Entscheidungsstichwort (Thema)
OT-Mitgliedschaft. Ende der Nachbindung eines Tarifvertrages. Wechsel des Arbeitgebers in OT-Mitgliedschaft. Nachbindung. Ende des Tarifvertrages iSv. § 3 Abs. 3 TVG
Orientierungssatz
1. Art. 9 Abs. 3 GG verlangt von einer Satzung eines Arbeitgeberverbandes, der eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) anbietet, eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und solchen ohne Tarifbindung, da ansonsten der erforderliche Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit hinsichtlich tarifpolitischer Entscheidungen nicht gewahrt ist.
2a) Dem in § 3 Abs. 3 TVG zur Voraussetzung der Beendigung der normativen Wirkung des Tarifvertrages auch für einen aus dem Verband ausgetretenen Arbeitgeber bestimmten Ende des Tarifvertrages ist jede Änderung des Tarifvertrages gleichzustellen.
b) Ein Arbeitgeber, der aus einem Verband ausgetreten ist, ist nur an die noch durch seine Mitgliedschaft legitimierten Tarifverträge gebunden. Ändert sich die danach bestimmte Rechtslage durch eine Änderung des Tarifvertrages, kann er nicht mehr zwingend an Tarifnormen gebunden bleiben, die für die mit ihm konkurrierenden, im Verband verbliebenen Arbeitgeber nicht mehr in der gleichen Form gelten.
c) Die Änderung des Tarifvertrages muss deshalb nicht zwingend in einer Änderung von dessen Normen bestehen. Es genügt eine Änderung der durch ihn geschaffenen materiellen Rechtslage, auch wenn die ändernde Regelung in einem anderen Tarifvertrag derselben Tarifvertragsparteien enthalten ist.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 3 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 21. November 2007 – 18 Sa 1060/06 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten darüber, ob die klagende Gewerkschaft von der beklagten Arbeitgeberin verlangen kann, es zu unterlassen, entgegen einer in einem einschlägigen Branchentarifvertrag vorgesehenen Wochenarbeitszeit von 38 Stunden mit ihren Arbeitnehmern einzelvertraglich eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden zu vereinbaren.
Rz. 2
Die Beklagte ist das deutsche Tochterunternehmen eines S… Lebensmittelkonzerns. Sie beschäftigt in ihrer Zentrale in F… etwa 900 so genannte Tarifangestellte und gewerbliche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverträge auf die fachlich und räumlich für den Betrieb geltenden Tarifverträge Bezug nehmen. Darüber hinaus sind dort etwa 350 so genannte AT-Angestellte tätig, deren Arbeitsverträge nur teilweise oder gar nicht auf Tarifverträge verweisen. Jedenfalls bis zum 31. März 2005 war die Beklagte tarifgebundenes Vollmitglied des Arbeitgeberverbands Ernährung, Genuss Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. (nachfolgend: VAV).
Rz. 3
Die klagende Gewerkschaft ist im Betrieb der Beklagten in F… vertreten; der Organisationsgrad ist zwischen den Parteien streitig.
Rz. 4
Auf der Mitgliederversammlung des VAV vom 27. Mai 2004 wurde die Einführung der Möglichkeit einer so genannten OT-Mitgliedschaft beschlossen. Zu diesem Zweck wurde § 4 Nr. 2 der Verbandssatzung neu gefasst. Diese enthält seitdem ua. folgende Bestimmungen:
Ҥ 2
Zweck des Verbandes
1. Zweck des Verbandes ist es,
a) die arbeits- und sozialrechtlichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern. …
b) an der Erhaltung des Arbeitsfriedens mitzuwirken und den solidarischen Zusammenhalt der Mitglieder bei der Abwehr von Streiks oder streikähnlichen Verhalten zu fördern.
…
§ 4
Rechte der Mitglieder
1. Die Mitglieder sind berechtigt, die Unterstützung des Verbandes in allen in den Aufgabenbereich des Verbandes fallenden Angelegenheiten in Anspruch zu nehmen und an den Einrichtungen und Leistungen des Verbandes teilzunehmen. Die Inhaber bzw. die leitenden Angestellten der Mitgliedsbetriebe können für jedes Amt, das die Satzung vorsieht, von der Mitgliederversammlung gewählt werden.
