Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnpfändung. Berücksichtigung des Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
Wird durch das Vollstreckungsgericht angeordnet, daß bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages ein Ehegatte nicht zu berücksichtigen ist, weil er über eigenes Einkommen verfügt (§ 850c Abs 4 ZPO), wirkt dieser Beschluß nur für den Gläubiger, zu dessen Gunsten dieser Beschluß ergangen ist. Es tritt keine Erweiterung der Pfändbarkeit des Arbeitseinkommens für alle Pfändungsgläubiger ein, die ihrerseits einen entsprechenden Beschluß erwirken können und müssen.
Normenkette
ZPO § 850 c
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 19.05.1982; Aktenzeichen 12 Sa 330/82) |
ArbG Hamm (Entscheidung vom 07.01.1982; Aktenzeichen 1 Ca 2071/81) |
Tatbestand
Die Klägerin macht mit der Klage gegen die Beklagte gepfändete Lohnforderungen des Schuldners Erich S geltend, der bei der Beklagten beschäftigt ist und zwei minderjährigen Kindern Unterhalt schuldet.
Der Klägerin steht gegen den Schuldner nach dem vollstreckbaren Auszug aus der Konkurstabelle des Amtsgerichts Münster vom 9. August 1976 (10 N 37/75) eine Forderung von DM 10.979,82 zu. Wegen eines Teilbetrages von DM 3.000,-- aus dieser Forderung hat die Klägerin durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Münster vom 10. Juni 1977 (33 M 1398/77) die Ansprüche des Schuldners gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Firma T, gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde der Firma T am 20. Juni 1977 zugestellt.
In diesem Zeitpunkt lag der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine notarielle Gehaltsabtretung des Schuldners zugunsten seiner Ehefrau vom 29. September 1976 vor. Ferner waren der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 15. Oktober 1976 eine Pfändungsverfügung der Stadtkasse Münster über DM 2.627,72 und am 3. Dezember 1976 ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Münster vom 29. November 1976 über DM 14.298,34 (33 M 3311/76) zugestellt worden, durch die jeweils der Anspruch des Schuldners auf Arbeitseinkommen gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten gepfändet worden war.
Auf Antrag der Klägerin ergänzte das Amtsgericht Münster den zugunsten der Klägerin ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 10. Juni 1977 durch folgenden Beschluß vom 14. August 1980:
"Es wird angeordnet, daß die Ehefrau des
Schuldners bei der Berechnung des unpfänd-
baren Betrages nicht als unterhaltsbe-
rechtigte Person berücksichtigt wird, da
sie über eigenes Einkommen verfügt
(§ 850 c Abs. 4 ZPO)."
Der Schuldner bezog von der Beklagten im Jahre 1980 einen Nettolohn von DM 2.143,11. Die Beklagte zahlte den Nettolohn aufgrund der Lohnabtretung an die Ehefrau des Schuldners aus. Mit Schreiben vom 20. August 1980 forderte die Klägerin die Beklagte auf, an die Klägerin im Hinblick auf den Beschluß des Amtsgerichts Münster vom 14. August 1980 monatlich DM 212,70 zu zahlen. Dies lehnte die Beklagte jedoch ab.
Mit der Klage macht die Klägerin für die Monate September bis Dezember 1980 eine Forderung von DM 694,80, das sind monatlich DM 173,70, geltend. Der Betrag von DM 173,70 entspricht dem Differenzbetrag zwischen dem pfändbaren Monatslohn des Schuldners unter Berücksichtigung seiner Ehefrau als unterhaltsberechtigter Person und dem pfändbaren Monatslohn ohne Berücksichtigung seiner Ehefrau.
Die Klägerin meint, der aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Münster vom 14. August 1980 zusätzlich pfändbare Betrag stehe ihr zu, da sie den Beschluß erwirkt habe. Zugunsten der vorrangigen Gläubiger sei kein Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO ergangen. Deshalb komme der Beschluß nur ihr zugute.
