Entscheidungsstichwort (Thema)
Anpassung laufender Betriebsrente durch Tarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
- Verweise in Formulararbeitsverträgen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen sind im Regelfall dynamisch auszulegen. Sie verweisen dann – soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen – auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen.
- Soweit danach auf Tarifverträge verwiesen wird, ist auch dies rechtlich unbedenklich. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese geeignet sind, für die Belegschaft eine repräsentative Regelung herbeizuführen.
- Nach § 70 LPVG NW und nach § 72 Abs. 4 Eingangssatz LPVG NW gilt der Vorrang des Tarifvertrages vor Dienstvereinbarungen. In sich abschließende tarifliche Regelungen über die betriebliche Altersversorgung verdrängen Dienstvereinbarungen, die den gleichen Regelungsgegenstand haben.
- Tarifverträge, die in laufende Betriebsrenten eingreifen, sind an die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden.
Orientierungssatz
- Der Arbeitgeber will betriebliche Altersversorgung im Regelfall innerhalb eines Systems erbringen. Mangels gegenteiligen Anhaltspunktes im Einzelfall sind deshalb Vereinbarungen, wonach die beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen über die betriebliche Altersversorgung anzuwenden sind, “dynamisch” auszulegen. Sie nehmen die jeweils geltenden Regelungen in Bezug. Dazu gehören auch Tarifverträge, jedenfalls dann, wenn sie geeignet sind, für die Belegschaft eine repräsentative Regelung herbeizuführen.
- Nach dem LPVG NW gilt der Grundsatz des Tarifvorrangs. Beim Arbeitgeber geltende tarifvertragliche Regelungen verdrängen deshalb im Bereich der betrieblichen Altersversorgung, jedenfalls wenn der Durchführungsweg der Direktzusage gewählt wird, entgegenstehende Dienstvereinbarungen. Das gilt zumindest dann, wenn sie eine umfassende Regelung der betrieblichen Altersversorgung treffen.
Tarifverträge, die Regelungen über die betriebliche Altersversorgung ablösen, sind an die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden. Greifen sie in laufende Betriebsrenten ein, ist der Grundsatz der Verhältsnismäßigkeit jedenfalls dann nicht verletzt, wenn
Normenkette
BetrAVG § 1 Ablösung; BGB § 305c Abs. 2; LPVG NW §§ 70, 72 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 5
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger macht im Wege der Zahlungsklage einen zusätzlichen Betriebsrentenanspruch für die Monate Juli 2003 bis Mai 2004 geltend. Dabei streiten die Parteien darüber, ob eine tarifliche Regelung der beklagten Rundfunkanstalt das Recht gibt, die Berechnung der laufenden Betriebsrente anders zu gestalten als vorher geltende Dienstvereinbarungen.
Der am 29. Januar 1935 geborene Kläger, der keiner Gewerkschaft angehört, trat auf Grund Arbeitsvertrages vom 14./23. Januar 1972 mit dem 1. Februar 1972 bei der beklagten Rundfunkanstalt als Heizungsmonteur ein. § 11 der vorformulierten Arbeitsvertragsbedingungen lautete:
“Der WDR gibt dem Arbeitnehmer eine Versorgungszusage nach den beim WDR geltenden Bestimmungen.”
Mit dem 31. Januar 1998 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten aus. Seitdem bezieht er ein betriebliches Ruhegeld. Dieses betrug 433,43 Euro bei Eintritt in den Ruhestand und 493,94 Euro im Juli 2003. Ab Juli 2003 berücksichtigte die Beklagte geänderte Berechnungsregeln der Betriebsrente. Das wirkte sich für Juli und August 2003 monatlich mit 16,96 Euro, in den Monaten September bis Dezember 2003 mit jeweils 17,17 Euro und in den Monaten Januar 2004 bis Mai 2004 jeweils mit 17,54 Euro aus. Dem liegt folgende Entwicklung der von der Beklagten zur Rentenberechnung herangezogenen Regelungen zugrunde:
Der Kläger erhielt zunächst Altersrente nach den Übergangsregelungen des § 25 der Dienstvereinbarung über die Versorgungszusage des WDR vom 7. März 1985. Diese wurde für unbefristete Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1. Januar 1994 begonnen hatten, durch die Dienstvereinbarung vom 31. Juli 1998 abgelöst. Diese Dienstvereinbarung sah eine Nettogesamtversorgung und eine Nettogesamtversorgungsobergrenze vor. Die Regelung lautet auszugsweise:
“§ 14 Höhe und Fälligkeit der Renten
(1) Bei der Berechnung der Alters- oder der Berufsunfähigkeitsrente ist der vom WDR zu tragende Anteil an der Gesamtversorgung des/der Berechtigten so zu bemessen, dass die Netto-Gesamtversorgung (§ 12 Abs. 1) 90 % des Netto-Vergleichseinkommens nicht übersteigt.
