Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezahlte Pause in Dreischichtbetrieb
Leitsatz (redaktionell)
Pausen zum Einnehmen der Mahlzeiten in einem Dreischichtbetrieb sind auch nach Verkürzung der Arbeitszeit gemäß § 3 Nr 5 Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NW vom 30. April 1980 idF vom 3. Juli 1984 zu bezahlen.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 07.01.1987; Aktenzeichen 3 Sa 1263/86) |
ArbG Rheine (Entscheidung vom 28.05.1986; Aktenzeichen 2 Ca 1374/85) |
Tatbestand
Der 34-jährige Kläger, Betriebsratsmitglied im Betrieb der Beklagten, steht seit Mai 1976 in den Diensten der Beklagten, die ein Unternehmen mit derzeit 185 Arbeitnehmern betreibt, das Zubehörteile für die Auto- und Beleuchtungsindustrie herstellt. Er arbeitet als Monteur im Werk I in der Abteilung Spritzguß und Stoßfängermontage. In dieser Abteilung wird mit 41 Arbeitnehmern im Dreischichtbetrieb durchgehend von Montagmorgen bis Freitagnachmittag gearbeitet. Spritzgußmaschinen verarbeiten dort fortlaufend unter Hitze Kunststoffgranulat zu flüssigem Kunststoff und dann zu Kunststoffteilen. Die Kunststoffteile werden über Bänder zu Maschinen hingeführt, die daran insbesondere Zierleisten aufziehen.
Die Beklagte wendet in ihrem Betrieb die Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens einheitlich an. Sie gewährte zumindest seit etwa 1970 allen Arbeitnehmern ihrer Dreischichtabteilungen bis Ende März 1985 eine halbstündige bezahlte Schichtpause, die sich aus zwei Pausen a 15 Minuten zusammensetzte.
Mit Wirkung vom 1. April 1985 ermäßigte sich die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von bisher 40 Stunden auf 38,5 Stunden. Im Hinblick darauf hängte die Beklagte unter dem 20. September 1985 einen Aushang im Betrieb aus, in dem es u.a. heißt:
Vergütung der Pausenzeiten im 3-Schichtbetrieb
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1. Mit Wirkung ab 01.04.1985 beträgt die tarifliche
wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen
38,5 Stunden - nach 40 Stunden bis zum
31.03.1985.
2. Durch diese arbeitszeitrechtliche Veränderung
hat sich - auch in inhaltlicher Übereinstimmung
mit dem Betriebsrat - im tatsächlichen
Ablauf nichts geändert. Die tatsächliche
Arbeitszeit je Schicht beträgt
unverändert 7,5 Stunden/täglich mit insgesamt
30 Minuten Pausenzeiten je Schicht.
3. Bis zum 31.03.1985 wurde bei einer individuellen
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
von 40 Stunden kraft Tarifvertrag und
einer tatsächlichen Arbeitszeit von 37,5
Stunden die auf die Pausen entfallende
Stundendifferenz von 2,5 Stunden vergütet.
Es handelte sich dabei um eine freiwillige
Leistung, zu der die Firma weder aufgrund
des Tarifvertrages noch aufgrund eines Gesetzes
verpflichtet war. Grundlage dieser
freiwilligen Leistung war die bis zum
31.03.1985 geltende 40-Stunden-Woche.
.....
5. .....
Geschäftsgrundlage für die Vergütung von
2,5 Stunden Pausenzeiten in der Woche war
die 40-Stunden-Woche mit einer Arbeitszeit
von 37,5 Stunden/Woche. Firmenseitig wurde
auf die Arbeitsleistung von 2,5 Stunden/Woche
verzichtet, verbunden mit der Zusage,
daß die Zeit des Verzichts auf die Arbeitsleistungen
vergütet wurde. Seit dem 01.04.1985
verzichten wir lediglich noch auf eine
Arbeitsstunde/Woche mit der Folge, daß sich
die Vergütung auf eine Stunde/Woche (= 12
Minuten arbeitstäglich) beschränkt. Diesen
Anpassungsanspruch an die veränderte Geschäftsgrundlage
haben wir gegenüber jedem
Arbeitnehmer, der vor dem 01.04.1985 eingetreten
ist. Wir werden entsprechend diesem
Anspruch bis zum 31.12.1985 verfahren und
bis zu diesem Termin Pausenzeiten bis zu 12
Minuten täglich vergüten.
