Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf ordnungsgemäße Abrechnung
Leitsatz (amtlich)
Einem Antrag, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen, fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 139; ArbGG § 61a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. Februar 1999 – 5 Sa 95/96 – wird zurückgewiesen.
2. Auf die Revision der Beklagten wird dieses Urteil aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. September 1996 – 8 Ca 570/95 – zurückgewiesen hat.
3. Auf die Berufung der Beklagten wird dieses Urteil abgeändert:
Die Klage wird insgesamt als unzulässig abgewiesen.
4. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß sie bis zum 31. Mai 1997 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden hat. Ferner verlangt sie eine ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses.
Die im Jahre 1939 geborene Klägerin war gemäß Vertrag vom 24. Februar 1981 für die Beklagte als sog. Fachberaterin tätig. Danach sollte sie als „selbständige Gewerbetreibende” auf Provisionsbasis von der Beklagten produzierte Waren propagieren. Ihr oblagen der Verkauf des Sortiments und die Beratung in der Fachabteilung eines von der Beklagten bestimmten Warenhauses bzw. Fachgeschäfts. Ursprünglich war als Einsatzort das Kaufhaus H in H vereinbart. Seit Ende der 80er Jahre wurde die Klägerin im Warenhaus B in H eingesetzt. Sie erhielt von der Beklagten eine Provision für diejenigen Produkte der Beklagten, die durch ihre Vermittlung verkauft wurden. Ein Teil dieser Provision wurde der Beklagten durch das Warenhaus B erstattet.
Mit Schreiben vom 11. Januar 1996 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit der Klägerin zum 31. Januar 1996. Über die Wirksamkeit dieser Kündigung ist ein Rechtsstreit beim Arbeitsgericht Hamburg anhängig, der – nach der Feststellung im Berufungsurteil – bis zur Entscheidung in der vorliegenden Sache ausgesetzt ist. Nach Erhebung der Kündigungsschutzklage hat die Beklagte erneut vorsorglich das Vertragsverhältnis einschließlich eines etwaigen Arbeitsverhältnisses nach Anhörung des Betriebsrats zum 31. Mai 1997 gekündigt. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin eine Klage nicht erhoben. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Vertragsverhältnis auf jeden Fall am 31. Mai 1997 geendet hat.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei von Anfang an als Arbeitnehmerin für die Beklagte tätig gewesen. Sie habe sich ihren Arbeitsplatz nicht aussuchen können, sie habe ihre Arbeit persönlich erbringen müssen und sie sei in der Urlaubsnahme von den jeweiligen Vorgesetzten abhängig gewesen. Ohne ihre Einwilligung seien andere Mitarbeiter auf ihrem Arbeitsplatz beschäftigt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß sie bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt war;
- die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitsverhältnis mit ihr ordnungsgemäß abzurechnen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin sei als selbständige Gewerbetreibende tätig geworden. Insbesondere habe die Klägerin über ihre Arbeitszeit frei verfügen können. Die Klägerin sei auch berechtigt gewesen, andere Personen für sich tätig werden zu lassen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 15. März 1996 die „sachliche Zuständigkeit” des Arbeitsgerichts Hamburg festgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Mit Urteil vom 19. September 1996 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil zum Teil abgeändert und festgestellt, daß die Klägerin bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt worden sei. Die weitergehende Klage hat es als unzulässig abgewiesen. Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren Revisionen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen. Auf die Revision der Beklagten ist die Klage insgesamt als unzulässig abzuweisen.
I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Feststellungsklage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unzulässig. Es fehlt an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO muß als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen. Dabei hat das Gericht den Sachverhalt nicht selbständig zu ermitteln, vielmehr hat der Kläger die erforderlichen Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen(BAG 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – BAGE 74, 201, 203; 23. April 1997 – 5 AZR 727/95 – BAGE 85, 347; 3. März 1999 – 5 AZR 275/98 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 53 = EzA ZPO § 256 Nr. 50).