…
§ 25 Ersatz bestehender Versorgungsvorschriften – Übergangsregelungen
…
(2) Für Berechtigte, deren letzte Beschäftigungszeit beim WDR vor dem 1.1.1984 begonnen hat, gilt Folgendes:
…
b) Ist der/die Berechtigte vor dem 1.1.1980 in die Dienste des WDR eingetreten, so erhöht sich der in § 14 Abs. 1 genannte Prozentsatz für jedes gemäß § 2 auf die Wartezeit angerechnete Jahr sowie jedes beim WDR zurückgelegte Beschäftigungsjahr um 0,1 %, jedoch höchstens auf 93,5 % und mindestens auf 91,75 %. …
§ 27 Inkrafttreten/
Ende der Nachwirkung der gekündigten Dienstvereinbarung über die Versorgungszusage des WDR vom 7. März 1985
Diese Dienstvereinbarung tritt am 1. Januar 1999 in Kraft. Sie ersetzt die mit Schreiben des Intendanten vom 24. März 1993 zum 31. Dezember 1993 gekündigte Dienstvereinbarung über die Versorgungszusage des WDR vom 7. März 1985 mit Wirkung für die in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Arbeitnehmer/innen.”
Diese Dienstvereinbarung kündigte die Beklagte zum 31. Juli 2001.
Durch diese Kündigung wollte die Beklagte der zwischenzeitlichen Entwicklung im Steuer- und Sozialversicherungsrecht Rechnung tragen. Diese waren dadurch gekennzeichnet, dass einerseits mit den Steuerreformen 1999 bis 2005 (Steuerentlastungsgesetz 1999 vom 19. Dezember 1998, BGBl. I S. 3779, Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl. I S. 402, sowie Steuersenkungs- und Steuersenkungsergänzungsgesetz vom 23. Oktober 2000 und vom 19. Dezember 2000, BGBl. I S. 1433, 1812) die aktiven Arbeitnehmer steuerlich entlastet und damit ihr Nettoeinkommen erhöht wurde. Andererseits wurde mit der “Riester-Rentenreform” 2002, nämlich dem Altersvermögensgesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310) und dem Altersvermögensergänzungsgesetz vom 31. März 2001 (BGBl. I S. 403, AVmEG) das Rentenniveau gesenkt. Insgesamt führte beides im Rahmen des Gesamtversorgungssystems bei der Beklagten zu Mehrbelastungen.
Zudem wurden die hohen – auch laufenden – Versorgungsleistungen der Rundfunkanstalten im Jahre 1999 von der “Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten” (KEF) beanstandet. In die gleiche Richtung ging der Bericht des Rechnungshofes des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2000.
Vor diesem Hintergrund kam es zu zentralen Tarifverhandlungen auf ARD-Ebene zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, dem Deutschen Journalisten-Verband und der Deutschen Orchestervereinigung auf der einen und den Rundfunkanstalten der ARD, darunter auch der Beklagten, auf der anderen Seite. Diese wurden durch einen Tarifvertrag vom 16. Juni 2003 (TV 2003) abgeschlossen, der auszugsweise wie folgt lautete:
“Abschnitt IV
Änderungen der Gesamtversorgungsregelungen beim BR, DW, DRadio, NDR, RB, SFB, SWR, WDR
Die in der Anlage 1 genannten Versorgungsregelungen werden wie nachfolgend beschrieben geändert.
Soweit es sich bei den in Anlage 1 genannten Versorgungsregelungen beim BR, SWR und beim WDR nicht um Tarifverträge, sondern um Dienstvereinbarungen handelt, verpflichten sich die Tarifpartner, diese nach Inkrafttreten dieses Tarifvertrages unverzüglich in eine
tarifvertragliche Regelung zu überführen. Diese tarifvertraglichen Regelungen treten jeweils zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem bei BR, SWR bzw. beim WDR die entsprechenden Dienstvereinbarungen aufgehoben werden. Sowohl BR, SWR als auch WDR verpflichten sich, der Aufhebung der entsprechenden Dienstvereinbarungen nach Abschluss der angestrebten Tarifverträge zuzustimmen.
§ 1
Riester-Korrekturfaktor in den Gesamtversorgungsregelungen
Anlässlich der nächsten in den Gesamtversorgungsregelungen vorgesehenen Neuberechnungen der Gesamtversorgung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rente(1) wird der der Rentenberechnung zugrunde liegende Betrag der Gesamtversorgungsobergrenze(2) der in der Anlage genannten Versorgungsordnung durch einen Korrekturfaktor von 0,9914 gemindert(3).
