Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung eines Fünfjahresvertrages - § 624 BGB
Leitsatz (redaktionell)
§ 624 BGB ist nicht anwendbar auf Arbeitsverträge, die für die Dauer von zunächst fünf Jahren eingegangen sind und sich nur dann um weitere fünf Jahre verlängern, wenn sie nicht zuvor vom Arbeitnehmer mit einer angemessenen Kündigungsfrist - im Streitfall von einem Jahr - gekündigt werden können.
Eine derartige Vertragsgestaltung verstößt auch nicht gegen Art 12 GG (entgegen LArbG Hamm vom 22. April 1991, 19 Sa 409/90 = LAGE § 624 BGB Nr 1).
Orientierungssatz
Hinweise des Senats: "Bestätigung von BAG Urteil vom 1. Oktober 1970 - 2 AZR 542/69 - AP Nr 59 zu § 626 BGB
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 22.04.1991; Aktenzeichen 19 Sa 409/90) |
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 31.01.1990; Aktenzeichen 2 Ca 886/89) |
Tatbestand
Der Kläger ist ausgebildeter Einzelhandelskaufmann und trat 1972 in die Dienste der Beklagten; zuletzt leitete er deren Steuerberatungsbüro in B . Im Jahre 1983 stellten die Parteien ihre Rechtsbeziehungen auf eine neue vertragliche Grundlage, wobei in § 5 geregelt ist, daß der Vertrag für die Dauer von fünf Jahren, beginnend am 1. Juli 1983, abgeschlossen wird und sich danach jeweils um weitere fünf Jahre verlängert, falls er nicht von einem Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahre gekündigt wird. Am 30. September 1984 schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung, wonach unter der Voraussetzung, daß sich der Vertrag ab 1. Juli 1988 um weitere fünf Jahre verlängere, die Beklagte sich verpflichtete, den jetzigen und spätere Verträge nur noch aus wichtigem Grund, der zur fristlosen Kündigung berechtige, aufzukündigen.
Unter dem Datum des 15. September 1989 richtete der Kläger an die Beklagte ein Schreiben nachstehenden Wortlauts:
"Kündigung meines Arbeitsverhältnisses zum
31.12.1989
Sehr geehrter Herr H , sehr geehrter Herr
L ]
Auf Grund des Gesundheitszustandes meiner Eltern,
insbesondere des Pflegefalles meiner Mutter, bit-
te ich darum, mein Arbeitsverhältnis zum
31.12.1989 zu kündigen.
Ich hoffe, daß Sie für mein Anliegen Verständnis
zeigen und bin Ihnen dankbar, wenn Sie mir auf
dieser Ausfertigung den Termin bestätigen.
Für eine umgehende Zusendung innerhalb einer
Woche danke ich Ihnen im voraus. Außerdem möchte
ich mich an dieser Stelle für die langjährige Tä-
tigkeit in Ihrem Unternehmen bedanken.
Mit freundlichem Gruß
Wir sind damit einverstanden, daß die Tätigkeit
zum 31.12.1989 als beendet gilt.
.......... ...............
Datum Unterschrift"
In einem weiteren Schreiben vom 11. Oktober 1989 bat der Kläger die Beklagte um die Unterzeichnung eines von ihm gefertigten Aufhebungsvertragsentwurfs, zumindest um die schriftliche Erklärung, daß sie der Aufhebung des Arbeitsvertrages zum 31. Dezember 1989 zustimme. Anläßlich eines Gespräches der Parteien am 19. Oktober 1989 stellte sich heraus, daß der Kläger beabsichtigte, ab 1. Januar 1990 als Heimleiter und Buchhalter in die Dienste des erzbischöflichen Generalvikariats Paderborn zu treten. Bei dieser Gelegenheit erklärte der Geschäftsführer der Beklagten, man sei mit einer Vertragsaufhebung zum 31. Dezember 1989 nicht einverstanden.
