Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. abschließende Stellungnahme des Betriebsrats. Bestimmbarkeit des Änderungsangebots. Erfordernis einer eigenständigen Begründung der Revision hinsichtlich von Hilfsanträgen. Betriebsratsanhörung
Leitsatz (amtlich)
Eine abschließende, das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG vorzeitig beendende Stellungnahme des Betriebsrats liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte darauf verlassen darf, der Betriebsrat werde sich bis zum Ablauf der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 BetrVG nicht mehr äußern.
Orientierungssatz
1. Der Arbeitgeber darf nur dann von einer abschließenden, das Anhörungsverfahren vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 BetrVG vorzeitig beendenden Stellungnahme des Betriebsrats ausgehen, wenn er – der Arbeitgeber – aufgrund besonderer Umstände sicher sein kann, der Betriebsrat werde sich innerhalb der gesetzlichen Frist keinesfalls noch einmal – und es sei es „nur” zur Ergänzung der Begründung des schriftlich eingelegten Widerspruchs – äußern.
2. Die Abfassung und Zuleitung der Stellungnahme(n) des Betriebsrats zu einer beabsichtigten Kündigung obliegt – unabhängig von den im Gremium erörterten Gründen – nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG dem Betriebsratsvorsitzenden.
3. Hat das Landesarbeitsgericht für die Abweisung eines echten Hilfsantrags eine eigenständige Begründung gegeben, muss sich die Revisionsbegründung mit dieser auseinandersetzen. Dabei ist auszuführen, warum das Berufungsgericht aus Sicht des Klägers (zumindest) dem Hilfsantrag hätte stattgeben müssen. Fehlt es hieran, ist die Revision insoweit auch dann als unzulässig zu verwerfen, wenn das Revisionsgericht über den Hauptantrag nicht abschließend entscheiden kann und deshalb offen bleibt, ob die Bedingung, unter der der Hilfsantrag gestellt ist, eintreten wird.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1-3, 5, § 26 Abs. 2 S. 1; KSchG § 2 S. 1, § 4 Sätze 1-2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 552 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Mai 2015 – 6 Sa 103/14 – wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der zweitinstanzlich zuletzt zu 4. gestellten Klageanträge richtet.
2. Im Übrigen wird das vorgenannte Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts auf die Revision des Klägers aufgehoben.
3. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 12. Februar 2014 – 3 Ca 4024/12 – teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. November 2012 nicht aufgelöst worden ist.
4. Im weiteren Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vorrangig über die Wirksamkeit zweier Änderungskündigungen.
Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb in D mehr als zehn Arbeitnehmer. Sie gehört einem Konzern an, dessen Obergesellschaft ihren Sitz in den USA hat.
Der 1965 geborene Kläger war seit 1991 in verschiedenen Funktionen für mehrere Gesellschaften des Konzerns tätig. Im April 2012 wurde er von der Beklagten als Sales Director, Senior (Grade XS 7) eingestellt. Im Arbeitsvertrag der Parteien wurde ua. hinsichtlich des Kündigungsschutzes der 16. September 1991 als Eintrittstermin anerkannt.
Der Kläger war für die Betreuung eines in D ansässigen Großkunden zuständig. Im Juni 2012 entschied der neue Chief Executive Officer der Konzernobergesellschaft, dass diese Aufgabe ab dem 1. November 2012 von einem Mitarbeiter der Konzernobergesellschaft wahrgenommen werden sollte. Hierüber unterrichtete diese die Parteien in der Folgezeit. Am 21. November 2012 beschloss die Beklagte, die Betreuung des „globalen Accounts” für den Großkunden auf die Konzernobergesellschaft zu übertragen.
