Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Versetzungsbefugnis. niedrigere Verg.-Gruppe. Fortführung der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 21. Januar 2004 – 6 AZR 583/03 – AP MTA-O § 12 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen. Versetzungsbefugnis
Leitsatz (amtlich)
§ 27 Abs. 3 BMT-G II, nach dem ein Arbeiter in eine niedrigere Vergütungsgruppe eingewiesen werden kann, wenn betriebliche Gründe, Arbeitsmangel oder ein an anderer Stelle dringend notwendiger Bedarf eine entsprechende Personalumsetzung vorübergehend erforderlich machen, ist mit unabdingbarem Kündigungsschutz vereinbar und damit wirksam.
Orientierungssatz
- Die Vorschrift des § 27 Abs. 3 BMT-G II regelt in zulässiger Weise eine Erweiterung des Direktionsrechts, indem sie dem Arbeitgeber gestattet, den Arbeiter bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen vorübergehend in eine niedrigere Lohngruppe einzuweisen.
- Eine Erweiterung des Leistungsbestimmungsrechts des Arbeitgebers durch Tarifvertrag ist statthaft, wenn die tarifliche Regelung nach Anlass und Umfang gerichtlich kontrollierbare Voraussetzungen aufstellt, die den Arbeitgeber zu einem einseitigen Eingriff in das Arbeitsverhältnis berechtigen. Darüber hinaus ist auch die Ausübung des tarifvertraglich erweiterten Direktionsrechts im Einzelfall gemäß § 106 GewO grundsätzlich an die Wahrung billigem Ermessens gebunden.
- Die Regelung des § 27 Abs. 3 BMT-G II entspricht diesen Anforderungen. Danach ist die Einweisung eines Arbeiters in eine niedrigere Vergütungsgruppe zulässig, wenn bestimmte betriebliche Gründe, Arbeitsmangel oder ein an anderer Stelle dringend notwendiger Bedarf, vorliegen. Ferner müssen diese Gründe die Personalumsetzung erforderlich machen. Die Maßnahme darf gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer höchstens solange aufrechterhalten werden, wie die Gründe für die Einweisung bestehen. Hierdurch wird ausgeschlossen, dass der Inhalt des bestehenden Arbeitsvertrags auf Dauer verändert wird. Auf Grund dieser Voraussetzungen bleibt der verfassungsrechtlich gewährleistete Mindestkündigungsschutz, der den Arbeitnehmer auch vor einseitigen Eingriffen des Arbeitgebers in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses schützt, gewahrt.
Normenkette
BMT-G II § 27 Abs. 3; GewO § 106; BGB § 310 Abs. 4 S. 3, § 307 Abs. 1-3, §§ 308-309; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 16. Juli 2003 – 4 Sa 532/03 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Befugnis der Beklagten, dem Kläger im Rahmen des Direktionsrechts vorübergehend Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe zuzuweisen.
Der Kläger ist seit dem 4. Dezember 1989 bei der Beklagten beschäftigt. In § 1 des Arbeitsvertrags heißt es:
“Herr Lessing wird ab 4.12.1989 im Bereich der Berliner Stadtreinigungs-Betriebe als Kraftfahrzeughandwerker eingestellt. Die Arbeitszeit beträgt 39 Stunden in der Woche ausschließlich der Pausen. Änderungen bleiben vorbehalten.”
Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) sowie die diesen ergänzenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger wird im Bereich der Werkstätten nach Lohngruppe VIIa des Lohngruppenverzeichnisses zu § 2 Zusatztarifvertrag Nr. 2 zu einer Vergütung von durchschnittlich 2.574,90 Euro brutto monatlich beschäftigt. In § 27 Abs. 3 BMT-G II heißt es:
“Die Einweisung des Arbeiters in eine niedrigere Lohngruppe ist nur zulässig, wenn Arbeitsmangel oder ein an anderer Stelle dringend notwendiger Bedarf aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen eine vorübergehende Personalumbesetzung erforderlich machen. In diesem Falle ist der Lohn der bisherigen Lohngruppe für zwei Wochen weiterzuzahlen. Arbeiter, denen nach § 52 nur aus einem wichtigen Grunde gekündigt werden kann, dürfen in eine niedrigere Lohngruppe nur dann eingewiesen werden, wenn kein anderer geeigneter Arbeiter verfügbar ist. Sobald die Gründe für die Einweisung weggefallen sind, ist der Arbeiter wieder in seine frühere Lohngruppe zu überführen.”
