Entscheidungsstichwort (Thema)
13. Monatseinkommen – Tarifliche Ausschlußfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf ein anteiliges 13. Monatseinkommen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990 wird beim Ausscheiden des Arbeitnehmers auf Grund einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.
2. Diese tarifliche Fälligkeitsregelung, verbunden mit der Ausschlußfrist des § 16 Nr. 1 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981, die eine schriftliche Geltendmachung des Anspruches innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit verlangt, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Normenkette
TVG § 4; Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990 i.d.F. vom 23. Juni 1995 § 6; Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht (TVM) vom 23. November 1977 i.d.F. vom 18. Juni 1991 § 2; BRTV-Bau vom 3. Februar 1981 i.d.F. vom 24. April 1996 § 16
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30. Juni 1998 – 12 Sa 1834/97 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines tariflichen anteiligen 13. Monatseinkommens.
Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 24. April 1996 bis zum 31. Oktober 1996 als Steinsetzer mit einem Stundenlohn von 24,94 DM beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch fristgemäße Kündigung der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für das Baugewerbe Anwendung.
Am 15. November 1996 erhielt der Kläger die Lohnabrechnung für den Monat Oktober 1996. Diese enthielt keine Abrechnung eines anteiligen 13. Monatseinkommens. Mit Schreiben der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 13. Januar 1997, bei der Beklagten eingegangen am 14. Januar 1997, machte der Kläger ein anteiliges 13. Monatseinkommen für das Jahr 1996 in Höhe von 2.668,58 DM brutto geltend.
Der Kläger ist der Auffassung, der Anspruch auf das 13. Monatseinkommen gemäß dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990 (TV 13. Monatseinkommen) sei frühestens mit dem Lohn für Oktober 1996 und damit am 15. November 1996 fällig geworden. Er habe seinen Anspruch daher rechtzeitig innerhalb der Ausschlußfrist des § 16 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.668,58 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Anspruch des Klägers sei gemäß § 16 BRTV verfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sein Anspruch auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens ist verfallen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen, der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 1996 sei gemäß § 16 Abs. 1 BRTV wegen verspäteter schriftlicher Geltendmachung verfallen. Der Anspruch sei mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 1996 fällig geworden. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen. Die erstmalige schriftliche Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger mit Schreiben vom 13. Januar 1997 sei demnach nicht innerhalb der zweimonatigen Ausschlußfrist des § 16 Abs. 1 BRTV erfolgt. Der Lauf der Ausschlußfrist sei auch nicht bis zur Erteilung einer Lohnabrechnung durch den Arbeitgeber gehemmt gewesen. Auf Grund vorangegangener Lohnabrechnungen und eigener Aufzeichnungen sei dem Kläger bereits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Berechnung seines Anspruchs möglich gewesen.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 1996 ist gemäß § 16 Nr. 1 BRTV verfallen, da er nicht rechtzeitig schriftlich geltend gemacht worden ist.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für das Baugewerbe Anwendung. Der für gewerbliche Arbeitnehmer geltende Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990 in der Fassung vom 23. Juni 1995 (TV 13. Monatseinkommen) enthält – soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung – folgende Regelungen:
„§ 2
13. Monatseinkommen
(1) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens zwölf Monate ununterbrochen besteht, haben Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen. …
…
(4) Endet das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag und hat es im Zeitpunkt des Ausscheidens mindestens drei Monate ununterbrochen bestanden, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein anteiliges 13. Monatseinkommen, wenn das Arbeitsverhältnis entweder
- durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers oder
- durch Fristablauf oder
- durch Kündigung des Arbeitnehmers, um die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung zu schaffen, oder
- im gegenseitigen Einvernehmen
beendet wird. …
§ 6
Fälligkeit
(1) Das 13. Monatseinkommen gemäß § 2 Abs. 1 und 3, § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie § 5 Abs. 1 ist zusammen mit der Zahlung des Lohnes bzw. der Ausbildungsvergütung für den Monat November auszuzahlen; …
(2) Das 13. Monatseinkommen gemäß § 2 Abs. 4, gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 sowie § 5 Abs. 2 b) ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. des Ausbildungsverhältnisses fällig; …
(3) Das 13. Monatseinkommen gemäß § 3 Abs. 3 ist mit der Lohnzahlung für den Monat fällig, welcher dem Monat der Wiederaufnahme der Arbeit folgt.