2. Mitglieder ohne Verbandstarifbindung haben in verbandstarifpolitischen Angelegenheiten und allen Fragen, die Arbeitskampfmaßnahmen für Verbandsflächentarifverträge betreffen, kein Stimmrecht und sind nicht an verbandstarifpolitische Beschlüsse des Verbandes gebunden. Sie können nicht Mitglied des Tarifausschusses (§ 14 Ziff. 2) sein und an Flächentarifverhandlungen nicht teilnehmen. Ein Wechsel des bestehenden Status ist durch schriftliche Erklärung mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende möglich.
§ 5
Pflichten der Mitglieder
Die Mitglieder sind verpflichtet:
1. Die Satzung und die ordnungsgemäß gefassten Beschlüsse des Verbandes zu beachten, den im Rahmen seines Aufgabenbereiches liegenden Empfehlungen zu entsprechen und entgegenstehende Abmachungen mit den Arbeitnehmern zu unterlassen.
2. …
3. Die festgesetzten Beiträge und Umlagen fristgemäß abzuführen.
…
§ 8
Organe des Verbandes
Organe des Verbandes sind:
1. die Mitgliederversammlung,
2. der geschäftsführende Vorstand,
3. der Gesamtvorstand,
4. die Geschäftsführung.
…
§ 13
Tarifverhandlungen
1. Das Verbandsgebiet umfasst mehrere Tarifgebiete.
2. Die Tarifverhandlungen werden für die einzelnen Fachbereiche eines Landes geführt oder für mehrere, falls die Mehrheit der betreffenden Sparte dies beschließt. Mehrere Tarifgebiete können unbeschadet § 14 gemeinsam verhandeln, wenn die Mehrheit des Fachbereichs in jedem Tarifgebiet dies beschlossen hat.
3. Bei Tarifverhandlungen werden die Mitglieder des betreffenden Fachbereiches von der Geschäftsführung geladen. Die Mitglieder können zur Führung der Tarifverhandlungen einen Vorsitzenden und eine Tarifkommission wählen.
4. Jede ordnungsgemäß einberufene Sitzung des Fachbereiches oder dessen Tarifkommission ist beschlußfähig. Sie beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit. Stimmengleichheit gilt als Ablehnung.
§ 14
Tarifausschuß
1. Der Tarifausschuß oder ein von ihm eingesetzter Unterausschuß kann Tarifverhandlungen für alle oder für mehrere Tarifgebiete zusammen mit der Geschäftsführung führen.
2. Die Mitglieder des Gesamtvorstandes sowie die Verhandlungsführer der jeweiligen Branchen sind geborene Mitglieder des Tarifausschusses. Der Vorstand beruft gegebenenfalls zusätzliche Mitglieder. Im Tarifausschuß sollen die einzelnen Tarifgebiete angemessen vertreten sein.
3. …”
Rz. 5
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2004, welches dem Arbeitgeberverband noch im selben Monat zuging, erklärte die Beklagte gegenüber ihrem Verband “gemäß den Bestimmungen des § 4 der Verbandssatzung […] den Wechsel des derzeitigen Status unserer Mitgliedschaft in eine Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung”.
Rz. 6
Etwa bis zum Frühsommer 2005 wandte die Beklagte bei allen Tarifangestellten und gewerblichen Arbeitnehmern der Zentrale die einschlägigen Tarifverträge an. Dies betraf auch die Wochenarbeitszeit von 38 Stunden gemäß § 3 des von der Klägerin und dem VAV abgeschlossenen Manteltarifvertrags der Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 2001 (nachfolgend: MTV). Im folgenden Zeitraum machte die Beklagte einzelnen Arbeitnehmern vertragliche Angebote für gleichlautende Ergänzungen zu den Arbeitsverträgen. Darin hieß es unter anderem:
“a) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer – ausschließlich der Pausen – beträgt entgegen § 3 Abs. 1 des Manteltarifvertrages 40 Stunden …”
Rz. 7
Am 15. Mai 2006 vereinbarte die klagende Gewerkschaft mit dem VAV einen Tarifvertrag Flexible Arbeitszeit für die Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz gültig ab 1. Juni 2006 (nachfolgend: Flexi-TV). Darin heißt es, soweit hier von Bedeutung:
Ҥ 2 Flexible Arbeitszeit
Zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, zur Vermeidung von Kurzarbeit und Entlassungen sowie zur Gewährleistung ganzjähriger Beschäftigung können Betriebsrat und Geschäftsleitung durch freiwillige Betriebsvereinbarung für Betriebsabteilungen und Arbeitnehmergruppen abweichende Arbeitszeitregelungen treffen. …
Die freiwillige Betriebsvereinbarung endet im Falle ihrer Kündigung ohne Nachwirkung. Hierzu gilt:
1. Als wöchentliche betriebliche Regelarbeitszeit können Zeiten bis zu 45 Stunden in der Woche mit dem Betriebsrat festgelegt werden. …
2. Hierbei fallen von der 39. bis zur 45. Wochenstunde keine Mehrarbeitszuschläge an.
…
Bisher bestehende betriebliche Regelungen zu einer flexiblen Arbeitszeit bleiben durch diese Vereinbarung unberührt.
