Entscheidungsstichwort (Thema)
Funktionsnachfolge in der öffentlichen Verwaltung
Leitsatz (redaktionell)
Die Übertragung von Verwaltungsaufgaben einer Behörde oder Dienststelle wegen Auflösung derselben auf eine andere Behörde oder Dienststelle bewirkt ohne besondere normative Regelung keinen Übergang von Arbeitsverhältnissen von einem Träger öffentlicher Verwaltung auf einen anderen.
Orientierungssatz
1. Auslegung
a. Thüringer Gesetz über den Übergang von Rundfunkvermögen auf den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) vom 18. Dezember 1991 (ThürGVBl S 665) § 1,
b. Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) vom 30. Mai 1991 (ThürGVBl 1991 S 119) §§ 1, 43.
Normenkette
BGB § 613a; EinigVtr Art. 13, 36; GG Art. 5 Abs. 1 S. 2; EinigVtr Anlage I Kap. XIX A III Nr. 1 A; AGB DDR § 38 Abs. 1 Fassung: 1977-06-16
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin ungekündigt auf den Beklagten übergegangen ist.
Die im Jahre 1950 geborene Klägerin war seit dem 1. September 1973 beim Deutschen Fernsehfunk und seit dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 bei der Einrichtung gemäß Art. 36 Einigungsvertrag (EV) als Regisseurin/Redakteurin beschäftigt. Sie war beim Landessender Thüringen, Studio , eingesetzt.
Art. 36 Abs. 6 des Einigungsvertrages lautet:
"Innerhalb des in Absatz 1 genannten Zeitraums
ist die Einrichtung nach Maßgabe der föderalen
Struktur des Rundfunks durch gemeinsamen Staats-
vertrag der in Artikel 1 genannten Länder aufzu-
lösen oder in Anstalten des öffentlichen Rechts
einzelner oder mehrerer Länder überzuführen.
Kommt ein Staatsvertrag nach Satz 1 bis zum
31. Dezember 1991 nicht zustande, so ist die Ein-
richtung mit Ablauf dieser Frist aufgelöst. Zu
diesem Zeitpunkt bestehendes Aktiv- und Passiv-
vermögen geht auf die in Artikel 1 genannten Län-
der in Anteilen über. Die Höhe der Anteile bemißt
sich nach dem Verhältnis des Rundfunkgebührenauf-
kommens nach dem Stand vom 30. Juni 1991 in dem
in Artikel 3 genannten Gebiet. Die Pflicht der
Länder zur Fortführung der Rundfunkversorgung in
dem in Artikel 3 genannten Gebiet bleibt hiervon
unberührt."
Der Beklagte wurde durch Staatsvertrag der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom 30. Mai 1991 zum 1. Juli 1991 als gemeinnützige rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet (§ 1 Abs. 1 des Staatsvertrages - GVBl. Thüringen 1991, 119). § 43 des Staatsvertrages bestimmt den 1. Januar 1992 zum Termin des Sendebeginns des Beklagten.
Der Rundfunkbeauftragte der Einrichtung gemäß Art. 36 EV kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 29. September 1991 zum 31. Dezember 1991 wegen ersatzloser Auflösung der Einrichtung zum 31. Dezember 1991. Neben der Klägerin wurde sämtlichen festangestellten Mitarbeitern zum selben Termin gekündigt.
Am 18. Dezember 1991 beschloß der Thüringer Landtag das Gesetz über den Übergang von Rundfunkvermögen auf den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR-GVBl. Thüringen 1991, 665), das am 1. Januar 1992 in Kraft trat und folgenden Wortlaut hat:
"§ 1
Der nach Artikel 36 Abs. 6 des Vertrags zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen
Demokratischen Republik über die Herstellung der
Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom
31. August 1990 in Verbindung mit Artikel 1 des
Gesetzes vom 23. September 1990 - Einigungsver-
tragsgesetz - (BGBl. II S. 885) dem Land Thürin-
gen zustehende Anteil an dem Aktiv- und Passiv-
vermögen der in Artikel 36 Abs. 1 Satz 1 des Ei-
nigungsvertrags genannten Einrichtung geht, ein-
schließlich des Anteils an der Studiotechnik,
kraft Gesetzes vom Land Thüringen auf den Mittel-
deutschen Rundfunk über, sobald das Land Thürin-
gen über diesen Anteil verfügen kann. Davon aus-
genommen sind die Anteile an den in Artikel 36
Abs. 1 Satz 3 des Einigungsvertrags genannten
Liegenschaften sowie die sich eventuell aus ar-
beitsgerichtlichen Verfahren ergebenden anteils-
mäßigen Verpflichtungen.