Die Klägerin hat demgemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klä-
gerin DM 694,80 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, alle pfändbaren Beträge aus dem Arbeitseinkommen des Schuldners seien an dessen Ehefrau abzuführen, weil diese vorrangige Gläubigerin sei. Die Gehaltsabtretung an die Ehefrau sei wirksam. Die Abtretung erfasse alle pfändbaren Bezüge des Schuldners. Darin seien auch die Beträge eingeschlossen, die aufgrund eines Beschlusses nach § 850 c Abs. 4 ZPO pfändbar seien. Auch die beiden anderen Pfändungspfandgläubiger seien gegenüber der Klägerin vorrangig zu befriedigen. Es entstehe ein heilloses, für den normalen Arbeitgeber nicht mehr durchschaubares Durcheinander in der Reihenfolge der Gläubiger, wenn die nach § 850 c Abs. 4 ZPO zusätzlich pfändbaren Beträge nur denjenigen Gläubigern zugute kämen, die einen entsprechenden Beschluß erwirkt hätten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig. Die am 20. Juli 1982 beim Bundesarbeitsgericht eingegangene Revisionsschrift erfüllt zwar nicht die gesetzlichen Anforderungen, da aus ihr weder Revisionskläger und Revisionsbeklagte noch deren Anschriften und Prozeßbevollmächtigte hervorgehen. Außerdem ist innerhalb der für diese Revision laufenden Revisionsbegründungsfrist (20. August 1982) keine Revisionsbegründung beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Die Revision war damit zunächst unzulässig. Die Beklagte hat aber eine zweite Revision eingelegt, die die erforderlichen Formen wahrt. Diese Revisionsschrift ist am 22. Juli 1982 beim Bundesarbeitsgericht innerhalb der Revisionsfrist eingegangen und mit einem am 23. August 1982 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz fristgerecht begründet worden, da der 22. August 1982 ein Sonntag war (§ 222 Abs. 2 ZPO). Es ist unschädlich, daß die Beklagte zweimal Revision eingelegt hat, da das Revisionsgericht über alle eingelegten Rechtsmittel eine einheitliche Sachentscheidung zu treffen hat. Trotz wiederholter Einlegung der Revision ist nur ein einheitliches Rechtsmittelverfahren anhängig (BAG Urteil vom 26. September 1980 - 7 AZR 338/80 -, AP Nr. 1 zu § 321 ZPO mit weiteren Nachweisen), in dem vorliegend eine form- und fristgerechte Revisionsschrift und Revisionsbegründungsschrift eingereicht wurden.
Die Revision ist jedoch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit Recht stattgegeben. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin DM 694,80 zu zahlen. Dieser Betrag ist aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Münster vom 14. August 1980 (33 M 1398/77) vom Gehalt des Schuldners für die Monate September bis Dezember 1980 zusätzlich pfändbar geworden und steht allein der Klägerin zu.
Der durch die Klägerin nach § 850 c Abs. 4 ZPO erwirkte Beschluß des Amtsgerichts Münster, nach dem die Ehefrau des Schuldners bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages nicht als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt wird, weil sie über eigenes Arbeitseinkommen verfügt, erweitert nicht die Pfändbarkeit des Arbeitseinkommens des Schuldners zugunsten aller Pfändungsgläubiger und kann daher auch nicht vorrangigen Abtretungsgläubigern - hier: der Ehefrau des Schuldners - zugute kommen. Denn nach § 400 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Gegenüber der Ehefrau des Schuldners und den der Klägerin gegenüber vorrangigen Pfändungspfandgläubigern erweiterte der Beschluß des Amtsgerichts Münster nicht die Pfändbarkeit des Gehalts des Schuldners. Vielmehr wirkt der von einem Pfändungsgläubiger beantragte Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO nur zugunsten dieses Gläubigers, im vorliegenden Fall der Klägerin. Demgemäß stehen die aufgrund des Beschlusses nach § 850 c Abs. 4 ZPO zusätzlich pfändbaren Beträge des Arbeitseinkommens des Schuldners allein der Klägerin zu. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum - soweit es die Frage überhaupt erörtert - durchweg vertreten (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl. 1983, § 850 c Rz 35; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 42. Aufl. 1984, § 850 c Anm. 3 D; Stöber, Forderungspfändung, 6. Aufl., Rz 1071; Hornung, Rechtspfleger 1978, 359).