Mit Schreiben seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom 31. Oktober 1989 ließ der Kläger eine außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1989 aussprechen, die mit Schreiben vom 12. Dezember 1989 vorsorglich wiederholt wurde. In diesem Zusammenhang hat der Kläger vorgetragen, die ihm angebotene neue Tätigkeit stelle eine außergewöhnliche berufliche Chance dar. Aufgrund dieses Umstandes liege ein wichtiger Grund für eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Die Beklagte habe ihn berufsfremd eingesetzt, da er weder Steuerberater noch Steuerbevollmächtigter sei. Wenn der Geschäftsführer der Beklagten ausscheide, der seine bisherige Tätigkeit nach außen verantworte, stehe er ohne Verantwortlichen und damit ohne Beruf da; die Fortsetzung dieses Zustandes sei ihm nicht zumutbar.
Der Kläger hat behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe bereits am 26. September 1989 alle Mitarbeiter darauf hingewiesen, er, der Kläger, werde zum 31. Dezember 1989 ausscheiden. Dementsprechend sei auch schon am 23. und 24. September 1989 in einer Regionalzeitung nach einem Steuerberater/Steuerbevollmächtigten - was insoweit unstreitig ist - annonciert worden. Mithin sei es zu einem Aufhebungsvertrag gekommen.
Nachdem der Kläger der Beklagten bis zum 31. März 1990 eine Auslauffrist eingeräumt und bis zu diesem Zeitpunkt bei ihr auch tatsächlich gearbeitet hat, beantragt er
festzustellen, daß das Dienstverhältnis der Par-
teien mit dem 31. März 1990 geendet habe.
Die Beklagte hat sich mit ihrem Klageabweisungsantrag darauf berufen, das Schreiben des Klägers vom 15. September 1989 sei weder als Kündigung zu verstehen, noch sei eine solche Kündigung vor Ablauf der zweiten Fünf-Jahres-Frist möglich gewesen. Ihr Geschäftsführer habe gegenüber den Mitarbeitern nur geäußert, der Kläger wünsche zum 31. Dezember 1989 auszuscheiden. Es sei unzutreffend, daß der Kläger berufsfremd eingesetzt worden sei; im übrigen beschäftige sie neben dem Geschäftsführer weitere Steuerberater, die dessen Funktion gegebenenfalls gegenüber dem Kläger weiterführen könnten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, zwar habe der Kläger mit Schreiben vom 15. September 1989 gekündigt, eine ordentliche Kündigung sei ihm jedoch vertraglich bis zum 30. Juni 1993 verwehrt. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Kündigung des Klägers vom 15. September 1989 vermochte das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 31. März 1990 aufzulösen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine anderslautende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Das Schreiben des Klägers vom 15. September 1989 enthalte eine einseitige Kündigungserklärung. Zwar sei auch davon die Rede, daß der Kläger darum bitte, das Arbeitsverhältnis zu kündigen und mit seinem Ausscheiden einverstanden zu sein, gleichwohl sei nach den Gesamtumständen und dem voranstehenden Text "Kündigung meines Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1989" davon auszugehen, der Kläger habe eine einseitig wirkende, unmittelbar gestaltende Willenserklärung abgeben wollen. Das Ersuchen um Einverständnis sei erkennbar darauf zurückzuführen, daß der Kläger sich der Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist bewußt gewesen sei. Der Auslegung des Schreibens als Kündigungserklärung stehe auch nicht entgegen, es gleichzeitig als konkludentes Vertragsangebot an die Beklagte anzusehen. Diese Kündigung habe das Vertragsverhältnis trotz der Klausel in § 5 des Arbeitsvertrages zum 31. März 1990 beendet, denn die vertragliche Verlängerungsabrede verstoße gegen § 624 BGB. Diese Bestimmung führe nach dem kündigungslosen Verstreichen der ersten vier Jahre zu einer weiteren Bindung von sechs Jahren, was es rechtfertige, den vorliegenden Vertrag an § 624 BGB zu messen. Mit Blick auf die Verfassungsgarantie der freien Wahl des Arbeitsplatzes in Art. 12 GG vertrage sich nur ein Verständnis des § 624 BGB, das dem übermäßig lang verpflichteten Arbeitnehmer eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit einräume. Das Unterlassen der ersten Kündigungsmöglichkeit führe zu einem Vertragsautomatismus, der auch ohne positiven Bindungswillen wirke. Aus Gründen der Erhaltung persönlicher Freiheit sei § 624 BGB dahin zu verstehen, daß der in Rede stehende Vertrag ab dem 1. Juli 1988 jederzeit nach Maßgabe des § 624 BGB kündbar gewesen sei. Das gelte auch in Ansehung des Umstandes, daß die Beklagte ihrerseits das Arbeitsverhältnis der Parteien nur noch habe aus wichtigem Grund kündigen können.
II. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung materiellen Rechts bei der Anwendung des § 624 BGB.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Zulässigkeit des klägerischen Antrages nicht erörtert. Ein Feststellungsinteresse für diesen Antrag ist jedoch gegeben, § 256 ZPO. Der Kläger erstrebt die Feststellung, daß das Dienstverhältnis der Parteien mit dem 31. März 1990 geendet habe, was die Beklagte bestreitet. Es geht dabei um den Bestand eines Rechtsverhältnisses, womit wegen der angeblich vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1990 nicht nur steuer- und sozialversicherungsrechtliche Fragen, sondern möglicherweise auch schadensersatzrechtliche Folgen verbunden sind. Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung kann daher dem Kläger nicht abgesprochen werden (ebenso Senatsurteil vom 20. Dezember 1990 - 2 AZR 412/90 - EzA § 53 BAT Nr. 1).
2. Nach der den Senat bindenden Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, daß der Kläger überhaupt im Schreiben vom 15. September 1989 eine Kündigung ausgesprochen hat. Die diesbezügliche Rüge der Revision ist nicht begründet.
a) Die Auslegung der nichttypischen Willenserklärung vom 15. September 1989 durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin nachprüfbar, ob die Auslegung mit den Denkgesetzen oder dem Wortlaut der Erklärung vereinbar ist, ob nicht anerkannte Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen ist (ständige Rechtsprechung seit BAGE 4, 360, 364 = AP Nr. 15 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu II der Gründe; BAGE 37, 267, 270 = AP Nr. 2 zu § 620 BGB Kündigungserklärung, zu I 1 der Gründe).
b) Einer solchen, im Umfang beschränkten Überprüfung hält die Auslegung der in Rede stehenden Erklärung durch das Landesarbeitsgericht stand. Das Landesarbeitsgericht hat auf der einen Seite berücksichtigt, daß nach dem Wortlaut der Kläger zwar darum bitte, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, ebenso wie er am Ende des Schreibens um ein Einverständnis der Beklagten mit dem Ausscheiden nachsuche; gleichwohl sei nach den gesamten Umständen davon auszugehen, daß der Kläger eine einseitig wirkende, gestaltende Willenserklärung abgegeben habe. Dies leitet das Landesarbeitsgericht aus der Überschrift "Kündigung meines Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1989" ebenso her, wie aus der Tatsache, daß im Text selbst das Wort "Kündigung" ein weiteres Mal gebraucht wird; außerdem bringe der Kläger den Dank für die langjährige Tätigkeit zum Ausdruck. Die Bitte um Einverständnis widerspreche einer einseitigen Kündigungserklärung deshalb nicht, weil der Kläger sich wohl der Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist bewußt gewesen sei.
Diese Auslegung erscheint in sich schlüssig, wenn sie auch nicht die allein zwingend mögliche ist. Fehler in der Auslegung in dem vorstehend gekennzeichneten Sinne macht jedenfalls die Revision nicht deutlich. Die Auslegung ist mit dem Wortlaut vereinbar, es wird auch nicht dargelegt, welche Auslegungsgrundsätze verletzt sein sollen oder welcher Auslegungsstoff vom Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen worden sei.
