Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung – Trennungsentschädigung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
Normenkette
BGB §§ 611, 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 24. Mai 2000 – 4 Sa 103/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Trennungsentschädigung.
Die Beklagte ist die Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Transportunternehmens, die ua. auch eine Niederlassung in Hamburg betreibt. Der Kläger ist seit dem 1. Dezember 1966 bei der Beklagten beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen. Die Vertreter der Beklagten, die mit dem Kläger das Einstellungsgespräch führten, sind verstorben. Seit Juli 1990 bekleidete der Kläger die Funktion eines „Country-Managers” für Deutschland. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 13.511,00 DM. Seit dem 1. Oktober 1997 ist der Kläger im Ruhestand und bezieht eine Betriebsrente nach Maßgabe des Pensionsplans der Beklagten.
In einem am 16. August 1961 abgefaßten Schreiben des Leiters der Finanzabteilung der US-amerikanischen Muttergesellschaft der Beklagten an die Personalverwaltung des Büros Hamburg heißt es (in der Übersetzung einer allgemein beeidigten Dolmetscherin):
„Sehr geehrte Herren,
in den Vereinigten Staaten zahlen wir eine Trennungsentschädigung an Beschäftigte nach einem Arbeitsverhältnis von fünf Jahren oder darüber, die das Büro nach ordnungsgemäß zugestellter Kündigung und einwandfreier Berufszeit verlassen, gemäß dem nachfolgenden tabellarischen Zeitplan:
|
Monatsentschädigung |
Arbeitsverhältnis unter fünf Jahren |
–0– |
Fünf Jahre und darüber, aber unter zehn Jahren |
–1– |
Zehn Jahre und darüber, aber unter fünfzehn Jahren |
–2– |
Fünfzehn Jahre und darüber, aber unter zwanzig |
–3– |
Zwanzig Jahre und darüber |
–4– |
Sofern Ortsrecht (US-Kommunalrecht) nicht sonstige zwingende Bestimmungen zur Trennungsentschädigung fordert, haben wir keinen Einwand, daß Sie in Deutschland gleichartige Trennungsentschädigungen gewähren. …”
In den Jahren von 1966 bis 1992 erhielten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten in Deutschland jedenfalls bei einem altersbedingten Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Sonderzahlung in der Form der dargestellten Trennungsentschädigung (engl.: severance allowance). Im Jahre 1992 schieden drei weitere Mitarbeiter aus. Im Rahmen eines Schriftwechsels über die Frage, ob diese Trennungsgelder erhalten sollen, schrieb der Präsident der Londoner Niederlassung der Beklagten dem Kläger am 27. März 1992 unter anderem folgendes (Auszug aus der deutschen Übersetzung):
„(…) Wie ich früher mitteilte, war das offizielle Programm für Trennungsgelder ursprünglich nur für amerikanische Mitarbeiter. Jedoch, während der siebziger Jahre, als ABS sich finanziellen Erfolges erfreute, wurde das Trennungsgeldprogramm manchmal angewendet, nach billigem Ermessen des Landes-Managers, in einigen Ländern, es wurde aber nie als offizielle Firmenrichtlinie anerkannt.
Im Jahre 1990 wurden Trennungsgelder für alle amerikanischen Mitarbeiter abgeschafft, und diese wurden entsprechend schriftlich benachrichtigt. Da es keine offizielle Firmenrichtlinie für die Niederlassungen in Übersee gab, hielt man ein Schreiben nicht für erforderlich, und alle Länder-Manager wurden in mündlicher Form über den Fortfall der Trennungsgelder verständigt.
Da Sie im Jahre 1990 nicht Länder-Manager für Deutschland waren, können wir verstehen, warum Sie von dem Fortfall der Trennungsgelder keine Kenntnis hatten. Auf dieser Grundlage und angesichts der Tatsache, daß Sie gewillt sind, mit maximal 6 % Lohn/Gehalts-Erhöhung im Juli zu arbeiten, genehmige ich hiermit die Trennungsgelder für die Herren B, R und Z, bei deren Ausscheiden im Jahre 1992.
