Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifrecht des Baugewerbes (Baustelleneinrichtung)
Leitsatz (amtlich)
1. Betriebe, die nach dem überwiegenden Einsatz ihrer Arbeitnehmer im Sinne eines spezifischen Betriebszweckes Baustelleneinrichtungs- und Baustellensicherungsarbeiten verrichten, werden von den Tarifverträgen des Baugewerbes nicht erfaßt. Es handelt sich dabei nicht um Straßenbau im tariflichen Sinne (§ 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 31 BRTV-Bau).
2. Für die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des BRTV-Bau über dessen betrieblichen Geltungsbereich (§ 1 Abs. 2 BRTV-Bau) gelten die folgenden Grundsätze:
- Abschnitt I erfaßt Betriebe, die „Bauten aller Art” erstellen. Darunter sind Gebäude aller Art zu verstehen.
- Abschnitt II erfaßt Betriebe, deren Tätigkeit der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung usw. von „Bauwerken” dient. Darunter sind irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen zu verstehen.
- Abschnitt III erfaßt bauliche Tätigkeiten, die weder für Gebäude noch für Bauwerke geleistet werden.
3. Bei allen vorgenannten Fallgestaltungen (Abschnitte I–III) müssen die Betriebe ihrer Einrichtung und Zweckbestimmung entsprechend baulich geprägt sein. Es muß also mit den Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet werden.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau; BRTV-Bau § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 27.01.1986; Aktenzeichen 14/5 Sa 832/85) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 13.03.1985; Aktenzeichen 7 Ca 4496/84) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 1986 – 14/5 Sa 832/85 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Im Handelsregister ist der Geschäftsgegenstand der beklagten Firma in folgender Weise beschrieben:
Herstellung, Lieferung, Vermietung und Montage kompletter Baustelleneinrichtungen, Verkehrsführungen, Ampelanlagen, Beleuchtungen, Markierungen, Leitplanken, Nagelmarkierungen sowie die Ausführung verwandter Arbeiten, ferner die Herstellung und Montage von elektrischen Anlagen.
Der Geschäftsführer Hans-Willi T. der Beklagten ist Elektromeister, der Geschäftsführer Hans-Theo T. Malermeister. Im Jahre 1976 vereinigten sie ihre früher auf ihren jeweiligen Fachgebieten selbständigen Betriebe und gründeten zu diesem Zweck im Jahre 1979 die Beklagte. Die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer bei der Beklagten nehmen Baustelleneinrichtungsarbeiten und Baustellensicherungsarbeiten in Anspruch. Im Zuge der Lieferung und Montage kompletter Baustelleneinrichtungen werden von der Beklagten Straßenmarkierungen für die Verkehrsführung mit Straßennägeln, die mit Bitumen auf die Fahrbahn aufgeklebt werden, Klebestreifen und Farbe angebracht. Zu den weiteren Leistungen der Beklagten gehört die Aufstellung von ihr selbst hergestellter Schilder sowie die Montage elektrischer Sicherungsanlagen und deren Überwachung. Nach Beendigung der jeweiligen Bauarbeiten werden an den Baustellen die Nägel und die gelben Folienmarkierungen wieder abgelöst und teilweise eingesammelt. Daneben werden von der Beklagten mit zwei Maschinen weiße Randstreifen erneuert und Markierungen auf neuen, noch für den Verkehr gesperrten Straßen angebracht. In den Sommermonaten werden von der Beklagten 17 und in den Wintermonaten 7 Arbeitnehmer beschäftigt. Unter ihren Mitarbeitern sind sieben Elektriker und zwei Schlosser sowie ein Büroangestellter. Die übrigen Arbeitnehmer der Beklagten sind angelernte Kräfte.
Im Rahmen einer Prüfung nach § 186 a AFG erstellte das Arbeitsamt B. einen Bericht, nach dessen Inhalt 55 v.H. der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer der Beklagten auf Baustelleneinrichtungsarbeiten, 10 v.H. auf den Bau von Elektroanlagen und 35 v.H. auf Fahrbahnmarkierungen entfallen.