6. Für die Zeit ab 01.01.1986 vergüten wir je
Schicht eine Pausenzeit von 12 Minuten weiterhin,
jedoch mit der Maßnahme, daß die
freiwillige Leistung von uns jederzeit nach
freiem Belieben widerrufen werden kann.
....."
Darüber hinaus sprach die Beklagte mit Schreiben vom 14. Oktober 1985 gegenüber dem Kläger eine außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund aus und bot ihm an, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist unverändert mit der Maßgabe fortzusetzen, dem Kläger künftig nur noch eine Pausenzeit von 12 Minuten als freiwillige Leistung zu vergüten. Der Betriebsrat widersprach der Änderungskündigung. Ein gerichtliches Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats hat die Beklagte nicht eingeleitet.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Weiterbezahlung der halbstündigen Pausen in unveränderter Höhe. Dazu hat er vorgetragen, weder die Änderungskündigung noch der einseitige Aushang der Beklagten könnten die Einstellung der Pausenbezahlung rechtfertigen. Nach den Bestimmungen des einschlägigen Manteltarifvertrags und des Änderungstarifvertrags vom 3. Juli 1984 stehe ihm weiterhin ein Anspruch auf Vergütung der halbstündigen Pausen zu. Die Vergütungszeit von einer halben Stunde beruhe auf betrieblicher Übung. Das Angebot der Beklagten, nur noch 12 Minuten pro Schicht zu bezahlen, sei nicht ausreichend im tariflichen Sinne. Die dem Kläger zustehende bezahlte Arbeitsunterbrechung gehöre zur Arbeitszeit. Die Beklagte könne ihrer tariflichen Pflicht zur Kürzung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit nicht ausschließlich zu Lasten der Arbeitsunterbrechungen nachkommen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß seine Arbeitsbedingungen
weder im Zusammenhang mit der Änderungskündigung
vom 14. Oktober 1985 noch
aufgrund einseitiger Anordnung oder Verrechnungserklärung
der Beklagten geändert
worden sind, vielmehr die Beklagte verpflichtet
ist, für die Dauer der halbstündigen
Pausen die Arbeitsvergütung weiterzubezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Pausenbezahlung nicht zu. Für den tariflichen Anspruch komme es ebenso wie nach § 12 Abs. 2 Satz 3 AZO darauf an, ob der Kläger Arbeiten ausführe, die einen ununterbrochenen Fortgang erforderten. Dann seien bezahlte Kurzpausen zu gewähren. Diese kämen nur bei solchen Arbeiten in Betracht, bei denen es nicht möglich sei, die Maschinen abzuschalten und Ruhepausen zu gewähren. Im vorliegenden Fall gewähre die Beklagte aber Ruhepausen, da sie die Pausen des Klägers durch den Einsatz von Robotern überbrücke, was unstreitig ist. Mit der Verrechnung der bisher gezahlten Pausenzeiten im Zusammenhang mit der tariflichen Arbeitszeitverkürzung habe sie den tarifwidrigen Zustand beseitigen wollen.
Das Arbeitsgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen festgestellt, daß die Arbeitsbedingungen des Klägers weder im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 14. Oktober 1985 noch aufgrund einseitiger Anordnung oder Verrechnungserklärung der Beklagten dahingehend geändert worden sind, daß eine Pausenbezahlung künftig nur noch unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs gewährt wird und daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für 12 Minuten der arbeitstäglichen Pausenzeit die arbeitsvertragliche Vergütung zu zahlen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die Arbeitsbedingungen des Klägers weder durch die Änderungskündigung vom 14. Oktober 1985 noch aufgrund einseitiger Anordnung oder Verrechnungserklärung der Beklagten geändert worden sind.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit im wesentlichen zutreffender Begründung stattgegeben. Dem Kläger steht nach wie vor nach den auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren tariflichen Bestimmungen ein Anspruch auf Bezahlung der von der Beklagten je Schicht gewährten halbstündigen Pausen zu. Weder durch die von der Beklagten erklärte außerordentliche Änderungskündigung noch aufgrund des Aushangs vom 20. September 1985 konnte dieser Anspruch des Klägers beseitigt werden.