Zu Ihrer Information, wir haben hier gegenwärtig einen außerbetrieblichen Berater, der unsere Bündel von zusätzlichen sozialen Vergünstigungen nachprüft, einschließlich der Zahlung von Trennungsgeldern. Bitte, seien Sie versichert, daß wir jedwede mögliche Gegenleistung in Geld geben werden, weil wir sehr wohl wissen, welch treue und engagierte Mitarbeiter wir in Deutschland haben.”
Nach 1992 schieden neun weitere Mitarbeiter altersbedingt, eine Mitarbeiterin aus anderen Gründen aus. Von diesen erhielt der am 30. Juni 1994 ausgeschiedene Mitarbeiter Herr K, der zuletzt in London arbeitete, einen Betrag, der vier Bruttomonatsgehältern entsprach. Die Zahlung erfolgte nach dem Inhalt eines Schreibens vom 22. September 1994 zur Abgeltung von 111 Urlaubstagen, wobei die Beklagte 36.000,00 DM steuerfrei und den Rest unter Abzug des halben Steuersatzes auszahlte. Vier Mitarbeiter machten eine Trennungsentschädigung geltend und klagten diese vor dem Arbeitsgericht ein. Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines dieser Mitarbeiter schrieb der Kläger am 12. Dezember 1996 an die Personalabteilung in London unter anderem folgendes:
„…
anliegend erhalten Sie das Schreiben von Herrn Ba vom 4. Dezember 1996, welches die obige Angelegenheit betrifft und für sich selbst spricht.
Bitte beachten Sie, daß alle Beschäftigten, die in Rente gegangen sind, hier in Deutschland, bis zu diesem Datum eine Trennungsentschädigung erhalten haben.
Bitte, nehmen Sie weiter zur Kenntnis, daß, weil diese Zahlung während vieler Jahre geleistet wurde, diese gemäß dem deutschen Arbeitsrecht eine „Betriebliche Übung” ist, was gleichbedeutend ist mit einem „Common Law Status” (Anmerkung d. Übers.: Common Law, das strenge englische allgemeine Recht, vom Billigkeitsrecht unterschieden). Eine Gesellschaft hat nachzuweisen, daß sie entweder im Konkurs befindlich ist oder sich in einer miserablen finanziellen Situation befindet, um Zahlung zu verweigern.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Sache allgemein aufklären könnten, da es kritisch werden wird, wenn andere im Jahre 1997 in Deutschland pensioniert werden.
…”
Mit Schreiben vom 21. März 1997 schrieb die Beklagte im Zusammenhang mit dem Begehren des Mitarbeiters Ba auf Zahlung einer Trennungsentschädigung unter anderem folgendes:
„…
In dem besonderen Einzelfall von Herrn Ba, wegen seiner Arbeitsbehinderung, hat dieser – obwohl Trennungszuwendungen fortgefallen sind – eine erhöhte Pension erhalten, indem er so gestellt wurde, wie ein ….
Hinsichtlich dessen, was Sie anderen Mitarbeitern, die in den Ruhestand treten, sagen sollten, so gehen wir davon aus, daß Sie Ihnen im Jahre 1992 sagten, daß Trennungsgeld entfallen war, gemäß dem Schreiben von Herrn S vom 26. März 1992 an Sie. Die Zahlungen von Trennungsgeldern sind eingestellt worden und bleiben eingestellt. …
Zusammenfassend, das Trennungsgeldprogramm für Pensionäre wurde abgeschafft und alle Beschäftigten sollten benachrichtigt werden.”
