Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzugslohn und tarifliche Ausschlußfrist
Orientierungssatz
§ 28 Des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte des Gas- und Wasserinstallateur-, Klempner-, Kupferschmiede-, Zentralheizungs- und Lüftungsbauhandwerks in Hessen vom 18. Mai 1978 bestimmt, daß Ansprüche nach erfolgloser schriftlicher Geltendmachung oder Ablehnung durch den Schuldner innerhalb einer bestimmten weiteren Frist gerichtlich geltend zu machen sind.
Normenkette
TVG § 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war bei der Beklagten seit Februar 1983 als Installateur gegen einen Stundenlohn von zuletzt 12,90 DM brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte des Gas- und Wasserinstallateur-, Klempner-, Kupferschmiede-, Zentralheizungs- und Lüftungsbauhandwerks in Hessen vom 18. Mai 1978, gültig ab 1. Juli 1978 (künftig: MTV) Anwendung. Dieser Tarifvertrag enthält in § 28 eine Ausschlußklausel, die, soweit hier von Interesse, wie folgt lautet:
Erlöschen von Ansprüchen
1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind wie
folgt geltend zu machen:
a) Ansprüche auf Zuschläge aller Art sowie
auf Mehrarbeitsvergütung sofort, spätestens
innerhalb eines Monats nach Abrechnung der
Lohn-/Gehaltsperiode, bei der sie hätten abgerechnet
werden müssen (Ausschlußfrist);
b) alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus
dem Arbeitsverhältnis innerhalb 3 Monaten
nach ihrer Fälligkeit (Ausschlußfrist).
2. Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter 1
festgesetzten Frist ist ausgeschlossen, es
sei denn, daß die Einhaltung dieser Frist wegen
eines unabwendbaren Zufalles nicht möglich gewesen
ist.
3. ...
4. Ansprüche aller Art sind schriftlich geltend
zu machen.
5. Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben worden
und lehnt der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer
seine Erfüllung ab, so ist der Anspruch innerhalb
von 3 Monaten seit der Ablehnung gerichtlich
geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung
ist ausgeschlossen."
Im August 1984 kam es zwischen den Parteien zu einem Rechtsstreit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte behauptete, der Kläger habe am 21. August 1984 das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt. Sie teilte ihm in einem Schreiben vom 22. August 1984 mit, sie nehme diese Kündigung an und gehe davon aus, daß das Arbeitsverhältnis am 22. August 1984 ende.
Mit der am 30. August 1984 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 6. September 1984 zugestellten Klage verfolgte der Kläger den Antrag festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch eine Kündigung des Klägers vom 21. August 1984 aufgelöst worden sei (ArbG Hanau - 1 Ca 297/84 -). Zur Begründung trug er vor, er sei am 21. August 1984 wegen Krankheit entschuldigt der Arbeit ferngeblieben. Am 22. August 1984 sei er wieder zur Arbeit auf der Baustelle erschienen, jedoch mit der Begründung weggeschickt worden, er habe gekündigt.
Die Beklagte trug mit Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 1. Oktober 1984 vor, der Kläger habe am 21. August 1984 in Telefongesprächen mit zwei ihrer Angestellten gekündigt und zugesagt, daß er dies noch schriftlich bestätigen werde. Einen förmlichen Antrag, die Klage abzuweisen, stellte die Beklagte erstmals im Kammertermin vom 17. Januar 1985.
Das Arbeitsgericht wies nach Beweisaufnahme durch rechtskräftiges Urteil vom 17. Januar 1985 die Klage ab. In den Gründen führte es aus, es erachte für bewiesen, daß der Kläger am 21. August 1984 eine Kündigung erklärt, nicht jedoch, daß er fristlos gekündigt habe. Vielmehr sei von einer ordentlichen Kündigung auszugehen. Die Weigerung der Beklagten, den Kläger ab 22. August 1984 für die Dauer der Kündigungsfrist zu beschäftigen, könne daher zur Folge haben, daß ihm bis zum Ablauf dieser Frist Lohnansprüche zustünden.
Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 18. Februar 1985 eingegangenen Klage hat der Kläger von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Lohnzahlung für die Zeit vom 23. August bis 9. September 1984 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.238,40 DM brutto begehrt. Er hat vorgetragen, sein Arbeitsverhältnis habe in diesem Zeitraum fortbestanden, da die tarifliche Kündigungsfrist bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als einem Jahr zwei Wochen zum Monatsende betrage. Bis 21. August 1984 habe die Beklagte den Lohn gezahlt, und ab 10. September 1984 habe er wieder Arbeit gefunden. Die Beklagte habe am 22. August 1984 die Annahme seiner Arbeitsleistung verweigert.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1.238,40 DM nebst 4 % Zinsen seit
Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, daß der Kläger für den Anspruchszeitraum seine Arbeitsleistung angeboten habe, und sich ferner darauf berufen, daß etwaige Lohnansprüche verfallen seien, weil der Kläger die tarifliche Ausschlußfrist für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen versäumt habe. Sehe man in der Erhebung der Feststellungsklage im Vorprozeß eine schriftliche Geltendmachung der Verzugslohnansprüche nach § 28 Ziff. 1 Buchst. a, Ziff. 4 MTV, so habe sie die Erfüllung dieser Ansprüche in dem Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 1. Oktober 1984 abgelehnt. Sie habe darin eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie die Abweisung der Klage erstrebe, auch wenn dieser Schriftsatz noch keinen förmlichen Antrag enthalten habe. Der Kläger hätte deshalb nach § 28 Ziff. 5 MTV die Ansprüche innerhalb von drei Monaten gerichtlich geltend machen müssen. Dies sei erst durch die vorliegende, am 18. Februar 1985 und damit nach Ablauf der tariflichen Verfallfrist bei Gericht eingegangenen Zahlungsklage geschehen.
Der Kläger hat entgegnet, er habe bereits mit der Feststellungsklage im Vorprozeß seine Verzugslohnansprüche im Sinne des § 28 Ziff. 5 MTV auch gerichtlich geltend gemacht. Selbst mit der vorliegenden Zahlungsklage habe er jedoch diese Ausschlußfrist noch gewahrt, weil die Beklagte die Ansprüche erstmals in der Klageerwiderung im vorliegenden Verfahren abgelehnt und dadurch die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung in Lauf gesetzt habe.
Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage, weil der Klageanspruch wegen Versäumung der Ausschlußfrist des § 28 Ziff. 5 MTV verfallen ist.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Verzugslohn zu. Es hat ausgeführt, aufgrund des im Vorprozeß ergangenen Urteils des Arbeitsgerichts stehe rechtskräftig fest, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers bis zum Ablauf der tariflichen Kündigungsfrist und damit im Anspruchszeitraum fortbestanden habe. Die Beklagte habe sich auch in Annahmeverzug befunden. Denn sie habe den Vortrag des Klägers, er habe am 22. August 1984 seine Arbeitsleistung erfolglos angeboten, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig gestellt. Die Ansprüche seien nicht verfallen. Der Kläger habe sie durch die Erhebung der Feststellungsklage im Vorprozeß nicht nur schriftlich, sondern im Sinne des § 28 Ziff. 5 MTV auch gerichtlich geltend gemacht. Aber selbst mit der vorliegenden Zahlungsklage habe der Kläger die tarifliche Ausschlußfrist noch gewahrt. Denn die Beklagte habe die Ansprüche erstmals durch die Stellung des Klageabweisungsantrags im Kammertermin vom 17. Januar 1985 im Sinne der tariflichen Ausschlußklausel abgelehnt und die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung in Lauf gesetzt.
II. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers im Anspruchszeitraum stehe rechtskräftig fest und die Beklagte habe sich im Verzug der Annahme der Dienste des Klägers befunden, kann ohne nähere Nachprüfung als richtig unterstellt werden. Denn entgegen seiner weiteren Annahme sind die Ansprüche verfallen.
1. Die Fälligkeit der Ansprüche ist zu den tariflichen Terminen (letzter Arbeitstag für den abgelaufenen Abrechnungszeitraum; § 10 Ziff. 1 MTV) und nicht, wie der Kläger in der Berufungsinstanz ausgeführt hat, erst nach Eintritt der formellen Rechtskraft des im Vorprozeß ergangenen Urteils des Arbeitsgerichts vom 17. Januar 1985 eingetreten.
Zwar ist die Unwirksamkeit der Kündigung Voraussetzung für einen Gehaltsfortzahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach § 615 BGB, der nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bestehen kann. Maßgebend hierfür ist jedoch die objektive Rechtslage. Selbst wenn eine Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG erhoben wird, gibt das ihr stattgebende Urteil die Rechtslage nur deklaratorisch wieder (BAGE 14, 156, 160 = AP Nr. 23 zu § 615 BGB; Beschluß des Großen Senats vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, zu C II 1 b der Gründe). Der Verzugslohnanspruch des Arbeitnehmers entsteht nach dem Kündigungstermin, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Annahmeverzugs des Arbeitgebers gemäß §§ 293 ff. BGB erfüllt sind. Der Lohn wird dann wie bei der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers fällig (BAG Urteil vom 9. März 1966 - 4 AZR 87/65 - AP Nr. 31 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Dies gilt um so mehr im vorliegenden Fall für die vom Kläger erhobene allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Legt man das im Vorprozeß ergangene Urteil des Arbeitsgerichts mit dem Berufungsgericht dahin aus, daß der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist festgestellt, insoweit also der Klage stattgegeben worden ist, so gibt auch dieses Urteil die objektive Rechtslage nur deklaratorisch wieder.
2. Mit der am 6. September 1984 der Beklagten zugestellten Feststellungsklage hat der Kläger für die vorliegend umstrittenen Ansprüche aus der Zeit vom 23. August bis 8. September 1984 die erste Verfallfrist von drei Monaten gemäß § 28 Ziff. 1 Buchst. b, Ziff. 4 MTV gewahrt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Erhebung einer Kündigungsschutzklage in aller Regel ein ausreichendes Mittel zur Geltendmachung von Ansprüchen, die während des Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen, sofern die tarifliche Verfallklausel nur eine formlose oder schriftliche Geltendmachung verlangt (BAGE 29, 152, 155; 30, 135, 137 und 46, 359, 361 = AP Nr. 60, 63 und 86 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; Senatsurteile vom 8. August 1985 - 2 AZR 459/84 - AP Nr. 94 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II 2 b der Gründe; vom 20. März 1986 - 2 AZR 295/85 - EzA § 615 BGB Nr. 48, zu B II 2 a der Gründe sowie vom 5. Februar 1987 - 2 AZR 46/86 - n. v., zu II 2 der Gründe). Maßgebend hierfür ist die Erwägung, daß das Ziel des Kündigungsschutzbegehrens im Regelfall auch auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet ist, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes möglicherweise verlorengehen. Dies ist dem Arbeitgeber im allgemeinen auch klar erkennbar, sofern sich nicht aus den Umständen ein anderer Wille des Arbeitnehmers ergibt (vgl. BAGE 30, 135 = AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 1 der Gründe). Diese Erwägung trifft auch für eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO zu, mit der der Arbeitnehmer den Fortbestand des vom Arbeitgeber aus anderen Gründen als durch eine dem Kündigungsschutzgesetz unterliegende Kündigung für beendet angesehenen Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen will. Im vorliegenden Fall vertrat die Beklagte die Ansicht, das Arbeitsverhältnis sei durch eine Eigenkündigung des Klägers, und zwar, wie sich aus ihrem Schreiben vom 22. August 1984 ergibt, mit Ablauf dieses Tages beendet worden. Ziel der Feststellungsklage war demgemäß auch die Sicherung der Lohnansprüche, die dem Kläger nach diesem Termin zustehen konnten. Gründe für die Annahme, der Kläger habe lediglich den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen wollen, sind nicht ersichtlich. Die Feststellungsklage ist der Beklagten am 6. September 1984 und somit innerhalb der für die Klageansprüche geltenden Drei-Monats-Frist des § 28 Ziff. 1 Buchst. b MTV zugestellt worden.
