungsgründe, die bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden und dem Arbeitgeber bekannt gewesen sind, die er aber nicht dem Betriebsrat mitgeteilt hat, sind im Kündigungsschutzprozeß jedenfalls dann nicht zu verwerten, wenn der Betriebsrat der Kündigung nicht bereits aufgrund der ihm mitgeteilten Gründe zugestimmt hat, oder wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat wegen der nachgeschobenen Gründe weder erneut angehört hat, noch dem Betriebsrat diese Gründe nachträglich mitgeteilt hat.
3. Vom unzulässigen Nachschieben von Kündigungsgründen ist die Erläuterung (Substantiierung oder Konkretisierung) der dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe zu unterscheiden, die im Kündigungsschutzprozeß zulässig ist.
4. Nicht um erläuternde und ergänzende Angaben, sondern um unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen handelt es sich, wenn der Arbeitgeber Tatsachen vorträgt, die dem bisherigen Vortrag erst das Gewicht eines kündigungsrechtlich erheblichen Grundes geben. Das gilt zB auch für den Vortrag des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß, der Arbeitnehmer sei wegen des gleichen Vertragsverstoßes im Leistungsbereich schon einmal abgemahnt worden, wenn dies dem Betriebsrat nicht mitgeteilt wurde.
5. Der vom Arbeitgeber neben dem Antrag auf Abweisung einer Kündigungsschutzklage hilfsweise gestellte Auflösungsantrag nach KSchG § 9 Abs 1 S 2 wird dann, wenn der Arbeitnehmer gegen die Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Landesarbeitsgericht Revision einlegt, auch ohne Anschlußrevision des Arbeitgebers in der Revisionsinstanz anhängig. Wenn das Revisionsgericht auf die Revision der Kündigungsschutzklage stattgibt oder ein Feststellungsurteil des Arbeitsgerichts bestätigt, dann ist zugleich auch über den Auflösungsantrag des Arbeitgebers zu entscheiden (im Anschluß an BGH 1951-11-16 I ZR 22/51 = LM Nr 1 zu § 525 ZPO).
Normenkette
BetrVG § 102; KSchG § 9 Abs. 1 S. 2 Fassung:1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.09.1978; Aktenzeichen 2 Sa 216/78) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 20.01.1978; Aktenzeichen 2 Ca 7444/77) |
Tatbestand
Der im Jahre 1945 geborene Kläger trat am 1. September 1976 als Werkzeugmacher in die Dienste der Beklagten, die knapp 900 Arbeitnehmer beschäftigt. Zuletzt verdiente der Kläger 11,71 DM brutto je Stunde. Er ist einer von dreizehn Vertrauensleuten der IG Metall bei der Beklagten. Am 7. November 1977 verteilte der Kläger vormittags die Gewerkschaftszeitung „Metall” an zehn Belegschaftsmitglieder während der Arbeitszeit. Nach der Mittagspause verrichtete er für einen Arbeitskollegen eine Privatarbeit. Am 11. November 1977 hat die Beklagte dem Kläger nach Anhörung des Betriebsrats fristlos und zugleich hilfsweise ordentlich zum 25. November 1977 gekündigt. Der Betriebsrat hatte der beabsichtigten Kündigung widersprochen und u.a. auf eine Stellungnahme des Klägers verwiesen, er sei wegen angeblich zweimaliger falscher Beratung von Kollegen durch den Produktionsleiter gerügt und darauf hingewiesen worden, bei einem dritten ähnlichen Vorfall müsse er mit einer Kündigung rechnen.
Mit seiner am 17. November 1977 erhobenen Klage wehrt sich der Kläger gegen beide Kündigungen und verlangt ferner wegen Annahmeverzuges von der Beklagten Lohn in Höhe von 3.185,12 DM nebst 4 % Zinsen seit Erhebung der Klageerweiterung für die Zeit vom 14. November bis 31. Dezember 1977. Im ersten und zweiten Rechtszug hat er ferner beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 11. November 1977 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
Der Kläger ist der Auffassung, die von der Beklagten dem Betriebsrat genannten Vorwürfe seien nicht geeignet, eine ordentliche oder gar fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Für das Verteilen der Zeitschrift habe er nur eine Minute benötigt, für die Privatarbeit am Nachmittag des 7. November 1977 nur wenige Minuten. Er sei wegen dieser Vorfälle oder anderer Vorfälle auch niemals abgemahnt worden. In Wirklichkeit habe die Beklagte ihn entlassen, weil er Vertrauensmann der IG Metall sei.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und hilfsweise begehrt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen. Sie hat vorgetragen, der Kläger sei wegen ständiger privater Unterhaltungen während der Arbeitszeit verschiedentlich abgemahnt worden, erstmals im Februar 1977 durch den Meister F. Nachdem der Kläger Kündigungsschutz erlangt hatte, seien immer häufiger Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz zu privaten Gesprächen erschienen. Anfall und Dauer der Gespräche seien über das übliche Maß weit hinausgegangen. Hierauf sei der Kläger von dem Vorgesetzten F wiederholt hingewiesen und deswegen ermahnt worden. Während der Arbeitszeit habe der Kläger zudem zwei Mitarbeiter unrichtig beraten. Für das Verteilen der Gewerkschaftszeitschrift habe er zehn Minuten benötigt. Die Privatarbeit am Mittag des 7. November 1977 habe mindestens eine halbe Stunde gedauert. Dem Kläger sei bekannt gewesen, daß er Privatarbeiten ohne Genehmigung während der Arbeitszeit nicht habe verrichten dürfen. Schon am 5. Oktober 1977 habe der Meister F den Kläger zur Rede gestellt, als er Privatarbeiten für einen Kollegen während der Arbeitszeit habe verrichten wollen. Der Kläger habe erwidert, solche Gefälligkeiten erweise er Kollegen gern. Es würden zwar nach wie vor bei ihr umfangreiche Privatarbeiten während der Arbeitszeit durchgeführt. Dies geschehe jedoch nur mit Zustimmung des Betriebsleiters. Wenn der Kläger vorher gefragt hätte, wäre es möglicherweise gar nicht zu dem vorliegenden Verfahren gekommen. Parallel zur Steigerung der Privatgespräche sei die Arbeitsleistung des Klägers drastisch abgefallen. Am 30. Juni 1977 sei der Kläger wegen der Leistungsminderung in die Leistungsgruppe 3 abgestuft worden.