In den Folgejahren wird jeweils ab dem 1.7. eines jeden Jahres der Korrekturfaktor entsprechend der folgenden Tabelle bei der jeweils nächsten Neuberechnung der Gesamtversorgung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rente angewandt:(4)
…
(4)Der Riester-Korrekturfaktor ist anzuwenden, soweit durch die Veränderung der Rentenformel im AVMEG in der Fassung vom 31.3.2001 ein Auffülleffekt eintreten würde.
Jahr |
Korrekturfaktor |
2004 |
0,9882 |
2005 |
… |
… |
… |
Anlage 1
… |
… |
WDR |
Dienstvereinbarung über die Versorgungszusage des Westdeutschen Rundfunks Köln vom 31. Juli 1998; Richtlinien über die Versorgungszusage vom 27.04.1962 und 23.03.1970; Dienstvereinbarung vom 29.06.1979 |
… |
…” |
Unter dem 22. Oktober 2004 vereinbarte die Beklagte schließlich mit den genannten Gewerkschaften einen “Tarifvertrag über die Versorgungszusage des Westdeutschen Rundfunks Köln vom 01. Juli 2003 für Arbeitnehmer/innen, deren unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem WDR vor dem 01.01.1974 begonnen hat” (TV-VZ 2003). Dieser Tarifvertrag ist weitgehend mit der Dienstvereinbarung vom 31. Juli 1998 identisch. Abweichend davon lauten die §§ 14 und 27 auszugsweise wie folgt:
Ҥ 14
Höhe und Fälligkeit der Renten
(1) Bei der Berechnung der Alters- oder der Berufsunfähigkeitsrente ist der vom WDR zu tragende Anteil an der Gesamtversorgung des/der Berechtigten so zu bemessen, dass die Nettogesamtversorgung (§ 12 Abs. 1) 90 % des mit dem zum jeweiligen Berechnungsstichtag jeweils maßgeblichen Korrekturfaktor gemäß der nachstehenden Tabelle multiplizierten Nettovergleichseinkommens nicht übersteigt; er ist anzuwenden, soweit durch die Veränderung der Rentenformel im Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) in der Fassung vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403) ein Auffülleffekt eintreten würde:
Jahr |
Korrekturfaktor – Anwendung jeweils ab 01.07. des Jahres |
2003 |
0,9914 |
2004 |
0,9982 |
2005 |
… |
§ 27
Inkrafttreten/Kündigung
(1) Dieser Tarifvertrag tritt am 01.07.2003 in Kraft. Er ersetzt die zum 31.07.2001 gekündigte Dienstvereinbarung über die Versorgungszusage vom 31.07.1998 in der Fassung der Dienstvereinbarung Nr. 1 vom 31.07.1998 und Nr. 2 vom 15.12.1998 zur Ergänzung/Änderung der Dienstvereinbarung vom 31.7.1998, der Ausführungsbestimmungen Nrn. 1 – 3 vom 15.12.1998 zur Dienstvereinbarung über die Versorgungszusage des WDR vom 31.07.1998 sowie der Grundsatz-Dienstvereinbarung vom 12.08.2004 zur Dienstvereinbarung über die ‘Versorgungszusage’ des WDR vom 31.07.1998; sowie für die in § 25 Abs. 7 genannten Berechtigten die Vorschriften der VZ 1979 in der Fassung der Dienstvereinbarung vom 19.08.1984 zur Änderung der VZ 1979.”
Durch die genannten Tarifverträge wurden die Auswirkungen der Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgefangen und mit der darin vorgesehenen Formel ein “Riester-Korrekturfaktor” geschaffen. Die Auswirkungen der Steuersenkungen führten dagegen nicht zu Änderungen.
Der Kläger hält die vorgenommene Kürzung für unwirksam und will weiter die Dienstvereinbarung vom 31. Juli 1998 angewendet wissen. Er ist der Auffassung, die tariflichen Regelungen seien auf ihn nicht anwendbar. Seine arbeitsvertragliche Vereinbarung verweise nicht auf Tarifverträge, sondern nur auf Dienstvereinbarungen. Anderenfalls verstieße sie gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Im Übrigen seien die vorgenommenen Kürzungen auch materiell-rechtlich unwirksam.
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 190,30 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf jeweils 16,96 Euro seit dem 1. August und 1. September 2003, auf jeweils 17,17 Euro seit dem 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2003 und dem 1. Januar 2004 sowie auf 17,54 Euro seit dem 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai und 1. Juni 2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Tarifverträge zur Änderung der Versorgungsregelung seien wirksam und auf den Kläger anzuwenden.