Mit mehreren vom Arbeitsgericht zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen hat die Klägerin die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Januar 1980 bis 31. Dezember 1984 nach den Sozialtarifverträgen des Baugewerbes auf Auskunftserteilung über die Zahl der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte), die Höhe ihrer Bruttoeinkünfte und die Höhe der von ihr danach abzuführenden Beiträge sowie für den Fall der Nichterfüllung binnen zwei Wochen nach Urteilszustellung gemäß § 61 Abs. 2 ArbGG auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 528.000,– DM in Anspruch genommen. Sie hat zur Begründung ihres Klagebegehrens ausgeführt, nach dem zeitlich überwiegenden Einsatz ihrer Arbeitnehmer werde die Beklagte vom fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes erfaßt. Darunter fielen sowohl die Fahrbahnmarkierungsarbeiten als auch die Baustelleneinrichtungsarbeiten. Zwischen beiden Aufgabenbereichen bestehe im übrigen ein enger Zusammenhang. Auch bei isolierter Betrachtung handele es sich bei der Baustelleneinrichtung und Baustellensicherung um die Erbringung baulicher Leistungen. Sie machten faktisch den Beginn der Instandsetzung einer Autobahn oder Bundesfernstraße aus. Demgemäß hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
der Klägerin auf dem tariflich vorgesehenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
wieviele Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) im Betrieb der Beklagten vom 1. Januar 1980 bis 31. Dezember 1984 beschäftigt worden sind,
wie hoch sich die Gesamtsumme ihres Bruttoarbeitsentgelts beläuft
und in welcher Höhe demgemäß nach den Sozialtarifverträgen des Baugewerbes Beiträge an die Klägerin abzuführen sind,
- für den Fall, daß die Beklagte der Verpflichtung zur Auskunftserteilung binnen zwei Wochen nach Urteilszustellung nicht nachkommt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 528.000,– DM zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, sie falle nicht unter die Tarifverträge des Baugewerbes. In ihrem Betrieb würden lediglich Arbeiten des Maler- und Elektrikerhandwerks ausgeführt. Die Baustelleneinrichtung und Baustellensicherung habe mit den Aufgaben des Baugewerbes nichts zu tun. Vielmehr ermögliche die Baustelleneinrichtung erst den Beginn und die Durchführung von Bauarbeiten. Ihre Tätigkeit diene ihrem Schwerpunkt nach der Sicherung und Regelung des fließenden Verkehrs. Das gelte auch für die von ihr auszuführenden Fahrbahnmarkierungsarbeiten. Demgemäß erhalte sie ihre Aufträge auch von den Autobahnämtern bzw. Straßenbauämtern.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
In der Revisionsinstanz hat die Klägerin den von ihr geltend gemachten Entschädigungsbetrag um 20 v.H. auf 422.400,– DM ermäßigt. Sie nimmt ihn nach einer entsprechenden weiteren Antragsänderung auch erst einen Monat nach Urteilszustellung in Anspruch und verfolgt hinsichtlich der Angestellten der Beklagten das Klagebegehren nicht mehr. Hinsichtlich der Arbeiter der Beklagten verfolgt sie mit den zuvor genannten Beschränkungen ihr Klagebegehren mit der Revision weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht erkannt, daß die Beklagte nach den Sozialtarifverträgen des Baugewerbes hinsichtlich ihrer Arbeiter der Klägerin gegenüber nicht auskunftspflichtig ist und daß deswegen auch eine Entschädigungsleistung der Beklagten gemäß § 61 Abs. 2 ArbGG nicht in Betracht kommt.
Auszugehen ist mit dem Landesarbeitsgericht von § 2 Abschnitt I Nr. 6 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 (VerfTV) in den Fassungen vom 17. November 1980, 10. November 1981 und 19. Dezember 1983 (dort gleichlautend § 13 Abs. 1). Der fachliche bzw. betriebliche Geltungsbereich des VerfTV ist mit dem des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) identisch. Während das in den älteren Fassungen des VerfTV jeweils in § 1 Abs. 2 in allgemeiner Weise zum Ausdruck gebracht wurde, wird in der Neufassung des VerfTV vom 19. Dezember 1983 in § 1 Abs. 2 der gesamte § 1 Abs. 2 BRTV-Bau wörtlich übernommen. An der materiellen Rechtslage ändert sich dadurch nichts.
Damit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob im Anspruchszeitraum im Betrieb der Beklagten vom fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich des BRTV-Bau und damit auch vom Geltungsbereich des VerfTV erfaßte Tätigkeiten verrichtet worden sind. Dabei stellt das Landesarbeitsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit der entsprechenden Senatsrechtsprechung auf die zeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst ab (vgl. BAGE 25, 188, 193 = AP Nr. 13 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau sowie die weiteren Urteile des Senats vom 10. September 1975 – 4 AZR 456/74 – AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und 17. Februar 1971 – 4 AZR 71/70 – AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau mit weiteren Nachweisen).