Mit Schreiben vom 20. November 2012 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis des Klägers zu kündigen und ihm dessen Fortsetzung als „Yield Practice Project Manager/Grade 39” bei Teilnahme an dem entsprechenden Bonus-Plan anzubieten. Die Betriebsratsvorsitzende erklärte mit Schreiben vom 26. November 2012, das Gremium habe „beschlossen, gegen die beabsichtigte Änderungskündigung Widerspruch einzulegen”. Zur Begründung führte sie ua. aus, der Betriebsrat halte das Änderungsangebot mit der signifikanten Abschmelzung des Gehalts nicht für zumutbar. Im Schlusssatz des Schreibens heißt es:
„Um eine abschließende Abwägung der Gehaltseinbußen durchführen zu können, bittet der Betriebsrat D um weitere Informationen: wie hoch ist das derzeitige Bruttojahresgrundgehalt … [des Klägers]?”
Die Beklagte ergänzte ihre Angaben gegenüber dem Betriebsrat nicht.
Mit Schreiben vom 27. November 2012, das dem Kläger noch am selben Tag übergeben wurde, kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2013 und bot ihm zugleich an, es ab dem 1. Juli 2013 als „Yield Practice Project Manager Grade 39” fortzusetzen. Der Kläger nahm das Änderungsangebot nicht an.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2013 – den Prozessbevollmächtigten des Klägers an diesem Tag, ihm persönlich frühestens am 1. März 2013 zugegangen – erklärte die Beklagte nach erneuter Anhörung des Betriebsrats eine Änderungskündigung zum 30. September 2013. Das mit dieser Kündigung verbundene Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Oktober 2013 als „Yield Practice Project Manager Grade 39” nahm der Kläger unter Vorbehalt an.
Mit der vorliegenden Klage hat sich der Kläger rechtzeitig gegen beide Kündigungen gewandt. Er hat gemeint, diese seien sozial nicht gerechtfertigt. Es fehle an einem Kündigungsgrund. Das Änderungsangebot sei unbestimmt. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Jedenfalls habe er – der Kläger – entsprechend einer Stellenausschreibung vom 8. April 2013 Anspruch auf Beschäftigung als „Regional PGB Business Development (Grade X 50)”.
Der Kläger hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – sinngemäß zuletzt beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. November 2012 nicht aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Leistung und Verhalten erstreckt;
- festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 26. Februar 2013 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist;
für den Fall, dass der Kläger nicht mit beiden Anträgen zu 1. und 3. obsiegt:
die Beklagte zu verurteilen, das Angebot auf Abschluss eines Fortsetzungsvertrags zur Beschäftigung des Klägers als Regional PGB Business Development (Grade X 50) gemäß der Stellenausschreibung vom 8. April 2013 zu unternehmens- und betriebsüblichen Konditionen unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit seit dem 16. September 1991 anzunehmen, und zwar ab Beginn des Monats, der dem Ende des hier streitgegenständlichen Arbeitsvertrags folgt;
hilfsweise:
die Beklagte zu verurteilen, ihn so zu vergüten, als ob er als Regional PGB Business Development (Grade X 50) gemäß der Stellenausschreibung vom 8. April 2013 ab Beginn des Monats, der dem Ende des Arbeitsvertrags vom 27. November 2012 folgt, bei der Beklagten beschäftigt wäre sowie über die ihm zustehende Vergütung Auskunft und Abrechnung zu erteilen und die sich danach ergebende Vergütung auszuzahlen;
für den Fall, dass der Kläger mit den Anträgen zu 1. und 3. obsiegt:
die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten Bedingungen gemäß dem Arbeitsvertrag vom 27. November 2012 als Sales Director, Senior (Grade XS 7) in ihrem Betrieb in D zu beschäftigen;
für den Fall, dass der Kläger mit dem ersten Antrag zu 4. obsiegt:
die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits über diesen Antrag als Regional PGB Business Development (Grade X 50) gemäß der Stellenausschreibung vom 8. April 2013 zu unternehmens- und betriebsüblichen Konditionen unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit seit dem 16. September 1991 in ihrem Betrieb in D zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung vom 27. November 2012 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst. Sie sei nicht verfrüht erklärt worden. Der Betriebsrat habe mit dem Schreiben vom 26. November 2012 eine abschließende, das Anhörungsverfahren vorzeitig beendende Stellungnahme abgegeben.
