Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulage – Gleichbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Besteht ein Mangel an Pflegekräften und zahlt ein Arbeitgeber deshalb in Anlehnung an die tarifliche Regelung über eine Pflegezulage eine übertarifliche Zulage in entsprechender Höhe, um Pflegekräfte zu gewinnen oder im Betrieb zu erhalten (Arbeitsmarktzulage), so ist er nicht nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, neu einzustellenden Pflegekräften diese Zulage zu gewähren, wenn nach seiner sachlich begründeten Prognose ein Mangel an Pflegekräften nicht mehr besteht.
Normenkette
BGB §§ 611, 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. März 2000 – 6 Sa 997/99 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 17. Mai 1999 – 3 Ca 199/99 – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Zulage.
Die Klägerin ist bei der Beklagten in einem Altenheim als Pflegerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der DSK-TV für Rheinland-Pfalz vom 13. August 1990 (DSK-TV) Anwendung, dessen § 2 lautet:
Anwendung des BAT
Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer nach § 1 finden zur Regelung ihrer Arbeitsbedingungen grundsätzlich die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Angestellte bei Bund und Ländern (BAT) in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung.
Auf der Station, auf der die Klägerin tätig ist, werden 33 Bewohner betreut. 26 Personen haben Leiden wie Hops, Urin- und Stuhlinkontinenz, Diabetes mellitus oder sind herzkrank. Zu den Aufgaben der Klägerin gehört es, die Bewohner zu waschen, zu füttern bzw. deren Nahrungsaufnahme zu überwachen, Verbände zu wechseln und diese mit Inkontinenzmaterialen zu versorgen.
Den bis Ende des Jahres 1991 eingestellten Pflegekräften hat die Beklagte eine freiwillige Zulage von 90,00 DM monatlich gewährt. Bei Neueinstellungen von Pflegepersonal ab Januar 1992, zu dem auch die Klägerin zählt, wurde diese Zulage nicht mehr gewährt.
Die Klägerin hat die Zahlung der Zulage von 90,00 DM monatlich begehrt.
Sie hat die Auffassung vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei die Protokollerklärung Nr. 1 zur Anlage 1 b des BAT anwendbar. Danach stehe ihr eine Zulage in Höhe von 90,00 DM monatlich zu, da sie zeitlich überwiegend Grund- und Behandlungspflege bei Kranken in geriatrischen Abteilungen oder Stationen verrichte.
Auch nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz habe sie einen Anspruch auf die Zulage. Es bestehe kein sachlicher Grund, vor Januar 1992 eingestellten Pflegekräften die Zulage zu zahlen und danach eingestellte Arbeitnehmer von der Zulagengewährung auszuschließen. Sie bestreite, daß die Beklagte bis Ende des Jahres 1991 besondere Schwierigkeiten gehabt habe, Pflegekräfte für ihren Betrieb zu gewinnen. Die Beklagte habe auch nicht dargetan, daß und in welcher Weise sich ab dem Jahr 1992 die Situation am Arbeitsmarkt dahingehend geändert habe, daß Pflegekräfte leichter zur Einstellung hätten bewogen werden können.
Auch mangels Beteiligung des Betriebsrates bei der Beseitigung der übertariflichen freiwilligen Zulage müsse der Klägerin die Zulage gezahlt werden.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 630,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klageerhebung zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie eine monatliche Zulage in Höhe von 90,00 DM beginnend mit dem Monat Februar 1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe die Zulage bereits deshalb nicht zu, weil die Protokollerklärung Nr. 1 zur Anlage 1 b des BAT auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung finde. Der DSK-TV verweise nicht auf die Protokollerklärungen der Anlage 1 b zum BAT. Im übrigen seien auch die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser tariflichen Zulage nicht gegeben. Ihre Einrichtung verfüge im Gegensatz zu geriatrischen Kliniken bzw. Abteilungen nicht über die personelle, räumliche und apparative Ausstattung, um Krankheiten bei älteren Menschen feststellen und behandeln zu können. Die Beklagte bestreitet, daß die überwiegende Anzahl der Bewohner der Station, auf der die Klägerin tätig ist, an geriatrischen Erkrankungen leidet.
Auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine Zulage. Die Beklagte habe den bis Ende des Jahres 1991 eingestellten Pflegekräften wegen der Arbeitsmarktsituation für Pflegepersonal eine freiwillige Zulage in Anlehnung an die Pflegezulage nach der Anlage 1 b zum BAT gezahlt. Ab dem Jahr 1992 habe sich der Arbeitsmarkt infolge der „Vereinbarung über die Durchführung und finanzielle Absicherung der Altenpflegeausbildung in Rheinland-Pfalz” entspannt. So sei die Prognose berechtigt gewesen, daß zukünftig ausreichend Personal eingestellt werden könne. Damit habe die Notwendigkeit der Zahlung einer Zulage als Anreiz, eine Tätigkeit bei der Beklagten aufzunehmen, nicht mehr bestanden. Deshalb habe die Beklagte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ab dem Jahr 1992 eingestellt worden seien, diese freiwillige Zulage nicht mehr gewährt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung wie folgt begründet: Zwar ergebe sich kein Anspruch der Klägerin auf die Pflegezulage aus der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 zur Anlage 1 b des BAT. Da der DSK-TV die Vergütung abschließend regele, finde diese Protokollerklärung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.