Der Klageantrag ist zulässig, bedarf allerdings der Auslegung. Nach seinem gesamten Klagevorbringen begehrt der Kläger, daß die Beklagte ihm weiterhin die halbstündigen Pausen je Arbeitsschicht vergütet. Dieses Klageziel hat er in den letzten beiden Halbsätzen des Klageantrags durch einen entsprechenden Feststellungsantrag formuliert. Für diesen Feststellungsantrag ist das Rechtsschutzinteresse zu bejahen. Der Kläger kann insoweit nicht auf eine Leistungsklage verwiesen werden, da die künftige Höhe seiner Vergütung und damit auch die Höhe der Vergütung der halbstündigen Pausen wegen ständig wechselnder Lohnhöhe nicht feststeht (vgl. BAG Urteil vom 20. Juni 1984 - 4 AZR 208/82 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel).
Im Hinblick auf diesen Feststellungsantrag ist das Rechtsschutzinteresse für den ersten Teil des Klageantrags zweifelhaft, da mit ihm nur das Fehlen von Gründen festgestellt werden soll, die dem Anspruch auf Weiterzahlung der halbstündigen Pausen entgegenstehen. Nach dem gesamten Klagevorbringen soll dieser Teil des Feststellungsantrags aber nur der Erläuterung des auf die Weiterbezahlung der Pausen gerichteten Feststellungsantrags dienen und ersichtlich keine selbständige Bedeutung haben. Dies hat auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt. Deshalb war die Urteilsformel entsprechend dem eigentlichen Feststellungsbegehren des Klägers neu zu fassen.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft betrieblicher Übung die Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie in Nordrhein-Westfalen als Vertragsrecht Anwendung. Die betriebliche Übung ist zwischen den Parteien unstreitig. Danach kann für den Anspruch des Klägers auf Bezahlung der halbstündigen Pausen der Tarifvertrag vom 3. Juli 1984 zur Änderung des Manteltarifvertrags vom 30. April 1980 (MTV) herangezogen werden, der seit 1. April 1985 in Kraft ist und in dem es u.a. heißt:
§ 3
---
Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit/Ausbildungszeit
--------------------------------------------
.....
5. Umkleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne
der AZO (z. B. Frühstücks-, Mittags-, Kaffee-Pausen)
gelten nicht als Arbeitszeit/
Ausbildungszeit.
In Dreischichtbetrieben ist den Arbeitnehmern
ausreichend Zeit zum Einnehmen der
Mahlzeiten ohne Lohn- oder Gehaltsabzug zu
gewähren.