Die Vorinstanzen haben die Klageanträge zu 1. bis 4. abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge in der vorstehend wiedergegebenen Fassung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat nur teilweise Erfolg. Sie ist hinsichtlich der zu 4. erhobenen Klageanträge als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen ist sie begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Dem Klageantrag zu 1. ist unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben. Bezüglich der weiteren Klageanträge ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
A. Die Revision ist hinsichtlich der zu 4. erhobenen Klageanträge mangels einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung unzulässig.
I. Der Revisionskläger muss sein Rechtsmittel in der durch § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bestimmten Frist begründen (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 1 ZPO).
1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO muss die Revisionsbegründung diejenigen Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat die Revisionsbegründung dazu den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts in einer Weise aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Die Revisionsbegründung muss sich deshalb mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinandersetzen. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil aus Sicht des Revisionsklägers rechtsfehlerhaft sein soll. Dadurch soll sichergestellt werden, dass dieser das angefochtene Urteil ua. im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt (zuletzt BAG 9. Dezember 2015 – 7 AZR 117/14 – Rn. 13).
2. Hat das Berufungsgericht über mehrere Streitgegenstände mit jeweils eigenständiger Begründung entschieden, muss die Revision für jeden Streitgegenstand begründet werden. Wird zu einem Streitgegenstand keine Begründung gegeben, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist nur entbehrlich, wenn mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand zugleich dargelegt ist, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 18. Juni 2015 – 2 AZR 480/14 – Rn. 11). Diese Grundsätze gelten auch, wenn das Berufungsgericht über einen Haupt- und einen (echten) Hilfsantrag entschieden hat (BAG 16. April 1997 – 4 AZR 653/95 – zu I der Gründe; 9. April 1991 – 1 AZR 488/90 – zu I der Gründe, BAGE 68, 1). Sofern das Landesarbeitsgericht für die Abweisung des Hilfsantrags eine eigenständige Begründung gegeben hat, muss sich die Revisionsbegründung mit dieser gesondert auseinandersetzen. Dabei ist auszuführen, warum das Berufungsgericht aus Sicht des Klägers (zumindest) dem Hilfsantrag hätte stattgeben müssen.
II. Diesen Erfordernissen wird die Revisionsbegründung in Bezug auf die zu 4. erhobenen Klageanträge nicht gerecht. Das Berufungsgericht hat seine abweisende Entscheidung gegenüber dem „Fortsetzungsverlangen” und dem entsprechenden Zahlungsanspruch darauf gestützt, schon dem Vortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, dass die Beklagte rechtlichen Einfluss auf die Besetzung der außerhalb ihres Unternehmens angesiedelten Stelle habe. Damit hat es die Anträge zu 4. mit einer eigenständigen, von der Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 27. November 2012 unabhängigen Begründung abgewiesen. Mit dieser setzt sich die Revisionsbegründung nicht auseinander.
III. Der Verwerfung der Revision in Bezug auf die Klageanträge zu 4. steht nicht entgegen, dass der Senat nicht abschließend über den Änderungsschutzantrag hinsichtlich der Kündigung vom 26. Februar 2013 entscheiden kann, und damit offen ist, ob die Bedingung eintreten wird, unter der die beiden Hilfsanträge vom Kläger gestellt worden sind. Sollte das Landesarbeitsgericht im fortgesetzten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis kommen, dass auch die zweite Kündigung unwirksam ist, wird es die Entscheidungen über die Klageanträge zu 4., die zwar rechtskräftig geworden, aber gleichwohl auflösend bedingt geblieben sind, zur Klarstellung aufzuheben haben (BGH 11. Juli 1996 – IX ZR 226/94 – zu II 3 b der Gründe; 14. Dezember 1988 – IVa ZR 209/87 – zu IV der Gründe, BGHZ 106, 219; Orfanides JR 1989, 329, 330).