Betriebsbedingte Kündigungen sind bei der Beklagten durch einen Absicherungstarifvertrag ausgeschlossen. Im Bereich der Dienststelle Geschäftseinheit Flächenreinigung, die fünf Betriebshöfe umfasst, besteht ein dringender Personalbedarf. Zur erforderlichen Personaldeckung fehlten dort im März 2002 insgesamt 285 Mitarbeiter, 299 Mitarbeiter im April 2002, 303 Mitarbeiter im Mai 2002 und 308 Mitarbeiter im Juni 2002. Dieser Personalbedarf wurde teilweise durch die befristete Einstellung von 100 Bedarfsarbeitskräften abgedeckt. Demgegenüber besteht im Bereich der Werkstätten, in dem der Kläger beschäftigt wird, ein Personalüberhang. Dieser beruht auf der Reduzierung der Anzahl der Fahrzeuge von 2361 im Jahr 2000 auf 2088 zum 1. Juni 2002. Daneben führt auch die Verlängerung von Reparatur- und Serviceintervallen zu einer Verringerung der Auslastung der Werkstätten der Beklagten. Eine Auslastungsanalyse ergab im Bereich der Werkstätten einen Überhang von 44,3 Vollzeitkräften im Februar 2002 bzw. von 43,3 Mitarbeitern im März 2002. Daraufhin beschloss die Beklagte ab April 2002 insgesamt 35 Arbeitnehmer nicht mehr in ihrem Ursprungsbereich einzusetzen, sondern jeweils vorübergehend unter Fortzahlung ihrer bisherigen Bezüge dem Bereich der Flächenreinigung zuzuweisen. Dazu zählte auch der Kläger, der nach einer Anweisung vom 3. April 2002 vom 15. April 2002 bis zum 30. Juni 2002 als Straßen- und Grünflächenreiniger eingesetzt werden sollte. Diese Tätigkeit entspricht der Lohngruppe III. Die monatliche Differenz zur Vergütung nach Lohngruppe VIIa beträgt ca. 220,00 Euro brutto.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt, ihm vorübergehend eine Tätigkeit als Straßen- und Grünflächenreiniger zuzuweisen. Nach seinem Arbeitsvertrag sei er als Kraftfahrzeughandwerker zu beschäftigen. Im Übrigen sei die Beklagte kraft Direktionsrecht nicht berechtigt, ihm vorübergehend eine niedriger bewertete Tätigkeit zuzuweisen. Die tarifvertragliche Erweiterung des Direktionsrechts eines Arbeitgebers durch § 27 Abs. 3 BMT-G II verletzte höherrangiges Recht und sei unwirksam.
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt
festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger im Rahmen ihres Direktionsrechts einseitig eine vorübergehende Tätigkeit als Straßen- und Grünflächenreiniger zuzuweisen, es sei denn, dass Notfälle oder dringende Gründe des Gemeinwohls dies zwingend erforderlich machen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage – soweit im Revisionsverfahren von Interesse – abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein besonderes Feststellungsinteresse, § 256 Abs. 1 ZPO.
Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, dem Kläger eine Tätigkeit als Straßen- und Grünflächenreiniger zuzuweisen. Die Beklagte hatte sich dieses Recht gegenüber dem Kläger berühmt, indem sie ihm mit Schreiben vom 3. April 2002 diese Arbeit für die Zeit vom 15. April 2002 bis 30. Juni 2002 übertrug. Dieser Streit hat sich nicht in Folge Zeitablaufs erledigt. Die Beklagte führt in ihrem Schriftsatz vom 26. Juni 2002 aus, dass sie nach wie vor der Auffassung ist, berechtigt zu sein, den Kläger nach § 27 Abs. 3 BMT-G II vorübergehend in eine niedrigere Lohngruppe einzuweisen. Sie hält auch ausdrücklich ihre Ansicht aufrecht, dass die Zuweisung einer Tätigkeit als Straßen- und Grünflächenreiniger für die Zeit vom 15. April 2002 bis 30. Juni 2002 rechtmäßig war. Bei dieser Sachlage muss der Kläger damit rechnen, bei fortbestehendem Personalüberhang in seinem Arbeitsbereich und/oder einem dringend notwendigen Bedarf an Arbeitskräften im Bereich Flächenreinigung erneut mit den Aufgaben eines Straßen- und Grünflächenreinigers betraut zu werden.