§ 3 Arbeitszeitkonto
1. Für jeden Arbeitnehmer wird ein individuell zu führendes Arbeitszeitkonto eingerichtet.
2. Die Differenz der tatsächlichen Arbeitszeit (bis 45. Wochenarbeitsstunde) zur tariflichen Arbeitszeit (38 Stunden) wird dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben bzw. belastet.
3. Der Ausgleichszeitraum, in dem das Arbeitszeitkonto ausgeglichen sein muss, ist mit dem Betriebsrat zu vereinbaren und kann maximal 12 Monate betragen. Ein kürzerer Ausgleichszeitraum ist möglich.”
Rz. 8
Ebenfalls am 1. Juni 2006 trat eine nahezu wortgleiche tarifvertragliche Regelung in Kraft, die die Tarifvertragsparteien für den betrieblichen Geltungsbereich der Getränkeindustrie – außer Brauereien und Sektkellereien – in Hessen vereinbart hatten, allerdings nicht in Form eines Zusatztarifvertrags, sondern im Wege der Einfügung eines neuen § 3a in den bestehenden Manteltarifvertrag dieser Branche.
Rz. 9
Mit Schreiben vom 17. Mai 2006 vereinbarten der VAV und die klagende Gewerkschaft, dass mit der Unterzeichnung ua. des Flexi-TV auf eine Kündigung des MTV für die Nährmittelindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 2001 für die Zeit vor dem 20. Juni 2009 verzichtet werde. Zugelassen wurde die Kündigung jedoch für die Regelungen zu § 3a MTV (Altersteilzeit), § 4 Nr. 3 MTV (Definition Nachtarbeit) und § 17 Nr. 5 MTV (Berechnung des Urlaubsgelds) frühestens zum 31. März 2008.
Rz. 10
Der Arbeitsdirektor der Beklagten war bis einschließlich 30. Juni 2006 Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des VAV. Mit Ablauf des 31. Dezember 2006 trat die Beklagte vollständig aus dem Arbeitgeberverband aus.
Rz. 11
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, gegenüber der Beklagten lägen die Voraussetzungen eines quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs “aus §§ 1004, 823, 826 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG” vor. Die Beklagte habe die durch den MTV errichtete kollektive Gesamtordnung durch die gleich lautenden Individualvereinbarungen über eine 40-Stunden-Woche und damit eine andere kollektive Ordnung ersetzen wollen. Sie sei jedoch weiterhin an den MTV gebunden, da der Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft nicht wirksam sei. Die Verbandssatzung sehe keine hinreichende Trennung zwischen den tarifgebundenen und den OT-Mitgliedern vor. Jedenfalls aber habe der MTV infolge der nur marginalen Änderung durch den Flexi-TV nicht geendet, so dass sich die Gebundenheit der Beklagten zumindest aus § 3 Abs. 3 TVG ergebe. Für die Zulässigkeit der Unterlassungsklage sei die namentliche Benennung der Gewerkschaftsmitglieder nicht Voraussetzung.
Rz. 12
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, gegenüber den Arbeitnehmern ihrer Deutschland-Zentrale in F… in Abweichung von dem betrieblich allgemein angewandten Manteltarifvertrag der Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 2001 während dessen Laufzeit eine jeweils inhaltsgleiche betriebliche Einheitsregelung mit dem Inhalt,
die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmer auf mehr als 38 Stunden, insbesondere auf 40 Wochenstunden, zu verlängern bzw. das regelmäßige Arbeitszeitvolumen von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern proportional entsprechend, insbesondere um 5,26 %, zu erhöhen,
vorzuschlagen, zu vereinbaren und anzuwenden, es sei denn, es handelt sich um solche Beschäftigte, mit denen die Beklagte AT-Verträge ohne Verweis auf die für den Betrieb fachlich und räumlich gültigen Tarifverträge abgeschlossen hat;
2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die beantragten Verpflichtungen zu Ziffer 1 ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Ordnungsgeld anzudrohen.