B. Im zulässigen Umfang führt die Revision zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Dem Kündigungsschutzantrag zu 1. ist unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben (§ 563 Abs. 3 ZPO). Bezüglich der verbleibenden Klageanträge ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Der gegen die Kündigung vom 27. November 2012 gerichtete Beendigungsschutzantrag iSv. § 4 Satz 1 KSchG ist begründet. Diese Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Sie wurde vor Ablauf der dem Betriebsrat nach § 102 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 BetrVG eingeräumten Wochenfrist erklärt, ohne dass dieser zuvor eine das Anhörungsverfahren abschließende Stellungnahme abgegeben hätte.
1. Durch das in § 102 BetrVG ausgestaltete Beteiligungsverfahren wird dem Betriebsrat vor dem Kündigungsausspruch eine Einflussnahme auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers eingeräumt (BAG 13. Dezember 2012 – 6 AZR 348/11 – Rn. 76, BAGE 144, 125; 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Die vom Betriebsrat vorgebrachten Einwendungen sollen den Arbeitgeber ggf. dazu veranlassen, von seinem Kündigungsvorhaben Abstand zu nehmen oder es doch in geänderter Form zu verwirklichen, etwa anstatt einer Beendigungs- „nur” eine Änderungskündigung zu erklären oder dem Arbeitnehmer mit einer Änderungskündigung einen geringeren Eingriff in seinen „Besitzstand” anzutragen. Soweit dieser präventive Kündigungsschutz nicht durchgreift, kann der Betriebsrat mit einem Widerspruch die individuelle Rechtsstellung des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess verbessern (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Halbs. 2 KSchG) und diesem unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ermöglichen (BAG 9. November 1977 – 5 AZR 132/76 – zu 3 c der Gründe).
2. Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, muss er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitteilen (§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Innerhalb derselben Frist kann der Betriebsrat der ordentlichen Kündigung aus den in § 102 Abs. 3 BetrVG abschließend aufgezählten Gründen widersprechen. Die Abfassung und Zuleitung der vom Arbeitgeber vor dem Kündigungsausspruch zu berücksichtigenden Stellungnahme obliegt – unabhängig von den im Betriebsrat erörterten Gründen – nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG dem Betriebsratsvorsitzenden (zur Erklärung der Gründe für die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG: BAG 30. September 2014 – 1 ABR 32/13 – Rn. 54, BAGE 149, 182). Eine vor Ablauf der Wochenfrist ausgesprochene Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat muss mit seiner Äußerung allerdings nicht bis zum Fristablauf warten. Er kann bereits vor diesem Zeitpunkt zur mitgeteilten Kündigungsabsicht des Arbeitgebers abschließend Stellung nehmen. Das Beteiligungsverfahren ist mit Eingang einer solchen Äußerung vorzeitig beendet und der Arbeitgeber kann die Kündigung umgehend erklären (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 13).
3. Einer Äußerung des Betriebsrats während des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG kommt indes nur fristverkürzende Wirkung zu, wenn ihr der Arbeitgeber unzweifelhaft entnehmen kann, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt. Erklärt der Betriebsrat dies nicht ausdrücklich, ist der Inhalt seiner Mitteilung durch Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (BAG 12. März 1987 – 2 AZR 176/86 – zu B I 1 d bb der Gründe). Diese muss eindeutig ergeben, dass der Betriebsrat sich bis zum Ablauf der Anhörungsfrist nicht noch einmal – und sei es „nur” zur Ergänzung der Begründung seiner bereits eröffneten Entschließung – äußern möchte (BAG 26. Januar 1995 – 2 AZR 386/94 – zu II 1 b der Gründe). Der Arbeitgeber muss aufgrund der bisherigen Äußerung des Betriebsrats davon ausgehen können, dieser werde unter keinen Umständen mehr tun als bereits geschehen (BAG 24. Juni 2004 – 2 AZR 461/03 – zu B II 2 b bb der Gründe).