Der Anspruch der Klägerin auf eine Pflegezulage sei jedoch auf Grund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes begründet. Die Beklagte habe Pflegerinnen, die vor dem 1. Januar 1992 eingestellt worden sind, die Pflegezulage gewährt, während sie den später Eingestellten die Zulage verweigert habe. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung sei nicht gegeben. Die Beklagte könne sich nicht auf den Pflegekräftemangel berufen. Da die Beklagte die Zulage den vor dem Stichtag eingestellten Arbeitnehmern trotz Wegfalls dieses Grundes weiter gewährt habe, müsse sie auch den Mitarbeitern, die nach dem 1. Januar 1992 eingestellt worden seien, die freiwillige übertarifliche Zulage gewähren. Eine Gruppenbildung, die sich daran orientiere, wann der jeweilige Arbeitnehmer in den Betrieb eingetreten sei, stelle keinen sachlich einleuchtenden Grund für eine Ungleichbehandlung dar. Die Festsetzung eines Stichtages, ohne daß dies durch irgendwelche innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Vorgänge begleitet würde, erscheine willkürlich.
Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht zu folgen.
II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Zulage.
1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 2 DSK-TV der BAT nebst Protokollerklärungen Anwendung, weil diese Regelung keine Beschränkung auf bestimmte Vorschriften des BAT enthält(vgl. BAG 1. September 1993 – 10 AZR 259/92 – AP BAT § 33 a Nr. 1; 8. März 1995 – 10 AZR 27/95 – AP TVG § 1 Verweisungstarifvertrag Nr. 5 = EzA TVG § 1 Nr. 40). Damit gelten die in Abschnitt A und B der Anlage 1 b BAT enthaltenen inhaltsgleichen Protokollerklärungen Nr. 1 Abs. c, die wie folgt lauten:
Pflegepersonen der Vergütungsgruppen Kr. I bis Kr. VII, die die Grund- und Behandlungspflege zeitlich überwiegend bei Kranken in geriatrischen Abteilungen oder Stationen ausüben, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Zulage von 90,00 DM.
a) Die Klägerin hat die Anspruchsvoraussetzungen dieser tariflichen Pflegezulage nicht dargetan. Eine Grund- und Behandlungspflege bei Kranken in geriatrischen Abteilungen oder Stationen von Altersheimen, die einen Anspruch auf eine Pflegezulage nach dieser Protokollnotiz begründet, liegt nur dann vor, wenn die überwiegende Anzahl der Bewohner dieser Abteilungen oder Stationen neben einer wegen Alters oder Gebrechlichkeit notwendigen Altenpflege zeitlich überwiegend wegen einer Krankheit der Krankenpflege bedarf(ständige Rechtsprechung; BAG 8. März 1995 – 10 AZR 697/94 – und 15. Dezember 1999 – 10 AZR 638/98 – AP BAT § 33 a Nr. 6 und Nr. 16).
b) Die darlegungspflichtige Klägerin(vgl. BAG 8. März 1995 – 10 AZR 697/94 – aaO) hat in der Klageschrift zwar pauschal dargetan, daß sie zeitlich überwiegend Grund- und Behandlungspflege bei Kranken in einer geriatrischen Station ausübe. Dieser Vortrag, daß sämtliche Tätigkeiten an den Bewohnern des Altenheimes der geriatrischen Krankenpflege zuzurechnen seien, hat die Beklagte jedoch substantiiert bestritten. Deshalb hätte die Klägerin nunmehr im Einzelnen dartun müssen, daß sie neben der sogenannten Altenpflege zeitlich überwiegend Grund- und Behandlungspflege an einer überwiegenden Anzahl krankenpflegebedürftiger Bewohner dieser Station ausübt und damit stations- und tätigkeitsbezogen überwiegend Kranke pflegt. Da ein derartiger Sachvortrag fehlt, hat die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht genügt. Deshalb war eine weitere Sachaufklärung oder gegebenenfalls Beweisaufnahme durch das Landesarbeitsgericht mangels ausreichendem Sachvortrag weder erforderlich noch rechtlich möglich. Daher sind auch die von der Revisionsbeklagten gemäß §§ 139, 286 ZPO erhobenen Rügen bereits aus diesem Grunde unbegründet.