..."
Die Klägerin hat gegen die Einrichtung gemäß Art. 36 EV Kündigungsschutzklage erhoben und mit Klagerweiterung vom 29. November 1992 den Übergang des ungekündigten Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten geltend gemacht.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei in die Rechte und Pflichten aus dem mit der Einrichtung gemäß Art. 36 EV bestehenden Arbeitsverhältnis eingetreten. Der Beklagte habe den Betrieb der Einrichtung ab 1. Januar 1992 übernommen und fortgeführt. Die betrieblichen Mittel der Einrichtung gemäß Art. 36 EV seien auf den Beklagten übertragen worden. Der behauptete Kündigungsgrund liege nicht vor. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
Die Klägerin hat, soweit in der Revisionsinstanz noch erheblich, beantragt
1. festzustellen, daß zwischen den Parteien seit
dem 1. Januar 1992 ein Arbeitsverhältnis be-
steht,
2. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis
zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens zu
unveränderten Bedingungen als Regisseurin/-
Redakteurin weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei weder im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge noch einer Funktions- oder Betriebsnachfolge auf ihn übergegangen. Die Einrichtung gemäß Art. 36 EV sei kraft Gesetzes aufgelöst worden, weil ein gemeinsamer Staatsvertrag der in Art. 1 EV genannten Länder nicht zustande gekommen sei. Dem Übergang von Arbeitsverhältnissen stünden zudem verfassungsrechtliche Gründe entgegen. Das verfassungsrechtliche Gebot der Staatsunabhängigkeit des Rundfunks gestatte es den Ländern nicht, selbst Rundfunk zu betreiben. Deshalb dürften dem Beklagten keine Vorgaben hinsichtlich des zu beschäftigenden Personals gemacht werden.
Eine Funktionsnachfolge scheide aus. Sehe man die Funktion in der ununterbrochenen Rundfunkversorgung, werde die Funktion nicht erschöpfend erfaßt. Tatsächlich habe ein Funktionswechsel von einem Staatsrundfunk auf den Rundfunk als Medium und Faktor der grundrechtlich geschützen öffentlichen Meinungsbildung stattgefunden. Für einen Betriebsübergang fehle es am Rechtsgeschäft.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zum Beklagten festgestellt und die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache, weil über die Wirksamkeit der Kündigung und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum Beklagten aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht abschließend entschieden werden kann.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Einrichtung gemäß Art. 36 EV sei auf den Beklagten übergegangen. Der Landessender Thüringen als Teil der Einrichtung gemäß Art. 36 EV sei auf den Beklagten überführt worden. Hieraus folge der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Die rechtliche Auflösung der Einrichtung nach Art. 36 EV stehe der Überführung der Einrichtung des Landessenders im Sinne des Art. 13 EV nicht entgegen. Der Landessender sei eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit zur aufgabenbezogenen Eigensteuerung gewesen. Dieser Organisationseinheit sei das Arbeitsverhältnis der Klägerin zugeordnet gewesen. Diese Teileinrichtung sei auf den Beklagten als Anstalt des öffentlichen Rechts im Sinne von Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 und 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag überführt worden.
Die vom Rundfunkbeauftragten ausgesprochene Kündigung sei in entsprechender Anwendung von § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB rechtsunwirksam, weil sie wegen der Überführung des Landessenders auf den Beklagten ausgesprochen worden sei.
B. Dem Berufungsurteil kann nicht in allen Punkten gefolgt werden.
I. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin könnte gemäß Art. 13, 20 EV in Verbindung mit Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 und 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag kraft Überführung des Landessenders Thüringen auf den Beklagten übergegangen sein.