2. Im Streitfall ist die Klage auf die Feststellung gerichtet, daß ein bereits beendetes Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis gewesen sei. Anders als im bestehenden Vertragsverhältnis, in dem der Beschäftigte jederzeit ein rechtliches Interesse daran hat, daß seine Rechtsstellung als Arbeitnehmer alsbald festgestellt wird(BAG 15. Dezember 1999 – 5 AZR 3/99 – AP HGB § 92 Nr. 5), bedarf das Interesse an der Feststellung, daß ein vergangenes Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis war, einer besonderen Begründung. Es ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann gegeben, wenn sich gerade aus dieser Feststellung Rechtsfolgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben(BAG 23. April 1997 aaO; 24. September 1997 – 4 AZR 429/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Reichsbund Nr. 1; 3. März 1999 aaO; 15. Dezember 1999 – 5 AZR 457/98 – NZA 2000, 775). Die bloße Möglichkeit des Eintritts solcher Folgen reicht nicht aus. Mit der Feststellung des Arbeitsverhältnisses muß vielmehr zugleich feststehen, daß eigene Ansprüche des Klägers gerade aus dem Arbeitsverhältnis zumindest dem Grunde nach noch bestehen oder gegnerische Ansprüche zumindest im bestimmten Umfange nicht mehr gegeben sind(BAG 15. Dezember 1999 – 5 AZR 457/98 – aaO). Andernfalls könnte die Feststellungsklage weder dem Rechtsfrieden noch der Prozeßökonomie dienen.
3. Gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen sind für die Klägerin mit der Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nicht verbunden.
Die Beendigung ihres Vertragsverhältnisses ist zwischen den Parteien unstreitig. Streit besteht lediglich hinsichtlich des Zeitpunktes, denn die Klägerin hat allein die erste Kündigung des Vertragsverhältnisses vom 11. Januar 1996 mit der Kündigungsschutzklage angefochten. In jenem Rechtsstreit ist über die Wirksamkeit der Kündigung zu befinden. Aus der Existenz dieses Rechtsstreits folgt aber kein Feststellungsinteresse im vorliegenden Verfahren, denn die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses ist lediglich eine mögliche Vorfrage für den Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Hamburg. Ob dessen Ausgang allein vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses oder von möglichen weiteren rechtserheblichen Streitpunkten abhängig ist, haben die Parteien nicht aufgezeigt und ist auch nicht in anderer Weise ersichtlich. Es widerspricht somit sowohl der Prozeßökonomie als auch der ausdrücklichen Regelung des § 61 a ArbGG (Beschleunigungsgrundsatz für Kündigungsrechtsstreite), den Kündigungsrechtsstreit auszusetzen und ein eigenständiges Verfahren über die allgemeine Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses durchzuführen.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich des Leistungsantrags zu Recht als unzulässig abgewiesen. Dem Antrag, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen, fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Urteil mit einem dem Antrag entsprechenden Tenor wäre nicht vollstreckbar. Die Frage, was eine „ordnungsgemäße” Abrechnung meint, ist vielmehr im Erkenntnisverfahren zu klären, zumal die Klägerin die Betonung auf den Antragsbestandteil „Arbeitsverhältnis” legt, weil sie die regelmäßige Provisionsabrechnungen aus dem Handelsvertreterverhältnis offenbar erhalten hat.
Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihrer Revision auf gesetzliche Vorschriften (§§ 133 h, 134 Abs. 2 GewO, § 612 BGB), die eine Abrechnung des Arbeitsverhältnisses vorsehen. Hieraus läßt sich für die hinreichende Bestimmtheit des von der Klägerin gewählten Leistungsantrags nichts herleiten. Die sich aus den Normen ergebenden Konsequenzen im Einzelfall sind von der klagenden Partei bei der Formulierung ihres Klageantrags zu berücksichtigen.
Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht habe § 139 ZPO verletzt, ist unzulässig. Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, das Berufungsgericht habe § 139 ZPO mißachtet, muß genau angegeben werden, wonach das Gericht hätte fragen sollen und was die Partei daraufhin vorgetragen hätte (st. Rspr.; BAG 12. April 2000 – 5 AZR 704/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 72 = EzA EFZG § 4 Nr. 39; Germelmann/Matthes/Prütting Arbeitsgerichtsgesetz 3. Aufl. § 74 Rn. 39). Diesen Mindesterfordernissen entspricht die Verfahrensrüge der Klägerin nicht. Sie zeigt nicht auf, in welcher Weise sie den Klageantrag zu 2 auf entsprechenden Hinweis des Landesarbeitsgerichts konkretisiert hätte.
Unterschriften
Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Reinders, Dombrowsky
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.04.2001 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 599788 |
DB 2001, 1512 |
NJW 2001, 3212 |
ARST 2001, 188 |
FA 2001, 212 |
FA 2001, 214 |
NZA 2001, 1157 |
SAE 2002, 75 |
AP, 0 |
EzA |
ZInsO 2001, 872 |