3. Es ist deshalb darüber zu entscheiden, ob diese Kündigung das Arbeitsverhältnis - wie der Kläger meint - zum 31. März 1990 aufgelöst hat.
In § 624 BGB ist geregelt, falls das Dienstverhältnis für die Lebenszeit einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen sei, könne es von dem Verpflichteten nach dem Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden.
a) Das Landesarbeitsgericht verkennt nicht, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Streitfall an sich nicht vorliegen. Es ist weder ein Vertrag für die Lebenszeit einer Person, noch für längere Zeit als fünf Jahre abgeschlossen. Die Klausel in § 5 des Arbeitsvertrages besagt, der Vertrag werde zunächst für die Dauer von fünf Jahren geschlossen. Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß mangels Aufkündigung der Vertrag sich um weitere fünf Jahre verlängert. Denn es liegt nicht etwa von vornherein eine verbindliche und unabänderliche Abrede für eine fünf Jahre überschreitende Vertragszeit vor (ebenso KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 624 BGB Rz 23). Von hier aus gesehen ist § 624 BGB im Streitfall nicht einschlägig (ebenso BAG Urteil vom 1. Oktober 1970 - 2 AZR 542/69 - AP Nr. 59 zu § 626 BGB, mit zustimmender Anmerkung von Hueck). Nach dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ging es darum, ob in einem ebenfalls auf weitere fünf Jahre abgeschlossenen Arbeitsverhältnis ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 626 BGB im Hinblick auf eine vom Arbeitnehmer erstrebte berufliche Veränderung bejaht werden konnte. Davon, daß ein ordentliches Kündigungsrecht aufgrund der gleichartigen Vertragsgestaltung ausgeschlossen sei, sind die dortigen Parteien ebenso wie das Bundesarbeitsgericht ausgegangen, und zwar zu Recht. Daß nämlich ein Arbeitsverhältnis unter Ausschluß der ordentlichen Kündigung auf fest bestimmte Zeit abgeschlossen werden kann, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz: § 620 BGB sieht eine ordentliche Kündigung nur vor, wenn die Dauer des Dienstverhältnisses nicht vertraglich festgelegt ist. Letzteres war hier jedoch der Fall, wobei außerdem eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit nach der Zusatzvereinbarung vom 30. September 1984 für den Arbeitgeber ausgeschlossen war, was für zulässig angesehen wird (vgl. Erman/Hanau, BGB, 8. Aufl., § 624 Rz 6; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 38 III 2, S. 165; Soergel/ Kraft, BGB, 11. Aufl., § 624 Rz 1). Dies sicherte dem Kläger also eine seitens des Arbeitgebers "unkündbare" Lebensstellung zu, während er selbst sich im gleichbleibenden Fünf-Jahres-Rhythmus durch Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis lösen konnte.
b) Diese Vertragsgestaltung ist nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht begründet seine abweichende Ansicht damit, wenn der Kläger die erste Kündigungsmöglichkeit zum 30. Juni 1988 versäume - nach dem Vertrag müsse er diese Kündigung spätestens am 30. Juni 1987 aussprechen -, so verlängere sich der Vertrag um weitere fünf Jahre, was ab 1. Juli 1987 zu einer sechsjährigen Bindung bis zum 30. Juni 1993 führe. Diese längere als fünfjährige Bindung verstoße gegen § 624 BGB und eröffne deshalb dem Kläger eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit.