1. Gemäß Art. 13 Abs. 1 und 2 EV regelt die zuständige Landesregierung oder die zuständige oberste Bundesbehörde die Überführung oder Abwicklung der Verwaltungsorgane und sonstigen der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege dienenden Einrichtungen. Zu diesen Einrichtungen gehören u. a. auch solche der Wissenschaft und der Kultur, deren Rechtsträger die öffentliche Verwaltung ist (Art. 13 Abs. 3 EV). Soweit Einrichtungen ganz oder teilweise auf den Bund überführt werden, bestehen die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer zum Bund. Entsprechendes gilt bei Überführung auf bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie auf die in Art. 1 EV bezeichneten Länder einschließlich der diesen zuzuordnenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.
2.a) Die Überführung einer Einrichtung gemäß Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Diese Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BAG Urteil vom 3. September 1992 - 8 AZR 45/92 - BAGE 71, 147, 152 = AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu I 1 der Gründe; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 - 7 C 5/92 - ZIP 1992, 1275). Sie konnte formfrei ergehen, also auch konkludent verlautbart werden. Diese Überführungsentscheidung konnte eine Einrichtung als ganze oder als eine Teileinrichtung betreffen, die ihre Aufgabe selbständig erfüllen konnte (BAG Urteil vom 3. September 1992 - 8 AZR 45/92 -, aa0).
Eine überführungsfähige Teileinrichtung war gegeben, wenn sie ihre Aufgabe selbständig erfüllen konnte. Dies setzte eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung voraus. Die Organisationsentscheidung nach Art. 13 EV war weder personen- noch arbeitsplatzbezogen. Sie betraf funktionsfähige Organisationseinheiten, die vor dem 3. Oktober 1990 die Fähigkeit zu aufgabenbezogener Eigensteuerung und selbständiger Aufgabenerfüllung besaßen.
b) Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 - 8 AZR 169/92 - BAGE 72, 176 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag). Die Überführung erforderte eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit. Wurde die Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziele der Auflösung fortgeführt, lag hierin keine Überführung im Sinne von Art. 13 EV (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 - 8 AZR 169/92 -, aaO). Bedeutsam sind die Übernahme der Grundstücke, der Büro- und Diensträume, der Arbeitsmittel, der Arbeitsergebnisse, der Leitungsstrukturen sowie vorrangig der Aufgaben, die der alten Einrichtung das Gepräge gaben. Dies können in der Regel nur konkrete Aufgaben sein. Ob die jeweiligen Rechtsgrundlagen des Verwaltungshandelns der Einrichtung das Gepräge geben, ist im Einzelfall festzustellen.
c) Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gemäß Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV auf den neuen Träger öffentlicher Verwaltung übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(teil-)einrichtung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BAG Urteil vom 15. Oktober 1992 - 8 AZR 145/92 - BAGE 71, 243 = AP Nr. 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag; Urteil vom 28. Januar 1993 - 8 AZR 169/92 - BAGE 72, 176 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag).
3. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß diese allgemeinen Bestimmungen betreffend die Überführung von Einrichtungen der DDR-Verwaltung auch auf den Rundfunk der DDR und den Deutschen Fernsehfunk der DDR anwendbar sind. Dies folgt bereits aus Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EV, wonach zu den Einrichtungen, über deren Überführung gemäß Art. 13 Abs. 1 und 2 EV zu entscheiden ist, auch die Einrichtungen des Hörfunks und des Fernsehens gehören, sofern deren Rechtsträger die öffentliche Verwaltung ist. Hiervon hat Art. 36 EV den Rundfunk der DDR und den Deutschen Fernsehfunk nicht grundsätzlich ausgenommen, sondern insofern spezifische Sonderregeln geschaffen. Danach konnte die Einrichtung gemäß Art. 36 EV allein durch gemeinsamen Staatsvertrag der in Art. 1 des Einigungsvertrages genannten Länder aufgelöst oder in eine oder mehrere Anstalten des öffentlichen Rechts einzelner oder mehrerer Länder überführt werden. Für den Fall des (tatsächlich eingetretenen) Ausbleibens eines gemeinsamen Staatsvertrages aller Länder wird in Art. 36 Abs. 6 Satz 2 EV angeordnet, daß die Einrichtung mit Ablauf des 31. Dezember 1991 aufgelöst wird. Damit enthält Art. 36 Abs. 6 EV lediglich eine Regelung betreffend die Überführung der Einrichtung nach Art. 36 EV als Gesamtheit, aber nicht von Teileinrichtungen derselben im Sinne von Art. 13 Abs. 1 EV. Wäre es zur Überführung einer Teileinrichtung auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts, wie dem Beklagten, gekommen, hätte dies den Übergang der Arbeitsverhältnisse der in dieser Teileinrichtung beschäftigten Arbeitnehmer zur Folge gehabt. Im Hinblick auf die besondere Regelung in Art. 36 EV konnte die Überführung von Teileinrichtungen auch noch bis zum Jahreswechsel 1991/92 erfolgen. Hierin lag ein wesentlicher Sinn des zeitlichen Hinausschiebens der Neuregelung des Rundfunkwesens.
4. Die Rechtsfolge des Übergangs von Arbeitsverhältnissen infolge Überführung einer Teileinrichtung verletzt nicht Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Bereits die Einrichtung gemäß Art. 36 EV genoß Grundrechtsschutz nach dieser Bestimmung. Überführte eine neu errichtete Anstalt des öffentlichen Rechts Teile der früheren Einrichtung nach Art. 36 EV, berührte der damit verbundene Übergang von Arbeitsverhältnissen nicht ihre Rundfunkfreiheit, denn die den Übergang der Arbeitsverhältnisse auslösende Überführung wäre allein vom Willensentschluß der neu errichteten Anstalt abhängig gewesen.
5. Die tatsächlichen Voraussetzungen der Überführung einer Teileinrichtung "Landessender Thüringen" sind jedoch vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Die Überführung ergibt sich insbesondere nicht aus den Landesgesetzen betreffend den Mitteldeutschen Rundfunk. Vielmehr regeln diese allein den Übergang des Aktiv- und Passivvermögens der gemeinsamen Einrichtung nach Art. 36 EV. Die auf Auseinandersetzung des Vermögens der Einrichtung nach Art. 36 EV gerichteten Ansprüche der einzelnen Länder gaben diesen jedoch nicht die Berechtigung, die Übertragung eines bestimmten Landessenders zu verlangen.
Nach der wiedergegebenen Rechtsprechung des Senats könnte die Überführung zwar durch die tatsächliche Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit erfolgt sein, dazu müßte jedoch vom Landesarbeitsgericht zunächst anhand von Tatsachen festgestellt werden, daß der Landessender Thüringen die Voraussetzungen erfüllte, die an das Vorliegen einer Teileinrichtung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 EV zu stellen sind. Des weiteren müßte festgestellt werden, daß der Beklagte die Teileinrichtung unverändert fortführte oder sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln auf Dauer in seine Verwaltung eingliederte.
II. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin könnte unabhängig vom Vorliegen einer Überführung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 EV gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf den Beklagten übergegangen sein, wenn dieser kraft Rechtsgeschäfts einen Betrieb oder Betriebsteil, in dem die Klägerin beschäftigt wurde, übernommen hätte. Insofern kommen der Landessender Thüringen und das Studio als übernommener Betrieb bzw. Betriebsteil in Betracht.
1. Der Übergang von Arbeitsverhältnissen nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB würde nicht die Rundfunkfreiheit des Beklagten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird der arbeitsrechtliche Bestandsschutz durch die Freiheit des Rundfunks begrenzt, er begrenzt aber seinerseits auch die Rundfunkfreiheit (vgl. BVerfG Beschluß vom 28. Juni 1983 - 1 BvR 525/82 - BVerfGE 64, 256, 261). Die Einschränkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, die in der verfassungsrechtlich legitimierten Gewährung arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes liegt, muß geeignet und erforderlich sein, der sozialen Schutzbedürftigkeit der Mitarbeiter Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG Beschluß vom 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 u.a. - BVerfGE 59, 231, 265).
