Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsabwehrklage. Beschäftigungstitel. Unmöglichkeit. „Dolo-agit-Gegenrecht”. Beschäftigungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitgeber kann im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nicht erfolgreich einwenden, ihm sei die Erfüllung eines rechtskräftig zuerkannten Beschäftigungsanspruchs auf einem konkreten Arbeitsplatz wegen dessen Wegfalls unmöglich, wenn er den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit erfüllen könnte.
Orientierungssatz
1. Im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage sind nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachenrechtszugs entstandene Einwendungen nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, selbst wenn der Schuldner sie mit einer Berufung hätte geltend machen können.
2. § 767 Abs. 3 ZPO schließt Einwendungen nur für spätere – wiederholte – Vollstreckungsabwehrklagen aus. Der Schuldner soll alle Einwendungen, die er geltend zu machen imstande ist, mit einer und nicht mit mehreren Vollstreckungsabwehrklagen geltend machen.
3. Die Ergebnisse der Rechtsprechung zum Begriff der Unmöglichkeit iSv. § 275 BGB aF können für die Unmöglichkeit iSv. § 275 Abs. 1 BGB nF weiter verwandt werden.
4. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbietet es dem Arbeitgeber, sich auf die durch den Wegfall eines Arbeitsplatzes bedingte Unmöglichkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers zu berufen, wenn dieser umgehend die Zuweisung einer anderweitigen vertragsgemäßen Beschäftigung als Schadensersatz verlangen könnte („dolo agit qui petit quod statim redditurus est”).
5. Ein Beschäftigungstitel beschreibt regelmäßig nur einen Ausschnitt des vertraglichen Beschäftigungsanspruchs aus §§ 611, 613 iVm. § 242 BGB, Art. 1 und Art. 2 GG. Dieser wird allein durch die Titulierung nicht in der Weise konkretisiert, dass er nur noch durch die Zuweisung des im Titel beschriebenen Arbeitsplatzes erfüllt werden könnte. Vielmehr kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch eine spätere, der Billigkeit entsprechende Weisung nach § 611 Abs. 1, § 315 Abs. 1 BGB iVm. § 106 GewO einen anderen vertragsgerechten Arbeitsinhalt zuweisen.
6. Der Anspruch aus § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB ist darauf gerichtet, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadensstiftende Ereignis stünde. Beim Wegfall eines Arbeitsplatzes wird dieser Zustand in erster Linie durch die Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Beschäftigung hergestellt.
7. Der Senat lässt offen, ob ein bestehendes Dolo-agit-Gegenrecht aus § 242 BGB dem Rechtsinhaber einredeweise entgegengehalten werden muss.
Normenkette
BGB §§ 242, 249 Abs. 1, §§ 275, 280 Abs. 1, § 283 S. 1; ZPO § 767
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2016 – 10 Sa 614/15 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. April 2015 – 7 Ca 1184/15 – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem Beschäftigungstitel.
Der Beklagte trat am 1. Januar 1994 in die Dienste der Klägerin, die einem weltweit auf dem Gebiet der Informationstechnologie tätigen Konzern angehört. Ab 2005 war der Beklagte in dem mit der Entwicklung und Einführung von Softwarelösungen für Kunden aus den Branchen Telekommunikation und Medien befassten Organisationsbereich „CMS Delivery” tätig. Dieser war damals Teil des übergeordneten Organisationsbereichs „Communication & Media Solutions” (CMS) und gehörte zum Geschäftsbereich „Software & Solutions”. Dort bekleidete der Beklagte die Position eines auf der Managerebene 3 angesiedelten „Director Delivery Communication & Media Solutions Deutschland und General Western Europe” (GWE). Innerhalb der sog. Subregion „Deutschland” war der Beklagte ua. zuständig für die Großkunden Deutsche Telekom und Vodafone. Die Subregion „GWE” umfasste die Länder Österreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande, Finnland und die baltischen Länder, Dänemark, Norwegen, Schweden und die Schweiz. Dem Beklagten unterstanden etwa 120 Mitarbeiter.
Am 25. Juni 2009 entband die Klägerin den Beklagten von seinen Aufgaben. Das Arbeitsgericht Düsseldorf verurteilte sie am 2. Februar 2010 (– 7 Ca6977/09 –), den Beklagten „zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Direktor Delivery Communication & Media Solutions Deutschland und General Western Europe auf der Managerebene 3 zu beschäftigen” und ihm dabei mindestens neun im Einzelnen näher beschriebene Tätigkeiten zuzuweisen.