Rz. 13
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung ist der Unterlassungsantrag bereits unzulässig. Der Antrag sei nicht hinreichend bestimmt, da mangels namentlicher Nennung der Arbeitnehmer unklar sei, welche Arbeitsverhältnisse hiervon erfasst seien. An den MTV sei sie nicht mehr gebunden, denn nach ihrem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft zum 1. April 2005 habe die Nachbindung durch den Abschluss des Flexi-TV zum 1. Juni 2006 geendet. Der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft sei wirksam erfolgt. Die Satzung des VAV differenziere ausreichend zwischen den Pflichten und Rechten der Vollmitglieder und der OT-Mitglieder. Ihr Arbeitsdirektor habe nach dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft bis 30. Juni 2006 an verbandspolitischen Entscheidungen nicht mehr teilgenommen. Das Ende der Nachbindung an den MTV könne nicht dadurch umgangen werden, dass der Flexi-TV als gesonderter Tarifvertrag vereinbart werde. Diese Änderung sei einem Neuabschluss gleichzustellen, der von ihr nicht mehr kraft Verbandszugehörigkeit als Vollmitglied legitimiert worden sei. Im Übrigen könne es ihr nicht verwehrt sein, mit nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern Vereinbarungen zu treffen, die vom Tarifvertrag abwichen. Sie habe keine Kenntnis darüber, welche ihrer Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert seien und welche nicht.
Rz. 14
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 15
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Rz. 16
A. Die Klage ist zulässig.
Rz. 17
Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach ist erforderlich, dass der erhobene Anspruch gegenständlich so konkret bezeichnet wird, dass über den Streitgegenstand und damit über die Rechtskraftwirkung eines Urteils keine Zweifel entstehen können (Senat 19. März 2003 – 4 AZR 271/02 – BAGE 105, 275, 279; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl. § 46 Rn. 48; Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 253 Rn. 13).
Rz. 18
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin begehrt die Unterlassung des Vertragsangebots gegenüber allen Arbeitnehmern der Beklagten, so dass der Antrag keine Unklarheit über den Streitgegenstand offenlässt. Es ist nicht erforderlich, dass die Klägerin diejenigen Arbeitnehmer namentlich benennt, hinsichtlich derer sie der Beklagten das Anbieten von Änderungsverträgen verbieten lassen will. Anders als in dem der Senatsentscheidung vom 19. März 2003 (– 4 AZR 271/02 – BAGE 105, 275) zu Grunde liegenden Sachverhalt hat die klagende Gewerkschaft den Antrag nicht auf Gewerkschaftsmitglieder beschränkt.
Rz. 19
B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht der begehrte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu.
Rz. 20
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage bereits deshalb abgewiesen, weil die Beklagte zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr normativ nach § 3 Abs. 1, Abs. 3 TVG an den MTV und die ihn ihm geregelte Wochenarbeitszeit von 38 Stunden gebunden gewesen sei. Der zum 1. April 2005 erfolgte Wechsel der Beklagten in den OT-Status des VAV sei wirksam. Gegen die Satzungsänderung des VAV vom 27. Mai 2004 und die damit geschaffene Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung bestünden keine durchgreifenden Bedenken. Der seit dem Übertritt zum 1. April 2005 für die Beklagte nach § 3 Abs. 3 TVG weitergeltende MTV sei durch die Regelungen des Flexi-TV vom 15. Mai 2006 geändert worden. Mit Inkrafttreten des Flexi-TV am 1. Juni 2006 habe die Nachbindung des MTV nach § 3 Abs. 3 TVG geendet und es sei die Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG eingetreten. Deshalb könne der Beklagten tarifrechtlich nicht untersagt werden, ihren Arbeitnehmern – ob Gewerkschaftsmitglieder oder Nichtorganisierten – abweichende Arbeitsverträge anzubieten und solche mit ihnen auch abzuschließen.
Rz. 21
II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind nicht erfolgreich. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis wie in der Begründung rechtsfehlerfrei.