3. Der Kläger hat jedoch die Frist für die gerichtliche Geltendmachung der Klageansprüche, wie sie für die zweite Stufe der Ausschlußklausel nach § 28 Ziff. 5 MTV verlangt wird, versäumt.
a) Die im Vorprozeß erhobene Feststellungsklage ersetzt nicht zugleich die gerichtliche Geltendmachung von Zahlungsansprüchen, wie sie für die zweite Stufe der tariflichen Ausschlußklausel verlangt wird, obwohl diese von dem - umstrittenen - Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängen.
aa) Für die Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG entspricht dies der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteil vom 8. Januar 1970 - 5 AZR 124/69 - BAGE 22, 241, 244 ff. = AP Nr. 43 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 2 b der Gründe; Urteil vom 22. Februar 1978 - 5 AZR 805/76 - BAGE 30, 135 = AP Nr. 63, aaO, zu 2 der Gründe; BAGE 46, 356, 361 = AP Nr. 86, aaO, zu I der Gründe; Senatsurteile vom 8. August 1985, aaO, zu II 2 d der Gründe, vom 20. März 1986, aaO, zu B II 2 c der Gründe sowie vom 5. Februar 1987, aaO, zu II 3 b der Gründe). Bestimmt eine tarifliche Ausschlußklausel, daß Ansprüche nach erfolgloser schriftlicher Geltendmachung oder Ablehnung durch den Schuldner innerhalb einer bestimmten weiteren Frist gerichtlich geltend zu machen sind, dann genügt diesem weiteren Erfordernis nur eine fristgerechte Zahlungsklage. Wie insbesondere der Fünfte Senat in dem Urteil vom 8. Januar 1970 (aaO) eingehend dargelegt und in dem Urteil vom 22. Februar 1978 (aaO) nochmals bestätigt hat, läßt die eindeutige Fassung solcher Klauseln keine andere Auslegung zu. Der Lohnanspruch ist nicht Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses. Wenn der Arbeitnehmer in diesem Prozeß obsiegt, ist damit noch nicht geklärt, ob und in welcher Höhe er einen Vergütungsanspruch hat. Schreibt ein Tarifvertrag die strenge Form der gerichtlichen Geltendmachung vor, so genügt deshalb nur die Zahlungsklage, deren Gegenstand der Vergütungsanspruch ist. Zweck einer solchen Bestimmung ist es, alsbald Klarheit darüber zu schaffen, welcher Ansprüche sich die Arbeitsvertragsparteien nicht nur berühmen, sondern welche Ansprüche sie sogar im Klageweg durchsetzen wollen. Bei Erhebung der Kündigungsschutzklage ist die Höhe der dem Kläger möglicherweise zustehenden Lohnansprüche zunächst noch völlig offen. Der Arbeitgeber bliebe somit längere Zeit im Unklaren darüber, welche Ansprüche ihm gegenüber noch gerichtlich geltend gemacht werden, wenn man die Erhebung der Kündigungsschutzklage genügen läßt. Halten die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der aufgezeigten Probleme seit vielen Jahren an dem Wortlaut einer so strengen und eindeutigen Verfallklausel unverändert fest, so sind die Gerichte nicht befugt, von ihrer Anwendung aus Billigkeitsgründen im Einzelfall abzusehen.
