Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Anpassung der laufenden Betriebsrenten, hier: Unterbrechung der Rügefrist durch eine zwischen den Parteien wirkende Vereinbarung mit einem Interessenverband
Orientierungssatz
- Die Pflicht des Versorgungsempfängers, für unrichtig gehaltene Anpassungsentscheidungen des Arbeitgebers vor dem nächsten Anpassungsstichtag zumindest außergerichtlich zu rügen, kann innerhalb des Konditionenkartells des Bochumer Verbandes auch durch eine Interessenvertretung der Versorgungsempfänger (hier: Verband der Führungskräfte – VDF) wahrgenommen werden.
- Die Versorgungsempfänger oder ihr Interessenverband können mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung treffen, wonach die Rügefrist bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses (hier: Entscheidung in einem Musterprozess) unterbrochen wird.
- Wird dabei eine ausdrückliche Vereinbarung über das weitere Vorgehen nicht getroffen, so lebt das Rügerecht nach Eintritt der Bedingung nicht zeitlich unbegrenzt wieder auf. Maßgeblich ist dann die Auslegung der Vereinbarung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen.
- Vorliegend ergab die Auslegung, dass etwaige weitere Rügen nur innerhalb einer angemessenen Frist nach Bekanntwerden der Entscheidung in dem anderen Verfahren angebracht werden konnten. Das Interesse des Arbeitgebers an der im Anpassungsverfahren nach § 16 BetrAVG/§ 20 LO 1985 notwendigen schnellen und endgültigen Bereinigung der Streitigkeiten war gegen das Interesse der Betriebsrentner abzuwägen, genügend Zeit für eine Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen zu haben.
- Hier hätte eine weitere Rüge bis zu dem auf das Bekanntwerden der Entscheidung folgenden Anpassungsstichtag, also innerhalb einer Frist von knapp drei Jahren erfolgen müssen.
Normenkette
BetrAVG § 16; Leistungsordnung Bochumer Verband 1985 § 20
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 02.02.2005; Aktenzeichen 11 (10) Sa 1473/04) |
ArbG Essen (Urteil vom 15.07.2004; Aktenzeichen 1 Ca 6793/03) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger auf Grund einer seiner Meinung nach ungenügenden Betriebsrentenanpassung zum 1. Januar 1994 für die Zeit vom 1. Dezember 2000 bis zum 31. Dezember 2003 eine höhere Betriebsrente zusteht.
Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Unternehmen des Steinkohlebergbaus ist, als außertariflicher Angestellter beschäftigt. Er ist Mitglied des Verbandes der Führungskräfte e.V. (VDF). Seit dem 1. Juni 1989 erhält der Kläger von der Beklagten Ruhegeld. Diese ist Mitglied des Bochumer Verbandes und hatte dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung nach der jeweils geltenden Leistungsordnung des Bochumer Verbandes zugesagt.
Nach § 3 der seit dem 22. Dezember 1974 geltenden Leistungsordnung des Bochumer Verbandes (LO 1974) richteten sich sowohl die Versorgungsanwartschaften als auch die Ruhegelder nach den jeweils geltenden Gruppenbeträgen. Dagegen sah mit Wirkung zum 1. Januar 1985 eine neue Leistungsordnung (LO 1985) unterschiedliche Regelungen für die Anpassung der Anwartschaften einerseits (§ 3 LO 1985) und der laufenden Leistungen andererseits (§ 20 LO 1985) vor. § 20 LO 1985 lautet:
“Anpassung der laufenden Leistungen
Die laufenden Leistungen werden vom Verband unter Berücksichtigung der Belange der Leistungsempfänger und der wirtschaftlichen Lage der Mitglieder überprüft und gegebenenfalls nach billigem Ermessen angepaßt.”