4. Für die Annahme einer vorfristig abgegebenen verfahrensbeendenden Äußerung bedarf es besonderer Anhaltspunkte. Dem Betriebsrat steht für die Mitteilung der Gründe, die aus seiner Sicht gegen die Verwirklichung des Kündigungsentschlusses sprechen, die gesamte Anhörungsfrist zur Verfügung. Die Möglichkeit zur Stellungnahme gegenüber dem Arbeitgeber ist dabei nicht auf eine einmalige Äußerung beschränkt. Ebenso wie der Arbeitgeber seine Angaben im Verfahren nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG während der Wochenfrist ergänzen darf, kann auch der Betriebsrat in diesem Zeitraum eine bereits abgegebene Stellungnahme jederzeit erweitern. Hierfür kann insbesondere Anlass bestehen, wenn sich der Kündigungssachverhalt oder dessen rechtliche Bewertung aus Sicht des Betriebsrats im Verlauf der Wochenfrist verändern. Dieser ist auch nicht gehalten, sich die Ergänzung einer bereits übermittelten Stellungnahme ausdrücklich vorzubehalten.
5. Besondere Anhaltspunkte für eine abschließende Stellungnahme liegen regelmäßig vor, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber mitteilt, er stimme der beabsichtigten Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zu oder erklärt, von einer Äußerung zur Kündigungsabsicht abzusehen. In anderen Fällen wird der Arbeitgeber nur von einer abschließenden Stellungnahme ausgehen können, wenn aus seiner Sicht eine weitere Äußerung des Betriebsrats zur Kündigungsabsicht ausgeschlossen ist. Dazu ist es nicht ausreichend, dass der Betriebsratsvorsitzende dem Arbeitgeber das Ergebnis der Beschlussfassung des Gremiums mitgeteilt hat. Dies schließt für sich allein genommen eine erneute Beschlussfassung des Betriebsrats oder eine Ergänzung der mitgeteilten Beschlussgründe durch den Vorsitzenden nicht aus.
6. Fehlt es an sicheren Anhaltspunkten dafür, dass sich der Betriebsrat in keinem Fall mehr zur Kündigungsabsicht äußern wird, muss der Arbeitgeber, sofern er die Kündigung vor Ablauf der Wochenfrist erklären will, beim Betriebsratsvorsitzenden nachfragen und um entsprechende Klarstellung bitten. Auf dessen Erklärung darf er sich verlassen. Soweit der Senat es in früheren Entscheidungen für das Vorliegen einer abschließenden Stellungnahme als maßgeblich angesehen hat, ob der Arbeitgeber annehmen durfte, der Betriebsrat wünsche keine weitere „Erörterung” des Falls (so zuletzt BAG 24. Juni 2004 – 2 AZR 461/03 – zu B II 2 b bb der Gründe), hält er aus den vorgenannten Gründen hieran nicht mehr fest. Zudem kann der Betriebsrat eine „Erörterung” mit dem Arbeitgeber über den beabsichtigten Kündigungsausspruch nicht verlangen. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG muss er lediglich angehört werden. Ein Anhörungsrecht verpflichtet den Arbeitgeber regelmäßig nicht zu einer argumentativen Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat oder dessen Vorsitzenden über die beabsichtigte Maßnahme.