Im Falle des Betriebsübergangs überwiegt die soziale Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters am Erhalt des Arbeitsplatzes die Rundfunkfreiheit der Anstalten. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist ein besonders starker sozialer Eingriff, der eine Beschränkung der Rundfunkfreiheit erfordert. Deshalb gelten für den Rundfunkmitarbeiter grundsätzlich auch die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes, ohne daß sich die Rundfunkanstalten dagegen auf die Rundfunkfreiheit berufen können. Im übrigen sind programmgestaltend tätige Rundfunkmitarbeiter selbst Träger der Rundfunkfreiheit und genießen deshalb besonderen Schutz. So hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß programmgestaltend tätigen Rundfunkmitarbeitern der arbeitsrechtliche Bestandsschutz durch das Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflußnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung ihrer Mitarbeiter zu bestimmen, nicht generell versagt werden darf (BVerfGE 59, 231, 265). Zudem folgt der Übergang von Arbeitsverhältnissen im Falle des § 613 a BGB nicht aus einer Vorgabe eines Dritten, insbesondere nicht des Staates, sondern einer willentlichen Übernahme des Betriebes durch den Grundrechtsträger selbst.
2. Der Annahme eines Betriebsübergangs steht auch nicht entgegen, daß nach den bisherigen Feststellungen der Übergang des Betriebes oder Betriebsteils kraft Gesetzes erfolgt wäre. Wie bereits im Rahmen der Erörterung zur Überführung der Einrichtung ausgeführt, wurden durch die Landesgesetze betreffend die Errichtung des Beklagten und den Übergang von Rundfunkvermögen auf den Beklagten keine Betriebe, Betriebsteile oder Betriebsmittel auf den Beklagten übertragen. Vielmehr erwarb der Beklagte kraft Gesetzes die Ansprüche der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am gesamten Vermögen der Einrichtung nach Art. 36 EV mit Ausnahme der Liegenschaften und der Verbindlichkeiten aus arbeitsgerichtlichen Verfahren, nicht aber an einzelnen ihrer Betriebsmittel. Sollte der Beklagte, wie er in der Revisionsbegründung selbst vorträgt, durch eine Mehrzahl von Rechtsgeschäften mit Dritten in den Besitz der Betriebsmittel gelangt sein, stünde dies nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG Urteil vom 22. Mai 1985 - 5 AZR 173/84 - BAGE 48, 376 = AP Nr. 43 zu § 613 a BGB) der Annahme eines Betriebsübergangs nicht entgegen, denn Rechtsgeschäfte im Sinne von § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB können auch mehrere einzelne mit verschiedenen Verpächtern bzw. Vermietern oder Verkäufern geschlossene Verträge sein.
3. § 613 a BGB findet auf Einrichtungen des Rundfunks grundsätzlich Anwendung. Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Plenum) vom 15. Oktober 1996 (- Rs.C - 298/94 - EuZW 1996, 734) legt keine abweichende Auslegung von § 613 a BGB nahe. Der Gerichtshof hat zwar entschieden, daß die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen dahin auszulegen sei, daß der Begriff "Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen" nicht die Übertragung von Verwaltungsaufgaben im Rahmen der strukturellen Neuordnung der öffentlichen Verwaltung erfaßt. Unter Nr. 17 der Gründe hat der Gerichtshof jedoch deutlich gemacht, daß er unter Verwaltungsaufgaben jede "hoheitliche Tätigkeit" versteht. In der von der Einrichtung gemäß Art. 36 EV und dem Beklagten betriebenen Produktion und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen liegt aber keine hoheitliche Tätigkeit eines Trägers öffentlicher Verwaltung.