Der Kläger hat sich zunächst vor dem Arbeitsgericht noch gegen weitere Kürzungen gewandt. Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Der Kläger hat das Urteil insoweit angegriffen, als es um die Auswirkungen des “Riester-Korrekturfaktors” auf Grund der neuen tariflichen Regelung für die streitbefangenen Monate ging. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den zuletzt gestellten Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere als die gezahlte Betriebsrente. Die vom Kläger für sich in Anspruch genommene Dienstvereinbarung aus dem Jahr 1998 entfaltet für ihn keine Wirkung. Durch die arbeitsvertraglichen Regelungen wurde das gesamte bei der Beklagten herrschende Regelungssystem hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung, einschließlich tariflicher Regelungen, wirksam in Bezug genommen. Spätestens durch den TV-VZ 2003 wurden die vorangegangenen Dienstvereinbarungen in ihrer Wirkung aufgehoben. Die dadurch vorgenommenen Anpassungen halten auch einer inhaltlichen Überprüfung stand.
A. Durch den Arbeitsvertrag der Parteien wurden auch bei der Beklagten geltende tarifliche Regelungen in Bezug genommen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
I. § 11 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 14./23. Januar 1972 verweist auf die “beim WDR geltenden Bestimmungen”. Da es sich um eine typische Vereinbarung handelt, kann der Senat sie selbst auslegen (vgl. BAG 11. Dezember 2001 – 3 AZR 334/00 – AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 11 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 80, zu I 2a aa der Gründe). Bei der Auslegung derartiger Bestimmungen hat der Senat angenommen, dass sie – unabhängig von der Frage, ob eine ausdrückliche “Jeweiligkeitsklausel” enthalten ist – “dynamisch” auszulegen sind. Der Arbeitgeber wolle “im Zweifel” die betriebliche Altersversorgung nach einheitlichen Regeln erbringen (vgl. BAG 28. Juli 2005 – 3 AZR 14/05 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 1 der Gründe). Gemeint ist damit, dass der Arbeitgeber betriebliche Altersversorgung für eine Mehrzahl von Arbeitnehmern im Regelfall als System erbringen will. Ein solches System darf nicht erstarren. Das ist bei der Auslegung dahin gehender Vereinbarungen zu berücksichtigen. Daher ist für den Regelfall eine dynamische Verweisung anzunehmen.
Mangels gegenteiligen Anhaltspunktes folgt daraus, dass auch der Arbeitsvertrag des Klägers einen Verweis auf die bei der Beklagten jeweils einschlägigen Regelungen hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung enthielt. Es sollte auf die Regelungen ankommen, die bei der Beklagten allgemein jeweils als Grundlage für die betriebliche Altersversorgung heranzuziehen sind. Dafür spricht zudem, dass auf die geltenden “Bestimmungen” Bezug genommen, also sprachlich Plural gewählt wurde. Es sollte also ausdrücklich nicht nur eine ganz bestimmte Regelung Vertragsbestandteil werden. Eine Rechtsqualität der in Bezug genommenen Regelungen war nicht genannt. Damit sind alle Regelungen erfasst, mit denen betriebliche Altersversorgung gestaltet werden kann. Dazu gehören auch Tarifverträge, jedenfalls soweit sie geeignet sind, für die Belegschaft eine repräsentative Regelung herbeizuführen. Das ist bei Tarifverträgen der hier tarifschließenden Gewerkschaften offensichtlich der Fall. An dieser Eignung könnte es etwa dann fehlen, wenn der Tarifvertrag von einer Gewerkschaft abgeschlossen wäre, die in seinem betrieblichen Geltungsbereich nur wenige Mitglieder hätte.
Die im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende Unklarheitenregel (nunmehr kodifiziert in § 305c Abs. 2 BGB) steht nicht entgegen. Die hier gefundene Auslegung ist vor dem Hintergrund des Zweckes derartiger Vereinbarungen eindeutig. Das folgt letztlich daraus, dass – für den Arbeitnehmer erkennbar – betriebliche Altersversorgung regelmäßig innerhalb eines Systems gewährt wird.
Soweit damit im Ergebnis eine dynamische Verweisung auf tarifvertragliche Regelungen verbunden ist, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (BAG 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – NZA 2006, 607, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 2c (1) der Gründe). Das gilt jedenfalls, soweit es sich – wie hier – um repräsentative Regelungen handelt. Insbesondere trägt das vom Kläger in der Revisionsverhandlung vorgebrachte Argument nicht, die Verweisung auf tarifvertragliche Regelungen bedeute, dass eine rein deklaratorische Bestimmung, die sich nur auf Dienstvereinbarungen bezogen habe, nunmehr zu einer konstitutiven Regelung mit dynamischen Verweis auf Tarifverträge werde. Da Tarifverträge von vornherein möglicher Gegenstand der Verweisung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung waren, hat sich dadurch, dass es tatsächlich zu einer tarifvertraglichen Regelung kam, am Charakter der vertraglichen Vereinbarung nichts geändert.