Die Begrenzung der Wirkung des nach § 850 c Abs. 4 ZPO ergangenen Beschlusses auf den Antragsteller, der dieses Verfahren betrieben hat, und die beteiligten Schuldner und Drittschuldner folgt aus dem Wesen der Rechtskraft des Beschlusses. Beschlüsse nach § 850 c Abs. 4 ZPO, die nicht im Pfändungsbeschluß, sondern - wie vorliegend - nachträglich getroffen werden, sind nach § 793 ZPO mit der sofortigen Beschwerde bzw. sofortigen Erinnerung (§ 11 RPflG) anfechtbar (Hornung, Rechtspfleger 1978, 353, 359). Demgemäß wird die Entscheidung unanfechtbar, wenn sie nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung angefochten wird (§ 577 ZPO). Daraus folgt, daß der Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO der formellen Rechtskraft fähig ist (Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl. 1981, § 151 II 3, S. 923), so daß dann auch die materielle Rechtskraft eingreifen kann (Rosenberg/Schwab, aaO, § 150 2, S. 919). Die Rechtskraft wirkt aber grundsätzlich allein unter den Parteien. Nur unter besonderen Umständen, insbesondere bei entsprechenden gesetzlichen Vorschriften oder aufgrund der besonderen Natur der Bestimmung, kann sie Einfluß auf die Rechtsverhältnisse eines Dritten haben (Rosenberg/Schwab, aaO, § 157 I, S. 946). Nach dem Wesen der Rechtskraft kann daher der Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO grundsätzlich nur unter den Parteien, d. h. nur zugunsten des Gläubigers, der ihn erwirkt hat, und insoweit gegen Schuldner und Drittschuldner wirken. Besondere Umstände, die die Erstreckung der Rechtskraft des Beschlusses nach § 850 c Abs. 4 ZPO auf andere Pfändungs- oder Abtretungsgläubiger rechtfertigen könnten, liegen in diesen Fällen nicht vor.
Wenn die Rechtskraft eines Beschlusses Drittwirkung haben soll, muß sich dies aus der besonderen Natur der Sache oder einer gesetzlichen Vorschrift ergeben. Eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift besteht vorliegend nicht. Auch kann aus § 833 ZPO nicht geschlossen werden, daß Beschlüsse nach § 850 c Abs. 4 ZPO für alle Pfändungsgläubiger wirken. Vielmehr spricht die Vorschrift des § 833 ZPO im Gegenteil gegen eine Drittwirkung des Beschlusses nach § 850 c Abs. 4 ZPO. Nach § 833 ZPO wird durch die Pfändung eines Diensteinkommens auch das Einkommen betroffen, das der Schuldner infolge der Versetzung in ein anderes Amt, der Übertragung eines neuen Amts oder einer Gehaltserhöhung zu beziehen hatte. § 833 ZPO erstreckt damit das Pfändungspfandrecht eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses über das im Zeitpunkt der Pfändung vorhandene Arbeitseinkommen hinaus. Wollte der Gesetzgeber für § 850 c Abs. 4 ZPO eine über die Parteien des Verfahrens hinausreichende Wirkung bestimmen, hätte er eine dem § 833 ZPO entsprechende Bestimmung getroffen, die auch das Pfändungspfandrecht der übrigen Pfändungspfandgläubiger erweitert hätte.