2. Der Klägerin steht die Zulage auch nicht auf der Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu. In dessen Anwendungsbereich ist die unterschiedliche Behandlung und Gruppenbildung von begünstigten und benachteiligten Pflegekräften bei der Gewährung der Pflegezulage durch die Beklagte sachlich gerechtfertigt. Rechtlich nicht zu beanstandender Zweck dieser Leistung war es im vorliegenden Fall durch eine sog. Arbeitsmarktzulage in einer Konkurrenzsituation mit anderen Arbeitgebern benötigtes Pflegepersonal zu gewinnen und an sich zu binden.
a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt vom Arbeitgeber die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage; er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG 23. April 1997 – 10 AZR 603/96 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 22 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 72 mwN). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist daher verletzt, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sachfremd schlechter stellt. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muß diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Dabei kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (BAG 23. April 1997 – 10 AZR 603/96 – aaO mwN). Ist dies nicht der Fall, kann die übergangene Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden(ständige Rechtsprechung; BAG 10. März 1998 – 1 AZR 509/97 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 207 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 40).
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend der Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden. Es handelt sich bei der Gewährung der Zulage um eine generelle betriebliche Regelung und nicht um ein einzelvertraglich frei ausgehandeltes Arbeitseinkommen. Die diesbezügliche Auslegung der Zulagenpraxis bei der Beklagten durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Zwar hat bei der Festlegung der Vergütung der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang vor dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dies gilt aber nur für individuell vereinbarte Arbeitsentgelte. Dagegen beansprucht der Gleichbehandlungsgrundsatz uneingeschränkt Geltung, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip festlegt(st. Rechtsprechung, zB BAG 16. April 1997 – 4 AZR 653/95 – AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 35 = EzA ZPO § 554 Nr. 6, mwN). Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist insbesondere dann anzuwenden, wenn der Arbeitgeber in seinem Betrieb für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern nach einheitlichen Merkmalen übertarifliche Leistungen gewährt. Der Arbeitgeber kann sich in solchen Fällen nicht darauf berufen, die begünstigenden Regelungen seien mit den einzelnen Arbeitnehmern jeweils einzelvertraglich ausgehandelt. Maßgeblich ist, ob betriebseinheitlich eine Gruppenbildung vorliegt, mag diese auch in Einzelverträgen vereinbart sein. Es reicht aus, wenn sich aus den einzelvertraglichen Vereinbarungen eine einheitliche Regelung für bestimmte Gruppen erkennen läßt(BAG 9. September 1981 – 5 AZR 1182/79 – BAGE 36,187, 193 mwN).
Das Landesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall auf Grund dieser Rechtsgrundsätze zutreffend angenommen, daß es sich bei der Zulagengewährung in Anlehnung an die Pflegezulage um eine kollektive Regelung handelt. Selbst wenn die Beklagte mit den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen der begünstigten Gruppe jeweils die Zulagenzahlung einzelvertraglich festgelegt haben sollte – was sie selbst nicht einmal behauptet hat –, muß von einer generellen betrieblichen Entgeltregelung ausgegangen werden. Dies folgt bereits aus der von der Beklagten vorgetragenen Gruppenbildung. Danach haben nicht einzelne Arbeitnehmer auf Grund individueller Durchsetzungsfähigkeit die übertarifliche Zulage mit der Beklagten vereinbart, sondern die Beklagte hat in einem bestimmten Zeitabschnitt bis zum 1. Januar 1992 durch eine in der Höhe einheitliche Arbeitsmarktzulage Arbeitskräfte gewinnen und halten wollen. Damit liegt für diesen bestimmten Zeitabschnitt eine begünstigende und generelle betriebliche übertarifliche Zulagenregelung vor.