Die Gewerkschaftszugehörigkeit des Klägers sei für die Kündigung irrelevant gewesen. Sie habe bislang noch nie einem gewerkschaftlichen Vertrauensmann gekündigt. Allerdings habe der Betriebsleiter nach Abschluß des Anhörungsverfahrens den Betriebsratsvorsitzenden beiläufig gefragt, ob er nicht Sorge habe, daß der Kläger ihn eines Tages als freigestelltes Betriebsratsmitglied verdränge. Der Betriebsrat sei zur Kündigung ordnungsgemäß gehört worden, indem ihm die wesentlichen Kündigungsgründe mitgeteilt worden seien. Sie sei nicht gehindert, im arbeitsgerichtlichen Verfahren ihren Sachvortrag zu spezifizieren und andere Vorgänge aufzuzeigen, durch die das Verhalten des Klägers ein anderes Gepräge erhalte. Aufgrund der gesamten Vorkommnisse sei die Weiterbeschäftigung des Klägers, der den Betriebsfrieden gestört habe, nicht tragbar. Das rechtfertige jedenfalls die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger hat erwidert, die Beklagte habe dem Betriebsrat nur mitgeteilt, er, der Kläger, habe Mitarbeiter unrichtig beraten, am 7. November 1977 während der Arbeitszeit die Gewerkschaftszeitung verteilt und am Nachmittag des 7. November 1977 Privatarbeiten ausgeführt. Mit den weiteren im Verfahren nachgeschobenen Gründen sei die Beklagte ausgeschlossen. Aus diesem Grunde könne sie sich nicht auf den Vorfall vom 5. Oktober 1977 berufen. Auch das angebliche Nachlassen der Arbeitsleistung könne deswegen nicht zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden. Er habe nicht öfter Privatgespräche geführt als andere Arbeitnehmer und sei auch nicht häufiger ermahnt worden.
Das Arbeitsgericht hat unter Zurückweisung des Auflösungsantrags der Beklagten der Feststellungs- und Zahlungsklage stattgegeben und die Klage auf Weiterbeschäftigung abgewiesen. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und ihren Hauptantrag auf Abweisung der Klage und ihren Hilfsantrag, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, aufrecht erhalten. Der Kläger hat mit seiner Anschlußberufung den Antrag weiterverfolgt, die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 11. November 1977 hinaus weiter zu beschäftigen. Er ist am 26. April 1978 in den für den Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrat gewählt worden. Das Landesarbeitsgericht hat nach umfangreicher Beweisaufnahme das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert, festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung am 26. November 1977 beendet worden sei, die Zahlungsklage in Höhe von 2.248,32 DM brutto abgewiesen und die Anschlußberufung zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger, die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Bestätigung des Urteils des Arbeitsgerichts.
A. Da das Urteil des Landesarbeitsgerichts nur vom Kläger angefochten worden ist, steht rechtskräftig fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 11. November 1977 nicht fristlos beendet worden ist. Rechtskräftig ist das angefochtene Urteil auch insoweit geworden, als es die Anschlußberufung des Klägers wegen seines Anspruches auf Weiterbeschäftigung zurückgewiesen hat. Im Revisionsverfahren ist damit nur noch darüber zu entscheiden, ob die Kündigung vom 11. November 1977 das Arbeitsverhältnis fristgemäß beendet hat (vgl. zu B II der Gründe) und ob das Arbeitsverhältnis auf den Hilfsantrag der Beklagten nach § 9 KSchG aufzulösen ist (vgl. B III der Gründe).
B. I. Das Landesarbeitsgericht hat die Anhörung des Betriebsrats zu der Kündigung vom 11. November 1977 für ordnungsgemäß gehalten. Nach seiner Auffassung reicht es aus, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die wesentlichen Kündigungsgründe mitteilt, so daß der Betriebsrat in die Lage versetzt wird, die für und gegen die Kündigung sprechenden Gründe abzuwägen und eine fundierte Stellungnahme abzugeben. Wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat in dieser Weise unterrichtet habe, sei er nicht gehindert, im Rechtsstreit einzelne Gründe weiter zu spezifizieren und auch unter Darstellung früherer Vorfälle aufzuzeigen, daß das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers durch weitere Vorgänge ein besonderes Gewicht erhalte. Die Beklagte habe dem Betriebsrat mitgeteilt, die Kündigung sei notwendig, „weil der Kläger unbefugt während der Arbeitszeit Privatarbeiten verrichtet und Gewerkschaftszeitungen verteilt sowie Mitarbeiter beraten habe, noch dazu falsch”. Dies reiche zur ordnungsgemäßen Anhörung nach § 102 BetrVG aus, wobei zu berücksichtigen sei, daß der Betriebsrat um weitere Informationen hätte nachsuchen können. Wenn er darauf verzichtet habe, so zeige das, daß er die Information der Beklagten für ausreichend gehalten habe.
Die fristlose Kündigung sei unwirksam, weil die Privatarbeit, die der Kläger trotz einer im Oktober erfolgten Abmahnung am 7. November 1977 verrichtet habe, nicht gewichtig genug sei, um die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Kläger habe zwar häufig während der Arbeitszeit private Gespräche geführt und sei auch auf die Unzulässigkeit seines Verhaltens hingewiesen worden, die Beklagte habe ihn deswegen aber nicht ohne deutliche Verwarnung, d. h. einen Hinweis auf arbeitsrechtliche Konsequenzen, fristlos kündigen können. Das Verteilen der Gewerkschaftszeitung sei dem Kläger nicht anzulasten, weil nicht erwiesen sei, daß er sich damit länger, als von der Beklagten sonst geduldet, aufgehalten habe. Die dem Kläger vorgeworfene langsame Arbeitsweise könne die Kündigung nicht rechtfertigen, weil sie ein unzumutbares Ausmaß und eine speziell darauf gerichtete Abmahnung voraussetze.
Die fristgemäße Kündigung sei durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Die Privatarbeit am 7. November 1977 sei keine geringfügige Pflichtverletzung, weil der Kläger bereits im Oktober darauf hingewiesen worden sei, die Beklagte dulde keine ungenehmigten Privatarbeiten und der Kläger damals darauf erwidert habe, solche Gefälligkeiten erweise er den Kollegen gern. Die Beklagte habe deshalb nicht annehmen können, der Kläger werde sich auf eine erneute Abmahnung hin künftig vertragsgetreu verhalten. Auch die zahlreichen Privatgespräche des Klägers fielen in diesem Zusammenhang ins Gewicht. Er habe sich insoweit uneinsichtig gezeigt und noch in seinem Schlußwort in der Berufungsinstanz geltend gemacht, er habe schließlich die ihn um Rat fragenden Mitarbeiter nicht einfach wegschicken können.
II. Diese Würdigung wird den Voraussetzungen nicht gerecht, unter denen Kündigungsgründe, die dem Betriebsrat bei der Anhörung nach § 102 BetrVG nicht mitgeteilt worden sind, später im Kündigungsschutzprozeß nachgeschoben werden können. Das Landesarbeitsgericht hat zudem an die Abmahnung, die bei einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung nach § 1 KSchG grundsätzlich erforderlich ist, im Streitfall zu geringe Anforderungen gestellt. Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten in vollem Umfang, weil aufgrund des im Revisionsverfahren verwertbaren Sachverhalts eine abschließende, ersetzende Entscheidung zugunsten des Klägers möglich ist (§ 565 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Im einzelnen gilt folgendes:
1. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts über den Inhalt der Unterrichtung des Betriebsrates sind dahin zu verstehen, daß die Beklagte den Betriebsrat allgemein zum Vorwurf der Privatgespräche des Klägers während der Arbeitszeit – einschließlich der zwei angeblich unrichtigen Beratungen – angehört hat. Als Kündigungsgründe sind dem Betriebsrat ferner angegeben worden, der Kläger habe am 7. November 1977 während der Arbeitszeit eine Gewerkschaftszeitung verteilt und nachmittags Privatarbeiten ausgeführt. Dagegen ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden, der Kläger habe auch am 5. Oktober 1975 unbefugt eine Privatarbeit für einen griechischen Arbeitskollegen während der Arbeitszeit vorbereitet und sei deswegen von dem zuständigen Meister abgemahnt worden, worauf der Kläger erwidert habe, solche Gefälligkeiten erweise er Arbeitskollegen gern. Auch über die von der Beklagten im Prozeß vorgetragenen mangelhaften Arbeitsleistungen des Klägers ist der Betriebsrat nicht unterrichtet worden. Da sich auch aus dem von der Beklagten erst in der Revisionsverhandlung überreichten Schreiben an den Betriebsrat vom 7. November 1977 kein anderer Sachverhalt ergibt, greift die von der Beklagten vorsorglich erhobene Rüge der unzureichenden Aufklärung des Sachverhaltes hinsichtlich der Anhörung des Betriebsrates (§ 139 ZPO) nicht durch.