II. Fragen der Normenwirkung des Tarifvertrages hinsichtlich der Rechtsverhältnisse ausgeschiedener Arbeitnehmer stellen sich auf Grund dieser vertraglichen Regelung nicht mehr (vgl. dazu BAG 28. Juli 2005 – 3 AZR 14/05 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 1 der Gründe).
B. Der TV-VZ 2003 hat die vorher geltenden Dienstvereinbarungen, die die Beklagte mit ihrem Personalrat vereinbart hatte, ersetzt. Das ergibt sich aus der ausdrücklichen Regelung in § 27 Abs. 1 dieses Tarifvertrages. Die tarifliche Regelung besagt, dass auch ehemalige Arbeitnehmer der Beklagten, die – wie der Kläger – unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen, keine Ansprüche aus früheren Dienstvereinbarungen und ähnlichen Regelungen mehr geltend machen können. Da der Tarifvertrag mit Wirkung vom 1. Juli 2003 in Kraft trat, betraf dies auch den Klagezeitraum. Personalvertretungsrecht ist dadurch nicht verletzt. Auch inhaltlich ist die von den Tarifvertragsparteien gefundene Regelung nicht zu beanstanden.
I. Der Ablösung der bei der Beklagten geltenden Dienstvereinbarungen durch den Tarifvertrag steht Personalvertretungsrecht nicht entgegen. Das ergibt sich aus den allgemeinen Regeln des LPVG NW zum Verhältnis von Dienstvereinbarung und Tarifvertrag. Die Bestimmungen über Mitbestimmungsrechte des Personalrats führen zu keiner anderen Beurteilung. Das Gesetz ist auf den Beklagten anwendbar (§ 55 WDR-Gesetz). Es kann dahingestellt bleiben, ob sich seine Unanwendbarkeit auf den Kläger daraus ergibt, dass dieser bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und damit ohnehin nicht mehr der Regelungsmacht von Dienststelle und Personalrat unterfällt (vgl. dazu BAG 28. Juli 1998 – 3 AZR 100/98 – BAGE 89, 262, zu B I 2 der Gründe; 13. Mai 1997 – 1 AZR 75/97 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 65 = EzA BetrVG 1972 § 77 Ruhestand Nr. 1). Jedenfalls kann er aus der Regelung nicht mehr herleiten als aktive Arbeitnehmer. Insoweit gilt im Einzelnen:
1. Das Verhältnis zwischen Dienstvereinbarungen und tariflichen Regelungen richtet sich nach § 70 LPVG NW. Die Bestimmung lautet auszugsweise:
“(1) Dienstvereinbarungen sind zulässig, soweit nicht gesetzliche oder tarifliche Regelungen entgegenstehen. Sie sind unzulässig, soweit sie Arbeitsentgelte oder sonstige Arbeitsbedingungen betreffen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden; dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag ergänzend Dienstvereinbarungen zulässt.
…
(4) Dienstvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Nach Kündigung oder Ablauf einer Dienstvereinbarung gelten ihre Regelungen weiter, bis sie durch eine andere Vereinbarung ersetzt werden, sofern nicht eine Nachwirkung ausgeschlossen wurde.”
Es kann dahingestellt bleiben, ob der TV-VZ 2003 als “andere Vereinbarung” nach § 70 Abs. 4 LPVG NW die gekündigte Dienstvereinbarung aus dem Jahre 1998 ersetzen könnte. Jedenfalls kann diese Dienstvereinbarung – wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat – nach der Bestimmung des § 70 Abs. 1 LPVG NW keine Wirkung mehr entfalten. Satz 2 dieser Regelung ist ersichtlich in Anlehnung an § 77 Abs. 3 BetrVG formuliert und damit entsprechend auszulegen. Er dient dem Schutz der aktualisierten Tarifautonomie. Besteht – wie hier – ein Tarifvertrag, in dessen räumlichen, betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich der Arbeitgeber fällt, sind entgegenstehende Dienstvereinbarungen nicht mehr zulässig (vgl. BAG 21. Dezember 1982 – 1 ABR 20/81 – DB 1983, 996 mwN; 9. Dezember 1997 – 1 AZR 319/97 – BAGE 87, 234 für Betriebsvereinbarungen und § 77 Abs. 3 BetrVG). Entgegenstehende Dienstvereinbarungen sind – wenigstens – schwebend unwirksam, also unanwendbar (vgl. BAG 20. April 1999 – 1 AZR 631/98 – BAGE 91, 244). Sie können deshalb keinerlei Wirkungen zugunsten von Arbeitnehmern mehr entfalten.