c) Zwar hat die Beklagte die Gruppe der Arbeitnehmer, die bis Dezember 1991 eingestellt worden sind, gegenüber den Arbeitnehmern, die später eingestellt worden sind, ungleich behandelt, weil sie letzterer Gruppe die übertarifliche Zulage nicht mehr gewährt hat. Diese Ungleichbehandlung war jedoch wegen dem vor dem 1. Januar 1992 bestehenden Mangel an Pflegepersonal auf dem Arbeitsmarkt und der Änderung dieser Situation ab diesem Zeitpunkt sachlich gerechtfertigt.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war es Zweck der übertariflichen Zulage, einen finanziellen Anreiz zu schaffen, um den arbeitsmarktbedingten Personalkräftemangel bei der Beklagten durch Gewährung einer sogenannten Arbeitsmarktzulage an benötigtes Pflegepersonal zu beseitigen. Es ist anerkannt, daß eine solche Arbeitsmarktzulage einen sachlichen Grund für eine Zulagendifferenzierung darstellt(vgl. BAG 2. Dezember 1992 – 10 AZR 303/91 – ZTR 1993, 245; 14. Juni 1994 – 1 ABR 63/93 – BAGE 77, 86). Auch bei Berücksichtigung des Verbotes der Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes wird eine solche Zulage in der Rechtsprechung als prinzipiell zulässig angesehen(BAG 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – BAGE 33, 57, 61; 25. August 1982 – 5 AZR 107/80 – BAGE 39, 336; EuGH 27. Oktober 1993 – C-127/92 – EuGHE I 1993, 5535). Dies gilt sowohl für eine Zulage, die gewährt wird, weil sonst bestimmte Arbeitsplätze nicht besetzt werden können(BAG 25. August 1982 – 5 AZR 107/80 – aaO) und ebenso für eine Zulage, die gewährt wird, damit Angehörige einer bestimmten Gruppe überhaupt oder stärker an den Betrieb gebunden werden(BAG 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – aaO). Damit ist die gezahlte Arbeitsmarktzulage, deren Zahlung darauf gerichtet ist, einen Anreiz zu bieten, auch für solche Arbeitsplätze Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten, die wegen der Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht oder nur schwer zu besetzen sind, ein sachlich gerechtfertigtes Mittel Gruppen von Pflegekräften bei der Gewährung der Zulage unterschiedlich zu behandeln.
d) Da die Beklagte die Zulage nach dem 1. Januar 1992 eingestellten Pflegekräften nicht mehr gezahlt hat, hat sie allerdings darzulegen, auf Grund welcher Umstände die bisher geübte Zulagenpraxis für die zukünftige Personalpolitik nicht mehr erforderlich ist. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob diese Prognose auf objektiv nachvollziehbaren, plausiblen Gesichtspunkten beruht.
Die Beklagte hat dazu vorgetragen, ab dem Jahr 1992 sei die Prognose gerechtfertigt gewesen, daß zukünftig ausreichend Personal vorhanden sein werde und damit die Notwendigkeit der Zahlung einer Zulage als Anreiz zur Aufnahme der Pflegetätigkeit nicht mehr bestanden habe. Diesen Vortrag hat das Landesarbeitsgericht nur unzureichend gewürdigt. Es hat bei seiner Würdigung übersehen, daß die zum 1. Januar 1991 verbesserte Ausbildungssituation ab Januar 1992 die Prognose der Besserung der Arbeitsmarktsituation gerechtfertigt hat.
Entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts bezieht sich der Vortrag der Beklagten nicht allgemein auf Auszubildende, sondern auf ausgebildetes Pflegepersonal. Auf Grund des von der Klägerin nicht bestrittenen Vortrags der Beklagten ist davon auszugehen, daß wegen schlecht ausgebildeter bzw. nicht vorhandener Pflegekräfte nach jahrelangem Ringen eine Vereinbarung über die Durchführung und finanzielle Absicherung der Altenpflegeausbildung in Rheinland-Pfalz mit Wirkung zum 1. Januar 1991 geschaffen worden war. Danach war auf Grund dieser Vereinbarung sehr schnell absehbar, daß ein großes Interesse an der Durchführung der Ausbildung bestand und daß aus dem Kreis der Auszubildenden Pflegepersonal rekrutiert werden konnte. Dadurch, daß die Auszubildenden beim Personalschlüssel berücksichtigt werden konnten, trat ein weiterer entlastender Effekt ein. Unter diesen Umständen ist die Prognose der Beklagten plausibel, daß nach einjährigem Anlaufen der verbesserten Ausbildung mit Beginn des Jahres 1992 die Personalsituation sich entspannen und die Zahlung einer übertariflichen Zulage nicht mehr erforderlich sein werde. Es liegen damit außerbetriebliche Umstände vor, die die Einstellung der Zahlung einer Zulage von diesem Zeitpunkt an gerechtfertigt erscheinen lassen.
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich der Anspruch auf eine Zulage auch nicht aus der behaupteten Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates bei der Zulagenregelung. Eine solche Verletzung könnte Ansprüche der Arbeitnehmer nicht begründen (vgl. BAG 28. September 1994 – 1 AZR 870/93 – BAGE 78, 74 mwN).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Marquardt, v. Baumgarten, Bacher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.03.2001 durch Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 599786 |
BB 2001, 1414 |
DB 2001, 1369 |
NJW 2001, 2276 |
NWB 2001, 2093 |
BuW 2001, 700 |
ARST 2001, 197 |
FA 2001, 219 |
FA 2001, 238 |
NZA 2001, 782 |
SAE 2001, 336 |
ZTR 2001, 368 |
AP, 0 |
EzA |
PersR 2001, 353 |
FuBW 2002, 206 |
GK/Bay 2001, 494 |