Der Senat ist dieser Ansicht gefolgt. Er hat sich in dem Urteil vom 8. August 1985 (aaO) insbesondere mit der Ansicht von Wiedemann (Anm. zu AP Nr. 60 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) auseinandergesetzt, die an die Ablehnung durch den Arbeitgeber anknüpfende Frist zur Klageerhebung werde bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses hinausgeschoben. Eine derartige "freie Interpretation" des Wortlauts eines Tarifvertrages ist mit den Grundsätzen, die für die Auslegung von Tarifverträgen gelten, nicht vereinbar, wenn - wie vorliegend - für einen derartigen Willen der Tarifvertragsparteien kein Anhaltspunkt zu erkennen ist. Wie der Fünfte Senat in dem Urteil vom 22. Februar 1978 (aaO) betont hat, ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, die tarifliche Regelung der Ausschlußfristen zu ändern, die für Fälle der vorliegenden Art wenig sinnvoll ist, weil sie zu überflüssigen Zahlungsprozessen und vermeidbaren Belastungen mit den dadurch entstehenden Kosten führt. Dieser Appell an die Tarifvertragsparteien ist auch nicht erfolglos geblieben, wie z. B. die Neuregelung des § 9 BRTV-Bau 1981 zeigt (vgl. Senatsurteil vom 17. April 1986 - 2 AZR 302/85 - (n. v.).
bb) Die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil geben keine Veranlassung, diese Rechtsprechung aufzugeben. Das Berufungsgericht verweist auf die insbesondere von Zöllner (Anm. zu AP Nr. 31 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) vertretene Ansicht, Ausschlußklauseln der vorliegenden Art seien restriktiv dahin auszulegen, daß der Fall der Geltendmachung während eines Kündigungsschutzprozesses nicht mitgeregelt werden, sondern bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage die rechtzeitige schriftliche Geltendmachung der Lohnansprüche genügen solle. Dem ist ebenso wie der von Wiedemann (aaO) vertretenen Ansicht entgegenzuhalten, daß eine solche Interpretation des eindeutigen Wortlauts eines Tarifvertrages mit den Grundsätzen der Tarifauslegung nicht zu vereinbaren ist. Das Berufungsgericht ist ferner zu Unrecht der Ansicht, daß bei einem Streit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses die Kündigungsschutzklage die mit der gerichtlichen Geltendmachung geforderte Signalwirkung gleichzeitig auch für die vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Lohnansprüche entfalte, weil diese Klage und Lohnansprüche eine "unauflösbare Einheit" bildeten. Eine solche Einheit muß jedoch nicht notwendig vorliegen, weil trotz Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses Verzugslohnansprüche aus verschiedenen Gründen nicht oder nur teilweise bestehen können. Entscheidend ist auch insoweit, daß es sich um eine Frage der Auslegung des Tarifvertrages handelt und die Gerichte eine eindeutige tarifliche Regelung nicht im Hinblick auf unbillige Ergebnisse korrigieren können.
cc) Bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf den vorliegenden Fall konnte somit auch die vom Kläger erhobene allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO die gerichtliche Geltendmachung der Lohnansprüche im Sinne des § 28 Ziff. 5 MTV nicht ersetzen.
b) Der Kläger hat die Ansprüche erstmals mit der vorliegenden, am 18. Februar 1985 bei Gericht eingegangenen Zahlungsklage im Sinne der tariflichen Ausschlußklausel gerichtlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ansprüche jedoch bereits verfallen.