aa) Dabei wird zunächst nicht berücksichtigt, daß - die Richtigkeit einer sechsjährigen Bindungswirkung unterstellt - dies nach § 624 Satz 1 BGB nicht "von Beginn an", wie das Landesarbeitsgericht meint, zu einer Kündigungsbefugnis des Arbeitnehmers führen würde, sondern daß der Verpflichtete erst nach Ablauf von fünf Jahren, d. h. hier ab 1. Juli 1992 (von der Hypothese des Landesarbeitsgerichts ausgehend) mit der Kündigungsfrist des § 624 Satz 2 BGB kündigen könnte. Auch wenn man der Ausgangsüberlegung des Landesarbeitsgerichts folgen würde, wäre die Klage daher abzuweisen, weil eine etwaige Kündigung des Klägers in dessen Schreiben vom 15. September 1989 das Arbeitsverhältnis nicht - wie von ihm erstrebt - zum 31. März 1990, sondern allenfalls zum 31. März 1993 (sechsmonatige Kündigungsfrist des § 624 Satz 2 BGB nach dem 1. Juli 1992) hätte auflösen können.
bb) Davon abgesehen erscheint es aber auch verfehlt, die vereinbarte Kündigungsfrist von einem Jahr bei Unterlassen einer Kündigung aus der zunächst vereinbarten Vertragszeit von fünf Jahren, die ausweislich der Verträge vom 30. Juni 1983/30. September 1984 vom 1. Juli 1983 bis 30. Juni 1988 dauert, willkürlich herauszunehmen und der sich anschließenden weiteren Fünf-Jahresvertragszeit hinzuzurechnen. Dies wird Wortlaut und Sinn des Vertrages nicht gerecht, was die Revision zu Recht rügt. Der Vertrag vom 30. Juni 1983 ermöglicht gerade eine Beendigung zum 30. Juni 1988 mit der Folge, daß die in Aussicht genommene fünfjährige und keine längere Bindung eintritt. Erst danach, also nach Ablauf der ersten fünfjährigen Vertragszeit, verlängert sich nach dem ausdrücklichen Willen der Parteien (§§ 133, 157 BGB) der Vertrag um weitere fünf Jahre. Die Bindungswirkung im letzten Jahre der ersten fünfjährigen Vertragszeit beruht also auf der ursprünglichen Parteiabsprache und würde im übrigen genau so (fort-)bestehen, wenn der Kläger von der Kündigungsmöglichkeit zum 30. Juni 1988 Gebrauch gemacht hätte. Das Unterlassen der Kündigung im ersten Vertragszeitraum ist also gar nicht ursächlich für die Bindungswirkung in der Zeit vom 1. Juli 1987 bis 30. Juni 1988. Auch deshalb kann sie nicht dem Verlängerungsabschnitt von weiteren fünf Jahren hinzugerechnet werden.
cc) Der Senat hält es auch für rechtlich unzutreffend, wenn das Landesarbeitsgericht mit Hinweis auf Sinn und Zweck des § 624 BGB meint, angesichts der im Vertrag bereits angelegten Verlängerungsmöglichkeit beruhe die Bindung des Arbeitnehmers auf einem Vertragsautomatismus (so auch Wolf, SAE 1972, 106, 107), so daß der Kläger ab dem 1. Juli 1988 jederzeit hätte kündigen können.
Die Vorschrift des § 624 BGB beruht auf der Erwägung, daß eine über eine gewisse Zeit hinausgehende dauernde Fesselung des Dienstverpflichteten aus sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Gründen unzulässig sei (Motive zum BGB, Bd. 2, S. 466), daß eine längere als fünfjährige Gebundenheit den Dienstverpflichteten übermäßig in der persönlichen Freiheit beschränke und dem Gange der modernen Entwicklung widerstrebe, die darauf gerichtet sei, die wirtschaftliche Freiheit des Dienstverpflichteten, des wirtschaftlich Schwachen zu erweitern (Protokolle Bd. 2, S. 300; Denkschrift zum BGB, S. 640; Stenographische Berichte über die Beratung des BGB im Reichstag, S. 737, 2812 ff.; zitiert nach RGZ 80, 277, 279).