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe eine Trennungsentschädigung von vier Monatsgehältern zu. Er hat behauptet, ihm sei bei seiner Einstellung zugesagt worden, er werde die Entschädigung gemäß dem Schreiben aus dem Jahre 1961 erhalten. Sämtlichen in den 60er Jahren eingestellten Mitarbeitern sei dieselbe Zusage gemacht worden. Auch wenn seine Gesprächspartner verstorben seien, seien die von ihm benannten anderen Mitarbeiter als Zeugen dazu zu vernehmen, woraus dann auch auf eine entsprechende Zusage ihm gegenüber zu schließen sei. Sein Anspruch beruhe auch auf dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe eine betriebliche Übung durch die geleisteten Zahlungen ohne Prüfung des Einzelfalls und unabhängig von der jeweiligen Position der betreffenden Arbeitnehmer begründet. Auch Einmalleistungen könnten Gegenstand einer betrieblichen Übung sein. Von dieser betrieblichen Übung habe die Beklagte sich nicht gelöst. Von einer etwaigen „negativen” Übung seit 1992 sei der Kläger ohnehin nicht unmittelbar und sogleich betroffen gewesen. Er habe auch nicht konkludent durch Schweigen auf bereits entstandene Ansprüche verzichtet. Soweit er anderen Mitarbeitern in seiner Funktion als Country-Manager über den Wegfall der Trennungsentschädigung berichtet habe, sei nicht sein eigener Anspruch betroffen gewesen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 54.044,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Oktober 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie meint, der Kläger sei hinsichtlich einer mündlichen Zusage für die Trennungsentschädigung beweisfällig geblieben. Einen Anspruch aus betrieblicher Übung habe er nicht substantiiert vorgetragen, da er nicht behauptet habe, daß entsprechende Zahlungen auch an „Country-Manager” erfolgt seien. Eine betriebliche Übung könne bei Einmalleistungen nicht entstehen. Auf Grund der im Schreiben vom 16. August 1961 erforderlichen Ermessensentscheidung habe kein Vertrauen bei den Arbeitnehmern erweckt werden können. Jedenfalls sei eine etwa bestehende betriebliche Übung durch eine konkludente Vertragsänderung aufgehoben worden. Mit den Schreiben vom 27. März 1992 und vom 21. März 1997 habe die Beklagte klar und unmißverständlich ausgedrückt, daß generell keine Trennungsentschädigung, also auch nicht an den Kläger, mehr gezahlt werde. Dem habe auch ihr Verhalten seit 1992 entsprochen, das der Kläger gekannt habe. Die Beklagte habe nach Treu und Glauben davon ausgehen dürfen, daß der Kläger das Änderungsangebot der geänderten betrieblichen Übung stillschweigend angenommen habe, indem er diesem nicht nur nicht widersprochen, sondern als „Country-Manager” für die Durchsetzung gegenüber anderen Mitarbeitern Sorge getragen habe. Für eine gegenläufige betriebliche Übung, die die bisherige außer Kraft setze, genüge ein entsprechendes Verhalten des Arbeitgebers über einen längeren Zeitraum, dem der Arbeitnehmer nicht widerspreche. Auf eine unmittelbare und sofortige Betroffenheit des Mitarbeiters komme es nicht an.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterhin, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Trennungsentschädigung aus betrieblicher Übung. Der daraus entstandene vertragliche Anspruch ist weder ausdrücklich noch konkludent aufgehoben worden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch aus einer ausdrücklichen Zusage verneint, da der Kläger diesbezüglich beweisfällig geblieben sei. Die unmittelbaren Zeugen seien verstorben. Etwaige Zusagen anderen Mitarbeitern gegenüber könnten keine hinreichende Indizwirkung zugunsten des Klägers entfalten. Der Anspruch sei aber aus einer betrieblichen Übung der Beklagten begründet. In der Zeit von 1966 bis 1992 habe die Beklagte ohne Vorbehalte an sämtliche Mitarbeiter in Deutschland eine Trennungsentschädigung nach Maßgabe des Schreibens vom 16. August 1961 gezahlt. Auch solche Einmalleistungen aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses könnten Gegenstand einer betrieblichen Übung sein. Die wiederholte und vorbehaltlose Praxis sei auch Neueintretenden alsbald allgemein bekannt geworden und habe daher als Angebot verstanden werden dürfen, das auch der Kläger gemäß § 151 BGB habe annehmen können. Eine später geänderte Übung sei nicht entstanden. Das Schreiben der Beklagten vom 27. März 1992 sei nicht eindeutig. Im Rahmen der Übertragung der Tätigkeit als „Country-Manager” seien vertraglich bestehende Ansprüche nicht geändert worden. Soweit das Schreiben vom 21. März 1997 eine geänderte Praxis bekannt mache, sei der Kläger nicht anschließend drei Jahre beschäftigt gewesen, so daß sein Verhalten nicht als Annahme gewertet werden könne. Er sei nicht unmittelbar und sogleich von der negativen Übung betroffen gewesen. Daher habe die Beklagte nicht schutzwürdig darauf vertrauen dürfen, der Kläger werde widersprechen, wenn er mit der Beseitigung auch seines Anspruchs nicht einverstanden wäre.