§ 8
Nachweis der Arbeitsstunden
Der Arbeitgeber hat die für die Berechnung des 13. Monatseinkommens zugrunde zu legenden tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden (§ 2 Abs. 2) in der Lohnabrechnung (§ 5 Nr. 10 BRTV) gesondert auszuweisen.”
Der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 in der Fassung vom 24. April 1996 (BRTV) regelt u. a. folgendes:
„§ 5
Lohn
8. Lohnabrechnungszeitraum
8.2 Bei monatlicher Lohnabrechnung wird der Anspruch auf den Lohn spätestens zur Mitte des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. …
10. Lohnabrechnung
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer nach Abschluß des Lohnabrechnungszeitraumes eine schriftliche Abrechnung über Lohn, vermögenswirksame Leistungen, Zulagen, Abzüge und Abschlagszahlungen zu erteilen. Bei monatlicher Lohnabrechnung hat die Abrechnung spätestens bis zur Mitte des nächsten Monats zu erfolgen.
…
§ 12
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
6. Aushändigung von Restlohn und Arbeitspapieren
Bei ordnungsgemäßer Lösung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bis zum Schluß der Arbeitszeit des letzten Arbeitstages an der Bau- oder Arbeitsstelle die Arbeitspapiere nach § 2 Nr. 1 auszuhändigen und den Restlohn auszuzahlen.
6.2 Ist die Auszahlung des Restlohnes bis zum Schluß der Arbeitszeit des letzten Arbeitstages an der Bau- oder Arbeitsstelle nicht möglich, so ist eine Abschlagszahlung zu gewähren, die etwa 90 v. H. des Nettolohnes betragen muß, den der Arbeitnehmer in dem Zeitraum verdient hat, für den der Anspruch auf Restlohn besteht. Im übrigen gelten für die Auszahlung des Restlohnes die Bestimmungen des § 5 (Lohn) Nrn. 8.2, 8.3 und 8.5 sowie Nrn. 9.2 und 9.3.
Die in § 5 Nr. 10 vorgesehene Lohnabrechnung hat der Arbeitgeber dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer an die von diesem angegebene Anschrift zu senden.
§ 16
Ausschlußfristen
1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.”
2. Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 4 a) TV 13. Monatseinkommen für die Gewährung eines anteiligen 13. Monatseinkommens. Das Arbeitsverhältnis endete vor dem Stichtag (30. November 1996) auf Grund ordentlicher Arbeitgeberkündigung, nachdem es mehr als drei Monate ununterbrochen bestanden hatte.
3. Der Anspruch auf das 13. Monatseinkommen ist aber gemäß § 16 Nr. 1 BRTV verfallen. Nach dieser Tarifnorm sind alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Unterbleibt eine rechtzeitige Geltendmachung, verfällt der Anspruch.
a) Der Anspruch des Klägers auf Gewährung eines anteiligen 13. Monatseinkommens ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.
b) Dieser Anspruch war – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien am 31. Oktober 1996 fällig. Zur Wahrung der tariflichen Ausschlußfrist wäre demnach eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs bis zum 31. Dezember 1996 erforderlich gewesen. Die erstmalige schriftliche Geltendmachung durch den Kläger mit Schreiben vom 13. Januar 1997 war somit verspätet.
aa) Die Fälligkeit des Anspruchs auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens eines vor dem 30. November ausgeschiedenen Arbeitnehmers richtet sich nach § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen. Danach ist der Anspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, daß die Fälligkeit des Anspruchs auf das anteilige 13. Monatseinkommen erst zusammen mit der Fälligkeit des Lohnanspruchs für den letzten Beschäftigungsmonat eintritt, kommt nicht in Betracht.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Die Tarifauslegung hat zunächst vom Wortlaut auszugehen. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist aber auch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur so bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, m.w.N.). Verbleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhangs noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien – ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge – auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages zurückgegriffen werden (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Ferner gilt es, die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG Urteil vom 5. Februar 1997 – 10 AZR 639/96 – AP Nr. 14 zu § 33 a BAT, m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen dahingehend auszulegen, daß die Fälligkeit des Anspruches auf ein anteiliges 13. Monatseinkommen mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintritt.