Der Bochumer Verband bündelt die Anpassungsprüfung dreijährig. Zum 1. Januar 1988 wurden die Betriebsrenten in allen Mitgliedsfirmen einheitlich um 4 %, zum 1. Januar 1991 einheitlich um 7,8 % angepasst. Zum 1. Januar 1994 kam es jedoch im Bochumer Verband zu einer unterschiedlichen Anpassungsentscheidung: Während die Betriebsrenten in den Mitgliedsunternehmen des Bergbaus um 8 % erhöht wurden, erhielten die Rentner der “übrigen Mitgliedsunternehmen” eine Anpassung in Höhe von 11,7 %, was der Preissteigerungsrate von Dezember 1990 bis Dezember 1993 entspricht.
Die Anpassungsentscheidungen des Bochumer Verbandes wurden vielfach angegriffen. Der Betriebsrentner S… der Beklagten klagte, vertreten vom Prozessbevollmächtigten des Klägers, gegen die Anpassungsentscheidung zum Januar 1991. Er vertrat die Auffassung, die Änderung der Leistungsordnung vom 1. Januar 1985 sei ihm gegenüber unwirksam. Ein weiterer Betriebsrentner der Beklagten reichte – zunächst unabhängig vom VDF – Klage mit dem Ziel einer Anpassung seiner Betriebsrente ab dem 1. Januar 1994 um 11,7 % ein. Am 25. Mai 1994 kam es zu einem Gespräch zwischen Vertretern der Beklagten und des VDF. Im Ergebnisprotokoll dazu heißt es:
“Nach eingehender Erörterung der Entscheidung über die Anhebung der laufenden Leistungen des Bochumer Verbandes zum 01.01.1994 wird folgendes vereinbart:
1. RAG erklärt, im Herbst 1994 zu überprüfen, ob die wirtschaftliche Situation des Unternehmens eine Anpassung der laufenden Leistungen mit Wirkung vom 01.01.1994 – bezogen auf den Prüfungszeitraum 1991 bis 1993 – zuläßt.
2. Die Vertreter des VDF erklären ihre Bereitschaft,
– die bisher rechtshängigen arbeitsgerichtlichen Verfahren, die die Anpassungsentscheidung zum 01.01.1994 angreifen, zunächst terminlos stellen zu lassen und
– von weiteren diesbezüglichen Klagen abzuraten.
3. RAG verzichtet auf die Einreden der Verjährung oder Verwirkung gegenüber VDF-Mitgliedern, die durch Klage die Anpassungsentscheidung vom Dezember 1993 angegriffen haben oder noch angreifen werden.
4. Der VDF sagt zu, dafür zu sorgen, daß in dem Rechtsstreit S… ./. RAG das Arbeitsgericht Essen zunächst nur über Fragen im Zusammenhang mit der Umstellung der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes 1984/85 entscheidet.
5. Soweit Leistungsempfänger, die nicht durch den VDF vertreten sind, die Anpassungsentscheidung vom Dezember 1993 durch entsprechende Klage angreifen, strebt RAG an, mit diesen Pensionären eine entsprechende Regelung zu vereinbaren, auch diese Verfahren terminlos zu stellen.”
Beide Klagen blieben in der Revisionsinstanz erfolglos. Im Rechtsstreit des Betriebsrentners S… entschied das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 27. August 1996 (– 3 AZR 467/95 –), dass sich die Anpassung 1991 nach der LO 1985 richtet. Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22. Januar 1997 zugestellt. Im zweiten Rechtsstreit entschied das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom gleichen Tage (– 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38) zur Anpassungsentscheidung 1994, dass weder die Satzung noch die LO 1985 eine für alle Mitgliedsunternehmen einheitliche Anpassung der laufenden Ruhegelder vorschreiben.
Eine weitere Rüge der Anpassungsentscheidung 1994 erfolgte weder durch den Kläger noch durch den VDF. Zwar wurde auch über die auf der Basis der Anpassung um 8 % zum 1. Januar 1994 vorgenommenen weiteren Anpassungen der Beklagten zum 1. Januar 1997 und zum 1. Januar 2000 gestritten. Der Kläger setzte für sich eine Anhebung zum 1. Januar 1997 um 5,6 % und zum 1. Januar 2000 um 3,44 % durch (ArbG Essen 4. Dezember 2003 – 3 (2) Ca 5126/02 –). Die Anpassung 1994 um 8 % wurde in diesen Verfahren ebenso wenig weiter in Zweifel gezogen wie bei der weiteren, vom Kläger nicht gerügten Rentenanpassung zum 1. Januar 2003 um 5,5 %.