Rz. 22
Die Klage hätte nur dann – wenigstens teilweise – erfolgreich sein können, wenn die Beklagte zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gemäß § 3 Abs. 1 oder Abs. 3 TVG an den MTV gebunden gewesen wäre. Die zwingende Wirkung des MTV bestand jedoch zu diesem Zeitpunkt für die Beklagte nicht mehr. Ihr Wechsel in den OT-Status des VAV hatte am 1. April 2005 zum Eintritt der so genannten Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG geführt. Gegen die Wirksamkeit der Satzungsregelungen des VAV über die Möglichkeit der Begründung einer OT-Mitgliedschaft bestehen keine durchgreifenden Bedenken, die zu deren Unwirksamkeit führen könnten. Der Abschluss des Flexi-TV hatte sodann zum “Ende” des MTV iSv. § 3 Abs. 3 TVG geführt, auch wenn die hierfür erforderliche Änderung nicht unmittelbar im Wortlaut des MTV selbst erfolgte. Damit war in den bis dahin tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen bei der Beklagten die Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG eingetreten. Unter diesen Umständen war die Beklagte ab dem 1. Juni 2006 nicht mehr gehindert, arbeitsvertraglich im Einvernehmen mit den betroffenen Arbeitnehmern auch zu deren Nachteil von den nachwirkenden tariflichen Bestimmungen abzuweichen. Bereits deshalb waren die im Antrag zu Ziff. 1 bezeichneten Maßnahmen der Beklagten seit diesem Zeitpunkt nicht mehr zu untersagen.
Rz. 23
1. Der Wechsel der Beklagten in den Status eines Mitglieds des VAV ohne Tarifbindung war wirksam und führte am 1. April 2005 zum Eintritt der Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG.
Rz. 24
a) Die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband, der Partei eines Tarifvertrages ist, begründet die Gebundenheit an die von diesem Verband abgeschlossenen Tarifverträge, § 3 Abs. 1 TVG. Endet die Mitgliedschaft in diesem Verband, bleibt die Tarifgebundenheit an den zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifvertrag bestehen, bis der Tarifvertrag endet, § 3 Abs. 3 TVG.
Rz. 25
b) Der Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband ist der Übertritt in eine Form der Verbandsmitgliedschaft, die keine Tarifbindung vermittelt, gleichzustellen.
Rz. 26
aa) § 3 Abs. 1 TVG bestimmt die Rechtsfolge der Mitgliedschaft in einem tarifschließenden Verband. Das schließt die satzungsautonome Gestaltungsmöglichkeit der Verbände festzulegen, wer Mitglied im Sinne dieser Gesetzesregelung ist, nicht aus. Sie können daher auch eine Form der Mitgliedschaft anbieten, die nicht mit der Rechtsfolge der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG verbunden ist (BAG 18. Juli 2006 – 1 ABR 36/05 – BAGE 119, 103, 119).
Rz. 27
bb) Der Wechsel eines Verbandsmitglieds vom Status des nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebundenen Mitgliedes in den Status eine Mitgliedes ohne Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG (OT-Status) hat daher in Bezug auf die gesetzlich angeordnete Tarifgebundenheit dieselbe Rechtswirkung wie ein Austritt aus dem Verband.
Rz. 28
c) Die Beklagte ist auch zum 1. April 2005 in den Status eines Mitglieds ohne Tarifbindung gewechselt. Die entsprechenden Satzungsvorschriften des VAV sind wirksam. Damit galt ab dem 1. April 2005 der MTV für die Beklagte nur noch im Wege der Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG.
Rz. 29
aa) Die Änderung der Satzung des VAV durch den entsprechenden Beschluss der Mitgliederversammlung vom 27. Mai 2004, die am 27. August 2004 in das Vereinsregister beim Amtsgericht W… eingetragen wurde, war formell wirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht hinreichend begründet. Die Revision greift die entsprechenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch nicht an.
Rz. 30
bb) Gegen die Satzungsänderung des VAV, mit der die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung begründet wurde, bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
Rz. 31
(1) Der Senat hat die Anforderungen an eine Verbandssatzung, die aus tarifrechtlicher Sicht einen Mitgliederstatus ohne Tarifbindung (OT-Status) bereitstellt, in der Entscheidung vom 4. Juni 2008 (– 4 AZR 419/07 – AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95) insbesondere dahingehend konkretisiert, dass es nicht ausreicht, wenn die Satzung für die Mitglieder ohne Tarifbindung lediglich die Rechtsfolge der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG abbedingt. Wegen des unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie erforderlichen Gleichlaufs von Verantwortlichkeit und Betroffenheit hinsichtlich tarifpolitischer Entscheidungen muss die Satzung eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und solchen ohne Tarifbindung vorsehen. Deshalb ist eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen nicht zulässig. Dies ist satzungsrechtlich abzusichern, ua. dadurch, dass OT-Mitglieder nicht in Tarifkommissionen entsandt werden dürfen, den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten sowie von der Verfügungsgewalt über einen Streik- bzw. Aussperrungsfonds auszuschließen sind. Ferner ist ihnen kein Stimmrecht bei Abstimmungen über die Festlegung von tarifpolitischen Zielen oder die Annahme von Tarifverhandlungsergebnissen zu gewähren (Senat 4. Juni 2008 – 4 AZR 491/07 – mwN, aaO).