Nach dem eindeutigen Wortlaut der tariflichen Regelung kommt es für die Fälligkeit dieses Anspruchs auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Beendet ist ein Arbeitsverhältnis dann, wenn im Falle einer wirksamen Kündigung die Kündigungsfrist verstrichen und das Vertragsverhältnis damit rechtlich aufgelöst ist (vgl. dazu BAG Urteil vom 8. August 1985 – 2 AZR 459/84 – AP Nr. 94 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, m.w.N.).
Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine vom Wortlaut des § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen abweichende Auslegung dahingehend, daß die Fälligkeit des anteiligen 13. Monatseinkommens an die Fälligkeit der Lohnzahlung für den letzten Beschäftigungsmonat oder die Erteilung einer entsprechenden Lohnabrechnung geknüpft ist. Soweit – wie der Kläger meint – ein derartiger Wille der Tarifvertragsparteien bestanden haben sollte, hat dieser in den tariflichen Regelungen keinen Ausdruck gefunden. Allein der Umstand, daß es angesichts der Abrechnungspraxis möglicherweise nur wenig sinnvoll erscheint, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Stichtag 30. November unterschiedliche Fälligkeitstermine für das anteilige 13. Monatseinkommen und den Lohn für den letzten Abrechnungszeitraum festzulegen, rechtfertigt nicht die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten eine andere, sinnvollere Regelung treffen wollen.
Die Tarifvertragsparteien haben in § 6 TV 13. Monatseinkommen eine im Verhältnis zu § 5 BRTV, der die Fälligkeit von Lohnansprüchen im allgemeinen regelt, eine eigenständige detaillierte Fälligkeitsregelung für den Anspruch auf ein (anteiliges) 13. Monatseinkommen getroffen und dabei zwischen bestehenden und vor dem Stichtag beendeten Arbeitsverhältnissen unterschieden. Bei bestehenden Arbeitsverhältnissen ist das 13. Monatseinkommen grundsätzlich mit dem Lohn für den Monat November auszuzahlen und damit bei monatlicher Lohnzahlung gemäß § 5 BRTV am 15. Dezember des Jahres fällig, § 6 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Stichtag knüpft § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen für die Fälligkeit des anteiligen 13. Monatseinkommens an den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. In § 6 Abs. 3 TV 13. Monatseinkommen haben die Tarifvertragsparteien dann noch eine weitere Sonderregelung hinsichtlich der Fälligkeit von Ansprüchen auf ein 13. Monatseinkommen bei Wiederaufnahme der Arbeit nach Beendigung des Grundwehr- oder Zivildienstes getroffen.
Damit enthält der TV 13. Monatseinkommen eine eigenständige, differenzierte und damit abschließende Regelung. Hätten die Tarifvertragsparteien auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Stichtag für die Fälligkeit des Anspruchs auf ein anteiliges 13. Monatseinkommen an die Lohnzahlung für den letzten Beschäftigungsmonat anknüpfen wollen, hätte es nahegelegen, dies entsprechend zu formulieren („… mit dem Lohn für den letzten Beschäftigungsmonat auszuzahlen/fällig”). Es ergeben sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der Fälligkeit verkannt oder bewußt in einem anderen Sinne verwenden wollten. Damit verbleibt es bei dem Grundsatz, daß dann, wenn in einer tariflichen Regelung juristische Begriffe verwendet werden, regelmäßig davon auszugehen ist, daß die Tarifvertragsparteien diese in der allgemein gültigen Bedeutung verwenden wollen (BAG Urteil vom 29. September 1976 – 4 AZR 381/75 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Papierindustrie).
Auch die in § 12 Nr. 6 BRTV enthaltene Regelung stützt das gefundene Ergebnis. Diese Tarifnorm zeigt nämlich, daß die Tarifvertragsparteien für den Fall der ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich von einer Fälligkeit des Restlohnes am letzten Arbeitstag und damit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehen. Nach § 12 Nr. 6 BRTV ist bei ordnungsgemäßer Lösung des Arbeitsverhältnisses der Restlohn am letzten Arbeitstag an der Bau- oder Arbeitsstelle auszuzahlen. Falls dies nicht möglich ist, ist eine Abschlagszahlung in Höhe von etwa 90 % des Nettolohnes zu gewähren. Es kann offen bleiben, ob diese Regelung angesichts der heutzutage üblichen unbaren Lohnzahlung und der Abrechnungspraxis der Betriebe noch sinnvoll und praktikabel ist. Auf jeden Fall macht auch diese Regelung deutlich, daß die Tarifvertragsparteien bei ordnungsgemäßer – also vorhersehbarer – Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchaus eine Abweichung von der üblichen Lohnzahlungspraxis – Fälligkeit des Lohnes zur Mitte des Folgemonats – anstreben.