7. Danach ist die Kündigung vom 27. November 2012 vor Ablauf der Wochenfrist ausgesprochen worden.
a) Die Beklagte hat das Anhörungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat am 20. November 2012 eingeleitet. Die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 BetrVG endete nach § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des Tages der nächsten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem der Betriebsrat die Arbeitgebermitteilung erhalten hat (BAG 8. April 2003 – 2 AZR 515/02 – zu II 1 b aa der Gründe, BAGE 106, 14; 12. Dezember 1996 – 2 AZR 803/95 – zu II 1 b der Gründe). Das Kündigungsschreiben ist dem Kläger bereits im Verlauf des 27. November 2012 und damit vor dem Ende der an diesem Tag erst um 24:00 Uhr ablaufenden Wochenfrist übergeben worden.
b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts war das Anhörungsverfahren zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs noch nicht beendet. Die Beklagte konnte das von der Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnete Schreiben vom 26. November 2012 nicht als eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats ansehen.
aa) Die Beurteilung, ob eine bestimmte Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden als abschließende Stellungnahme des Betriebsrats anzusehen ist, obliegt wie die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen vorrangig den Tatsachengerichten. Die Nachprüfung des Revisionsgerichts beschränkt sich darauf, ob die für die Auslegung geltenden Rechtsvorschriften richtig angewandt worden sind, dabei nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen und der Tatsachenstoff vollständig verwertet wurde (BAG 12. Dezember 1996 – 2 AZR 803/95 – zu II 1 e der Gründe). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil nicht stand.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat unter teilweiser Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil ausgeführt, der Betriebsrat habe im Schreiben vom 26. November 2012 eine abschließende Stellungnahme abgegeben, weil er der Beklagten seinen Beschluss, der Kündigung zu widersprechen mitgeteilt und diese Entscheidung insbesondere damit begründet habe, dass die „Abschmelzung des Gehaltes” für den Kläger nicht zumutbar sei. Die Bitte um weitere Informationen, um dessen Gehaltseinbußen „abschließend” abwägen zu können, habe erkennbar mit einer endgültigen Entscheidung des Gremiums über den Widerspruch nichts zu tun gehabt, zumal nicht nachvollziehbar sei, welche Relevanz die Höhe des bisherigen Bruttojahresgrundgehalts insofern hätte haben sollen.
cc) Damit hat das Landesarbeitsgericht keine besonderen Umstände festgestellt, aufgrund derer die Beklagte hätte ausschließen können, der Betriebsrat werde sich ergänzend äußern. Entsprechende Anhaltspunkte sind auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr konnte die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon wegen der vom Betriebsrat erbetenen Informationen nicht sicher annehmen, dass es bei den bisher mitgeteilten Einwendungen gegen den beabsichtigten Kündigungsausspruch verbleiben würde. Entgegen ihrer im Revisionsverfahren geäußerten Ansicht war auch eine Ergänzung der Stellungnahme des Betriebsrats nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich dieser innerhalb der am 27. November 2012 ablaufenden Wochenfrist mit den zusätzlichen Informationen nicht mehr hätte befassen können. Die erbetene Auskunft dürfte so schnell zu erteilen gewesen sein, dass der Beklagten eine fristgerechte Reaktion des Betriebsrats keineswegs als ausgeschlossen erscheinen musste. Daneben oblag die Entscheidung über eine mögliche Ergänzung der bereits übermittelten Stellungnahme und deren Abfassung der Betriebsratsvorsitzenden. Das Gremium musste dazu nicht noch einmal zusammentreten.
8. Nach alledem bedarf es keiner Entscheidung, ob die Angabe des bisherigen Bruttojahresgrundgehalts nicht ohnehin zu den nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG von der Beklagten mitzuteilenden Gründen für die beabsichtigte Änderungskündigung gehört hätte. Hierfür spricht, dass der Betriebsrat die volle Tragweite der Kündigung und die mit ihr für den Kläger verbundenen finanziellen Nachteile nur dann vollständig beurteilen konnte, wenn er – der Betriebsrat – hätte erkennen können, in welchem Bereich des bisher maßgeblichen Gehaltsbands (Grade XS 7) das bisherige Bruttojahresgrundgehalt lag und ob der Kläger in dem neuen Gehaltsband (Grade 39) wieder entsprechend eingeordnet werden sollte.