Danach steht dem Kläger gemäß § 3 Nr. 5 Satz 2 MTV ein Anspruch auf Bezahlung der halbstündigen Pausen zu. Die Auslegung dieser Vorschrift ist in erster Linie nach Wortlaut und tariflichem Gesamtzusammenhang vorzunehmen (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Unstreitig ist der Kläger in einem Dreischichtbetrieb tätig. Es ist insoweit nicht erforderlich, daß der Kläger Arbeiten leistet, die einen ununterbrochenen Fortgang erfordern. Arbeiten, die einen ununterbrochenen Fortgang erfordern, sind in § 12 Abs. 2 Satz 3 AZO angesprochen. Darauf nimmt die tarifliche Regelung jedoch nicht Bezug. Deshalb kann entgegen der Auffassung von Ziepke (Kommentar zum MTV 1984, 2. Aufl., Ergänzungsband, § 3 Anm. 31) nicht gefolgert werden, die Tarifvertragsparteien hätten in § 3 Nr. 5 Satz 2 MTV mit Dreischichtbetrieben nur solche Betriebe gemeint, deren Arbeit einen ununterbrochenen Fortgang erforderten. Dies gilt umso mehr, als § 12 Abs. 2 Satz 3 AZO noch nicht einmal eine spezielle Regelung für Dreischichtbetriebe enthält, sondern für in Wechselschichten beschäftigte Arbeitnehmer gilt, worunter auch Arbeitnehmer in Zweischichtbetrieben fallen. Demgemäß haben nach der tariflichen Regelung in § 3 Nr. 5 Satz 2 MTV alle in Dreischichtbetrieben beschäftigte Arbeitnehmer Anspruch auf Gewährung ausreichender Zeit zum Einnehmen der Mahlzeiten ohne Lohn- oder Gehaltsabzug. Der Arbeitgeber muß den Arbeitnehmern in Dreischichtbetrieben unabhängig davon, ob die Arbeiten einen ununterbrochenen Fortgang erfordern, eine bezahlte Pause ("ausreichend Zeit") zum Einnehmen der Mahlzeiten gewähren. Ob es sich hierbei um eine Pause im Sinne der AZO handelt, ist nach der tariflichen Vorschrift unerheblich.
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß der Arbeitgeber auch in Dreischichtbetrieben den Arbeitnehmern unbezahlte Pausen im Sinne der AZO gewährt. Dies steht aber einem Anspruch des Arbeitnehmers auf eine bezahlte Pause nach § 3 Nr. 5 Satz 2 MTV nicht entgegen. Gerade der Hinweis in § 3 Nr. 5 Satz 1 MTV auf Frühstücks-, Mittags- und Kaffeepausen zeigt, daß nach Satz 1 die Pausen im Sinne der AZO der Einnahme der Mahlzeiten dienen sollen. Die für diesen Zweck gewährten Pausen sind aber nach der Regelung des Satzes 2 in Dreischichtbetrieben zu bezahlen. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien soll in Dreischichtbetrieben nicht jede Pause im Sinne der AZO vergütet werden, sondern nur die Pause, die zum Einnehmen der Mahlzeiten gewährt wird. Darüber hinausgehende Pausen im Sinne der AZO sind nicht zu vergüten. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ausdrücklich vorgetragen, sie gewähre die Pausen, damit der Mitarbeiter zweimal 15 Minuten pro Schicht zum Einnehmen der Mahlzeiten zur Verfügung habe. Damit hat sie eine Pause im Sinne von § 3 Nr. 5 Satz 2 MTV gewährt und muß sie dementsprechend bezahlen. Die beiden viertelstündigen Pausen sind auch zum Einnehmen von Mahlzeiten erforderlich, gehen jedenfalls nicht über eine ausreichende Zeit im Sinne der tariflichen Regelung hinaus.
Sinn und Zweck der tariflichen Regelung stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag kann der Sinn und Zweck der in Dreischichtbetrieben zu gewährenden bezahlten Pausen nur darin gesehen werden, daß die Tarifvertragsparteien damit die besonderen Belastungen honorieren wollten, denen Arbeitnehmer in Dreischichtbetrieben mit drei unterschiedlichen Arbeitszeitrhythmen ausgesetzt sind, und auch dem Umstand Rechnung tragen wollten, daß die Pausen in solchen Betrieben oft - wie auch im Betrieb der Beklagten - zu unterschiedlichen Zeiten (zeitversetzt) genommen werden. Dies ist ein sachlich einleuchtender Grund, der die tarifliche Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in Dreischichtbetrieben und sonstigen Arbeitnehmern bei der Bezahlung von Pausen als gerechtfertigt erscheinen läßt.