2. Bei der Prüfung, wie sich diese beschränkte Unterrichtung des Betriebsrates über die im Prozeß vorgetragenen Kündigungsgründe auswirkt, hat das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt, dem Betriebsrat müßten nur die „wesentlichen Gründe” für die Kündigung mitgeteilt werden.
Nach der im Schrifttum herrschenden Meinung reicht es aus, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die für die Kündigung „wesentlichen Gründe” mitteilt (vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 102 Anm. 31; Galperin/Löwisch, BetrVG, 5. Aufl., § 102 Anm. 28; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl., Rdnr. 101). Der erkennende Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 24. März 1977 (AP Nr. 12 zu § 102 BetrVG 1972) und vom 13. Juli 1978 (AP Nr. 18 zu § 102 BetrVG 1972; die Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) klargestellt, daß der Arbeitgeber nicht alle nach der objektiven Rechtslage „wesentlichen Gründe”, sondern nur diejenigen Gründe dem Betriebsrat mitzuteilen hat, die „nach seiner Ansicht” die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluß maßgebend sind. Eine bei objektiver Würdigung „unvollständige” Mitteilung der Gründe hat nicht die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG zur Folge. An dieser Auslegung, der das Schrifttum überwiegend zugestimmt hat (vgl. Fitting/Auffarth/ Kaiser, BetrVG, 13. Aufl., § 102 Rdnr. 5 d; Hueck, KSchG, 10. Aufl., Einl. Rz 102 b und KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz 62 bis 63), hält der Senat aus folgenden Gründen fest: Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG ist es, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, ohne eigene zusätzliche Ermittlungen anstellen zu müssen, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht aus der Sicht der Arbeitnehmerseite dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu bringen, damit dieser bei seiner Entscheidung die Stellungnahme des Betriebsrats, insbesondere dessen Bedenken oder dessen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung berücksichtigen kann (vgl. Urteil des Senates vom 13.7.1978, AP Nr. 17 zu § 102 BetrVG 1972 (zu III 2 a der Gründe)). Um diese Aufgabe erfüllen zu können, benötigt der Betriebsrat nicht die Kenntnis von Tatsachen, die für den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers ohne Bedeutung sind.
Aus diesen Grundsätzen folgt für den Streitfall, daß die Kündigung der Beklagten nicht schon deshalb wegen Verletzung des § 102 BetrVG rechtsunwirksam ist, weil dem Betriebsrat nicht alle im Rechtsstreit geltend gemachten Kündigungsgründe mitgeteilt worden sind (so zutreffend auch Hueck, BAG-Festschrift 1979, S. 243 (262)).
3. Eine andere, vom Bundesarbeitsgericht bislang nicht entschiedene Frage ist, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß die Beklagte im Kündigungsschutzprozeß noch Tatsachen nachschieben durfte, die ihr zum Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits bekannt waren, zu denen sie den Betriebsrat aber nicht angehört hat (vgl. Urteil des Senates vom 13.7.1978, AP Nr. 18 zu § 102 BetrVG 1972).
a) Diese im Streitfall erhebliche Frage ist dahin zu entscheiden, daß uneingeschränkt nur Tatsachen nachgeschoben werden dürfen, die, ohne den Kündigungssachverhalt wesentlich zu verändern, nur der Erläuterung und Konkretisierung der dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe dienen. Im übrigen sind nachgeschobene Tatsachen, die dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sind, grundsätzlich dann nicht zu verwerten, wenn sie dem Arbeitgeber bereits vor der Einleitung des Anhörungsverfahrens bekannt gewesen sind, dem mitgeteilten Kündigungssachverhalt überhaupt erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere, selbständig zu würdigende Kündigungsgründe betreffen. Diese Einschränkung gilt zumindest dann, wenn der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung nicht bereits aus den ihm mitgeteilten Gründen ausdrücklich zugestimmt hat, oder wenn der Arbeitgeber wegen der nachgeschobenen Gründe den Betriebsrat auch nicht zuvor erneut angehört oder ihm zumindest die Gründe nachträglich mitgeteilt hat (vgl. zur umstrittenen Frage der Bedeutung der Zustimmung: KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz 189 bis 190; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rz 134; Meisel, SAE 1978, 168 (169) und LAG Düsseldorf, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 41; zur nachträglichen Anhörung oder Mitteilung vgl.: KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz 187 bis 188; Galperin/Löwisch, aaO, § 102 Anm. 30; Hillebrecht, AuR 1974, 274 (275); Kammann/Hess/Schlochauer, aaO, § 102 Rz 39 bis 41; Kraft, GK-BetrVG, § 102 Anm. 16; Löwisch, Anm. zu EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 41; Meisel SAE 1978, 168 (169 f.); Otto, Anm. zu EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 36; Stege/Weinspach, BetrVG, 4. Aufl., § 102 Rz 49; LAG Hamm, DB 1974, 1344 und DB 1978, 750). Mit diesem Vorbehalt, über dessen Berechtigung der Senat im Streitfall nicht abschließend zu entscheiden braucht, ist sich das überwiegende Schrifttum im Ergebnis darüber einig, daß das Nachschieben von Kündigungsgründen unzulässig ist (vgl. neben den Autoren, die in den genannten Sonderfällen differenzierte Lösungen empfehlen, ferner: Brill, AuR 1975, 15 (18); Dietz/Richardi, aaO, § 102 Anm. 55 bis 56; Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 102 Rdnr. 5 d; Hueck, KSchG, aaO, Einl. Rz 103; ders. BAG-Festschrift 1979, S. 262; LAG Hamm, DB 1974, 1344; a.A.: Stahlhacke, BlStSozArbR 1974, 295 (296 bis 297); ders. Kündigung und Kündigungsschutz, aaO, Rdnr. 101 bis 102 m. Fußn. 126 bis 128). Streitig, aber vorliegend nicht entscheidungserheblich, ist nur, welche Bedeutung der Zustimmung des Betriebsrates zukommt und ob nachgeschobene Kündigungsgründe, zu denen der Betriebsrat zunächst nicht angehört worden ist, dann verwertbar sind, wenn sich der Betriebsrat nachträglich damit befaßt hat.