II. Der Senat folgt dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis und überwiegend in der Begründung.
1.a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht eine schriftlich oder ausdrücklich mündlich getroffene Vereinbarung über den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Trennungsentschädigung verneint. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Das Schreiben vom 16. August 1961 hat dem Kläger keine einklagbare Rechtsposition verschafft, da es allein eine interne Handlungsanweisung an den Personalverantwortlichen in Deutschland darstellte, im Einzelfall eine Trennungsentschädigung auch an die dort beschäftigten Mitarbeiter zu zahlen, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Die mit diesem Ergebnis vorgenommene Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nur beschränkt zu überprüfen und begegnet keinen Beanstandungen(BAG 25. November 1998 – 10 AZR 595/97 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 212 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 152).
b) Für eine mündliche Zusage ist der Kläger beweisfällig geblieben, da seine Gesprächspartner verstorben sind. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht eine Beweiserhebung durch Vernehmung der benannten übrigen Kollegen abgelehnt, da es die Richtigkeit der entsprechenden Behauptung unterstellt hat, jedoch eine Indizwirkung für eine Zusage gegenüber dem Kläger verneint hat. Diesbezüglich hat der Kläger keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben. Er hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen ein Erfahrungssatz ermittelt werden könnte, Zusagen anderen Mitarbeitern gegenüber würden „logisch” und „zwangsläufig” dazu führen, daß eine entsprechende Zusage auch ihm gegenüber gemacht worden sei.
2. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Recht einen Anspruch auf Zahlung der Trennungsentschädigung auf eine betriebliche Übung gestützt, die zum Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden ist.
a) Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers wird konkludent auf eine Willenserklärung geschlossen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr schon dann ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung auf Grund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muß deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften(BAG 4. Mai 1999 – 10 AZR 290/98 – BAGE 91, 283; 26. März 1997 – 10 AZR 612/96 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 50 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 38 mwN). Danach ist der objektiv erkennbar erklärte Wille maßgebend, etwaige innere Vorbehalte des Arbeitgebers sind unerheblich. Will ein Arbeitgeber die Zahlung einer Vergünstigung von einer Entscheidung im jeweiligen Einzelfall abhängig machen, muß er dies nach außen hin erkennbar zum Ausdruck bringen. Eine vorhandene betriebliche Übung begründet eine vertragliche Anspruchsgrundlage und mit Eintritt der weiteren Anspruchsvoraussetzungen die Entstehung des Anspruchs auch für neu eingetretene Arbeitnehmer(BAG 18. Juli 1968 – 5 AZR 400/67 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 8 = EzA BGB § 242 Nr. 19; 5. Februar 1971 – 3 AZR 28/70 – BAGE 23, 213). Eine Bindung des Arbeitgebers durch betriebliche Übung kann auch bezüglich Einmalleistungen entstehen. Dies gilt insbesondere für Gratifikationen im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Versorgungszusagen. Hier treten die an die Zahlung der Vergünstigung geknüpften Bedingungen erst ein, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Entspricht es der bisherigen Praxis des Arbeitgebers, ausscheidenden Arbeitnehmern eine besondere Zahlung zukommen zu lassen, so wird mit dem Bekanntwerden der auf einem generalisierenden Prinzip beruhenden Einzelleistungen in Verbindung mit dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes ein zurechenbarer objektiver Bindungswille des Arbeitgebers deutlich(BAG 18. Juli 1968 – 5 AZR 400/67 – aaO; Seiter Die Betriebsübung S 80 f., 134; MünchArbR/Richardi 2. Auflage § 13 Rn. 22).
b) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht unter Anwendung dieser Grundsätze das Ergebnis gewonnen, daß der Anspruch auf Zahlung einer Trennungsentschädigung Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien geworden ist. Das Landesarbeitsgericht ist anhand der von ihm festgestellten Umstände des Einzelfalls (§ 561 Abs. 2 ZPO) zu einem zutreffenden Auslegungsergebnis gelangt.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Beklagte von 1966 bis jedenfalls 1992 allen Mitarbeitern in Deutschland, die altersbedingt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, eine Sonderzahlung entsprechend den Maßgaben des Schreibens vom 16. August 1961 gezahlt hat. Diese Tatsachenfeststellungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat sie aus den Darlegungen des Klägers im Zusammenhang mit den prozessualen Einlassungen der Beklagten getroffen. Ein etwa bestehender interner Ermessensvorbehalt ist danach jedenfalls nicht nach außen zum Ausdruck gekommen. Die Beklagte muß sich unabhängig von einem tatsächlich bestehenden Verpflichtungswillen aus ihrer betrieblichen Übung den objektiven Erklärungswert zurechnen lassen. Eine Mitteilung über die erfolgten Zahlungen an andere Arbeitnehmer gegenüber den übrigen Arbeitnehmern ist ebensowenig erforderlich wie eine allgemeine Veröffentlichung im Betrieb. Das Landesarbeitsgericht ist beanstandungsfrei von dem allgemeinen Erfahrungssatz ausgegangen, daß derartige begünstigende Leistungen allgemein, auch nachträglich in den Betrieb eintretenden Mitarbeitern, bekannt werden. Dieses Vertragsangebot der Beklagten konnte der Kläger gem. § 151 BGB annehmen. Es wurde damit Inhalt des Arbeitsvertrags.
bb) Das Landesarbeitsgericht hatte keine Veranlassung, Feststellungen dahingehend zu treffen, ob an andere „Country-Manager” eine Trennungsentschädigung gezahlt worden ist. Eine lückenhafte Tatsachenfeststellung liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr festgestellt, daß die Beklagte ausnahmslos an alle von 1966 bis 1992 altersbedingt ausgeschiedenen Mitarbeiter eine Trennungsentschädigung gezahlt hat. Eine Differenzierung nach bestimmten Mitarbeitergruppen, konkreten Beschäftigungsorten oder dem jeweiligen Status und der Vergütung der Begünstigten ist der festgestellten Zahlungspraxis über einen Zeitraum ca. 26 Jahren nicht zu entnehmen. Ebensowenig ist festgestellt worden, daß in jedem Einzelfall eine Ermessensentscheidung getroffen worden wäre. Aus objektiver Sicht der Arbeitnehmer wurden die Zahlungen vorbehaltlos an alle betroffenen altersbedingt ausgeschiedenen Mitarbeiter gewährt. Somit konnte auch der Kläger davon ausgehen, daß er als „Country-Manager” eine entsprechende Leistung erhalten werde.