Das gilt auch, soweit Dienstvereinbarungen für den Arbeitnehmer günstiger sind; das Günstigkeitsprinzip in § 4 Abs. 3 TVG tritt insoweit zurück. Es geht in der Sache um eine umfassende Kompetenzregelung, die – würde sie lediglich das Günstigkeitsprinzip enthalten – im Hinblick auf die tarifrechtlichen Bestimmungen überflüssig wäre (vgl. Däubler/Zwanziger TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 972 mwN). Was für kollektivrechtlich an sich bis dahin noch geltende Dienstvereinbarungen gilt, muss erst recht für solche, die wie die hier in Betracht kommende – allenfalls – noch nachwirken, gelten. Auch sie können der aktualisierten Tarifautonomie, also dem Willen der Tarifvertragspartner, etwas selbst zu gestalten, entgegenstehen.
2. Die im LPVG NW geregelten Mitbestimmungsrechte führen zu keinem anderen Ergebnis.
a) Allerdings geht das Bundesarbeitsgericht für die in § 87 Abs. 1 BetrVG geregelten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats davon aus, dass der im Eingangssatz dieser Bestimmung abweichend geregelte Tarifvorrang bei der Festlegung des Umfangs der Sperrwirkung eines Tarifvertrages vorgeht und § 77 Abs. 3 BetrVG nicht greift, soweit sich eine Regelung im Bereich eines Mitbestimmungsrechtes abspielt (Vorrangtheorie: vgl. BAG Großer Senat 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134 mit ausführlichen Nachweisen). Überträgt man dies auf das LPVG NW, so gilt Folgendes:
aa) Nach § 72 Abs. 2 Nr. 4 LPVG NW hat der Personalrat mitzubestimmen über die Errichtung, Verwaltung und Auflösung von Sozialeinrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform. Eine Regelung zum Tarifvorrang existiert nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob mangels eigenständiger Regelung der Sperrwirkung es insoweit bei der Regelung in § 70 Abs. 1 LPVG NW verbleibt. Jedenfalls greift das Mitbestimmungsrecht nicht. Es entspricht im Wesentlichen dem Mitbestimmungsrecht in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Dieses Mitbestimmungsrecht erfasst die betriebliche Altersversorgung, wenn sie über eine Pensions- oder Unterstützungskasse abgewickelt wird, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist (BAG 26. September 2000 – 3 AZR 570/99 –, zu III 1 der Gründe). Da es hier um eine Direktzusage der Beklagten geht, ist es hier nicht einschlägig.
bb) Einschlägig ist das Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 4 Nr. 5 LPVG NW bei Fragen der Lohngestaltung. Es ist weitgehend mit dem des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG identisch und deshalb ebenso wie diese Regelung auszulegen. Diese Bestimmung führt zu einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch bei der Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung (vgl. BAG 19. Juli 2005 – 3 AZR 472/04 – AP BetrAVG § 1 Nr. 42 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 7, zu II 1 der Gründe).
Dieses Mitbestimmungsrecht besteht nach § 72 Abs. 4 Eingangssatz LPVG NW lediglich, “soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht”. Diese Sperre greift – ebenso wie die vergleichbare Regelung in § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG – ein, wenn der Arbeitgeber an einen Tarifvertrag gebunden ist (BAG 24. Februar 1987 – 1 ABR 18/85 – BAGE 54, 191 und 20. Dezember 1988 – 1 ABR 57/87 – BAGE 60, 323) und die Tarifvertragsparteien eine Angelegenheit einer aus sich heraus anwendbaren Regelung unterworfen haben (BAG 16. Februar 1993 – 3 ABR 29/92 – BAGE 72, 229).
Eine derartige, in sich abschließende Regelung enthält der TV-VZ 2003. Er regelt das System der betrieblichen Altersversorgung für die von ihm erfassten Arbeitnehmer und Betriebsrentner umfassend, indem er weitgehend die Dienstvereinbarung inhaltlich aufnimmt und in § 14 Abs. 1 um den “Riester-Korrekturfaktor” ergänzt. Er hat damit die den gleichen Sachverhalt regelnden früheren Dienstvereinbarungen, auch die aus dem Jahre 1998, verdrängt.
Der Verdrängung der früheren Dienstvereinbarungen steht nicht entgegen, dass diese für die Arbeitnehmer zum Teil günstigere Regelungen enthielten, weil in den alten Regelungen der “Riester-Korrekturfaktor” nicht enthalten war. Zwar endet die Sperrwirkung nach § 72 Abs. 4 Eingangssatz LPVG NW – ebenso wie die nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG – dort, wo eine tarifliche Regelung nicht mehr hinreicht, also im übertariflichen Bereich (vgl. BAG 27. Oktober 1992 – 1 ABR 17/92 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 61 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 40). Dies kommt dem Kläger jedoch nicht zugute:
Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung kann der Personalrat nach § 72 Abs. 4 Nr. 5 LPVG NW – ebenso wie der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG – nicht darüber mitbestimmen, ob eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet wird, welche finanziellen Mittel der Arbeitgeber dafür zur Verfügung zu stellen hat, welcher Personenkreis begünstigt und welche Durchführung beschritten werden soll (BAG 19. Juli 2005 – 3 AZR 472/04 – AP BetrAVG § 1 Nr. 42 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 7, zu II 1 der Gründe). Da die Beklagte über die Anwendung der tariflichen Regelung hinaus ersichtlich keine Mittel zur Verfügung stellen will, besteht insofern kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats.