Mit seiner am 29. September 2003 beim Arbeitsgericht Essen eingereichten Klage hat der Kläger die Ansicht vertreten, die Beklagte hätte im Jahre 1994 seine Betriebsrente um 11,7 % erhöhen müssen. Der im Hinblick auf eine reallohnbezogene Obergrenze gefasste Beschluss des Bochumer Verbandes über einen niedrigeren Anpassungssatz iHv. 8 % für die Bergbauunternehmen sei unwirksam. Denn mangels ausreichender Unterscheidungsmaßstäbe zwischen “Bergbauunternehmen” und “übrigen Mitgliedern” sei eine solche Obergrenze für die ersteren nicht darstellbar. Nachvollziehbare Einteilungskriterien habe der Bochumer Verband erst in den Vorstandssitzungen vom 1. Oktober 2002 und 12. Februar 2003 versucht. Insoweit habe die Beklagte auf Veranlassung des Bochumer Verbandes unzureichend vorgetragen, was zur Folge gehabt habe, dass einerseits das Bundesarbeitsgericht in seinen Urteilen vom 27. August 1996 von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen sei und andererseits der Kläger veranlasst worden sei, die Anpassungshandhabung 1994 nicht weiter zu verfolgen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn als zusätzliches Ruhegeld für Dezember 2000 308,79 Euro brutto und für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2003 2.086,80 Euro brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung hat sie gemeint, die Anpassungsentscheidung 1994 könne mit der im Dezember 2003 bei Gericht eingegangenen Klage nicht mehr gerügt werden. Zwar sei die nachträgliche Anpassung der Betriebsrente nicht ausgeschlossen, wenn der Versorgungsberechtigte gegen die Anpassungsentscheidung interveniere. Der Betriebsrentner S… habe sich aber in dem Musterverfahren nicht gegen die reallohnbezogene Obergrenze, sondern gegen die Ablösung der früheren Ruhegeldordnung durch die LO 1985 gewandt. Jedenfalls sei ein etwaiger Anspruch des Klägers verwirkt, weil nach Ablauf von über zehn Jahren nicht mehr nachzuvollziehen sei, wie die Entwicklung der Reallöhne in den drei Jahren vor dem 1. Januar 1994 verlaufen sei. Außerdem seien die Ansprüche des Klägers verjährt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet, weil die auf eine unzureichende Anpassungsentscheidung zum 1. Januar 1994 gestützte Klage unbegründet ist. Ein Anspruch des Klägers auf Korrektur der getroffenen Anpassungsentscheidung 1994 iHv. 8 % ist erloschen (§ 16 BetrAVG).
I. Dies folgt nicht bereits daraus, dass mit dem Urteil des Senats vom 27. August 1996 (– 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38) die Abweisung der Klage eines anderen Betriebsrentners gegen die Beklagte, mit der dieser eine Erhöhung seiner Betriebsrente zum 1. Januar 1994 auf 11,7 % begehrte, rechtskräftig wurde.
Nach § 325 Abs. 1 ZPO wirken rechtskräftige Urteile für und gegen die Parteien sowie deren Rechtsnachfolger nach Eintritt der Rechtshängigkeit. Eine Bindungswirkung gegenüber Dritten bedarf einer gesetzlichen Anordnung, an der es vorliegend fehlt (BAG 20. Mai 2003 – 3 AZR 179/02 – AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1, zu I 1 der Gründe). Auch auf Grund der Besonderheiten des Bochumer Verbandes als Konditionenkartell hat das Senatsurteil aus dem Jahre 1996 keine präjudizielle Wirkung. Die Anpassungspflichten der Mitgliedsunternehmen bestimmen sich nach dem Inhalt der vom Vorstand des Bochumer Verbandes gefassten Beschlüsse. Über die Höhe der Anpassung laufender Leistungen entscheidet der Vorstand des Bochumer Verbandes. Dagegen können die Arbeitsvertragsparteien nur ihre eigenen Rechtsbeziehungen gestalten. Die Parteien, die in einem Zivilprozess zuerst ein Urteil erwirken, können kein von allen übrigen Versorgungsberechtigten und Unternehmen zu beachtendes Präjudiz schaffen. Eine solche Bindungswirkung gegenüber diesen am Prozess nicht beteiligten Personen wäre mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren.