b) Auch Meisel hält in Abschwächung seiner bisherigen Stellungnahmen (vgl.: Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 4. Aufl., S. 151; ders. DB 1972, 1627 (1628) und DB 1974, 138 (140)) das Nachschieben von bereits bekannten Kündigungsgründen – sofern der Betriebsrat nicht zugestimmt hat – nur dann für zulässig, wenn die nachgeschobenen Gründe für die Wirksamkeit der Kündigung unerheblich sind und die Stellungnahme des Betriebsrates nicht zugunsten des Arbeitnehmers ändern könnten, oder wenn sie nicht zu einer wesentlichen Änderung des Kündigungssachverhaltes führen, zu denen der Betriebsrat angehört worden ist (vgl. SAE 1978, 168 (169)). Diese Differenzierung deckt sich im wesentlichen mit der vom Senat vorgenommenen Unterscheidung zwischen der zulässigen Substantiierung und Konkretisierung der mitgeteilten Gründe und der jedenfalls ohne die erwähnten Vorbehalte unzulässigen wesentlichen Erweiterung des Kündigungssachverhaltes oder des Nachschiebens anderer Gründe (vgl. dazu weiter unter 4 der Gründe). Aus diesem Grunde braucht im Streitfall auf den vermittelnden Standpunkt Meisels nicht näher eingegangen zu werden.
c) Das ist nur für die von Stahlhacke (aaO) vertretene Auffassung erforderlich, der Arbeitgeber sei – unabhängig vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung – nicht gehindert, weitere Gründe im Prozeß nachzuschieben, wenn er dem Betriebsrat alle „wesentlichen Gründe der Kündigung” mitgeteilt habe. Diese Auffassung ist schon deswegen abzulehnen, weil sie unklar ist und offen läßt, ob die „wesentlichen Kündigungsgründe” objektiv oder subjektiv nach der Vorstellung des Arbeitgebers zu bestimmen sind (vgl. Gamillscheg, BAG-Festschrift 1979, S. 117 (122) Fußn. 11). Sie führt zudem – letztlich aus Billigkeitserwägungen, die die Rechtssicherheit gefährden (so allerdings auch Gamillscheg, aaO, S. 121 bis 122) – zu ähnlichen Ergebnissen wie die Auffassung des Senats. Stahlhacke will nämlich z. B. verhindern, daß ein Arbeitgeber, der aus dem Betriebsrat mitgeteilten verhaltensbedingten Gründen gekündigt hat, später im Prozeß allein oder zusätzlich dringende betriebliche Gründe geltend macht. Die Notwendigkeit, in diesen und ähnlichen Fällen die Verwertung nachgeschobener Kündigungsgründe einzuschränken, ist weder mit Billigkeitserwägungen noch mit dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie zu begründen und in ihren Folgen zu bestimmen. Die Beschränkung des Nachschiebens von Kündigungsgründen ist vielmehr eine zur Verwirklichung des Zweckes des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG erforderliche Ergänzung des Grundsatzes, daß dem Arbeitgeber bei der Einleitung des Anhörungsverfahrens die subjektive Beurteilung zuzubilligen ist, welche Kündigungsgründe er für maßgeblich und ausreichend hält, um seinen Kündigungsentschluß darauf zu stützen und dem Betriebsrat verständlich zu machen. Da die Mitteilungspflicht auch „eine subjektive Seite hat”, ist vom Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Anhörungspflicht nicht zu verlangen, alle ihm bekannten und nach der objektiven Rechtslage oder der Beweissituation unbedingt vorzubringenden Gründe dem Betriebsrat von vornherein vollständig zu unterbreiten. Eine Beschränkung der dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe führt zwar – wie bereits dargelegt – nicht bereits zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen „vorwerfbarer” Verletzung des § 102 BetrVG. Sie kann aber andererseits nicht völlig ohne Rechtsnachteile für den Arbeitgeber bleiben. Immerhin ist der Zweck des § 102 BetrVG insoweit vereitelt worden, weil hinsichtlich der nachgeschobenen Kündigungsgründe eben keine Anhörung des Betriebsrates erfolgt ist (vgl. KR-Etzel, aaO, Rz 185), und der Arbeitgeber damit bei objektiver Betrachtung hinsichtlich der ihm bekannten, aber nicht mitgeteilten Gründe seine Mitteilungspflicht verletzt hat (so Hueck, BAG-Festschrift 1979, S. 262).
Wenn das Nachschieben bereits bekannter, aber zunächst zurückgehaltener Kündigungsgründe uneingeschränkt zulässig wäre, würde es zu einer weitgehenden Derogation des Mitwirkungsrechtes des Betriebsrates nach § 102 BetrVG und insbesondere des Widerspruchsrechtes nach Abs. 3 und des daraus folgenden Weiterbeschäftigungsanspruches nach Abs. 5 kommen können (vgl. Kammann/Hess/Schlochauer, aaO, § 102 Rz. 40). Es würde dann ein Anreiz und eine Belohnung für unredliche Arbeitgeber geschaffen, Kündigungsgründe, die den Widerspruch des Betriebsrates auslösen könnten, erst nach Abschluß des Anhörungsverfahrens und nach Ausspruch der Kündigung vorzutragen. Nicht mit dem Zweck des § 102 BetrVG zu vereinbaren wäre es auch, wenn ein Arbeitgeber z. B. eine nach Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung später ohne weiteres auf andere ebenfalls bereits bekannte Tatsachen stützen könnte, wenn sich herausstellt, daß die dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe nach § 626 Abs. 2 BGB verfristet sind.
4. Aus der Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergeben sich folgende Konsequenzen:
a) Der Beklagten sind die nachgeschobenen Tatsachen (Schlechtleistung des Klägers, Privatarbeit im Oktober 1977) bereits vor Einleitung des Anhörungsverfahrens und vor Ausspruch der Kündigung bekannt gewesen. Das ergibt sich aus der eigenen Darstellung der Beklagten, der Kläger sei wegen des Vorfalls vom 5. Oktober 1977 zur Rede gestellt und wegen seiner abfallenden Leistungen in die Leistungsgruppe 3 herabgestuft worden. Das Landesarbeitsgericht hätte bei der Prüfung der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung diese Tatsachen nur verwerten dürfen, wenn es sich bei den nachgeschobenen Gründen nur um eine Erläuterung der bereits mitgeteilten Kündigungsgründe handeln würde.
b) Insoweit hat das Landesarbeitsgericht zwar an sich zutreffend ausgeführt, Tatsachen, die nur der Substantiierung der dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe dienten, könnten jederzeit im Kündigungsschutzprozeß nachgeschoben werden. Die daraus im Streitfall gezogenen Folgerungen sind aber unzutreffend.