Rz. 32
(2) Entgegen der Auffassung der Revision erfüllt die Satzung des VAV diese Anforderungen in noch ausreichendem Maße.
Rz. 33
(a) Die tarifpolitische Tätigkeit des Verbandes ist in der Satzung nur rudimentär geregelt. Nach § 2 Abs. 1 der Satzung gehört zu den Zwecken des Verbandes auch die Aufgabe, Tarifverträge abzuschließen und den Zusammenhalt der Mitglieder bei der Abwehr von Arbeitskampfmaßnahmen zu fördern. Die Organisation von Tarifverhandlungen durch die Geschäftsführung und die Möglichkeit der Bildung einer Tarifkommission oder eines Tarifausschusses sowie Elemente ihrer Organisation und Geschäftsführung sind in §§ 13, 14 der Satzung geregelt. Schließlich erlaubt § 15 Abs. 2 der Satzung die Durchführung von schriftlichen Abstimmungen bei Tarifverhandlungen. Eine Streikkasse besteht nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht.
Rz. 34
(b) An Entscheidungen in diesen Bereichen der Verbandstätigkeit sind OT-Mitglieder nach der Satzung des VAV nicht beteiligt. Der in § 4 Abs. 2 der Satzung geregelte Ausschluss der OT-Mitglieder von allen verbandstarifpolitischen Angelegenheiten und allen Fragen, die Arbeitskampfmaßnahmen des Verbandes für Flächentarifverträge betreffen, ist zwar sehr allgemein gefasst. Er entspricht damit aber der diesbezüglichen Regelungsintensität der Satzung insgesamt. Hinsichtlich der Mitgliedschaft im Tarifausschuss und der Teilnahme an Flächentarifverhandlungen ist der Ausschluss in § 4 Abs. 2 Satz 2 der Satzung noch einmal ausdrücklich geregelt; diese Regelung unterstützt und konkretisiert die allgemeine Abgrenzungsregel in § 4 Abs. 2 Satz 1 der Satzung. Dadurch wird auch deutlich, dass die allgemeine Ausschlussvorschrift mit umfassender Reichweite ausgestattet ist. Danach haben Gesamtvorstandsmitglieder im Tarifausschuss kein Stimmrecht, wenn sie Vertreter von OT-Mitgliedern sind. Bereits aus diesem Grund ist der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zuzustimmen, dass eine Mitgliedschaft des Arbeitsdirektors der Beklagten im geschäftsführenden Vorstand des VAV bis zum 30. Juni 2006 nicht zu einer Tarifgebundenheit der Beklagten zum hier maßgebenden Zeitpunkt geführt hat. Es kann deshalb dahinstehen, ob und unter welchen Bedingungen eine satzungswidrige Praxis im Verbandsgeschehen – insbesondere bei geringer Regelungsintensität und nur sehr allgemeiner und pauschaler Abgrenzung der beiden Mitgliedsformen – dazu führen kann, dass von einer nicht ausreichenden Trennung auszugehen ist.
Rz. 35
(c) Soweit die Revision rügt, dass auch die bloße Möglichkeit einer Einflussnahme auf tarifpolitische Entscheidungen, etwa durch beratende Tätigkeit, für OT-Mitglieder ausgeschlossen sein muss, ist dies nicht zutreffend. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein solcher weitreichender Ausschluss der OT-Mitglieder schon deshalb nicht geboten, weil es dem Verband ohnehin aus tarifrechtlicher Sicht nicht verwehrt werden kann, sich bei tarifpolitischen Entscheidungen auch durch nicht gebundene außenstehende Dritte beraten zu lassen (Senat 4. Juni 2008 – 4 AZR 419/07 – Rn. 39 mwN, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95).