II. Der Anspruch des Klägers auf nachträgliche Rentenanpassung ist jedoch erloschen.
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats wird die Verpflichtung zur nachträglichen Anpassung begrenzt durch die streitbeendende Wirkung einer früheren, nicht gerügten Anpassungsentscheidung. Wenn der Versorgungsempfänger die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für unrichtig hält, muss er dies grundsätzlich vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Mit dem nächsten Anpassungsstichtag entsteht ein neuer Anspruch auf Anpassungsentscheidung. Ohne Rüge erlischt der Anspruch auf nachträgliche Anpassung, also auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung. Damit wird sämtlichen Streitigkeiten über die Richtigkeit früherer Anpassungsentscheidungen die Grundlage entzogen. Die streitbeendende Wirkung ist umfassend (BAG 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – AP BetrAVG § 16 Nr. 55, zu II 1 der Gründe; 18. Februar 2003 – 3 AZR 172/02 – BAGE 105, 72, zu A I 2 der Gründe; 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, zu II 1b der Gründe). Etwas anderes gilt, wenn der Versorgungsschuldner keine ausdrückliche Anpassungsentscheidung getroffen hat. Das Schweigen des Versorgungsschuldners enthält die Erklärung, nicht anpassen zu wollen. Diese Erklärung gilt nach Ablauf von drei Jahren als abgegeben. Deshalb kann der Arbeitnehmer diese nachträgliche Entscheidung bis zum übernächsten Anpassungstermin rügen (BAG 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – aaO, zu II 1b bb der Gründe).
2. Da § 20 LO 1985 sich nach Wortlaut und Inhalt an § 16 BetrAVG anlehnt, sind die zur gesetzlichen Anpassungspflicht entwickelten Grundsätze der Senatsrechtsprechung auf Anpassungen im Konditionenkartell des Bochumer Verbandes anwendbar. Dies gilt auch für die streitbeendende Wirkung früherer, nicht gerügter Anpassungsentscheidungen (BAG 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – AP BetrAVG § 16 Nr. 55, zu II 2b der Gründe). Der Kläger selbst hat die Anpassungsentscheidung 1994 weder bis zum Ablauf des nächsten Anpassungszeitraums (31. Dezember 1996) noch dem des übernächsten Anpassungszeitraums (31. Dezember 1999) gerügt.
3. Auch unter Berücksichtigung der durch den VDF erfolgten Rüge ist der Anspruch des Klägers auf nachträgliche Anpassungskorrektur zum 1. Januar 1994 mit dem 31. Dezember 1999 erloschen (§ 16 BetrAVG).
a) Es entspricht dem Vereinheitlichungsziel des Bochumer Verbandes und den sich daraus ergebenden Besonderheiten dieses Versorgungssystems, dass zum einen die Arbeitgeber gebündelt durch den Bochumer Verband handeln und dieser die Anpassungsentscheidung nicht gegenüber dem einzelnen Arbeitgeber und den einzelnen Arbeitnehmern trifft, sondern einheitlich für die ganze Branche (BAG 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – AP BetrAVG § 16 Nr. 55, zu II 2b der Gründe). Zum anderen müssen auch die Arbeitnehmer durch eine Interessenvertretung unternehmens- und personenübergreifend gegenüber dem Bochumer Verband auftreten können (BAG 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – aaO). Grundsätzlich wirkt daher eine Rüge des VDF gegenüber dem Bochumer Verband wie eine Rüge des Klägers selbst.