Bei der für die Praxis besonders bedeutsamen Unterscheidung zwischen der Erläuterung der mitgeteilten Gründe und dem Nachschieben von weiteren kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen ist nicht allein auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles abzustellen und eine Billigkeits- oder Zweckmäßigkeitsentscheidung zu treffen, die ausschließlich dem Beurteilungsspielraum des Tatsachenrichters unterliegt (a.A.: Gamillscheg, aaO, S. 121 bis 122). Für diese Abgrenzung gelten vielmehr, ausgehend vom Sinn und Zweck des § 102 BetrVG allgemeine Grundsätze, deren Einhaltung revisionsrechtlich nachprüfbar ist. Nach § 102 BetrVG soll der Arbeitgeber dem Betriebsrat die maßgebenden Tatsachen, die zu seinem Kündigungsentschluß geführt haben, so mitteilen, daß dieser sich ohne zusätzliche eigene Nachforschungen ein eigenes Bild über die Begründetheit der Kündigung machen kann (vgl. Hueck, KSchG, aaO, Einl. Rz. 102 b). Nach der Rechtsprechung des Senats reichen deswegen nur pauschale, schlagwort- oder stichwortartige Bezeichnungen des Kündigungsgrundes für eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG nicht aus (Urteile vom 13.7. und 28.9.1978, AP Nr. 17, 18 und 19 zu § 102 BetrVG 1972; die Entscheidungen sind auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Andererseits bedarf der Vortrag des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren wegen des Überblicks, den der Betriebsrat regelmäßig über die betrieblichen Verhältnisse haben wird, nicht derselben Substantiierung wie im Kündigungsschutzprozeß. Die Darlegungspflicht des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß geht deshalb in der Regel erheblich weiter als die Informationspflicht gegenüber dem Betriebsrat. Aus diesem Grunde ist es dem Arbeitgeber erlaubt, und oft auf einen Hinweis nach § 139 ZPO geboten, seinen Tatsachenvortrag zu den Kündigungsgründen im Kündigungsschutzprozeß weiter zu substantiieren (vgl. KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz 71). Durch einen ergänzenden Vortrag im Prozeß darf aber das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats nach § 102 BetrVG nicht verkürzt werden. Dies bedeutet, daß die Erläuterungen zu den dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründen weder zusätzliche Kündigungsgründe noch Vorwürfe oder Tatsachen enthalten dürfen, die den bisherigen Vortrag erst zu einem kündigungsrechtlich relevanten Grund machen oder dem Kündigungsgrund erheblich mehr Gewicht verleihen.
Diese im Ausgangspunkt systematisch eindeutige, aber im Einzelfall von den konkreten Umständen abhängige Grenze zwischen der Substantiierung und dem unzulässigen Nachschieben von Kündigungsgründen wird an folgendem Beispiel deutlich: Nennt der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat als Kündigungsgrund, der Arbeitnehmer habe unentschuldigt an zwei Tagen gefehlt und ergänzt er diesen Vorwurf im Kündigungsschutzprozeß durch die Angabe der Daten der Fehltage, dann handelt es sich um die nähere zeitliche Konkretisierung des angegebenen Kündigungsgrundes. Trägt dagegen der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozeß vor, der Arbeitnehmer habe an sieben Montagen hintereinander ohne Entschuldigung gefehlt, dann wird der ursprüngliche Kündigungssachverhalt hierdurch unzulässig wesentlich erweitert, indem der bisherige Kündigungsgrund die Bedeutung einer beharrlichen Pflichtverletzung erhält. Dagegen überzeugt das von Etzel (KR, § 102 BetrVG Rz 71) zur Abgrenzung zwischen der zulässigen Erläuterung und dem unzulässigen Nachschieben von Gründen angeführte Beispiel nur, wenn die unberechtigte Mitnahme von 10 kg Butter aus besonderen Gründen nicht als Kündigungsgrund in Betracht kommt. Nur unter dieser Voraussetzung ist der ergänzende Vortrag des Arbeitgebers im Prozeß, der Arbeitnehmer habe „sogar 12 kg Butter mitgenommen”, in der Tat ein Nachschieben von Gründen.
c) Das Landesarbeitsgericht hat diese Grenze zwischen Substantiierung und Darlegung neuer Kündigungsgründe bzw. der Erweiterung des Kündigungssachverhaltes nicht richtig gezogen. Das ergibt sich bereits aus seinem vorangestellten Grundsatz, der Arbeitgeber sei nicht gehindert, im Kündigungsschutzprozeß aufzuzeigen, „auch unter Darstellung früherer Vorfälle”, daß das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers durch weitere Vorgänge ein besonderes Gewicht erhalte. Diese früheren Vorfälle „und weiteren Vorgänge” sind eigene Kündigungsgründe oder wesentliche Erweiterungen des Kündigungssachverhaltes, wenn das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers gerade hierdurch ein besonderes Gewicht erhält. Derartige Vorgänge hätten dem Betriebsrat bei einer objektiven Bestimmung der „wesentlichen Gründe” (die der Arbeitgeber nachträglich im Prozeß vornimmt) mitgeteilt werden müssen, damit dieser sich ein richtiges Bild über die Berechtigung der beabsichtigten Kündigung hätte machen können.
aa) Eindeutig um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen handelt es sich bei der Behauptung der Beklagten im Kündigungsschutzprozeß, der Kläger habe seine Arbeitsleistungen zurückgehalten, zu langsam gearbeitet, sei deswegen in eine niedrigere Gruppe herabgestuft worden und habe in einer Betriebsversammlung Stimmung gegen die Beklagte gemacht. Auf der Berücksichtigung dieser weiteren Kündigungsgründe beruht das Urteil des Landesarbeitsgerichts allerdings nicht, weil es diese nachgeschobenen Kündigungsgründe deswegen nicht dem Kläger angelastet hat, weil die Beklagte den Kläger nicht abgemahnt habe.
bb) Anders liegt es dagegen bei dem weiteren nachgeschobenen Vorwurf, der Kläger habe bereits am 5. Oktober 1977 eine Privatarbeit verrichtet und sich bei der deswegen erfolgten Abmahnung so uneinsichtig gezeigt, daß die Beklagte nicht erwarten konnte, der Kläger werde sich auf eine erneute Abmahnung in Zukunft vertragstreu verhalten. Diesen Sachverhalt hat das Landesarbeitsgericht zwar nicht ausdrücklich als selbständigen Kündigungsgrund gewertet, wohl aber unzulässigerweise entscheidend bei der Würdigung der Privatarbeit des Klägers am 7. November 1977 und der von der Beklagten beanstandeten Privatgespräche während der Arbeitszeit zulasten des Klägers verwertet. Die Privatarbeit vom 7. November 1977 hat das Landesarbeitsgericht nur deswegen für schwerwiegend gehalten, weil der Kläger bereits am 5. Oktober 1977 wegen einer beabsichtigten Privatarbeit abgemahnt worden sei. Aus diesem Grunde hat die Beklagte nach der Meinung des Landesarbeitsgerichts von einer nochmaligen Abmahnung absehen können. Bei dem Rückgriff auf den Vorfall im Oktober 1977 geht es damit um mehr als um eine Substantiierung der dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe. Ohne die dem Kläger angelastete erfolglose Abmahnung am 5. Oktober 1977 wäre die Privatarbeit des Klägers am 7. November 1977 nicht geeignet gewesen, der Beklagten einen verhaltensbedingten Grund zur Kündigung zu geben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 29.7.1976, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; vgl. auch KR-Becker, § 1 KSchG Rz 234) ist bei einer Störung im Leistungsbereich, um die es im vorliegenden Falle geht, in der Regel eine vorherige Abmahnung wegen des beanstandeten Verhaltens erforderlich. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer ein Fehlverhalten nicht erkannt hat oder die Duldung durch den Arbeitgeber für möglich halten konnte. Im vorliegenden Falle war diese Erwartung des Klägers an sich berechtigt, weil nach der eigenen Einlassung der Beklagten in ihrem Betrieb zu jeder Zeit in größerem Umfang Privatarbeiten während der Arbeitszeit mit Billigung der Geschäftsleitung ausgeführt werden durften. Wie die Beklagte selbst einräumt, wäre dem Kläger bei vorheriger Anfrage die beanstandete Privatarbeit auch genehmigt worden, weil der Kläger einem langjährigen Mitarbeiter helfen wollte. Bei einer entsprechenden Bitte des Klägers wäre es zudem nach dem Vortrag der Beklagten „möglicherweise gar nicht zu dem vorliegenden Verfahren gekommen” (vgl. Schriftsatz vom 17.1. 1978, S. 8). Bei dieser Sachlage scheidet die Privatarbeit des Klägers am 7. November 1977 ohne vorherige Abmahnung als Kündigungsgrund aus und daran fehlt es, weil der nachgeschobene Vorfall vom 5. Oktober 1977 nicht verwertet werden darf.