Geht man nach dem Vorhergesagten davon aus, daß infolge der jeweils dem Kläger eingeräumten Kündigungsmöglichkeit in jedem Fünfjahresabschnitt nicht von vornherein eine längere Vertragszeit als fünf Jahre zwingend festgelegt war, so ist dem Gesetz Genüge getan. Wenn dessen Sinn und Zweck (vgl. bereits oben) zusammengefaßt darin besteht (vgl. auch Erman/Hanau, aaO, § 624 Rz 1; MünchKomm-Schwerdtner, BGB, 2. Aufl., § 624 Rz 1; Soergel/Kraft, aaO, § 624 Rz 1; Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., § 624 Rz 1), eine überlange Bindung des Dienstverpflichteten zu verhindern und mit dem eingeräumten Kündigungsrecht dem Schutz seiner persönlichen Freiheit zu dienen, so will das Gesetz diesen Schutz ersichtlich nur bei Verträgen auf Lebenszeit und solchen eingreifen lassen, die für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen sind. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung kann nicht mit Blick auf das Recht auf freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl gemäß Art. 12 Abs. 1 GG in Frage gestellt werden. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, der diesem Recht und dem auf Vertragsfreiheit (Art. 1, 2 GG) Rechnung zu tragen hat, ist bei bevorzugender Typisierung (zugunsten der Kündigungsmöglichkeit in Verträgen von mehr als fünfjähriger Dauer) weiter als bei benachteiligender Typisierung (BVerfGE 17, 1, 23 ff.; 44, 290, 295; von Mangold/ Klein/Starck, GG, 3. Aufl., Art. 3 Abs. 1 Rz 18). Das gilt auch dann, wenn sich durch die Bevorzugung dieses Personenkreises als Spiegelbild eine Benachteiligung der ausgegrenzten Gruppe - hier der Arbeitnehmer mit Zeitverträgen bis fünf Jahre Dauer - ergibt (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 5. Aufl., Art. 3 Rz 87). Dies hat das Bundesverfassungsgericht auch im Zusammenhang mit Art. 12 GG entschieden (Beschluß vom 7. Februar 1990 - 1 BvR 26/84 - AP Nr. 65 zu Art. 12 GG, zu C I 3 der Gründe, mit zust. Anm. von Canaris, unter I 3). Zwar steht den Arbeitsvertragsparteien auf der Grundlage der Privatautonomie zu, über ihre grundrechtlich geschützten Positionen ohne staatlichen Zwang zu verfügen; die Privatautonomie besteht aber nur im Rahmen der geltenden Gesetze - hier § 624 BGB -, die ihrerseits an die Grundrechte gebunden sind. Insofern hat der BGB-Gesetzgeber dem Umfang des Schutzbereichs aus Art. 12 GG mit der Einführung eines Kündigungsrechts des Arbeitnehmers bei über fünf Jahre hinausgehenden Dauerverträgen zulässigerweise eine Grenze gezogen. Er hatte dabei zu berücksichtigen, daß ein noch weitergehender Eingriff in die Privatautonomie, etwa in Form der Einräumung eines Kündigungsrechts unterhalb der Fünfjahresgrenze gleichzeitig wieder einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung des Unternehmers bedeutet hätte. Deshalb ist diese wertende Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen, zumal das vom Bundesverfassungsgericht in dem von ihm entschiedenen Fall bestehende Kräfteungleichgewicht hier nicht einmal vorliegt; jedenfalls hat der Kläger selbst sich auf eine derartige ungleiche Situation nicht berufen.