aa) Ist ein Anspruch rechtzeitig nach § 28 Ziff. 1 MTV erhoben worden und lehnt der Arbeitgeber seine Erfüllung ab, so ist er innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Erklärt der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozeß, er beantrage, die Kündigungsschutzklage abzuweisen, so ist darin nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Ablehnung der Lohnansprüche zu sehen, die vom Ausgang des Kündigungsprozesses abhängen, wenn durch Erhebung der Kündigungsschutzklage eine tarifliche Ausschlußfrist gewahrt wird und der Tarifvertrag für den Beginn der Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nur eine einfache und keine ausdrückliche Ablehnung der Ansprüche des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber vorschreibt (BAGE 46, 356 = AP Nr. 86 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; Senatsurteile vom 8. August 1985 - 2 AZR 459/84 - und 20. März 1986 - 2 AZR 285/85 - (jeweils aaO) sowie vom 29. Januar 1987 - 2 AZR 127/86 - n. v.).
bb) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in dem im Vorprozeß eingereichten Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 1. Oktober 1984 die mit der Feststellungsklage geltend gemachten Verzugslohnansprüche des Klägers im Sinne der tariflichen Ausschlußklausel abgelehnt und damit die Drei-Monats-Frist zur gerichtlichen Geltendmachung in Lauf gesetzt, die bei Eingang der vorliegenden Lohnklage bei Gericht längst abgelaufen war.
Der vom Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung vertretenen Ansicht, erst durch den im Kammertermin vom 17. Januar 1985 gestellten förmlichen Antrag auf Abweisung der Feststellungsklage habe die Beklagte die Ablehnung der Ansprüche erklärt, kann nicht gefolgt werden. Zwar ist in den vorstehend zitierten Urteilen des Bundesarbeitsgerichts durchweg von einem Klageabweisungsantrag des Arbeitgebers die Rede. Damit sollte aber nicht auf eine förmliche Antragstellung abgestellt werden. Maßgebend ist vielmehr, daß der Arbeitgeber eindeutig seinen Willen zum Ausdruck bringt, der Klage entgegenzutreten. Die vorstehend zitierte Rechtsprechung geht von der Erwägung aus, daß die mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage für den Arbeitgeber verbundene Warnfunktion, er müsse noch mit Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers rechnen, auch für den Arbeitnehmer zu gelten hat, wenn der Arbeitgeber die Klageabweisung erstrebt. Er kann dann nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde sich ohne weitere Auseinandersetzung auf diese Ansprüche einlassen. Es ist sachlich nicht vertretbar, mit zweierlei Maß zu messen, wenn die Warnfunktion durch den Arbeitnehmer nicht durch das Erfordernis einer ausdrücklichen Ablehnung durch den Arbeitgeber verstärkt ausgestaltet worden ist, sondern der Tarifvertrag - wie vorliegend - für die Ablehnung keine besondere Form verlangt.
In dem Schriftsatz vom 1. Oktober 1984 hat die Beklagte ihren Standpunkt dargelegt, daß der Kläger selbst gekündigt habe. Er hatte nach seinem Vortrag bereits am 23. August 1984 das Schreiben der Beklagten vom 22. August 1984 erhalten, der ihre ausdrückliche Erklärung enthielt, sie betrachte das Arbeitsverhältnis mit dem 22. August 1984 als beendet. Damit war für ihn eindeutig erkennbar, daß sie auch auf seine Klage hin diesen Standpunkt beibehalte und die Abweisung der Klage erstrebe. Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht darauf ab, daß bis zur förmlichen Antragstellung im Kammertermin die Parteien den Streitgegenstand noch frei bestimmen könnten und keine prozessuale Bindung im Sinne des § 269 ZPO eingetreten sei. Denn entscheidend für eine formlose Ablehnung von Ansprüchen im Sinne von Ausschlußklauseln der vorliegenden Art sind gerade nicht formale Prozeßhandlungen, sondern der eindeutig zum Ausdruck gebrachte Wille des Prozeßgegners, die Abweisung der auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses gerichteten Klage zu erstreben und damit auch vom Ausgang des Feststellungsprozesses abhängige Lohnansprüche abzulehnen.
Hillebrecht Triebfürst Ascheid
Dr. Harder Baerbaum
Fundstellen
Haufe-Index 437842 |
RzK, I 13a Nr 21 (ST1-2) |