II. Über die weiteren Klageanträge kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
1. Das gilt zunächst für den auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichteten Antrag zu 2. Dieser ist in seiner derzeitigen Fassung nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Vortrag des Klägers lässt nicht erkennen, auf welchen Beurteilungszeitraum sich das von ihm begehrte Zwischenzeugnis erstrecken soll. Insofern sind mehrere Endzeitpunkte denkbar, deren Auswahl nicht dem Gericht überlassen bleiben darf.
2. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr erstmals über die Begründetheit des zu 3. gestellten Änderungsschutzantrags iSv. § 4 Satz 2 KSchG hinsichtlich der Kündigung vom 26. Februar 2013 zu entscheiden haben. Diese dürfte sich aus den in der angefochtenen Entscheidung zur Kündigung vom 27. November 2012 gegebenen Erwägungen weder als sozialwidrig (§ 1 Abs. 2, § 2 Satz 1 KSchG) noch als treuwidrig (§ 242 BGB) noch als nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam erweisen. Da sich – auch unter Berücksichtigung der Revisionsbegründung – insoweit Rechtsfehler in den die Entscheidung tragenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht aufdrängen, beschränkt sich der Senat für das weitere Verfahren auf folgende Hinweise:
a) Das Landesarbeitsgericht wird nicht dem Einwand nachgehen müssen, dem Kläger sei es nicht möglich gewesen, „die konkrete AIP-Höhe” zu ermitteln. Ein Änderungsangebot iSv. § 2 KSchG ist hinreichend bestimmbar, wenn der Arbeitnehmer dem Kündigungsschreiben zweifelsfrei entnehmen kann, welche Vertragsbedingungen künftig gelten (BAG 17. Februar 2016 – 2 AZR 613/14 – Rn. 18). Dazu kann die Bezeichnung der Parameter gehören, die fortan – ggf. in einem bestimmten Verhältnis zueinander – die Höhe seiner Vergütung determinieren sollen. Hingegen ist es nicht erforderlich – oder regelmäßig auch nur möglich – den Wert bzw. den Grad der Erreichung der maßgeblichen Kennzahlen mitzuteilen oder gar die genaue Höhe einer variablen Vergütung „vorzurechnen”.
b) Die Kündigung vom 26. Februar 2013 dürfte auch nicht deshalb unwirksam sein, weil sie auf eine Vertragsänderung vor Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist „abgezielt” hätte (zu einer solcher Konstellation: BAG 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 – Rn. 21 ff., BAGE 119, 332) oder sie für den Fall, dass sie dem Kläger erst am 1. März 2013 zugegangen sein sollte, nicht als eine Kündigung zum 31. Oktober 2013 ausgelegt oder doch in eine solche umgedeutet werden könnte. Die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob sich der Kläger den Zugang der Kündigungserklärung bei seinen Prozessbevollmächtigten am 26. Februar 2013 zurechnen lassen muss, ist allein für die Bestimmung des möglichen „Änderungszeitpunkts” von Bedeutung.
3. Sollte das Landesarbeitsgericht dem verbleibenden Änderungsschutzantrag stattgeben, unterläge sein Entscheidungsausspruch zu den Klageanträgen zu 4. der Aufhebung (siehe Rn. 19). Der auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen gerichtete Klageantrag zu 5. wäre dann als unbegründet abzuweisen, weil der Kläger das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt nach § 2 Satz 1 KSchG angenommen hat (BAG 22. Oktober 2015 – 2 AZR 124/14 – Rn. 33), während der Klageantrag zu 6. erneut nicht zur Entscheidung anfiele.
Unterschriften
Koch, Rachor, Niemann, Grimberg, Sieg
Fundstellen
Haufe-Index 9700961 |
BAGE 2017, 181 |
BB 2016, 2227 |
DB 2016, 2424 |
DB 2016, 7 |