II. Die tarifvertragliche Regelung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
1. Eine Überprüfung anhand des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgt nicht. Dieses Recht gilt für Tarifverträge auch nicht, wenn lediglich auf sie verwiesen wird (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB). Das gilt jedenfalls dann, wenn sie – wie hier – in ihrer Gesamtheit in Bezug genommen werden (BT-Drucks. 14/6857 S. 54).
2. Auch sonst bestehen keine Bedenken.
a) Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das vom Senat für die materielle Überprüfung von Eingriffen in Versorgungsanwartschaften entwickelte dreistufige Prüfungsschema (zu diesem Prüfungsschema erstmals: 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – BAGE 49, 57, 66 ff.). Dieses Prüfungsschema ist hier aus zweierlei Gründen nicht anwendbar: Zum einen gilt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht für Eingriffe, die – wie hier – laufende Betriebsrenten betreffen. Zum anderen ist es nicht auf tarifvertragliche Regelungen übertragbar (vgl. zu beiden Punkten Senat 13. Dezember 2005 – 3 AZR 478/04 – AP BetrAVG § 2 Nr. 49, zu III 2 der Gründe; zum letzten Punkt BAG 28. Juli 2005 – 3 AZR 14/05 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1a der Gründe). Ist dieses Schema auf die hier zu überprüfende Neuregelung schon allein deshalb nicht anwendbar, weil es um einen Tarifvertrag geht, entfallen von vornherein Bedenken, wie sie von der Rechtsprechung im Hinblick auf mögliche Wertungswidersprüche zwischen diesem Schema einerseits und der Möglichkeit, in laufende Betriebsrenten einzugreifen, andererseits geäußert wurden (dazu in einer Parallelsache LAG Köln 5. September 2005 – 2 Sa 305/05 –).
Die eingeschränkte Überprüfung tarifvertraglicher Regelungen rechtfertigt sich daraus, dass die Tarifautonomie als Teil der Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützt ist (BVerfG 3. April 2001 – 1 BvL 32/97 – BVerfGE 103, 293). Den Tarifvertragsparteien steht daher bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Regelungen ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu (BAG 14. Oktober 2003 – 9 AZR 146/03 – BAGE 108, 95). Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeitskontrolle. Die Gerichte haben sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz oder anderes höherrangiges Recht verstoßen (BAG 24. August 1993 – 3 AZR 313/93 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 10, zu B II 2 der Gründe). Der Gesetzgeber des Betriebsrentengesetzes hat den Tarifvertragsparteien grundsätzlich sogar die Möglichkeit eingeräumt, den Wert erdienter Anwartschaften abweichend von § 2 BetrAVG festzusetzen und abweichend von § 5 BetrAVG Regelungen über die Auszehrung laufender Betriebsrenten zu treffen (§ 17 Abs. 3 BetrAVG).
Allerdings sind die Tarifvertragsparteien – ebenso wie der Gesetzgeber – an die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden (BAG 13. Dezember 2005 – 3 AZR 478/04 – AP BetrAVG § 2 Nr. 49, zu III 2a der Gründe; 28. Juli 2005 – 3 AZR 14/05 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1a der Gründe; 20. Februar 2001 – 3 AZR 515/99 – EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 27, zu III 1a, b der Gründe).
b) Die danach einzuhaltenden Grenzen sind hier gewahrt.
aa) Das gilt zunächst hinsichtlich der Rückwirkung des am 22. Oktober 2004 geschlossenen TV-VZ 2003 auf den 1. Juli 2003. Das folgt schon daraus, dass mit diesem Tarifvertrag nur umgesetzt wurde, was durch den vom 16. Juni 2003 stammenden TV 2003 bereits – zumindest für die Zukunft – vereinbart war. Nach den Formulierungen des TV 2003, der auch von der Beklagten umgehend umgesetzt wurde, war nicht völlig eindeutig, ob dieser selbst bereits eine entsprechende rechtliche Wirkung entfalten wollte und konnte. Damit diente der TV-VZ 2003 auch der Klarstellung einer unklaren Rechtslage, so dass ohnehin kein Vertrauen entstehen konnte (vgl. BVerfG 5. August 1998 – 1 BvR 2250/95 – WM 1998, 2025, zu II 2a aa (1) der Gründe; Senat 28. Juli 2005 – 3 AZR 14/05 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 2a bb der Gründe).
bb) Gleiches gilt, soweit ab dem 1. Juli 2003 die Berechnung der laufenden Betriebsrente des Klägers geändert wurde.