b) Der Bochumer Verband hat 1993 für die Bergbauunternehmen ausdrücklich eine Erhöhung der laufenden Betriebsrenten zum 1. Januar 1994 um 8 % beschlossen. Der Anpassungsbeschluss des Bochumer Verbandes setzte die Rügefrist in Gang. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der VDF gegenüber dem Bochumer Verband dessen Anpassungsentscheidung zum 1. Januar 1994 gerügt. Aus dem Ergebnisprotokoll des Gesprächs zwischen Vertretern der Beklagten und dem VDF am 25. Mai 1994 ergibt sich zudem, dass diese Rüge auch gegenüber der Beklagten selbst erfolgte. Diese Rüge des VDF wirkte zunächst für und gegen den Kläger.
Wie sich aus Nr. 4 des Ergebnisprotokolls vom 25. Mai 1994 ergibt, sollte zunächst die Entscheidung im Rechtsstreit des Betriebsrentners S… abgewartet werden. Eine ausdrückliche Vereinbarung über das weitere Vorgehen wurde nicht getroffen. Daraus konnten die von der VDF vertretenen Betriebsrentner aber nicht entnehmen, dass sie die Anpassungsentscheidung 1994 nach Abschluss des genannten Verfahrens nunmehr zeitlich unbegrenzt – ggf. erneut – rügen könnten. Die Auslegung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass etwaige Rügen nur innerhalb einer angemessenen Frist nach Bekanntwerden der Entscheidung im Rechtsstreit S… anzubringen waren, anderenfalls das Rügerecht erlosch.
Die Angemessenheit der Frist hing auch vom Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Urteils im Rechtsstreit S… ab. Einerseits mussten die Betriebsrentner genügend Zeit für eine Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen haben. Andererseits war für sie erkennbar, dass die Beklagte ein erhebliches Interesse daran hatte, dass etwaige – im Falle des Klägers weitere – Rügen schnell, möglichst aber bis zu dem auf das Bekanntwerden des Urteils im Rechtsstreit S… folgenden Anpassungsstichtag erhoben worden.
c) Für den Streitfall ergibt sich daraus, dass der Kläger die Anpassungsentscheidung 1994 spätestens bis zum 31. Dezember 1999 rügen konnte. Der Rechtsstreit des Betriebsrentners S… wurde durch Urteil vom 27. August 1996 (– 3 AZR 467/95 –) beendet. Damit war geklärt worden, dass die LO 1985 wirksam war. Mit weiterem Urteil vom selben Tage (– 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38) hatte der Senat entschieden, dass der Bochumer Verband für die Steinkohlenbergbau- und die anderen Mitgliedsunternehmen unterschiedliche Anpassungssätze festlegen durfte. Mit der Zustellung des Urteils im Verfahren des Betriebsrentners S… am 22. Januar 1997 an den – dortigen und hiesigen – Klägervertreter endete die Unterbrechung der Rügefrist. Bis zum 31. Dezember 1999, dem Tag vor dem nächsten Anpassungsstichtag, standen dem Kläger fast drei Jahre für die – erneute – Erhebung von Rügen gegenüber der Anpassungsentscheidung 1994 zur Verfügung. Weder der Kläger noch der VDF haben jedoch bis zu diesem Zeitpunkt die Anpassungsentscheidung 1994 hinsichtlich der reallohnbezogenen Obergrenze weiter angegriffen. Es ist auch nicht vorgetragen, dass derartiges der bis zum Bekanntwerden der Entscheidung im Rechtsstreit des Betriebsrentners S… terminlos gestellten Rechtsstreite geschehen wäre. Daher trat mit dem Anpassungsstichtag 1. Januar 2000 die umfassende streitbereinigende Wirkung hinsichtlich der Anpassung 1994 ein.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Breinlinger, Schmidt, Schepers
Fundstellen
Haufe-Index 1622129 |
DB 2006, 2528 |
FA 2007, 20 |
NZA-RR 2007, 487 |