Die Klage ist unbegründet.
1. § 27 Abs. 3 BMT-G II ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar.
a) In dem zwischen dem Kläger und dem Rechtsvorgänger der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrag ist die Anwendung des BMT-G II in seiner jeweils geltenden Fassung vereinbart. Damit gilt dieser Tarifvertrag im vollen Umfang für den Arbeitsvertrag der Parteien.
b) Ein ausdrücklicher Ausschluss von § 27 Abs. 3 BMT-G II wurde nicht geregelt. Auch stillschweigend wurde keine derartige Absprache getroffen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag ergäbe, dass die in § 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit unabänderlich gelten sollte. Dies lässt sich aus § 1 Arbeitsvertrag nicht entnehmen. Zwar ist der Kläger nach § 1 Satz 1 Arbeitsvertrag als Kraftfahrzeughandwerker eingestellt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass er ausschließlich mit Tätigkeiten eines Kraftfahrzeughandwerkers zu beschäftigen ist. Aus § 1 Satz 3 Arbeitsvertrag ergibt sich, dass Änderungen vorbehalten bleiben. Nach seinem Wortlaut, der keine Einschränkung des Änderungsvorbehalts enthält, und seiner systematischen Stellung innerhalb der in § 1 des Arbeitsvertrags getroffenen Regelungen, gilt dieser Vorbehalt für diese Vertragsklausel insgesamt. Danach kann die Tätigkeit des Klägers seitens der Beklagten einseitig bereits im Rahmen des allgemeinen Direktionsrechts abgeändert werden. Wenn § 2 Arbeitsvertrag das Arbeitsverhältnis der Geltung des BMT-G II unterstellt, ohne einzelne Tarifnormen ausdrücklich auszunehmen, findet bereits nach dem Wortgehalt der Vereinbarung der BMT-G II insgesamt und damit auch § 27 Abs. 3 BMT-G II Anwendung. Aus dem gleichen Grund kann aus § 1 Arbeitsvertrag auch nicht gefolgert werden, die Parteien hätten eine über den Tarifvertrag hinausgehende individuelle Absprache getroffen, den Kläger ausschließlich als Kraftfahrzeughandwerker zu beschäftigen. Einen eingeschränkten Umfang hat das tarifliche Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers nur dann, wenn die Parteien von den im öffentlichen Dienst üblichen Musterverträgen abweichen und eindeutige Absprachen treffen (BAG 26. Juni 2002 – 6 AZR 50/00 –, zu II 3b der Gründe; 21. Januar 2004 – 6 AZR 583/02 – AP MTA-O § 12 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2b bb (2) der Gründe). Daran fehlt es.
2. Die Regelung des § 27 Abs. 3 BMT-G II ist wirksam. Diese Tarifnorm erweitert in zulässiger Weise das Direktionsrecht des Arbeitgebers.
a) Das Direktionsrecht ist wesentlicher Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Es ermöglicht dem Arbeitgeber, die in einem Arbeitsverhältnis regelmäßig nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht nach Zeit, Ort und Art zu bestimmen (BAG 7. Dezember 2000 – 6 AZR 444/99 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 23). Dieses Recht kann durch Tarifvertrag zugunsten des Arbeitgebers erweitert werden. Solche Regelungen beruhen auf der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG, die es den Koalitionen als Träger dieses Grundrechts erlaubt, die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu regeln. Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ist allerdings nicht unbeschränkt. Sie findet ihre Grenze in entgegenstehendem Gesetzesrecht, das seinerseits mit Art. 9 Abs. 3 GG in Einklang stehen muss (st. Rspr. BAG 31. Juli 2002 – 7 AZR 140/01 – BAGE 102, 65 mwN).
b) In Fragen des Bestandsschutzes von Arbeitsverhältnissen, der sich auch auf den Schutz von Vertragsbedingungen vor einseitigen Eingriffen des Arbeitgebers erstreckt, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Mindestschutz der Arbeitnehmer unverzichtbar. Das folgt aus der dem Staat obliegenden Schutzpflichtfunktion der Grundrechte, die staatliche Grundrechtsadressaten dazu verpflichtet, den einzelnen Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten durch privatautonom legitimierte Normsetzung zu bewahren. Dieser verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz steht demnach auch nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien (BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118 und 11. März 1998 – 7 AZR 700/96 – BAGE 88, 162 mwN).