cc) Dieser Rechtsfehler hat sich auch auf die Würdigung des weiteren Vorwurfes der Beklagten ausgewirkt, der Kläger habe häufig Privatgespräche während der Arbeitszeit geführt. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit bei der Prüfung, ob das Verhalten des Klägers eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, zutreffend ausgeführt, der Kläger sei zwar mehrfach auf die Unzulässigkeit seiner privaten Unterhaltungen während der Arbeitszeit hingewiesen worden. Vor einer fristlosen Kündigung sei aber ein deutlicher Hinweis auf arbeitsrechtliche Konsequenzen erforderlich gewesen. Dieser richtige Vorbehalt ist vom Landesarbeitsgericht zu Unrecht bei der Prüfung, ob das Verhalten des Klägers ein verhaltensbedingter Grund i. S. des § 1 KSchG ist, wieder aufgegeben worden, weil es diesen Kündigungsgrund unzulässig in Verbindung mit der Reaktion des Klägers auf die im Oktober 1977 erfolgte Abmahnung gebracht hat. Nur aus diesem Grunde hat das Landesarbeitsgericht den Kläger als „uneinsichtig” bezeichnet und für die ordentliche Kündigung die erfolgten „Abmahnungen” für ausreichend erachtet. Wie die Revision durchgreifend rügt, kann für die erforderliche Abmahnung vor der ordentlichen Kündigung nichts anderes gelten als für die Würdigung der verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung. Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht erfordert die Warn- und Ankündigungsfunktion der Abmahnung wegen einer Störung im Leistungsbereich zwar nicht die Androhung einer Kündigung. Eine ausreichende Abmahnung liegt aber nur dann vor, wenn der Arbeitgeber das Verhalten des Arbeitnehmers vor einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise beanstandet und damit den Hinweis verbindet, daß im Wiederholungsfalle der Bestand oder der Inhalt des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist (BAG v. 18.1.1980, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; KR-Becker, § 1 KSchG Rz 234 und KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rz 96 bis 97). Wie das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 626 BGB überzeugend ausgeführt hat, ließen die Hinweise und Vorhaltungen, die dem Kläger wegen seiner Privatgespräche gemacht worden sind, nicht deutlich genug erkennen, daß die Beklagte das Verhalten des Klägers künftig nicht mehr ohne Konsequenzen hinnehmen wollte. Nach der Aussage des Zeugen F, auf die das Landesarbeitsgericht insoweit abgestellt hat, ist der Kläger von dem ihm vorgesetzten Meister nur wiederholt darauf angesprochen worden, „es sei nicht zulässig, in dieser Häufigkeit Privatgespräche während der Arbeitszeit zu führen”. Diese allgemeinen Vorhaltungen erfüllten nicht die Voraussetzungen einer deutlichen und eindringlichen Abmahnung. Wenn Privatgespräche im „üblichen Rahmen” im Betrieb der Beklagten geduldet wurden und auch andere Arbeitnehmer nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wegen Überschreitung dieses Rahmens gerügt werden mußten, war eine eindeutige und ernsthafte Abmahnung des Klägers auch nicht deshalb entbehrlich, weil er die Privatgespräche in der Schlußverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht damit zu entschuldigen versucht hat, er habe schließlich die ihn ansprechenden Mitarbeiter nicht einfach wegschicken können. Diese erst nach Ausspruch der Kündigung vom Kläger gemachte Äußerung ist auch bei Berücksichtigung der verwertbaren früheren Umstände kein ausreichendes Anzeichen, das die spätere Erkenntnis rechtfertigen könnte, der Kläger sei endgültig nicht bereit gewesen, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen und das beanstandete Verhalten abzustellen (vgl. zur beschränkten Berücksichtigung von Tatsachen, die erst nach der Kündigung eingetreten sind: BAG v. 15.12.1955, BAG 2, 245 (257) = AP Nr. 1 zu § 67 HGB und vom 28.10.1971, AP Nr. 62 zu § 626 BGB (zu II 2 c der Gründe); vgl. ferner KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rz 127). Nur weil es auch den Vorfall vom Oktober 1977 mit berücksichtigt hat, konnte das Landesarbeitsgericht annehmen, aus der Einlassung des Klägers im Prozeß folge im Zusammenhang mit „dem Ergebnis” der Beweisaufnahme daß die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung mit Recht davon habe ausgehen können, der Kläger werde auch künftig seine Arbeit immer wieder unterbrechen, wenn er das für richtig halte. Diese Annahme ist nach dem verwertbaren Sachverhalt nicht hinreichend begründet. Seine spätere Berufung auf seine Aufgaben als Vertrauensmann seiner Gewerkschaft besagt allein noch nichts darüber, ob er sein beanstandetes Verhalten auch dann fortgesetzt hätte, wenn die Beklagte ihm unmißverständlich klargemacht hätte, sie sei auch bei ihm als Vertrauensmann seiner Gewerkschaft nicht bereit, Privatgespräche über das „übliche Maß” hinaus ohne Konsequenzen hinzunehmen.