(1) Anzuwenden sind insoweit die Regeln, die für eine unechte Rückwirkung gelten. Eine unechte Rückwirkung betrifft den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Wirkungen einer Neuregelung treten erst nach Verkündung der Norm – hier jedenfalls auf Grund zulässiger Klarstellung der durch den TV 2003 geschaffenen Rechtslage auf der Basis des TV-VZ 2003 – ein, sie erfassen aber Sachverhalte, die bereits vorher “ins Werk gesetzt” worden sind. Die Neuregelung macht also den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vorher abhängig (vgl. BVerfG 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 – BVerfGE 109, 133, zu C IV 1a der Gründe). So liegt der Fall hier, da einerseits der Kläger seine Arbeitsleistung bereits erbracht und er Betriebsrentenansprüche erworben hatte, andererseits aber die Betriebsrente nach dem Tarifgefüge nur für die Zukunft gekürzt werden sollte.
Eingriffe dieser Art müssen durch besondere, legitimierende Gründe gerechtfertigt sein. Dabei ist das Interesse der Tarifvertragsparteien, die beanstandete Regelung auch auf Betriebsrentner anzuwenden, mit dem Interesse der Betriebsrentner am Fortbestand der bisherigen Regelung abzuwägen (vgl. BAG 13. Dezember 2005 – 3 AZR 478/04 – AP BetrAVG § 2 Nr. 49, zu III 2b der Gründe).
(2) Im vorliegenden Falle ist zunächst zu berücksichtigen, dass es nicht um den Abbau einer Überversorgung ging. Eine Überversorgung wurde bereits durch die nettolohnbezogene Obergrenze, die auch in der alten Fassung der Versorgungsordnung bereits enthalten war, vermieden. Die Rechtsprechung des Senats, die den Abbau einer Überversorgung grundsätzlich billigt (vgl. zB BAG 25. Mai 2004 – 3 AZR 123/03 – AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11), ist deshalb nicht einschlägig.
Auf der anderen Seite war das Vertrauen in die Unveränderlichkeit der Regelung über die betriebliche Altersversorgung von vornherein begrenzt. Die Regelung beruhte auf einer Dienstvereinbarung. Damit war schon nach der gesetzlichen Regelung des LPVG NW eine Kündigung seitens der Beklagten grundsätzlich möglich.
Hier kommt hinzu, dass die tarifvertragliche Änderung aus Anlass von strukturellen Änderungen des für die Gesamtversorgung maßgeblichen gesetzlichen Regelungswerkes geschah. Das warf Verteilungsfragen auf, die erkennbar einen Regelungsbedarf auslösten. Mit einer so veranlassten Neuregelung mussten die von der alten Regelung erfassten Arbeitnehmer und Betriebsrentner rechnen. Dass dies auf tarifvertraglichem Wege geschehen würde, lag im Hinblick auf den sich aus dem LPVG NW ergebenden Tarifvorrang einerseits sowie der Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragspartner nach § 9 Abs. 3 GG andererseits nicht fern.
Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht verletzt. Die Aufwendungen der Beklagten für die Betriebsrentenzahlungen waren aus zwei Gründen erheblich gestiegen, wegen der “Riester-Rentenreformgesetze” des Jahres 2001 und wegen mehrerer Steuersenkungen in den Jahren ab 1999, die zu einer Erhöhung der Netto-Einkommen der aktiven Arbeitnehmer und damit auch des für die Betriebsrentenberechnung maßgebenden Nettovergleichseinkommens geführt hatten. Die Tarifvertragsparteien haben sich mit der Einführung des “Riester-Korrekturfaktors” darauf beschränkt, die Beklagte nur hinsichtlich der durch die Änderung des Rentenrechtes hervorgerufenen Mehraufwendungen zu entlasten. Der Korrekturfaktor ist anzuwenden, soweit durch die Veränderung der Rentenformel ein “Auffülleffekt” eintreten würde. Das während der Beschäftigungszeit des Klägers geltende System der betrieblichen Altersversorgung wurde nicht grundlegend umgestaltet. Damit haben die Tarifvertragsparteien auf eine erhebliche Änderung im Sozialversicherungsrecht reagiert und beschränkt darauf die ihnen verfassungsrechtlich garantierte Gestaltungsaufgabe wahrgenommen.
Die Neuregelung führt auch nicht zu einer erheblichen Verringerung der Betriebsrente des Klägers. Die Kürzung seiner monatlichen Betriebsrente von knapp 500,00 Euro um weniger als 20,00 Euro belastet ihn nicht unverhältnismäßig.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Zwanziger, D. Offergeld, G. Hauschild
Fundstellen
Haufe-Index 1585539 |
BAGE 2007, 326 |
BB 2006, 2588 |
DB 2007, 118 |