c) Der aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht hat der staatliche Gesetzgeber durch den Erlass des Kündigungsschutzgesetzes Rechnung getragen. Dementsprechend muss eine tarifvertragliche Erweiterung des Direktionsrechts mit den Wertungen des § 2 KSchG in Einklang stehen (APS/Künzl 2. Aufl. § 2 KSchG Rn. 99; KR-Rost 7. Aufl. § 2 KSchG Rn. 54a ff.; HaKo-Pfeiffer 2. Aufl. § 2 KSchG Rn. 21; Rost in FS Dieterich S. 505, 511; Friedhofen/Weber NZA 1986, 145, 146; Konow NZA 1987, 117). Allerdings hat der Gesetzgeber davon abgesehen, den wesentlichen Kernbereich eines Arbeitsverhältnisses, der vor einseitigen Eingriffen des Arbeitgebers aus Gründen des Verfassungsrechts zu schützen ist, im Einzelnen festzulegen. Danach kommt den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu, mittels derer sie in die Lage versetzt werden, die jeweiligen kündigungsschutzrechtlichen Wertvorstellungen zu konkretisieren und einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Arbeitnehmers an einem unveränderten Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses und dem Interesse des Arbeitgebers an einer flexiblen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu finden. An einem angemessenen Interessenausgleich fehlt es, wenn tarifliche Regelungen dem Arbeitgeber ohne jede Vorgabe Einschränkungen bis hin zur Suspendierung des Arbeitsverhältnisses gestatten. Dementsprechend sind Tarifnormen, die den Arbeitgeber ermächtigen, durch einseitige Anordnung von Kurzarbeit in einem von ihm bestimmten Zeitpunkt und einem von ihm bestimmten Umfang den Beschäftigungs- und Lohnanspruch des Arbeitnehmers auf unbestimmte Zeit zu verkürzen oder sogar ganz auszuschließen, unwirksam (BAG 27. Januar 1994 – 6 AZR 541/93 – BAGE 75, 327, 331; 18. Oktober 1994 – 1 AZR 503/93 – AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I 3b der Gründe). Dagegen ist eine Erweiterung des Direktionsrechts mit kündigungsschutzrechtlichen Wertvorstellungen jedenfalls vereinbar, wenn dessen Ausübung nach Grund und Umfang an konkrete Voraussetzungen geknüpft ist und eine damit verbundene Entgeltminderung gemildert wird. In diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht tarifliche Regelungen für zulässig erachtet, die den Arbeitgeber in einem tariflich vorgegebenen Rahmen zur Kürzung der Arbeitszeit (BAG 26. Juni 1985 – 4 AZR 585/83 – BAGE 49, 125, 131; 10. Juli 2003 – 6 AZR 372/02 – AP TVAL II § 9 Nr. 6, zu 2b der Gründe) oder zur Übertragung einer anderen, niedriger zu vergütenden Tätigkeit berechtigen (BAG 22. Mai 1985 – 4 AZR 88/84 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr. 6 und – 4 AZR 427/83 – BAGE 48, 351). Für die Erweiterung des Direktionsrechts durch Tarifvertrag folgt hieraus, dass eine darauf bezogene tarifliche Regelung nach Anlass und Umfang gerichtlich kontrollierbare Voraussetzungen bestimmen muss, die den Arbeitgeber zu einseitigen Eingriffen in das Arbeitsverhältnis berechtigen. Hiervon ist die Frage der Ausübung des Gestaltungsrechts im Einzelfall zu trennen. Diese ist gemäß § 106 GewO grundsätzlich an die Wahrung billigen Ermessens gebunden (Rost in FS Dieterich S. 505, 517).
d) Die Regelung des § 27 Abs. 3 BMT-G II wahrt diese Grenzen.
aa) Danach ist die Einweisung eines Arbeiters in eine niedrigere Vergütungsgruppe nur zulässig, wenn bestimmte betriebliche Gründe, Arbeitsmangel oder ein an anderer Stelle dringend notwendiger Bedarf, vorliegen. Ferner müssen diese Gründe die Personalumbesetzung erforderlich machen. Die Maßnahme ist außerdem zeitlich begrenzt. Sie darf gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer höchstens solange aufrecht erhalten werden, wie die Gründe für die Einweisung bestehen. Hierdurch wird ausgeschlossen, dass der Inhalt des bestehenden Arbeitsvertrags auf Dauer verändert wird. Deshalb ist es unschädlich, dass die Norm nicht ausdrücklich regelt, um wie viele Lohngruppen die übertragene Tätigkeit niedriger bewertet sein darf als die regelmäßig ausgeübte. Schließlich ist dem Arbeitnehmer für die Dauer von zwei Wochen der bisherige Lohn weiterzuzahlen.