Weiter ist mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, daß nach der aufgrund einer entsprechenden Tarifänderung geltenden neuen Rechtsprechung des erkennenden Senats unter den fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau diejenigen Betriebe fallen, in denen überwiegend im Abschnitt V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau konkret genannte Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, ohne daß dann noch die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III der Tarifnorm zu überprüfen sind (vgl. BAGE 45, 11, 17 = AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Nach den den Senat gemäß § 561 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die mit den in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsamts B. in einem Verfahren nach § 186 a AFG übereinstimmen, wurden im Anspruchszeitraum von den Arbeitnehmern der Beklagten überwiegend Baustelleneinrichtungsarbeiten bzw. Baustellensicherungsarbeiten verrichtet. Dabei handelt es sich, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, nicht um „Straßenbauarbeiten” im Sinne der Beispielstätigkeit Nr. 31 des Abschnitts V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau. Diese Tarifnorm erfaßt nach ihrem Wortlaut:
Straßenbauarbeiten (Stein-, Asphalt-, Beton-, Schwarzstraßenbauarbeiten, Holzpflasterarbeiten, Fahrbahnmarkierungsarbeiten, ferner Herstellen und Aufbereiten des Mischgutes, sofern mit dem überwiegenden Teil des Mischgutes der Betrieb, ein anderer Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen – unbeschadet der gewählten Rechtsform – der Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters versorgt wird).
Mit Recht nimmt das Landesarbeitsgericht unter Berufung auf die entsprechende Rechtsprechung des erkennenden Senats und unter Hinweis insbesondere auf den Tarifwortlaut an, daß die von den Arbeitnehmern der Beklagten überwiegend verrichteten Baustelleneinrichtungsarbeiten und Baustellensicherungsarbeiten keine Straßenbauarbeiten im Sinne der vorstehenden Tarifnorm sind. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats sind nämlich als Straßenbauarbeiten nur Arbeiten anzusehen, die unmittelbar zum Bau einer Straße zu leisten sind, also die Straße als Baukörper, als das von Bauarbeitern herzustellende Werk betreffen (vgl. die Urteile des Senats vom 8. Mai 1985 – 4 AZR 516/83 – AP Nr. 66 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und 2. Oktober 1973 – 4 AZR 611/72 – AP Nr. 15 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). An dieser Rechtsprechung des Senats ist festzuhalten.
Die von der Beklagten ausgeführten Arbeiten zur Einrichtung und Sicherung von Baustellen berühren jedoch, wie das Landesarbeitsgericht im einzelnen darstellt, ähnlich wie die Anbringung von Leitplanken (vgl. die Urteile des Senats vom 8. Mai 1985 – 4 AZR 516/83 – AP Nr. 66 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und 2. Oktober 1973 – 4 AZR 611/72 – AP Nr. 15 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), die Aufstellung von Straßenlampen oder die Anbringung von Verkehrszeichen die Straße als Baukörper und Werk von Bauarbeitern überhaupt nicht. Vielmehr dient die Tätigkeit der Beklagten auf dem Gebiete der Baustelleneinrichtung und Baustellensicherung einem vom Straßenbau selbst losgelösten Eigenzweck, nämlich der Baustellen- und Verkehrssicherung. Für diese Beurteilung spricht auch der Umstand, daß die Beklagte ihre Aufträge überwiegend von den jeweils zuständigen Straßenverkehrsbehörden (Autobahnämtern und Straßenbauämtern) und sonst von Firmen des Baugewerbes erhält.
Ohne daß es darauf angesichts des zeitlichen Überwiegens der eigentlichen Baustelleneinrichtungs- und Baustellensicherungsarbeiten noch entscheidend ankommt, führt das Landesarbeitsgericht auch noch zutreffend aus, daß bei der vorliegenden Fallgestaltung die von den Arbeitnehmern der Beklagten ebenfalls ausgeführten Fahrbahnmarkierungsarbeiten als Bestandteil oder im Sinne einer Zusammenhangstätigkeit der eigentlichen Baustellensicherung zugerechnet werden müssen. Zu einer ordnungsgemäßen und den verkehrsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Baustellensicherung durch die von der Beklagten installierten Lichtanlagen und die von ihr hergestellten und aufgestellten Schilder, Tafeln und Backen gehört nämlich geradezu notwendigerweise auch die von ihr mitausgeführte Fahrbahnmarkierung, die gleichfalls den geschilderten Sicherungszwecken dient. Sie ist damit, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend folgert, Teil der Baustellensicherung, was sich auch daraus ergibt, daß sie Teil des jeweiligen Behörden- bzw. Kundenauftrages ist.