Allein der Umstand, daß die Regelung des § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen in der Praxis auf Grund der üblicherweise am 15. des Folgemonats erfolgenden Abrechnung aller Vergütungsansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kaum Beachtung findet und ein Auseinanderfallen der Fälligkeitszeitpunkte hinsichtlich des Lohns und des 13. Monatseinkommens auch nicht zweckmäßig erscheint, vermag eine andere als die gefundene Auslegung nicht zu rechtfertigen. Ob die getroffene tarifliche Regelung ausgewogen und sinnvoll ist, hatte der Senat nämlich nicht zu entscheiden (BAG Urteile vom 18. November 1998 – 10 AZR 649/97 – n.v. und vom 12. November 1997 – 10 AZR 772/96 – AP Nr. 15 zu § 33 BAT). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, eine möglicherweise nicht praxisgerechte oder nicht mehr zeitgemäße Tarifvorschrift im Wege der Auslegung zu korrigieren.
bb) Der Lauf der Ausschlußfrist war auch nicht bis zur Erteilung der Lohnabrechnung für den Monat Oktober 1996 gehemmt. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger ohne den gemäß § 8 TV 13. Monatseinkommen in der Lohnabrechnung zu erteilenden Nachweis der der Berechnung des 13. Monatseinkommens zugrundeliegenden Stunden nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Anspruch wenigstens annähernd zu beziffern.
Es ist anerkannt, daß sich der Arbeitgeber nach Treu und Glauben nicht auf eine Versäumung der Ausschlußfrist berufen darf, solange er schuldhaft die Abrechnung verzögert, ohne die der Arbeitnehmer seine Ansprüche nicht erkennen kann (BAG Urteile vom 8. August 1985 – 2 AZR 459/84 – AP Nr. 94 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; vom 27. November 1984 – 3 AZR 596/82 – Nr. 89 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, jeweils m.w.N.). Daraus folgt, daß der Lauf der Ausschlußfrist dann gehemmt wird, wenn der Arbeitnehmer eine Abrechnung benötigt, um seine Ansprüche berechnen zu können. An dieser Voraussetzung fehlt es vorliegend. Es ist weder ersichtlich, daß der Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 1996 keine Kenntnis davon hatte, wieviele Arbeitsstunden er im Bezugszeitraum geleistet hatte, noch sind Anhaltspunkte dafür gegeben, daß er den sich aus der Lohntabelle ergebenden Gesamttarifstundenlohn nicht kannte. Gemäß § 2 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen benötigte der Kläger jedoch nur diese beiden Faktoren, um seinen Anspruch zutreffend berechnen zu können. Der Anspruch unterscheidet sich daher grundlegend von Akkordlohn- oder Provisionsansprüchen, die der Arbeitnehmer in der Regel aus eigener Kenntnis nicht ermitteln kann, so daß er für die Geltendmachung desselben auf eine Abrechnung durch den Arbeitgeber angewiesen ist.