4. Die insofern notwendigen tatsächlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
III. Abweichend von der Auffassung des Berufungsgerichts folgt der Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf den Beklagten nicht aus einer verwaltungsrechtlichen Funktionsnachfolge. Die Übertragung von Verwaltungsaufgaben einer Behörde oder Dienststelle wegen Auflösung derselben auf eine andere Behörde oder Dienststelle bewirkt ohne besondere normative Regelung keinen Übergang von Arbeitsverhältnissen von einem Träger öffentlicher Verwaltung auf einen anderen. Sind der Träger der aufgelösten Behörde und der mit derselben Verwaltungsaufgabe neu betrauten Behörde verschiedene juristische Personen, bedarf der Übergang von Arbeitsverhältnissen einer besonderen gesetzlichen Regelung, sofern nicht die Voraussetzungen des § 613 a BGB vorliegen. Dies entspricht der westdeutschen Gesetzgebungspraxis und wird auch durch § 128 BRRG verdeutlicht, der für das Beamtenrecht den Erlaß besonderer, den Übergang von Beamtenverhältnissen anordnender Verwaltungsakte vorsieht (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 16. März 1994 - 8 AZR 576/92 - BAGE 76, 69 = AP Nr. 11 zu § 419 BGB Funktionsnachfolge, mit weiteren Nachweisen). Diese dem Rechtsschutz der Bediensteten in bewährter Weise dienenden Regelungen können nicht unter Berufung auf das Sozialstaatsprinzip nivelliert werden.
Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der auch die vom Berufungsgericht angezogene Entscheidung des Vierten Senats vom 13. Juli 1994 (- 4 AZR 699/93 - BAGE 77, 201 = AP Nr. 12 zu § 1 TVG-Tarifverträge: DDR) nicht abgewichen ist. Die angezogene Entscheidung betraf den nach dem Recht der DDR zu beurteilenden Fall einer durch Befehl des Ministers des Innern der DDR vom 5. März 1990 zum 1. Juli 1990 aufgelösten Dienststelle seines Geschäftsbereiches, deren Kräfte und Mittel dezentral einer anderen nachgeordneten Dienststelle unterstellt wurden. Nach dem Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland besteht das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nicht zur Behörde oder Dienststelle, sondern zu dem jeweiligen Träger öffentlicher Verwaltung. Löst dieser eine Behörde oder Dienststelle ersatzlos auf und verlagert deren Aufgaben auf eine andere Behörde oder Dienststelle, verändert dies nicht seine Arbeitgeberstellung. Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen sind vielmehr mit den Mitteln der Abordnung, der Versetzung oder der Kündigung zu regeln. Nach dem Arbeitsgesetzbuch der DDR war dies anders, denn das Arbeitsrechtsverhältnis bestand zum jeweiligen Betrieb (vgl. § 38 Abs. 1 AGB-DDR 1977). Die ersatzlose Auflösung einer Einrichtung erforderte deshalb eine Neuzuordnung des Arbeitsrechtsverhältnisses.
IV. Sollte das Landesarbeitsgericht aufgrund weiterer Tatsachenfeststellungen zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagte habe den Landessender Thüringen oder das Studio gemäß Art. 13 EV in seine Verwaltung überführt oder es liege insofern ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB vor, wäre die vom Rundfunkbeauftragten ausgesprochene Kündigung wegen Fehlens eines Kündigungsgrundes unwirksam. Die Beschäftigungsdienststelle der Klägerin wäre nicht im Sinne von Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag ersatzlos aufgelöst worden. Andere Kündigungsgründe sind vom Beklagten nicht geltend gemacht worden.
V. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist in vollem Umfang aufzuheben. Das Berufungsgericht hat in Abhängigkeit von seiner erneuten Entscheidung zum Feststellungsantrag auch über den Weiterbeschäftigungsantrag neu zu befinden.
Ascheid Müller-Glöge Mikosch
Scholz Hickler
Fundstellen
Haufe-Index 441738 |
BAGE 00, 00 |
BAGE, 312 |
BB 1997, 1420 (L1) |
BB 1997, 1743-1745 (LT1) |
EBE/BAG Beilage 1997, Ls 141/97 (L1) |
NZA 1997, 1225 |
ZAP-Ost, EN-Nr 184/97 (S) |
AP, (LT1) |
ArbuR 1997, 334 (L1) |
DtZ 1997, 262-264 (LT) |
EzA-SD 1997, Nr 13, 12 (L1) |
NJ 1997, 553-555 (LT) |
PersR 1997, 415 |