Die demgegenüber erhobenen Einwendungen der Revision greifen nicht durch. Das gilt zunächst für die prozessualen Rügen der Revision, mit denen sie die Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts angreift. Soweit die Revision rügt, Fahrbahnmarkierungen machten mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der von der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer aus, fehlt es bereits an der Darlegung der entsprechenden Prozeßtatsachen gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO. Im übrigen wird von der Klägerin selbst an einer anderen Stelle der Revisionsbegründung in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsamtes B ausgeführt, die Fahrbahnmarkierungsarbeiten machten nur 35 v.H. der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer aus. Schließlich muß in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, daß hierzu schon gegenüber den Tatsachengerichten der Prozeßvortrag der Klägerin oberflächlich und unsubstantiiert war. In ihrem Schriftsatz vom 15. Januar 1985 hatte hierzu die Klägerin gegenüber dem Arbeitsgericht lediglich ausgeführt:
„Der Betrieb der Beklagten befaßt sich arbeitszeitlich gesehen überwiegend, d.h. zu mehr als 50 % der betrieblichen Arbeitszeit, mit Fahrbahnmarkierungen und Baustelleneinrichtungen.”
Hieraus ist nicht ersichtlich, ob die Baustelleneinrichtungsarbeiten oder die Fahrbahnmarkierungen zeitlich überwiegen. Letztlich kommt es, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend hervorhebt, auf die Zeitanteile für beide Aufgabenbereiche der Beklagten auch deswegen nicht an, weil nach den den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bei der vorliegenden Fallgestaltung die Fahrbahnmarkierungen als Teil der Baustellensicherung anzusehen sind.
Aber auch die diesbezüglichen materiellen Einwendungen der Revision gehen fehl. Die Revision kann keine Anhaltspunkte dafür geben, daß die Baustelleneinrichtung und Baustellensicherung den Straßenbauarbeiten im tariflichen Sinne zugerechnet werden könnte. Dabei verkennt der Senat nicht, daß bei anderer Fallgestaltung Betriebe des Baugewerbes, die mit der Durchführung von Straßenbauarbeiten befaßt sind, auch die von der Beklagten in Vollzug eines spezifischen Betriebszweckes durchzuführenden Baustelleneinrichtungsarbeiten und Baustellensicherungsarbeiten selbst als Nebenleistung miterledigen. Daraus kann jedoch vorliegend die Klägerin keine Rechte herleiten, weil die Beklagte Straßenbauarbeiten nicht durchführt und demgemäß ihre Arbeitnehmer nicht im Straßenbau tätig sind. Der Senat verkennt auch nicht, daß nach § 45 Abs. 6 StVO vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, die Unternehmer von der zuständigen Behörde Anordnungen über Absperrungen, die Kennzeichnung der Baustellen sowie die Verkehrsleitung und Verkehrsregelung einzuholen und auszuführen haben. Daraus ergeben sich jedoch keine rechtlichen Konsequenzen für die jeweilige tarifliche Zuordnung der von der Straßenverkehrsnorm betroffenen Betriebe. Vielmehr geht auch § 45 Abs. 6 StVO schon nach seinem Wortlaut davon aus, daß die von dieser Bestimmung betroffenen Betriebe einmal solche des Baugewerbes, aber auch andere – wie vorliegend die Beklagte – sein können. Weiter verkennt der Senat nicht, daß in der VOB (Teil C Pos. 0.1.9, 0.1.10 und 0.1.11) in der Leistungsbeschreibung die für den Verkehr freizuhaltenden Flächen, die Besonderheiten der Regelung und Sicherung des Verkehrs und die Verkehrsverhältnisse auf der Baustelle besonders anzugeben sind. Zwar wird damit zum Ausdruck gebracht, daß auch die genannten Gegenstände Bestandteile eines einem Bauunternehmer erteilten Auftrags sein können.
Für die Frage der tariflichen Zuordnung der einzelnen Betriebe kann aus den Bestimmungen der VOB jedoch ebenfalls nichts hergeleitet werden. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht in zutreffender und tarifgerechter Weise die jeweiligen Zusammenhangstätigkeiten jeweils der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit der Beklagten, nämlich der Baustelleneinrichtung, zugerechnet.