5. Die bezeichneten Rechtsfehler machen eine Aufhebung des angefochtenen Urteils erforderlich, weil sie der Annahme des Landesarbeitsgerichts, die ordentliche Kündigung sei durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt, die wesentliche Grundlage entziehen. Der verwertbare, vom Landesarbeitsgericht festgestellte oder unstreitige Kündigungssachverhalt ermöglicht dem Senat eine eigene abschließende ersetzende Entscheidung über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung zugunsten des Klägers.
a) Die von der Beklagten unzulässig nachgeschobenen Kündigungsgründe (mangelhafte Arbeitsleistung, Privatarbeit im Oktober 1977) scheiden bei der Prüfung nach § 1 KSchG ebenso aus wie das Austeilen der Gewerkschaftszeitung am 7. November 1977, das vom Landesarbeitsgericht aufgrund bindender Feststellungen ohne Rechtsfehler nicht als Pflichtverletzung des Klägers gewertet worden ist. Die Privatarbeit des Klägers am 7. November 1977 und seine häufigen Privatgespräche sind aus den bereits erörterten Gründen schon von vornherein wegen fehlender bzw. unzureichender Abmahnung nicht geeignet, verhaltensbedingte Gründe i. S. des § 1 KSchG zu bilden.
b) Nicht besonders behandelt hat das Landesarbeitsgericht die dem Kläger vorgeworfenen und auch dem Betriebsrat mitgeteilten zwei angeblich unrichtigen Beratungen von Mitarbeitern. Auch insoweit ist jedoch keine weitere Aufklärung des Sachverhaltes und zu diesem Zwecke eine Zurückverweisung des Rechtsstreits erforderlich. Schon das Arbeitsgericht hat diesen Kündigungsgrund zutreffend deswegen für unerheblich erachtet, weil die Beklagte, wenn ihre Vorwürfe berechtigt sein sollten, diese Pflichtverletzungen des Klägers bereits im September 1977 mit einer Verwarnung geahndet hat, die mit der Androhung einer Kündigung für den Fall eines weiteren ähnlichen Vorganges verbunden wurde. Da die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht dargelegt hat, der Kläger habe nach der Verwarnung weitere unrichtige Beratungen durchgeführt, könnte sie auf diese früheren Vorfälle, die sie seinerzeit nicht zum Anlaß für eine Kündigung genommen hat, nur zur Unterstützung anderer an sich geeigneter Kündigungsgründe zurückgreifen (vgl. BAG v. 21.2.1957, AP Nr. 22 zu § 1 KSchG; MünchKomm.-Schwerdtner, § 626 BGB RdNr. 53; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rz 188). Da solche Gründe fehlen, ist auch die von der Beklagten vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung unwirksam. Das konnte der Senat feststellen, ohne eine Interessenabwägung vornehmen und den grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltenen Beurteilungsspielraum ausüben zu müssen.
III. Im Revisionsverfahren war auch über die von der Beklagten in den Vorinstanzen ausdrücklich hilfsweise begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu entscheiden. Auch wegen dieses Hilfsantrages konnte der Senat über die Berufung der Beklagten eine abschließende Entscheidung treffen, weil der Vortrag der Beklagten nicht die Voraussetzungen erfüllt, die an einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers zu stellen sind, so daß es insoweit auf den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht ankommt.
1. Da das Landesarbeitsgericht schon dem Hauptantrag der Beklagten auf Abweisung der gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung gerichteten Klage stattgegeben hat, ist es – bei seiner Würdigung folgerichtig – auf den Hilfsantrag nach § 9 KSchG nicht eingegangen. Dieser Antrag ist als echter Eventualantrag von der Beklagten nur für den Fall gestellt worden, daß sie mit ihrem auf Abweisung der Feststellungsklage gerichteten Hauptantrag keinen Erfolg hat (vgl. BAG v. 4.4.1957, AP Nr. 1 zu § 301 ZPO; KR-Becker, § 9 KSchG Rz 17; Hueck, KSchG, aaO, § 9 Rz. 12; allgem. zum echten Eventualantrag: Brox, Recht im Wandel, 1965, S. 121 (127); Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., S. 576 und Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 537 Rdnr. 5). In dem Stattgeben des Hauptantrages liegt allerdings keine Aberkennung des Hilfsantrages der Beklagten. Über ihren Antrag, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, ist vielmehr vom Landesarbeitsgericht nicht entschieden worden, und die Rechtshängigkeit eines noch nicht beschiedenen Hilfsantrages erlischt erst rückwirkend mit der Rechtskraft des Urteils, das nach dem Hauptantrag erkannt hat (so zutreffend: Brox, aaO; BGHZ 41, 38 (40 bis 41); a.A.:RGZ 77, 120 (124) und BGH LM Nr. 1 zu § 525 ZPO).
Nach der Rechtsprechung des RG und des BGH fällt dann, wenn in der Vorinstanz dem Hauptantrag stattgegeben worden ist, der Hilfsantrag auch ohne Anschlußrechtsmittel ohne weiteres in der Rechtsmittelinstanz an (vgl. RGZ 77, 120; 105, 236 (242); BGH LM Nr. 1 zu § 525 ZPO und BGHZ 41, 38). Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Auffassung, gegen die im Schrifttum zunehmend Bedenken erhoben werden, uneingeschränkt zu folgen ist (vgl. Brox, aaO, S. 133 ff.; Stein/Jonas/Grunsky, aaO und Rosenberg/Schwab, aaO, S. 848). Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BGH jedenfalls für den Fall an, daß zwischen dem Haupt- und dem Hilfsantrag ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht. Diese Voraussetzung trifft auch für den Hilfsantrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG zu, weil über die hilfsweise begehrte Auflösung, soweit nicht ein Rechtsmittel auf den Hilfsantrag beschränkt wird, nur gleichzeitig mit dem Antrag auf Abweisung der Kündigungsschutzklage zu entscheiden ist. Ein Teilurteil über die Kündigungsschutzklage und ein Schlußurteil über den Auflösungsantrag ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BAG v. 4.4.1957, AP Nr. 1 zu § 301 ZPO und KR-Becker, § 9 KSchG Rz 83).
Die Beklagte hat allerdings nicht ausdrücklich auch im Revisionsverfahren ihren Auflösungsantrag vorsorglich aufrecht erhalten, aber die im Revisionsverfahren gestellten Anträge der Parteien beziehen sich sachlich zugleich auch auf den Hilfsantrag der Beklagten. Der Kläger begehrt mit der Revision die Zurückweisung der Berufung der Beklagten, mit der sie hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat. Auch diesen Antrag hat die Beklagte aufgegriffen, indem sie beantragt hat, die Revision des Klägers zurückzuweisen, ohne den Vorbehalt anzubringen, auch bei einer Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung ihren Auflösungsantrag nicht weiter verfolgen zu wollen (vgl. RGZ 77, 120 (127)).
2. Auf Antrag des Arbeitgebers ist das Arbeitsverhältnis im Anschluß an eine unwirksame ordentliche Kündigung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur dann aufzulösen, wenn vom Arbeitgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit dem gekündigten Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Diese Voraussetzungen sind nach dem Vortrag der Beklagten und dem insoweit vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt nicht erfüllt.
a) An den Auflösungsantrag des Arbeitgebers sind strenge Anforderungen zu stellen, weil das KSchG ein „Bestandsschutz-” und kein „Abfindungsgesetz” ist und durch die Fassung des § 9 KSchG 1969 die Voraussetzungen, die für einen Antrag des Arbeitgebers vorliegen müßten, noch erheblich verschärft worden sind (vgl. Urteil des Senates v. 30.9.1976, EzA § 9 n. F. KSchG Nr. 3 mit im Grundsatz zust. Anm. v. Herschel; die Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Maßgebend für die auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellende Prüfung des Auflösungsantrages ist nicht die Vergangenheit, sondern die Vorausschau, ob künftig eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zu erwarten ist oder nicht. Wegen dieses Beurteilungsmaßstabes genügt ein Arbeitgeber seiner Darlegungslast noch nicht durch eine Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe. Sofern er sich nicht auf andere mit den Kündigungsgründen nicht im Zusammenhang stehende weitere Auflösungsgründe beruft, muß der Arbeitgeber zusätzliche greifbare Tatsachen dafür vortragen, weshalb der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht rechtfertigt, jedenfalls so beschaffen sein soll, daß er eine weitere Zusammenarbeit nicht erwarten läßt. Dabei dürfen nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die der darlegungspflichtige Arbeitgeber vorgetragen oder aufgegriffen hat. Das gilt auch für offenkundige Tatsachen, die vom Gericht nicht unter Verstoß gegen den Verhandlungsgrundsatz verwertet werden dürfen.