Aus der besonderen Natur der Sache, d. h. aus dem Wesen des Pfändungspfandrechts und dem Sinn und Zweck des § 850 c Abs. 4 ZPO, läßt sich ebenfalls nicht zwingend herleiten, daß sich die Rechtskraftwirkung des Beschlusses nach § 850 c Abs. 4 ZPO über die Parteien des Verfahrens hinaus erstreckt. Im Gegenteil verbieten Sinn und Zweck des § 850 c Abs. 4 ZPO es geradezu, die Rechtskraft eines nach dieser Vorschrift ergangenen Beschlusses auf Dritte zu erstrecken. Das Vollstreckungsgericht hat nämlich gemäß § 850 c Abs. 4 ZPO "nach billigem Ermessen" zu bestimmen, ob unterhaltsberechtigte Personen mit eigenem Einkommen bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Billiges Ermessen bedeutet hier, daß der zuständige Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 RPflG) seine Entscheidung unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Gläubigers gegen die des Schuldners sowie der von ihm unterhaltenen Angehörigen zu treffen hat (Gröninger, Lohnpfändung, 1978, § 850 c Anm. 6; Hornung, Rechtspfleger 1978, 355). Insoweit liegt entgegen der Auffassung der Revision der Grund für die erweiterten Zugriffsmöglichkeiten nach § 850 c Abs. 4 ZPO nicht nur in der Sphäre des Schuldners, sondern auch in der Sphäre des Pfändungspfandgläubigers. Dann aber können die zu berücksichtigenden Interessen des antragstellenden Pfändungspfandgläubigers nur dazu führen, daß die Wirkung des Beschlusses nach § 850 c Abs. 4 ZPO allein auf ihn beschränkt bleibt. Bei anderen Pfändungspfandgläubigern sind im Verfahren nach § 850 c Abs. 4 ZPO deren Interessen zu berücksichtigen. Damit ist es denkbar, daß der Rechtspfleger z. B. für einen Pfändungspfandgläubiger, der sich in großer wirtschaftlicher Not befindet, einen höheren Betrag für pfändbar erklärt als für einen Pfändungspfandgläubiger, dessen angemessener Lebensunterhalt auch ohne die gepfändeten Beträge gesichert ist. Diese Umstände verbieten es, die Wirkungen eines Beschlusses nach § 850 c Abs. 4 ZPO auf andere Pfändungspfandgläubiger zu erstrecken, weil deren Interessen gegebenenfalls eine andere (günstigere oder ungünstigere) Entscheidung nach § 850 c Abs. 4 ZPO angemessen erscheinen lassen.
Die Berücksichtigung der Interessen des Pfändungspfandgläubigers bei der Festsetzung pfändbarer Beträge des Arbeitseinkommens des Schuldners ist dem Lohnpfändungsrecht ohnehin nicht fremd. Dabei ist davon auszugehen, daß dann, wenn in einem gerichtlichen Verfahren, in dem mehrere Personen mit gegensätzlichen Interessen (hier: Pfändungspfandgläubiger einerseits und Schuldner sowie dessen Angehörige andererseits) beteiligt sind, eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen ist, mangels gegenteiliger Anhaltspunkte die Interessen aller Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind. Darüber hinaus kann den gesetzlichen Vorschriften über den Pfändungsschutz selbst entnommen werden, daß bei Ermessensentscheidungen des Vollstreckungsgerichts die Belange des jeweiligen Pfändungspfandgläubigers mit zu berücksichtigen sind. So können nach § 850 b Abs. 2 ZPO bestimmte, in Abs. 1 dieser Vorschrift aufgeführte Bezüge gepfändet werden, wenn die Pfändung nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, der Billigkeit entspricht. Mit der Art des beizutreibenden Anspruchs sind die Interessen des Pfändungspfandgläubigers angesprochen. Ferner hat das Vollstreckungsgericht nach § 850 f Abs. 1 ZPO dem Schuldner auf dessen Antrag unter den dort genannten Voraussetzungen einen Teil seines pfändbaren Arbeitseinkommens zu belassen, wenn überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen. Eine entsprechende Vorschrift bei nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütungen enthält § 850 i Abs. 1 Satz 4 ZPO, wonach der Antrag des Schuldners, bestimmte Beträge für unpfändbar zu erklären, insoweit abzulehnen ist, als überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen. Schließlich sind nach § 850 f Abs. 3 ZPO auf Antrag des Gläubigers die Pfändungsgrenzen unter den dort genannten Voraussetzungen "unter Berücksichtigung der Belange des Gläubigers und des Schuldners" zu erweitern. Alle diese Vorschriften zeigen, daß bei Ermessensentscheidungen über den Umfang der Pfändungsgrenzen die Interessen des Gläubigers mit zu berücksichtigen sind. Dies muß daher nach dem Gesamtzusammenhang des Lohnpfändungsrechts auch bei der Anwendung des § 850 c Abs. 4 ZPO gelten.