Soweit schließlich die Revision auch noch auf den Inhalt des Tarifbeispiels Nr. 31 im Abschnitt V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau (Straßenbau) verweist, können auch daraus keine für die Klägerin günstigen Rechtsfolgen gezogen werden. Was die Tarifvertragsparteien dort unter „Straßenbau” verstehen, wird nämlich von ihnen in einer genauen und erschöpfenden Legaldefinition zum Ausdruck gebracht. Baustelleneinrichtungsarbeiten und Baustellensicherungsarbeiten, wie sie die Beklagte ausführt, werden darin jedoch nicht genannt. Zwar wäre es zweckmäßig gewesen, wenn die Tarifvertragsparteien – ihre entsprechende Tarifzuständigkeit unterstellt – auch Baustelleneinrichtungsarbeiten und Baustellensicherungsarbeiten in das Tarifbeispiel aufgenommen hätten. Da sie davon bisher abgesehen haben, hat der Senat jedoch keine rechtliche Möglichkeit, entgegen dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang des Tarifbeispiels dieses auch auf Baustelleneinrichtung und Baustellensicherung, wie sie die Beklagte mit spezifischer betrieblicher Zweckbestimmung betreibt, auszudehnen. Damit würde der Senat den Regelungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien vorgreifen und deren Rechtssetzungsautonomie verletzen.
Fällt damit aber der Betrieb der Beklagten nicht unter eines der Tarifbeispiele des Abschnitts V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau, so kommen für ihn nur die allgemeinen Vorschriften für den fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich aus dem § 1 Abs. 2 BRTV-Bau (Abschnitte I bis III) in Betracht. Aber auch davon wird, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, der Betrieb der Beklagten nicht erfaßt.
Nach § 1 Abs. 2 Abschnitt I umfaßt der fachliche Geltungsbereich des BRTV-Bau
Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.
Da im Gegensatz zu dem Inhalt von Abschnitt II, wo von der Erstellung, Instandsetzung usw. von „Bauwerken” die Rede ist, die Tarifvertragsparteien im Abschnitt I von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau ausdrücklich von „Bauten aller Art” sprechen und damit im Sinne der herkömmlichen Terminologie die eigentlichen Baubetriebe erfassen wollen (Brocksiepe/Sperner, BRTV-Bau, Sonderdruck 1981, S. 61), ist mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien unter „Bauten” im Abschnitt I nur Gebäude aller Art verstehen, wofür auch der allgemeine Sprachgebrauch spricht (vgl. die Urteile des Senats vom 8. Mai 1985 – 4 AZR 516/83 – AP Nr. 66 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und vom 21. Januar 1976 – 4 AZR 71/75 – AP Nr. 27 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). An Gebäuden wird jedoch die Beklagte nicht tätig. Demgegenüber erhebt auch die Revision keine Einwendungen.
Vom Abschnitt II des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau werden erfaßt
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
In tarifgerechter Weise und in Übereinstimmung mit der von ihm herangezogenen Rechtsprechung des erkennenden Senats nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß der Betrieb der Beklagten auch von dieser Tarifnorm nicht erfaßt wird. Nach der beizubehaltenden Senatsrechtsprechung sind nämlich mit dem Landesarbeitsgericht unter „Bauwerken”, die die Tarif-Vertragsparteien im Abschnitt II den „Bauten” des Abschnitts I von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau gegenüberstellen, irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen zu verstehen (vgl. die Urteile des Senats vom 8. Mai 1985 – 4 AZR 516/83 – AP Nr. 66 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, 12. Dezember 1979 – 4 AZR 80/78 – AP Nr. 31 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und 21. Januar 1976 – 4 AZR 71/75 – AP Nr. 27 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau mit weiteren Nachweisen). Außerdem ist mit dem Landesarbeitsgericht zur Erfüllung der Tarifnorm zu verlangen, daß der jeweilige Betrieb seiner Einrichtung und Zweckbestimmung nach baulich geprägt sein muß. Es muß also mit Werkstoffen des Baugewerbes, entsprechenden Arbeitsmitteln und den Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet werden (vgl. auch dazu das zuvor genannte Urteil des Senats vom 8. Mai 1985 – 4 AZR 516/83 – AP Nr. 66 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Diese tariflichen Erfordernisse sind vorliegend, wie