Mit Antrag vom 14. April 2010 leitete der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsenen Urteil ein. Im Zeitraum von April 2010 bis Mai 2013 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten drei Änderungskündigungen, eine außerordentliche Beendigungskündigung und eine Versetzung. Die erste Änderungsschutzklage erledigten die Parteien einvernehmlich, nachdem die Klägerin die Änderungskündigung „zurückgenommen” hatte. Die außerordentliche Beendigungskündigung, die weiteren Änderungskündigungen und die Versetzung wurden rechtskräftig für unwirksam erklärt.
Im Zuge einer europaweiten Umstrukturierung des Konzerns im April/Mai 2015 wurde der Organisationsbereich „CMS” einem anderen Geschäftsbereich zugeordnet. Dem zugleich entstandenen „CMS Central Cluster” wurden die Subcluster „Südosteuropa und Österreich”, „Commonwealth of Independant States”, „Russland”, „Polen, Tschechien, Slowakei”, „Schweiz”, „Deutschland incl. Telekom regional” sowie das für die Ländergesellschaften der Deutschen Telekom in „Central Eastern Europe (CEE)” zuständige Subcluster „DT CEE” zugeordnet. Mit der Leitung des Subclusters „Deutschland incl. Telekom regional” betraute die Klägerin einen Manager, den sie aufgrund der im Vergleich zu der vormaligen Position des Beklagten geringeren Budget- und Personalverantwortung der hierarchisch niedrigeren Ebene 2 zuordnete.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beschäftigung des Beklagten im titulierten Umfang sei ihr unmöglich. Sein ehemaliger Arbeitsplatz sei aufgrund der konzernübergreifenden Veränderungen der Organisationsstruktur weggefallen. Die Verantwortung für die Staaten der ehemaligen Subregion „GWE” sei bereits im Rahmen einer ersten konzernweiten Umstrukturierung im April 2010 auf andere konzernangehörige Gesellschaften übertragen worden. Nach der Umstrukturierung im April/Mai 2015 sei sie zwar noch für das Subcluster „Deutschland incl. Telekom regional” zuständig, in dem auch die neun im Beschäftigungstitel näher beschriebenen Tätigkeiten anfielen. Ein dem Zuschnitt der ehemaligen Subregion „GWE” entsprechendes Subcluster verantworte sie jedoch nicht mehr.
Die Klägerin hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2010 – 7 Ca 6977/09 – für unzulässig zu erklären;
hilfsweise
die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2010 – 7 Ca 6977/09 – für teilweise unzulässig zu erklären, soweit sie die Weiterbeschäftigung des Beklagten zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Director Delivery Communication und Media Solutions „General Western Europe” betrifft.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die organisatorische Veränderung der Subregion „GWE” stehe seinem titulierten Anspruch nicht entgegen, weil sie keine Auswirkungen auf die im Titel bezeichneten Aufgaben habe. Das Geschäftsmodell der Klägerin im Organisationsbereich „CMS” bestehe nach wie vor darin, Software und Integrationsleistungen als Projekt an Kunden aus bestimmten Ländern zu verkaufen. Daher gebe es auch weiterhin für die sog. Lieferung der Projekte verantwortliche Manager. Verändert habe sich lediglich die Zuordnung der Länder zu den Subclustern. Da dem „CMS Central Cluster” nunmehr andere mit der ehemaligen Subregion „GWE” gleichwertige Ländergruppen zugeordnet seien, hätte die Klägerin ihn jedenfalls mit der Leitung eines solchen Subclusters betrauen können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte der Berufung der Klägerin nicht stattgeben dürfen. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann sich nicht auf den Ausschluss ihrer Leistungspflicht nach § 275 BGB berufen. Dem steht das sog. Dolo-agit-Gegenrecht des Beklagten entgegen.
A. Die Klage ist mit beiden Anträgen zulässig.
I. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 767 Abs. 1 ZPO können materiell-rechtliche Einwendungen, die den titulierten Anspruch selbst betreffen und nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sind, von dem Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage beim Prozessgericht des ersten Rechtszugs geltend gemacht werden. Als erhebliche Einwendungen iSd. § 767 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO kommen solche neuen Tatsachen in Betracht, die den Sachverhalt verändert haben, der in der früheren Entscheidung als für die ausgesprochene Rechtsfolge maßgebend angesehen worden ist. Dabei ist von den Gründen der rechtskräftigen Entscheidung auszugehen und zu prüfen, ob die neu entstandenen Tatsachen die dort bejahten oder verneinten Tatbestandsmerkmale beeinflussen. Maßgebend ist die letzte im Rechtsmittelzug ergangene Entscheidung, denn sie bestimmt Umfang und Tragweite der Rechtskraft (BAG 19. Juni 2012 – 1 ABR 35/11 – Rn. 14).
II. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Klage zulässig.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von der Statthaftigkeit der Vollstreckungsabwehrklage ausgegangen. Die von der Klägerin erhobene Einwendung ist erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess entstanden. Die Klägerin war nach § 767 Abs. 2 ZPO nicht gehalten, die Einwendung mit einer Berufung geltend zu machen, selbst wenn ihr dies möglich gewesen wäre (vgl. BAG 28. März 1985 – 2 AZR 548/83 – zu B II 2 der Gründe; Zöller/Herget ZPO 32. Aufl. § 767 Rn. 4).
2. Für eine Vollstreckungsabwehrklage besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, solange der Gläubiger den Vollstreckungstitel noch in Händen hat (BGH 21. Oktober 2016 – V ZR 230/15 – Rn. 7). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Vollstreckung des Titels durch den Beklagten unzweifelhaft nicht mehr drohte.
B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin kann sich im besonders gelagerten Streitfall wegen des aus § 242 BGB abzuleitenden Dolo-agit-Gegenrechts nicht mit Erfolg darauf berufen, die titulierte Beschäftigung des Beklagten sei infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes iSv. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich oder zumindest teilweise unmöglich geworden. Sie müsste dem Beklagten nach § 275 Abs. 4 iVm. § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 BGB dann umgehend eine anderweitige vertragsgemäße Beschäftigung zuweisen, was ihr möglich wäre. Das gilt auch für etwa bestehende Leistungsverweigerungsrechte aus § 275 Abs. 2 oder Abs. 3 BGB.
I. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung kraft Gesetzes ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist (zu dem Einwendungscharakter von § 275 Abs. 1 BGB Palandt/Grüneberg 77. Aufl. § 275 BGB Rn. 31 mwN).
1. Subjektive Unmöglichkeit iSv. § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB liegt vor, wenn zwar ein anderer die Leistung erbringen könnte, dem Schuldner selbst jedoch diese Fähigkeit fehlt oder verloren gegangen ist, weil er das Leistungshindernis, das auch in der notwendigen Mitwirkung eines anderen bestehen kann, nicht überwinden kann (Erman/Westermann 15. Aufl. § 275 BGB Rn. 3, 15; Staudinger/Caspers [2014] § 275 Rn. 65, 72). Objektiv unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist eine Leistung zB dann, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden kann (BGH 8. Mai 2014 – VII ZR 203/11 – Rn. 23, BGHZ 201, 148 [Ausschluss von Nickelsulfid-Einschlüssen in Glasscheiben]; 13. Januar 2011 – III ZR 87/10 – Rn. 10, BGHZ 188, 71 [Versprechen von Hilfe und Unterstützung durch Kartenlegen und Einsatz übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten]). Die Ergebnisse der Rechtsprechung zum Begriff der Unmöglichkeit iSv. § 275 BGB aF können für die Unmöglichkeit iSv. § 275 Abs. 1 nF BGB weiter verwandt werden (vgl. Palandt/Grüneberg 77. Aufl. § 275 BGB Rn. 6).
2. Bezogen auf die Beschäftigungspflicht hat das Bundesarbeitsgericht Unmöglichkeit iSv. § 275 Abs. 1 BGB aF bejaht, wenn der Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers weggefallen war. Die unterschiedlichen Sachverhaltsgestaltungen bestanden in einer Zerstörung des Betriebs durch einen Brand (BAG17. Dezember 1968 – 5 AZR 149/68 – zu II 1 der Gründe, BAGE 21, 263), einer vorübergehenden witterungsbedingten Schließung (BAG 9. März 1983 – 4 AZR 301/80 – BAGE 42, 94), einer Schließung der Abteilung (BAG 4. September 1985 – 5 AZR 90/84 – zu I 2 a der Gründe), einer Umorganisation (BAG 13. Juni 1990 – 5 AZR 350/89 – zu I 1 a der Gründe) und einer Betriebsstilllegung (BAG18. März 1999 – 8 AZR 344/98 – zu I 3 der Gründe). Unmöglichkeit iSv. § 275 Abs. 1 BGB nF ist beispielsweise anzunehmen, wenn die Arbeit unmittelbar aufgrund der Witterung bzw. anderer von außen einwirkender Umstände „zum Erliegen gekommen” ist oder wenn dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung der Arbeit nur mit wirtschaftlich nicht sinnvollen und damit nicht zumutbaren Mitteln möglich wäre (BAG 9. Juli 2008 – 5 AZR 810/07 – Rn. 23, BAGE 127, 119).
3. Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt, dass der Klägerin die Beschäftigung des Beklagten im titulierten Umfang nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden ist.
a) Das Landesarbeitsgericht durfte bei seiner Entscheidung den erst in der Berufungsinstanz gehaltenen Vortrag der Klägerin berücksichtigen, wonach ihr die Erfüllung des Beschäftigungstitels infolge der im April/Mai 2015 vollzogenen konzernweiten Umstrukturierung unmöglich geworden sei. Der Schuldner kann im Rahmen einer anhängigen Vollstreckungsabwehrklage alle Einwendungen vorbringen, die er spätestens bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachenrechtszugs geltend machen kann (vgl. BGH 29. Januar 2015 – V ZR 93/14 – Rn. 12). Die Bestimmung des § 767 Abs. 3 ZPO, auf die sich die Revision in diesem Zusammenhang beruft, soll bewirken, dass der Schuldner alle Einwendungen, die er geltend zu machen imstande ist, mit einer Klage, nicht mit mehreren Klagen, geltend macht (in diesem Sinn bereits RG 15. Juni 1903 – V 48/03 – RGZ 55, 101). Dementsprechend präkludiert § 767 Abs. 3 ZPO Einwendungen für spätere – wiederholte – Vollstreckungsabwehrklagen (BGH 5. April 2006 – IV ZR 139/05 – Rn. 9, BGHZ 167, 150).
b) Ausgehend von den Feststellungen in den Gründen des Berufungsurteils, die der Beklagte nicht angegriffen hat, besteht bei der Klägerin jedenfalls seit der Umstrukturierung im April/Mai 2015 kein Arbeitsplatz mehr, auf dem sie den Beklagten im titulierten Umfang beschäftigen könnte. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf abgestellt, dass keines der im Rahmen der Umstrukturierung im April/Mai 2015 gebildeten Subcluster des „CMS Central Cluster” den im Beschäftigungstitel beschriebenen Zuschnitt „Deutschland und General Western Europe” abbildet.
c) Die Klägerin kann die titulierte Beschäftigungspflicht auch nicht teilweise erfüllen, indem sie dem Beklagten etwa das Subcluster „Deutschland incl. Telekom regional” zuweist. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weist die Position des für das Subcluster „Deutschland incl. Telekom regional” zuständigen Managers einen Zuschnitt auf, der sich schon aufgrund der geringeren geschäftlichen Bedeutung innerhalb des Konzerns wesentlich von der dem Beschäftigungstitel zugrunde liegenden Position eines „Director Delivery Communication & Media Solutions Deutschland und General Western Europe” unterscheidet. Dies bestätigt die Revision zumindest mittelbar, wenn sie ausführt, der Beklagte strebe „selbstverständlich … eine Beschäftigung mit länderübergreifender, internationaler Zuständigkeit an”, was „natürlich auch darauf ausgerichtet (sei), auf eine Art und Weise beschäftigt zu werden, die ihm innerhalb des weltweit tätigen Konzerns und des dadurch gegebenen Beziehungsgeflechts die hierarchische, geografische und damit letztlich geschäftliche Bedeutung verschaff(e)”. Der das Subcluster „Deutschland incl. Telekom regional” leitende Manager hat zudem unstreitig eine im Vergleich zu der vormals vom Beklagten innegehabten Leitungsposition erheblich geringere Budget- und Personalverantwortung.
II. Die Klägerin kann jedoch mit der Einwendung, die Beschäftigung des Beklagten im titulierten Umfang sei nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden, wegen des Dolo-agit-Gegenrechts des Beklagten aus § 242 BGB nicht durchdringen.
1. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbietet die Durchsetzung eines Anspruchs, wenn der Gläubiger das Erlangte wieder an den Schuldner zurückzugewähren hätte („dolo agit qui petit quod statim redditurus est”; zB BGH 1. Juni 2017 – VII ZR 95/16 – Rn. 33; 14. März 2017 – II ZR 227/15 – Rn. 15). Er ist gleichermaßen anwendbar, wenn dem Recht des Gläubigers auf Einstellung seiner Leistungen der Anspruch auf Neuabschluss eines Vertrags entgegensteht (BGH 12. Februar 2009 – III ZR 179/08 – Rn. 31). In diesen Fällen ist die Rechtsausübung unzulässig, weil sie einer sachgerechten Wahrnehmung der eigenen Interessen nicht mehr entspricht (vgl. Erman/Böttcher 15. Aufl. § 242 BGB Rn. 111). Das Gegenrecht beruht auf den fehlenden legitimen Vorteilen aus dem Recht (vgl. MüKoBGB/Schubert 7. Aufl. BGB § 242 Rn. 440).
2. Im Streitfall steht der Einwendung der Unmöglichkeit die Dolo-agit-Replik des Beklagten entgegen, weil dieser von der Klägerin sogleich die ihr mögliche Zuweisung einer anderweitigen vertragsgemäßen Beschäftigung als Schadensersatz verlangen könnte.
a) Für den Fall des Ausschlusses der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB bestimmen sich die Rechte des Gläubigers nach den §§ 280, 283 bis 285, 311 a und 326 BGB (§ 275 Abs. 4 BGB).
aa) Nach § 283 Satz 1 BGB hat der Gläubiger, dem die Befugnis zur naturalen Verwirklichung seines Anspruchs gemäß § 275 BGB entzogen wurde, unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung. Danach ist der Schuldner grundsätzlich zum Ersatz des durch das Leistungshindernis entstehenden Schadens verpflichtet (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB), es sei denn, die Pflichtverletzung kann ihm nicht vorgeworfen werden (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dass es sich so verhält, ist vom Schuldner darzulegen und zu beweisen.
bb) Art und Umfang des Schadensersatzes bestimmen sich nach der auf den Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB uneingeschränkt anwendbaren Bestimmung des § 249 BGB (BGH 28. Februar 2018 – VIII ZR 157/17 – Rn. 26). Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Anspruch aus § 280 Abs. 1 iVm. § 249 Abs. 1 BGB ist grundsätzlich auf Naturalrestitution gerichtet. Damit kann der Geschädigte nicht die Herstellung des gleichen Zustands verlangen, wie er vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden hat. Es kommt vielmehr darauf an, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadensstiftende Ereignis stünde (BGH 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 – Rn. 25).
b) Danach kann der Beklagte von der Klägerin verlangen, ihm eine andere vertragsgemäße Beschäftigung zuzuweisen, sollte sich die Klägerin weiterhin auf die Unmöglichkeit der Zuweisung der titulierten Beschäftigung berufen.
aa) Die Klägerin, die sich auf den Ausschluss der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB beruft, hat nicht dargelegt, dass sie den Eintritt des Leistungshindernisses nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
bb) Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 249 BGB hat sie den Beklagten daher wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadensstiftende Ereignis stünde. Wirtschaftlich so gestellt, wie er ohne den Ausschluss der auf die titulierte Beschäftigung bezogenen Leistungspflicht stünde, würde der Beklagte in erster Linie durch die Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Beschäftigung (vgl. BAG 13. Juni 1990 – 5 AZR 350/89 – zu I 2 der Gründe).
cc) Die Klägerin kann den Beklagten vertragsgerecht beschäftigen.
(1) Sie ist durch den Titel nicht daran gehindert, dem Beklagten nach § 611 Abs. 1, § 315 Abs. 1 BGB iVm. § 106 GewO eine andere vertragsgemäße Beschäftigung zuzuweisen.
(a) Die arbeitsvertraglich häufig nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht – dh. die dem Umfang nach bereits bestimmte Gegenleistung des Arbeitnehmers – hinsichtlich der Zeit, des Orts und der Art der zu erbringenden Arbeitsleistung konkretisiert der Arbeitgeber durch die Ausübung des Weisungsrechts. Damit schafft er regelmäßig erst die Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten und das Arbeitsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann. Insofern ist die Ausübung des Weisungsrechts notwendige Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers. Der erforderliche Weisungsumfang hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 60 mwN).