bb) Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 27 Abs. 3 BMT-G II auch hinreichend bestimmt. Tarifliche Bestimmungsklauseln müssen aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nach Adressat und Umfang hinreichend deutlich sein (BAG 18. Oktober 1994 – 1 AZR 503/93 – AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11= EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I 3c der Gründe). Allein durch die mehrfache Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe mangelt es einer Norm noch nicht an der erforderlichen Bestimmtheit (BAG 29. Januar 1986 – 4 AZR 465/84 – BAGE 51, 59, 80 f.). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung nimmt ihr noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit. Vielmehr ist es Aufgabe der Gerichte etwaige Zweifelsfragen zu klären. Die in § 27 Abs. 3 BMT-G II verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe “Arbeitsmangel”, “an anderer Stelle dringend notwendiger Bedarf” und “vorübergehend” sind nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bestimmbar. § 27 Abs. 3 BMT-G II ist auch nicht deshalb unbestimmt, weil die Norm nicht regelt, um wie viele Lohngruppen die dem Arbeitnehmer zugewiesene Tätigkeit niedriger liegen darf als die bisher ausgeübte Tätigkeit. Daraus, dass § 27 Abs. 3 BMT-G II insoweit keine Einschränkungen enthält, folgt, dass dem Arbeiter jede Tätigkeit übertragen werden darf, deren vorübergehende Besetzung erforderlich ist.
e) § 27 Abs. 3 BMT-G II unterliegt keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2, §§ 308, 309 BGB. Das beruht auf der in § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB angeordneten Gleichstellung von Tarifverträgen mit Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 BGB.
3. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs. 3 BMT-G II im Einzelfall vorliegen, ist die Beklagte berechtigt, den Kläger vorübergehend in eine niedrigere Lohngruppe einzuweisen. Hierbei hat die Beklagte – wie bei jeder Ausübung des Direktionsrechts – die Grenzen billigen Ermessens iSv. § 106 GewO zu wahren. Dazu hat der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände des Falles abzuwiegen und die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen (BAG 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 48 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 18, zu 1 der Gründe mwN). Der vom Kläger gestellte Antrag wäre demnach nur begründet, wenn seine vorübergehende Einweisung in die Tätigkeit eines Straßen- und Grünflächenreinigers stets die Grenzen billigen Ermessens überschritte. Dies ist nicht der Fall. Zwar ist zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass diese Beschäftigung nicht seiner Qualifikation als Facharbeiter entspricht. Jedenfalls, wenn ihm diese – wie in der Zuweisung vom 3. April 2002 vorgesehen – nur für einen überschaubaren Zeitraum übertragen wird, ist auch für einen Facharbeiter wie dem Kläger eine Beschäftigung als Straßen- und Grünflächenreiniger nicht von vornherein unbillig. Zu berücksichtigen ist zudem, dass es der Beklagten auf Grund des Absicherungstarifvertrags verwehrt ist, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses des Klägers wurde hierdurch erhöht. Dies ist vom Arbeitgeber ebenso in die von ihm zu treffende Entscheidung einzubeziehen, wie die Tatsache, dass die Beklagte – trotz der Einweisung in eine niedrigere Lohngruppe – die Vergütung des Klägers nach Ablauf der in § 27 Abs. 3 BMT-G II geregelten Schutzfrist nicht auf das Lohnniveau eines Straßen- und Grünflächenreinigers absenken will.
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, D. Knauß, Oye
Fundstellen
Haufe-Index 1324188 |
BAGE 2006, 64 |
BB 2005, 836 |
DB 2005, 1010 |
EBE/BAG 2005, 52 |
NZA 2005, 475 |
ZTR 2005, 323 |
AuA 2005, 441 |
EzA-SD 2005, 16 |
EzA |
MDR 2005, 695 |
NJ 2005, 336 |
PersV 2005, 235 |
AUR 2005, 198 |
GV/RP 2005, 520 |
KomVerw 2005, 324 |
BAGReport 2005, 158 |
FuBW 2005, 625 |
FuHe 2005, 550 |
SPA 2005, 4 |