das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung im einzelnen darlegt, nicht erfüllt. Die von der Beklagten selbst hergestellten und aufgestellten Backen, Verkehrszeichen und Hinweiszeichen sind keine Bauwerke im zuvor dargestellten Rechtssinne. Dasselbe gilt für die Lichtwarnzeichen und Ampelanlagen. Nach den weiteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wird im Betrieb der Beklagten auch weder mit den Werkstoffen noch mit den Arbeitsmitteln des Baugewerbes gearbeitet. Es werden auch nicht die Arbeitsmethoden des Baugewerbes angewendet, sondern der Eigenart und der Entwicklung des Betriebes der Beklagten entsprechend die Werkstoffe, Arbeitsmittel und Arbeitsmethoden des Maler-, Schlosser- und Elektrikerhandwerks. Dem entspricht auch die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Zusammensetzung der Belegschaft der Beklagten, innerhalb derer Elektriker und Schlosser überwiegen. Dabei berücksichtigt der Senat auch, daß Fahrbahnmarkierungsarbeiten ohnehin sowohl zum Straßenbau als auch zur Malerbranche gehören können (vgl. das Urteil des Senats vom 18. Januar 1984 – 4 AZR 13/82 – AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Die demgegenüber angebrachten Einwendungen der Revision greifen nicht durch. Insbesondere übersieht die Revision, daß es ungeachtet der jeweiligen betrieblichen Tätigkeit zur Erfüllung der Tarifnorm des Abschnitts II von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau jedenfalls erforderlich ist, daß mit den Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet wird. Daran fehlt es vorliegend. Fehl geht auch die weitere Annahme der Revision, der Abschnitt II von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau sei bereits einschlägig, wenn irgendwelche Arbeiten „im Umfeld von Bauten” verrichtet werden. Dabei übersieht die Revision einmal, daß nach dem eindeutigen Tarifwortlaut die betriebliche Tätigkeit der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung usw. von Bauwerken dienen muß. Damit greift die Tarifnorm jedenfalls, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, dann nicht ein, wenn – wie vorliegend – Arbeiten an Bauwerken nicht geleistet werden. Außerdem sind „im Umfeld von Bauten” zahlreiche Branchen des Baunebengewerbes tätig, für die es (z.B. für Dachdecker und Installateure) spezielle Tarifverträge gibt, so daß die in der Revision von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung in unerwünschter Weise zu Tarifkonkurrenzen führen müßte. Auch der Umstand, daß die Beklagte ihre Aufträge in der Regel unmittelbar von den jeweils zuständigen Straßenverkehrsbehörden erhält, spricht gegen die rechtlichen Folgerungen der Revision.
Von Abschnitt III des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau werden erfaßt:
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.
Für diese Tarifnorm ist charakteristisch, daß sie sich nur dadurch von den Regelungen in den Abschnitten I und II unterscheidet, daß darin im Gegensatz zu Arbeiten an „Bauten aller Art” bzw. „Bauwerken” die Erbringung „sonstiger baulicher Leistungen” verlangt wird. Damit werden vom Abschnitt III des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau nur solche baulichen Tätigkeiten erfaßt, die weder für Gebäude (Abschnitt I) noch für Bauwerke (Abschnitt II) zu leisten sind.
Welche betrieblichen Tätigkeiten damit konkret gemeint sind, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Da im übrigen nämlich der Tarifwortlaut in den Abschnitten I, II und III der Tarifnorm identisch ist, verlangen, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, auch im Bereiche des Abschnitts III die Tarifvertragsparteien, daß der Betrieb seiner Einrichtung und Zweckbestimmung nach baulich geprägt sein muß. Demgemäß ist also auch hier zu verlangen, daß mit den Werkstoffen des Baugewerbes, seinen Arbeitsmitteln und seinen Arbeitsmethoden gearbeitet wird. Daran fehlt es aber vorliegend aus den bereits dargelegten Gründen. Demgegenüber erhebt auch die Revision keine konkreten Einwendungen.
Die Kosten ihrer erfolglosen Revision trägt die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Zugleich für den aus dienstlichen Gründen ortsabwesenden und deswegen an der Unterschriftsleistung verhinderten Richter Dr. Freitag, Dr. Feller, Dr. Etzel, Koerner, Brocksiepe
Fundstellen
Haufe-Index 439080 |
BAGE, 67 |
RdA 1987, 254 |