(b) Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich der Zeit, des Orts und der Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat für den Arbeitnehmer Bestand, bis sie durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird. Der Arbeitnehmer kann (und muss) seine Arbeitsleistung so erbringen, wie sie durch die letzte wirksame Weisung konkretisiert wurde. Die Erteilung einer neuen Weisung durch den Arbeitgeber ist mit Wirkung für die Zukunft im Rahmen der arbeitsvertraglichen Bestimmungen jederzeit möglich. Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die Weisung nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht (BAG 18. Oktober 2017– 10 AZR 330/16 – Rn. 71 mwN).
(c) Die Verurteilung der Klägerin zur Beschäftigung des Beklagten im titulierten Umfang ist Folge des Umstands, dass die Klägerin dem Beklagten zuletzt wirksam diese Tätigkeit zugewiesen und ihn davon zu Unrecht entbunden hatte. Der aus §§ 611, 613 iVm. § 242 BGB, Art. 1 und Art. 2 GG hergeleitete vertragliche Beschäftigungsanspruch des Beklagten hat sich allein durch die Titulierung nicht in der Weise konkretisiert, dass die Klägerin ihn nur noch durch die Zuweisung eines Arbeitsplatzes mit dem im Urteilstenor beschriebenen Inhalt erfüllen könnte (grundlegend für den Beschäftigungsanspruch BAG Großer Senat 27. Februar 1985 – GS 1/84 – zu C I 2 der Gründe, BAGE 48, 122). Tituliert ist nur ein Ausschnitt des durch Weisung der Klägerin zu konkretisierenden vertraglichen Beschäftigungsanspruchs. Der Titel verhindert keine spätere ersetzende Weisung durch Zuweisung eines anderen vertragsgerechten Arbeitsinhalts. Dafür, dass die Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Beschäftigung nicht infrage kommt, weil sich der Beschäftigungsanspruch des Beklagten aus anderen Gründen ausschließlich auf die im Titel beschriebene Tätigkeit bezöge, bestehen nach dem Vortrag der Parteien keine Anhaltspunkte.
(2) Der Senat kann offenlassen, ob das Dolo-agit-Gegenrecht dem Rechtsinhaber anders als der Großteil der Einwendungen aus § 242 BGB einredeweise entgegengehalten werden muss, um den rechtlichen Zusammenhang von Recht und Gegenrecht herzustellen.
(a) Das nimmt der Bundesgerichtshof zum Teil an (vgl. zB BGH 18. Oktober 2017 – I ZR 6/16 – Rn. 24; 10. Oktober 2017 – II ZR 353/15 – Rn. 18: Dolo-agit-Einrede). Mehrere Senate des Bundesarbeitsgerichts sind demgegenüber von einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Dolo-agit-Einwand ausgegangen (bspw. BAG 15. Dezember 2016 – 2 AZR 867/15 – Rn. 22, BAGE 157, 273; 20. Oktober 2016 – 6 AZR 715/15 – Rn. 74 mwN; siehe auch BGH 1. Juni 2017 – VII ZR 95/16 – Rn. 33; 14. März 2017 – II ZR 227/15 – Rn. 15).
(b) Die Frage nach der Rechtsnatur des Dolo-agit-Gegenrechts braucht hier nicht beantwortet zu werden.
(aa) Der Beklagte hat sich darauf berufen, die Klägerin könne ihn mit der Leitung eines dem „CMS Central Cluster” zugeordneten, der früheren Subregion „GWE” gleichwertigen Subclusters betrauen. Das genügt, um eine Einrede zu erheben (vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen [2015] § 242 Rn. 324).
(bb) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie nicht über einen Arbeitsplatz verfügt, auf dem sie den Beklagten vertragsgemäß beschäftigen kann.
III. Über die vom Landesarbeitsgericht bejahte Frage, ob auch ein Leistungsverweigerungsrecht der Klägerin nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB besteht, musste der Senat nicht befinden. Diese nur einredeweise durchzusetzenden Leistungsverweigerungsrechte könnten der Klage wegen des Dolo-agit-Gegenrechts (§ 242 BGB) ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen (zu dem Einredecharakter von § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB BAG 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 43 f. mwN). Die Rechte des Beklagten bestimmten sich gleichermaßen nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326 BGB (§ 275 Abs. 4 BGB). Auch insoweit hat die Klägerin fehlendes Verschulden nicht dargelegt (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
C. Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Unterschriften
Gallner, Schlünder, Brune, Rudolph, Budde
Fundstellen
Haufe-Index 11803955 |
BAGE 2019, 221 |
BB 2018, 1651 |
BB 2018, 2429 |
DB 2018, 1802 |
DB 2018, 22 |
DStR 2018, 1080 |