3. Diese vertragliche Anspruchsgrundlage ist weder einzelvertraglich, noch durch eine negative betriebliche Übung aufgehoben oder abgeändert worden.
a) Eine rechtsgeschäftliche Änderung der einseitig nicht zu beseitigenden vertraglichen Bindung ist nicht erfolgt. Eine Änderungskündigung wurde nicht erklärt. Ausdrücklich haben die Parteien keine Vereinbarung über die Aufhebung des entstandenen Anspruchs auf Trennungsentschädigung getroffen.
b) Mit der Übertragung der Tätigkeiten eines „Country-Managers” war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Veränderung des Anspruchs verbunden.
c) Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen auf eine Trennungsentschädigung von vier Monatsgehältern nach 20 Jahren Beschäftigung bereits ein Recht erworben hatte, das nicht mehr, durch eine gegenläufige betriebliche Übung beseitigt werden konnte bzw. durch welche Umstände und nach welchem Zeitablauf eine betriebliche Übung bezüglich Einmalzahlungen überhaupt durch eine „negative betriebliche Übung” beseitigt werden kann.
Im vorliegenden Fall konnte die Beklagte nämlich auch bei Anwendung der Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts zur negativen betrieblichen Übung bei wiederholten Zahlungen nicht vom Wegfall des Anspruches des Klägers ausgehen. Die Beklagte hat nämlich keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine Übereinkunft der Parteien über den Wegfall der Leistung geschlossen werden kann.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Anspruch aus betrieblicher Übung bei wiederholten Leistungen auch durch eine geänderte betriebliche Übung aufgehoben werden(BAG 4. Mai 1999 – 10 AZR 290/98 – aaO; 26. März 1997 – 10 AZR 612/96 – aaO; 14. August 1996 – 10 AZR 69/96 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 47 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 144; 18. Juli 1968 – 5 AZR 400/67 – aaO). Mit einer gegenläufigen betrieblichen Übung über einen längeren Zeitraum hinweg kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein verschlechterndes Änderungsangebot unterbreiten, das allerdings von diesem angenommen werden muß. Von einer Annahmeerklärung kann der Arbeitgeber jedoch nicht nur dann ausgehen, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich sein Einverständnis erklärte, sondern auch, wenn er nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte das Schweigen des Arbeitnehmers als Zustimmung zu der geänderten betrieblichen Übung ansehen darf. Das ist dann anzunehmen, wenn er davon ausgehen darf, der Arbeitnehmer werde der Änderung widersprechen, wenn er mit dieser nicht einverstanden sei. Ebenso wie bei der Begründung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung kommt es nicht auf einen tatsächlich vorhandenen Verpflichtungswillen an, soweit ein entsprechender Rechtsbindungswille des Arbeitnehmers jedenfalls aus objektiver Sicht des Erklärungsempfängers erkennbar ist.
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß aus dem Verhalten der Beklagten seit 1992 bis zu dem Schreiben vom 21. März 1997 kein eindeutiges Angebot auf Aufhebung des Anspruchs auf die Trennungsentschädigung zu entnehmen ist.
(1) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht das Schreiben vom 27. März 1992 nicht als ein solches eindeutiges Angebot ausgelegt. Zwar ist hierin davon die Rede, alle Ländermanager seien in mündlicher Form über den Fortfall der Trennungsgelder verständigt worden, gleichzeitig ist jedoch die Zahlung von Trennungsgeldern an drei im Jahr 1992 ausgeschiedene Mitarbeiter bewilligt worden. Weiterhin wurde der Kläger darüber informiert, daß ein außerbetrieblicher Berater ua. die weitere Zahlung von Trennungsgeldern überprüfe und dem Kläger wurde versichert, daß „jedwede mögliche Gegenleistung in Geld” gegeben werden solle, weil die Beklagte wisse, welch treue und engagierte Mitarbeiter sie in Deutschland habe. Damit ist gerade kein eindeutiger Wegfall der Trennungsgelder für die Zukunft ausgedrückt worden.