b) Die Beklagte hat im Berufungsverfahren – wie in der ersten Instanz – zur Begründung ihres Auflösungsantrages auf den Vortrag zu den Kündigungsgründen verwiesen und ergänzend nur ausgeführt, aufgrund der „gesamten Vorkommnisse” sei die Weiterbeschäftigung des Klägers für sie nicht tragbar. Er habe den Betriebsfrieden durch seine weit über die Funktionen eines Vertrauensmannes der IG-Metall hinausgehenden „Aktionen” während der Arbeitszeit empfindlich gestört. Gerade im Hinblick auf den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit auch mit dem Vertrauenskörper der IG-Metall könne ihr die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zugemutet werden.
Diese Begründung bezieht sich mit ausreichender Deutlichkeit nur auf die im Zusammenhang mit der Stellung des Klägers als Vertrauensmann seiner Gewerkschaft stehenden Kündigungsgründe, d. h. seine häufigen Gespräche während der Arbeitszeit, die behauptete unrichtige Beratung von Arbeitskollegen und das Verteilen der Gewerkschaftszeitung. Hinsichtlich der Privatarbeit im Oktober und November 1977 und der unzulässig nachgeschobenen Kündigungsgründe hat die Beklagte nicht dargelegt, weshalb diese Gründe gegen eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit sprechen sollen.
c) Wegen dieser Beschränkung der ausreichend gekennzeichneten Auflösungsgründe braucht der Senat nicht abschließend darüber zu entscheiden, ob nachgeschobene Kündigungsgründe, die wegen fehlender Unterrichtung des Betriebsrates bei der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung nicht verwertet werden dürfen, gleichwohl als Auflösungsgründe herangezogen werden können. Der Senat hält es jedoch bereits im Streitfall für angezeigt, gegen die Berücksichtigung der unzulässig nachgeschobenen Kündigungsgründe im Rahmen des § 9 KSchG Bedenken anzumelden. Bei einer Verwertung von unzulässig nachgeschobenen Kündigungsgründen als Gründe für die Auflösung müßte das dem Zweck des § 102 BetrVG widersprechende Ergebnis hingenommen werden, daß trotz objektiv unzureichender Unterrichtung des Betriebsrates der Arbeitnehmer – wenn auch gegen Zahlung einer Abfindung – seinen Arbeitsplatz aus Gründen verliert, zu denen der Betriebsrat nicht angehört worden ist. Der Senat erwägt aus diesem Grunde, das Verwertungsverbot für unzulässig nachgeschobene Kündigungsgründe nicht nur auf die Prüfung der Kündigung zu beschränken, sondern darüber hinaus auch auf den Auflösungsantrag zu erstrecken, soweit er auf denselben Sachverhalt wie die Kündigung gestützt wird und es sich um Tatsachen handelt, die dem Arbeitgeber bereits vor Ausspruch der Kündigung bekannt gewesen sind. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß der Senat in dem nicht veröffentlichten Urteil vom 7. November 1975 (2 AZR 406/74) ebenfalls aufgrund einer am Schutzzweck des Gesetzes ausgerichteten Würdigung entschieden hat, Kündigungsgründe, die nach dem Ablauf der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB ihre die Kündigung rechtfertigende Bedeutung verloren hätten, könnten auch nicht zu einer Herabsetzung der Höhe der Abfindung führen, weil sonst der Zweck der Ausschlußfrist beeinträchtigt werde.
3. Die danach als Auflösungsgründe verbleibenden Kündigungsgründe sind deswegen nicht geeignet, die ordentliche Kündigung zu rechtfertigen, weil es wegen der Gespräche des Klägers während der Arbeitszeit an der erforderlichen Abmahnung im Einzelfall fehlt, die behaupteten unrichtigen Beratungen durch den Kläger sich nach der Abmahnung nicht wiederholt haben und weil nicht erwiesen ist, ob der Kläger bei der Verteilung der Gewerkschaftszeitung die sonst von der Beklagten geduldete Zeit überschritten hat. Daraus folgt zugleich, daß ohne den vergeblichen Versuch, den Kläger eindringlich zur Erfüllung seiner Pflichten zu bewegen, noch kein ausreichender Anlaß für die Besorgnis der Beklagten besteht, der Kläger werde es künftig an der Bereitschaft zu einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit fehlen lassen. Bereits das Arbeitsgericht hat den Auflösungsantrag der Beklagten mit der einleuchtenden Begründung zurückgewiesen, es sei im Gegenteil zu erwarten, der Kläger werde nach Belehrung über Rechte und Pflichten aus seinem Arbeitsverhältnis um eine Vermeidung von Wiederholungen bemüht sein. Gegen diese Erwartung hat die Beklagte im Berufungsverfahren keine neuen durchgreifenden Bedenken geltend gemacht. Sie wird vielmehr durch die weitere Entwicklung bestätigt, weil der Kläger zu dem für die Vorausschau maßgeblichen Zeitpunkt bereits Mitglied des Betriebsrates geworden war. Dadurch haben sich von ihm angenommene Pflichtenkollisionen zwischen seiner Stellung als Vertrauensmann der IG-Metall und als Arbeitnehmer der Beklagten verringert, weil es nach seiner Wahl in den Betriebsrat insbesondere im Rahmen des § 80 BetrVG mit zu den Aufgaben des Klägers gehörte, Hinweise oder Beschwerden von Arbeitnehmern entgegen zu nehmen (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 13. Aufl., § 37 Rdnr. 17, 18). Die Wahl des Klägers in den Betriebsrat hat im übrigen seinen Schutz gegenüber einem Auflösungsantrag des Arbeitgebers insofern verbessert, als ein Verhalten des Klägers nach Beginn seines Betriebsratsamtes nur dann die Auflösung rechtfertigen könnte, wenn der neue Sachverhalt geeignet wäre, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB abzugeben (Urteil des Senates vom 7.12.1972, BAG 24, 468 = AP Nr. 1 zu § 9 KSchG 1969). Diese Einschränkung würde für die Erklärung des Klägers in der Schlußverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht von Bedeutung sein, wenn die Beklagte daraus einen Auflösungsgrund hergeleitet hätte, was jedoch ihrem Vortrag nicht zu entnehmen ist.
IV. Auf die Revision des Klägers war demgemäß das angefochtene Urteil in dem im Tenor bezeichneten Umfang aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts insgesamt zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO weil der Kläger teilweise unterlegen ist, indem seine Anschlußberufung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren folgt aus § 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 437463 |
BAGE, 309 |
NJW 1981, 2316 |