Rz. 36
cc) Der Übertritt der Beklagten in den OT-Status begegnet auch sonst keinen formellen Bedenken. Die in § 4 Abs. 2 Satz 3 der Satzung vorgesehene Schriftlichkeit der Erklärung sowie die nach der genannten Vorschrift für das Wirksamwerden geltende Drei-Monats-Frist sind eingehalten.
Rz. 37
dd) Die Rechtsfolge der Übertrittserklärung der Beklagten war der Wegfall der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG mit Ablauf des 31. März 2005 und der Eintritt einer – hinsichtlich der unmittelbaren Wirkungen nicht unterschiedlichen – Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG, die bis zum Ende des MTV andauerte.
Rz. 38
2. Der MTV endete im Sinne des § 3 Abs. 3 TVG mit dem Inkrafttreten des Flexi-TV am 1. Juni 2006.
Rz. 39
a) Die Gebundenheit an den Tarifvertrag endet für das nicht mehr tarifgebundene OT-Mitglied mit dessen Ende. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dem Ende des Tarifvertrages jede Änderung des Tarifvertrages gleichzustellen. Das ergibt sich aus der für die geänderten Tarifnormen nunmehr fehlenden mitgliedschaftlichen Legitimation des Verbandshandelns für das ehemalige Mitglied (Senat 7. November 2001 – 4 AZR 703/00 – mwN, BAGE 99, 283, 286 ff.).
Rz. 40
b) Dafür ist es nicht erforderlich, dass sich die Änderung unmittelbar in der Änderung einer Norm des fraglichen Tarifvertrags selbst ausdrückt. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass dies für jede – hier: den Arbeitgeber betreffende – Änderung der durch den fraglichen Tarifvertrag normierten materiellen Rechtslage gilt, die von denselben Tarifvertragsparteien vereinbart wird. Neben dem Gesichtspunkt der fehlenden mitgliedschaftlichen Legitimation ergibt sich dies daraus, dass ein Arbeitgeber, der aus einem Verband ausgetreten ist, nicht mehr zwingend an Tarifnormen gebunden sein kann, die für die mit ihm konkurrierenden, im Verband verbliebenen Arbeitgeber nicht mehr in der gleichen Form gelten. Eine derartige Änderung der materiellen Rechtslage wird sich häufig in einer Änderung der Tarifvertragsnorm selbst ausdrücken. Sie kann aber auch in der Vereinbarung einer neuen Tarifnorm liegen, die in einem gesonderten Tarifvertrag vereinbart worden ist.
Rz. 41
c) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
Rz. 42
aa) Der MTV in der zum Zeitpunkt des Übertritts der Beklagten in den OT-Status geltenden Fassung enthielt Bestimmungen zur Arbeitszeit, in denen die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer auf 38 Stunden festgesetzt worden war (§ 3 Nr. 1 MTV). In den folgenden Regelungen des § 3 MTV war ua. die Möglichkeit einer Arbeitszeitverkürzung durch Betriebsvereinbarung, teilweise im Detail geregelt. Die Möglichkeit einer Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit sah der MTV – mit Ausnahme spezieller Berufsgruppen wie Wächter, Heizer, Pförtner ua. (§ 3 Nr. 6 MTV) – nicht vor.
Rz. 43
bb) Diese materielle Rechtslage wurde durch den Flexi-TV derselben Tarifvertragsparteien geändert.
Rz. 44
(1) Dieser Tarifvertrag regelt in §§ 2 und 3 die Möglichkeit flexibler Arbeitszeiten und der Einrichtung von Arbeitszeitkonten. Damit wird die Regelung der 38-Stunden-Woche des § 3 Nr. 1 MTV zugunsten der Möglichkeit einer betrieblich zu vereinbarenden 45-Stunden-Woche geöffnet. § 3 Nr. 1 MTV gilt für die Tarifgebundenen nicht mehr zwingend. Bei der Regelung der Arbeitszeit handelt es sich um Inhaltsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG. Darüber hinaus sind auch die Vergütungsregelungen betroffen. Denn bei Nutzung des im Flexi-TV vorgesehenen Arbeitszeitkontos entfallen Zuschläge, die nach § 5 Nr. 1 MTV für Mehrarbeit vorgesehen sind. Dass flexible Modelle in einigen Betrieben bereits aufgrund von Betriebsvereinbarungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG) praktiziert wurden und dass der Flexi-TV solche Regelungen lediglich als Option anbietet, ändert am Ergebnis nichts. Vor der Vereinbarung des Flexi-TV gab es tarifvertraglich keine Regelung flexibler Arbeitszeiten im MTV. Der Flexi-TV ergänzt und verändert inhaltlich die im MTV bereits bestehenden Regelungen zur Wochenarbeitszeit, schafft insoweit eine neue materiellrechtliche Lage und führt damit zur Beendigung des MTV iSd. § 3 Abs. 3 TVG.