Der hier vertretenen Auffassung kann nicht entgegengehalten werden, daß der Drittschuldner von sich aus auch ohne gerichtliche Entscheidung unterhaltsberechtigte Personen mit erheblichen eigenen Einkünften bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens unberücksichtigt lassen müsse und dies dann für alle Pfändungspfandgläubiger gelte, an der die gerichtliche Entscheidung nichts ändern könne. Diese Argumentation übersieht, daß der Drittschuldner nach der Senatsrechtsprechung bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenzen Unterhaltsberechtigte, die zum Familienunterhalt beitragen, auch dann berücksichtigen muß, wenn ihr eigenes Einkommen das Arbeitseinkommen des Schuldners erheblich übersteigt. Erst eine vom Vollstreckungsgericht nach § 850 c Abs. 4 ZPO getroffene Entscheidung kann hieran etwas ändern (BAG Urteil vom 23. Februar 1983 - 4 AZR 508/81 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Dieses Ergebnis wird auch dem Sinn des Antragsrechts nach § 850 c Abs. 4 ZPO am besten gerecht. Das Verfahren nach § 850 c Abs. 4 ZPO wird nur auf Antrag des Gläubigers eingeleitet. Dies ergibt nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn die von dem Gläubiger erstrebte Entscheidung allein ihm zugute kommt. Das Antragsrecht ist hierbei nicht auf die Pfändungspfandgläubiger mit dem jeweils besten Rang beschränkt. Auch ein nachrangiger Gläubiger kann den Antrag stellen. Dieser Antrag wäre für ihn aber in vielen Fällen sinnlos, wenn eine zu seinen Gunsten ergehende Entscheidung auch zugunsten der vorrangigen Pfändungspfandgläubiger wirkte. Dadurch könnte der nachrangige Pfändungspfandgläubiger allenfalls erreichen, daß er mit seiner Pfändung irgendwann einmal früher zum Zuge kommt. Diese oft ungewisse Chance würde das Antragsrecht des nachrangigen Gläubigers nach § 850 c Abs. 4 ZPO weitgehend entwerten. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber einem nachrangigen Pfändungspfandgläubiger ein Antragsrecht einräumt, dessen Erfolg in erster Linie den vorrangigen Pfändungspfandgläubigern und unter Umständen dem Antragsteller selbst überhaupt nicht zugute kommt.
Im übrigen ist es dem System der Lohnpfändungsvorschriften nicht fremd, daß bestimmte pfändbare Beträge nur bestimmten Personen zustehen, während andere Pfändungspfandgläubiger keinen Zugriff auf diese Beträge erhalten. Das gilt zunächst für den Personenkreis des § 850 d ZPO (Unterhaltsansprüche), aber auch z. B. im Falle des § 850 f Abs. 2 ZPO, nach dem der Gläubiger bei der Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung eine Erweiterung der Pfändungsgrenzen erreichen kann. Hierzu hat der Senat entschieden, daß diesem Gläubiger der Teil des Arbeitseinkommens, der ihm über die Grenzen des § 850 c ZPO hinaus zugesprochen wird, allein zusteht und vorrangige sonstige Gläubiger in diesen Teil des pfändbaren Einkommens des Schuldners nicht eingreifen können. Andernfalls würde sich der Vorteil, den das Gesetz dem Gläubiger des § 850 f Abs. 2 ZPO gewähren will, unmittelbar nicht zugunsten dieses Gläubigers, sondern entgegen dem Willen des Gesetzgebers ohne sachlichen Grund zugunsten der sonstigen Gläubiger auswirken (BAG Urteil vom 26. Januar 1983 - 4 AZR 206/80 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Ähnlich verhält es sich im vorliegenden Fall. Es besteht kein sachlicher Grund, den Vorteil, den das Gesetz dem antragstellenden Gläubiger nach § 850 c Abs. 4 ZPO einräumt, nicht in erster Linie diesem, sondern vorrangigen Pfändungspfandgläubigern zugute kommen zu lassen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß es die vorrangigen Pfändungspfandgläubiger selbst in der Hand haben, auch zu ihren Gunsten einen Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO zu erwirken, der dann im Rang der Forderung des nachrangigen Pfändungspfandgläubigers vorgeht, auch wenn dieser zuerst einen Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO zu seinen Gunsten herbeigeführt hat.