cc) Schließlich vermag auch der Einwand der Revision, die Ausschlußfrist von zwei Monaten sei unwirksam, zumindest verstoße die Vorverlegung der Fälligkeit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Art. 3 GG bzw. Art. 14 GG, der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Die Ausschlußfrist des § 16 Nr. 1 BRTV ist wirksam. Für die entsprechende Vorschrift des BRTV für das Baugewerbe vom 10. August 1962 hat das Bundesarbeitsgericht bereits mit Urteil vom 16. November 1965 (– 1 AZR 160/65 – AP Nr. 30 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) entschieden, daß hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Ausschlußfrist keine Bedenken bestehen. Die als besonders sachkundig anzusehenden Tarifvertragsparteien hätten einen Ermessensspielraum hinsichtlich der von ihnen zu treffenden Regelungen. Die Regelung sehe keine derart kurzen Fristen vor, daß ein Verstoß gegen das Verbot der Sittenwidrigkeit oder gegen das Gebot von Treu und Glauben angenommen werden könnte. Diese Rechtsprechung ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht überholt. In einer Entscheidung vom 24. März 1988 (– 2 AZR 630/87 – AP Nr. 1 zu § 241 BGB) hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlußfristen von zwei Monaten nicht für unangemessen kurz erachtet. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Dabei ist davon auszugehen, daß den Tarifvertragsparteien auf Grund der Tarifautonomie grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum auch hinsichtlich der Länge der Ausschlußfristen zusteht. Die Gerichte für Arbeitssachen haben tarifliche Vorschriften nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen. Ob dagegen eine tarifliche Regelung die gerechteste und zweckmäßigste Lösung darstellt und zu ausgewogenen und sinnvollen Ergebnissen führt, unterliegt nicht der gerichtlichen Überprüfung (st. Rechtsprechung; vgl. BAGE 84, 282 = AP Nr. 1 zu § 10 a AVR Caritasverband). Die seit Jahrzehnten im Baubereich übliche und allgemein akzeptierte tarifliche Ausschlußfrist von zwei Monaten ab Fälligkeit verstößt weder gegen die guten Sitten noch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Zu berücksichtigen ist dabei auch, daß Ausschlußfristen Bestandteil eines tariflichen Gesamtwerks sind. Selbst Preis (ZIP 1989, 885, 893; Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, 481 ff., 494), auf den sich der Kläger für seine gegenteilige Auffassung beruft, geht davon aus, daß eine (einzelvertraglich vereinbarte) zweistufige Ausschlußfrist von zwei mal zwei Monaten „an der unteren Grenze des noch Zulässigen” liegt. Soweit sich der Kläger auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Oktober 1979 beruft (– I ZR 166/78 – BGHZ 75, 218), vermag diese Entscheidung die Beurteilung der tariflichen Ausschlußfrist des § 16 Nr. 1 BRTV nicht zu beeinflussen. Gegenstand dieser Entscheidung war die einseitige Verkürzung der Verjährungsfrist zu Lasten eines Handelsvertreters von vier Jahren gemäß § 88 HGB auf sechs Monate in einem Handelsvertretervertrag. Diese Verkürzung hat der Bundesgerichtshof auf Grund der Einseitigkeit für unzulässig gehalten. Auch die weiteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, in denen dreimonatige Verjährungsfristen in Formularverträgen als unangemessene Benachteiligung eines Vertragspartners für unzulässig erklärt wurden, lassen sich nicht ohne weiteres auf tarifliche Ausschlußfristen übertragen. Zum einen findet bei Tarifverträgen gerade keine Inhaltskontrolle statt, zum anderen wurde in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auf die besondere Schwierigkeit abgestellt, bei den streitgegenständlichen Ansprüchen aus dem Transportrecht die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (BGH Urteil vom 20. März 1978 – II ZR 19/76 – VersR 1978, 557, 558; Urteil vom 24. September 1979 – II ZR 38/78 – VersR 1980, 40; Urteil vom 19. Mai 1988 – I ZR 147/86 – VersR 1988, 845).
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt entgegen der Auffassung des Klägers ebenfalls nicht vor, da Ansprüche, die mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden, im Hinblick auf die einzuhaltende Ausschlußfrist nicht anders behandelt werden als Ansprüche, die während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses fällig werden. Es ist unbedenklich, wenn die Fälligkeit eines einzelnen Anspruches (hier: des Anspruchs auf ein anteiliges 13. Monatseinkommen) – in Abweichung von den sonst üblichen Fälligkeitsregelungen – bereits mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintritt. Letztlich soll diese Fälligkeitsregelung im Regelfalle vor allem dem Interesse des Arbeitnehmers dienen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Böck, Marquardt, Mikosch, Schaeff, Schwitzer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.09.1999 durch Siegel, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436306 |
BB 2000, 780 |
DB 2000, 1667 |
NWB 2000, 1781 |
FA 2000, 137 |
NZA 2000, 551 |
SAE 2000, 168 |
ZTR 2000, 321 |
AP, 0 |
AUR 2000, 198 |