Rz. 45
(2) Ein Vergleich mit der am selben Tag wie der Flexi-TV in Kraft getretenen Änderung des Manteltarifvertrages der Getränkeindustrie in Hessen, die von denselben Tarifvertragsparteien vereinbart worden war, zeigt, dass für die einer Beendigung gleichstehende Änderung nicht nur auf die unmittelbare Änderung desjenigen Tarifvertrages abzustellen ist, an den der ausgetretene Arbeitgeber noch nach § 3 Abs. 3 TVG gebunden ist. Hier war eine nahezu wortgleiche Regelung, wie sie im Flexi-TV gesondert getroffen wurde, im Wege der Ergänzung des Manteltarifvertrages als dessen § 3a eingefügt worden. Den Tarifvertragsparteien steht es frei, eine Änderung der Mindestarbeitsbedingungen, auf die sie sich geeinigt haben, in ein bestehendes Tarifwerk zu integrieren oder sie in einem gesonderten Tarifvertrag zu normieren. Eine unterschiedliche Rechtsfolge hinsichtlich des Endes der Nachbindung an die ursprüngliche Regelung kann durch die Wahl der Regelungstechnik nicht eintreten.
Rz. 46
(3) Es kann vorliegend dahinstehen, ob die am selben Tage getroffene Vereinbarung der Tarifvertragsparteien über einen befristeten Verzicht auf die Kündigung des MTV – mit Ausnahme bestimmter, einzeln bezeichneter Regelungen – tatsächlich lediglich eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen zwei Tarifvertragsparteien “unterhalb der Schwelle” einer Abänderung des MTV darstellt, wie das Landesarbeitsgericht meint, oder ob es sich dabei in der Sache um eine Laufzeitvereinbarung handelt, die – wie bei Tarifverhandlungen häufig – von großer Bedeutung sein kann und zur weitgehenden Unkündbarkeit und damit zwingenden Weitergeltung der Abschluss-, Inhalts- und Beendigungsnormen führt (vgl. zB BAG 27. September 2001 – 2 AZR 236/00 – BAGE 99, 167, 175). Bereits die oben unter (1) genannte Änderung bewirkt das Ende des MTV iSv. § 3 Abs. 3 TVG.
Rz. 47
3. Mit dem Ende des MTV bei Inkrafttreten des Flexi-TV am 1. Juni 2006 endete nach § 3 Abs. 3 TVG auch die Gebundenheit der Beklagten an diesen Tarifvertrag. Die in ihm enthaltenen Normen wirkten nicht mehr zwingend auf die von ihm bis dahin erfassten Arbeitsverhältnisse der Beklagten ein. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur für die geänderten Normen, sondern betrifft auch die unveränderten Tarifregelungen (zB Senat 7. November 2001 – 4 AZR 703/00 – BAGE 99, 283, 287). Nach § 4 Abs. 5 TVG trat die Nachwirkung ein, die den Inhalt der Tarifnormen nur bis zu einer anderen Abmachung weitergelten lässt. Das Angebot und die Vereinbarung einer solchen anderen Abmachung kann daher der Beklagten nicht untersagt werden.
Rz. 48
4. Da die Klage bereits aus diesem Grund unbegründet ist, bedarf es keiner Stellungnahme zu der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Gewerkschaft ein Unterlassungsanspruch gegen einen tarifgebundenen Arbeitgeber zusteht, der – auch nicht tarifgebundenen – Arbeitnehmern in seinem Betrieb ein Vertragsangebot macht, in dem materielle Arbeitsbedingungen enthalten sind, die ungünstiger sind als die eines Tarifvertrages, von dessen fachlich-betrieblichem Geltungsbereich der fragliche Betrieb erfasst wird (vgl. dazu BAG 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 – BAGE 91, 210).
Rz. 49
C. Da die Revision der Klägerin erfolglos bleibt, hat sie die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Bepler, Treber, Creutzfeldt, Pfeil, Weßelkock
Fundstellen
Haufe-Index 2205007 |
DB 2009, 2220 |