Die hier vertretene Auffassung führt entgegen der Auffassung der Revision nicht zu einem "heillosen Durcheinander" bei der Berechnung der pfändbaren Beträge. Der Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO führt zu keiner Änderung der Rangfolge der Pfändungspfandgläubiger. Da er nur zugunsten des Gläubigers wirkt, der den Beschluß durch seinen Antrag herbeigeführt hat, steht der sich aus dem Beschluß ergebende Mehrbetrag, der nunmehr pfändbar ist, allein dem Gläubiger zu, der den Beschluß erwirkt hat. Führen auch andere Pfändungspfandgläubiger einen Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO herbei, ist der zusätzlich pfändbare Betrag von dem Zeitpunkt an, in dem der Beschluß dem Drittschuldner zugestellt wird (vgl. § 850 g ZPO), unter den Pfändungspfandgläubigern, die einen Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO erwirkt haben, an den Gläubiger mit dem besten Rang auszukehren. Der Rang wird hierbei also durch das ursprüngliche Pfändungspfandrecht bestimmt (§ 804 Abs. 3 ZPO). Der Zeitpunkt der Beschlüsse nach § 850 c Abs. 4 ZPO ist für den Rang des Pfändungspfandrechts ohne Bedeutung (Hornung, Rechtspfleger 1978, 359). Diese Rechtslage ist auch für einen Laien bei entsprechender Information leicht nachvollziehbar und trägt insoweit durchaus dem für das Lohnpfändungsrecht so besonders wichtigen Grundsatz der Rechtsklarheit und Praktikabilität Rechnung (vgl. BAG Urteil vom 23. Februar 1983 - 4 AZR 508/81 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Aus der Sicht des Drittschuldners braucht er sich stets nur nach dem Inhalt der ihm zugestellten Pfändungsbeschlüsse und der Pfändungstabelle unter Berücksichtigung der unterhaltsberechtigten Personen zu richten und hat besondere Anordnungen des Vollstreckungsgerichts nur zugunsten des Gläubigers zu berücksichtigen, der sie erwirkt hat.
Wollte man den Beschluß nach § 850 c Abs. 4 ZPO nicht nur auf den Antragsteller, sondern auch auf alle anderen Pfändungspfandgläubiger erstrecken, führte dies zu unauflösbaren Wertungswidersprüchen. Denn dann müßte konsequenterweise eine für den Antragsteller ungünstige Entscheidung auch gegen die übrigen Pfändungspfandgläubiger wirken. Dies wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung der übrigen Pfändungspfandgläubiger, wenn z. B. durch nachlässige Verfahrensweise des Antragstellers das Vollstreckungsgericht seinem Antrag nicht oder nur teilweise entsprochen hat. Ferner ist denkbar, daß mehrere Pfändungspfandgläubiger mit ihren Anträgen nach § 850 c Abs. 4 ZPO nicht oder nur teilweise durchdringen, dann aber nur einige der Pfändungspfandgläubiger die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts anfechten, so daß die übrigen Beschlüsse nach § 850 c Abs. 4 ZPO rechtskräftig werden. Wenn nun diejenigen Pfändungspfandgläubiger, die die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts angefochten haben, in der Beschwerdeinstanz obsiegen, müßte nach Auffassung der Gegenmeinung diese Entscheidung sich auch zugunsten der übrigen Pfändungspfandgläubiger auswirken. Das aber widerspräche der Rechtskraft der Entscheidung, die gegen die übrigen Pfändungspfandgläubiger ergangen ist.
Für den Zessionar einer Gehaltsabtretung kann nichts anderes gelten. Da im Rahmen der Gehaltsabtretung eine dem § 850 c Abs. 4 ZPO entsprechende Vorschrift fehlt, kann dieser den Rechtsvorteil des § 850 c Abs. 4 ZPO nur erlangen, wenn er wegen seiner Forderungen einen Titel und aufgrund des Titels einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erwirkt.
Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Etzel
Dr. Koffka Wehner
Fundstellen
Haufe-Index 439224 |
BAGE 46, 148-157 (LT1) |
BAGE, 148 |
DB 1984, 2466-2468 (LT1) |
ARST 1985, 10-11 (LT1) |
BlStSozArbR 1984, 371-372 (T) |
JR 1986, 264 |
AP § 850c ZPO, Nr 6 |
EzA § 850c ZPO, Nr 4 (LT1) |
MDR 1985, 82-82 (LT1) |
ZfA 1985, 630-630 (T) |