Einer möglichen Einschränkung der genannten Grundrechte haben auch die Streitparteien Rechnung getragen, indem sie im Arbeitsvertrag zum Ende des Fünfjahreszeitraumes ein dem Arbeitnehmer zustehendes Kündigungsrecht verankert haben, das es dem Kläger immerhin gestattete, alle fünf Jahre aus dem Vertrag "auszusteigen" (vgl. MünchKomm-Schwerdtner, aaO, § 624 Rz 13). Die dabei von den Parteien gewählte einjährige Kündigungsfrist zum Ablauf des Fünfjahresvertrages erscheint nicht unangemessen (vgl. dazu KR-Hillebrecht, aaO, § 624 BGB Rz 24). Sie diente beiden Parteien dazu, innerhalb eines überschaubaren, für eine Büroleiterfunktion aber auch notwendigen Zeitraumes eine berufliche Veränderung (auf Seiten des Arbeitnehmers) bzw. die Nachfolge des Ausscheidenden (auf Seiten des Arbeitgebers) vorzubereiten. Ob in Fällen, in denen eine noch längere Kündigungsfrist vereinbart wird, der Schutzzweck des § 624 BGB (vgl. dazu oben II 3 b cc) unterlaufen wird, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Der Kläger hat auch selbst nicht geltend gemacht, die von ihm einzuhaltende Kündigungsfrist von einem Jahr sei zu lang. Die in Rede stehenden Grundrechte erscheinen daher noch gewahrt, wenn der Kläger alle fünf Jahre unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist von ihnen Gebrauch machen kann. Dabei ist nicht zuletzt zu berücksichtigen, daß eben dieselbe Vertragsfreiheit, die nun für eine Loslösung vom Vertrag angeführt wird, es dem Kläger ermöglichte, den vorliegenden Vertrag überhaupt und in dieser Form abzuschließen. In Wirklichkeit geht es daher darum, den Grundsatz der Vertragstreue verbunden mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit für beide Parteien hintanzustellen, wenn die vorliegende Vertragsform, obwohl sie sich einer im Gesetz zugelassenen Form (§ 620 BGB) bedient, entgegen der in § 624 BGB zum Ausdruck kommenden Wertung als unzulässig angesehen wird. Sie ist daher nicht zu beanstanden (ebenso Ermann/Hanau, aaO, § 624 Rz 4, 5; Herschel, Anm. AR-Blattei - D - Kündigung VIII Nr. 27; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts I, S. 567; KR-Hillebrecht, aaO, § 624 BGB Rz 23; MünchKomm-Schwerdtner, aaO, § 624 Rz 7, 12; Palandt/ Putzo, BGB, 51. Aufl., § 624 Rz 4, 5; Rohlfing/Rewolle/ Bader, KSchG, Anh. 1 BGB, § 624 Anm. 1; Staudinger/Neumann, aaO, § 624 Rz 9). Das hat zur Folge, daß der Kläger, nachdem er die Kündigungsmöglichkeit in den ersten fünf Jahren des Arbeitsverhältnisses ungenutzt hat verstreichen lassen, bis zum 30. Juni 1993 an den Vertrag gebunden war und ihn nicht vorzeitig wirksam aufkündigen konnte.
4. Andere Beendigungsgründe, wie sie der Kläger in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat, nämlich durch Aufhebungsvertrag und außerordentliche Kündigung vom 31. Oktober bzw. 12. Dezember 1989 liegen nach den überzeugenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, die nicht mit einer Gegenrüge vom Kläger angegriffen worden sind und auch keinen Rechtsfehler erkennen lassen, nicht vor.
Triebfürst Dr. Rost Bitter
Dr. Roeckl Walter
Fundstellen
Haufe-Index 437826 |
BAGE 69, 171-180 (LT1) |
BAGE, 171 |
BB 1992, 639 |
BB 1992, 639-640 (LT1) |
DB 1992, 949-951 (LT1) |
DStR 1992, 624-624 (T) |
BuW 1992, 272 (K) |
EBE/BAG 1992, 50-52 (LT1) |
ARST 1992, 81-84 (LT1) |
NZA 1992, 543 |
NZA 1992, 543-545 (LT1) |
RdA 1992, 160 |
RzK, I 3a 7 (LT1) |
ZAP, EN-Nr 832/92 (S) |
AP § 624 BGB (LT1), Nr 2 |
AR-Blattei, ES 220.8 Nr 99 (LT1) |
EzA § 624 BGB, Nr 1 (LT1) |
MDR 1992, 684 (LT1) |