(2) Ein eindeutiges Angebot ist auch dem späteren Verhalten der Beklagten in den Jahren 1992 bis 1997 nicht zu entnehmen. Den in dieser Zeit ausgeschiedenen Mitarbeitern wurde zwar kein als solches bezeichnetes Trennungsgeld bezahlt, jedoch begründet zumindest das Verhalten gegenüber dem ausgeschiedenen Mitarbeiter K Zweifel daran, daß die Beklagte sich wirklich eindeutig von ihrer Praxis lösen wollte, Trennungsentschädigungen nach den Grundsätzen zu zahlen, wie sie im Jahre 1961 niedergelegt worden waren. Auch wenn die an diesen Mitarbeiter geflossenen Beträge als Urlaubsabgeltung bezeichnet wurden, entsprachen sie der Höhe nach genau den vier Monatsgehältern, die dem Mitarbeiter bei Anwendung der Trennungsentschädigungsregelung zugestanden hätten und wurden steuerlich als Abfindung behandelt. Dies entspricht nicht der steuerlichen Behandlung einer als Bruttobetrag geschuldeten Urlaubsabgeltung.
cc) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht aber davon ausgegangen, daß im Schreiben vom 21. März 1997 eindeutig der Wille der Beklagten bekundet wurde, keine Trennungsentschädigungen mehr zahlen zu wollen. Die Beklagte konnte aber aus dem Schweigen des Klägers hierauf nicht auf dessen Zustimmung schließen.
Grundsätzlich gilt gem. § 147 BGB ein Schweigen eines Erklärungsempfängers nicht als Annahme eines Angebots, vor allem dann, wenn ein Angebot auf eine nachteilige Veränderung der Vertragssituation gerichtet ist. Nur unter besonderen Umständen kann ausnahmsweise ein Schweigen als Annahme zu werten sein, nämlich dann, wenn der Erklärende nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Besonderheiten des Einzelfalls annehmen darf, der andere Vertragsteil werde der angebotenen Vertragsänderung widersprechen, wenn er ihr nicht zustimmen wolle(BAG 14. August 1996 – 10 AZR 69/96 – aaO).
Die Beklagte konnte schon deshalb nicht von einer Zustimmung des Klägers ausgehen, weil dieser sich wenige Monate zuvor in seinem Schreiben vom 12. Dezember 1996 eindeutig geäußert hatte. Er hat der Beklagten seine Ansicht mitgeteilt, daß jedenfalls bis zum Dezember 1996 der betrieblichen Übung folgend alle ausgeschiedenen Mitarbeiter eine Trennungsentschädigung erhalten hätten und damit ein auch nach englischem Recht verbindlicher Anspruch entstanden sei, von dem die Beklagte sich nicht ohne weiteres lösen könne. Die Beklagte konnte dieses Schreiben nicht nur darauf beziehen, daß der Kläger diese Ansicht in seiner Funktion als Country-Manager bezüglich des Anspruchs des Herrn Ba vertrat, sondern mußte aus dem Schreiben den Schluß ziehen, daß er den Anspruch auf Trennungsentschädigung aus betrieblicher Übung auch für die Zukunft und auch ihn selbst betreffend für fortbestehend hielt. Der Kläger hat nämlich darauf hingewiesen, daß im Jahre 1997 in Deutschland Mitarbeiter pensioniert werden würden. Dazu gehörte auch er selbst. Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte annehmen durfte, der Kläger habe seinen Willen nach dem Schreiben vom 21. März 1997 geändert, hat sie nicht vorgetragen. Er schied vielmehr ein halbes Jahr später aus und klagte sodann seinen Anspruch ein.
III. Die Kosten der erfolglosen Revision hat die Beklagte zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag zugleich für den in den Ruhestand getretenen Richter Prof. Dr. Jobs , Marquardt, Staedtler, Schlaefke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.06.2001 durch Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 637669 |
ARST 2002, 5 |
NZA 2002, 54 |
SAE 2002, 116 |
ZAP 2001, 1510 |
EzA |
NJOZ 2002, 99 |