Demgegenüber kann die Beklagte nicht einwenden, Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Nr. 5 Satz 2 MTV sei es unter der Geltung der 40-Stunden-Woche gewesen, im Dreischichtbetrieb den Arbeitnehmern acht Stunden bezahlte Arbeitszeit pro Tag in der Fünf-Tage-Woche zu sichern. Nach der Verkürzung der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit auf 38 1/2 Stunden sei dementsprechend nur eine Bezahlung von 38 1/2 Stunden wöchentlich für Arbeitnehmer in Dreischichtbetrieben erforderlich. Diese Erwägungen mögen seinerzeit bei der erstmaligen Normierung der Vorschrift, die in § 3 Nr. 5 Satz 2 MTV fortgeschrieben wurde, Motiv für eine oder beide Tarifvertragsparteien gewesen sein, sie müssen aber bei der Tarifauslegung unberücksichtigt bleiben, da sie in den tariflichen Normen keinen Niederschlag gefunden haben und die strittige Tarifnorm nach Wortlaut und Gesamtzusammenhang eine eindeutige Tarifauslegung ermöglicht (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Hinzu kommt, daß die Tarifvertragsparteien bei der Einführung der 38 1/2-Stunden-Woche durch den Tarifvertrag vom 3. Juli 1984 in diesen Tarifvertrag die Vorschrift des § 3 Nr. 5 Satz 2 MTV wörtlich aus dem bisherigen Tarifvertrag unter der Geltung der 40-Stunden-Woche übernommen haben. Insoweit hat die Beklagte selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, daß die Tarifvertragsparteien bei der Normierung des Tarifvertrags vom 3. Juli 1984 außer der Arbeitszeitverkürzung keine weiteren materiellen Veränderungen der Tarifnorm diskutiert haben. Daraus folgt zwingend, daß die Tarifvertragsparteien die unter der 40-Stunden-Woche geltenden übrigen tariflichen Vorschriften unverändert beibehalten wollten. Dazu gehört auch die Bezahlung der halbstündigen Pausen.
Der Beklagten bleibt es unbenommen, dem Kläger unbezahlte Pausen im Rahmen und im Sinne der AZO zu gewähren und ihm außerhalb dieser Pausen ausreichend Zeit zum Einnehmen der Mahlzeiten ohne Lohnabzug einzuräumen. Solange sie aber - wie vorliegend - die beiden viertelstündigen Pausen je Schicht ausdrücklich zum Einnehmen der Mahlzeiten einräumt, hat sie diese Pausen auch zu vergüten. Ob es sich bei diesen Pausen um Arbeitszeit handelt oder um Pausen im Sinne der AZO oder um sonstige Pausen, ist insoweit unerheblich.
Ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte eine andere Pausenregelung unter Berücksichtigung des Anspruchs des Klägers auf ausreichend Zeit zum Einnehmen der Mahlzeiten ohne Lohnabzug einführen kann, kann hier offenbleiben. Das vorliegende Urteil und damit auch seine Rechtskraft erstreckt sich nur auf die von der Beklagten derzeit durchgeführte Pausenregelung. Solange diese besteht, hat sie dem Kläger die beiden viertelstündigen Pausen je Schicht zu vergüten.
Da dem Kläger nach dem kraft Vertragsrechts (betriebliche Übung) geltenden MTV (§ 3 Nr. 5 Satz 2) ein Anspruch auf Weiterbezahlung der halbstündigen Pausen zusteht, konnte die Beklagte diesen Anspruch durch einseitige Anordnung (Aushang vom 20. September 1985) nicht beseitigen. Die dem Kläger gegenüber erklärte außerordentliche Änderungskündigung ist bereits wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats oder einer sie ersetzenden gerichtlichen Entscheidung unwirksam, da der Kläger als Betriebsratsmitglied den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG genießt.
Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Freitag Dr. Etzel
Dr. Konow Schmalz
Fundstellen
Haufe-Index 439023 |
DB 1988, 449-450 (LT) |
RdA 1988, 62 |
AP § 1 TVG, Nr 59 |
AR-Blattei, ES 1410 Nr 7 (LT1) |
AR-Blattei, Schichtarbeit Entsch 7 (LT1) |
EzA § 4 TVG Metallindustrie, Nr 35 (LT) |