Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung. Außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung gegenüber ordentlich unkündbarem Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. Abgruppierung von Entgeltgruppe 9 auf Entgeltgruppe 3 TVöD. Verhältnis von § 34 TVöD zu § 55 BAT: Weitergeltung auch der Regelungen in § 55 Abs. 2 BAT (Herabgruppierung nur um eine Entgeltgruppe bei Wegfall bisheriger Beschäftigungsmöglichkeit)?
Leitsatz (amtlich)
Die in § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT vorgesehene Beschränkung einer Änderungskündigung auf die Herabgruppierung um maximal eine Gehaltsgruppe ist von dem nunmehr maßgeblichen § 34 Abs. 2 TVöD nicht übernommen worden.
Orientierungssatz
1. Die in § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT vorgesehene Beschränkung einer Änderungskündigung auf die Herabgruppierung um maximal eine Gehaltsgruppe ist von dem nunmehr maßgeblichen § 34 Abs. 2 TVöD nicht übernommen worden.
2. Liegt ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung aus betrieblichen Gründen vor, so kann auch eine Herabgruppierung um mehrere Gehaltsgruppen zulässig sein.
3. Wenn durch das Änderungsangebot neben der Tätigkeit auch die Gegenleistung (Vergütung) geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen.
4. Eine gesonderte Rechtfertigung der Vergütungsänderung ist nur dann entbehrlich, wenn sich die geänderte Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt (sog. Tarifautomatik).
5. Ist die Veränderung der Tätigkeit aufgrund der unternehmerischen Entscheidung unabweisbar und daher an sich geeignet, eine außerordentliche Änderungskündigung zu rechtfertigen, so gilt dies bei Vorliegen eines Vergütungssystems auch für die Änderung der Eingruppierung.
6. Dem Arbeitgeber ist es in diesen Fällen regelmäßig nicht zumutbar, lediglich die Tätigkeit des Arbeitnehmers den neuen Gegebenheiten anzupassen und es – übertariflich – bei der bisherigen Bezahlung zu belassen.
Normenkette
TVöD § 34 Abs. 2; BAT § 55; BGB § 626
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 4. September 2007 – 5 Sa 61/07 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung mit Auslauffrist.
Die 1953 geborene Klägerin trat 1975 in die Dienste der beklagten Stadt und war bis zur Kündigung als Hauswirtschaftsleiterin/Unterweisungsleiterin des von der beklagten Stadt betriebenen Jugendaufbauwerks (JAW) beschäftigt. Sie bezog Gehalt nach Entgeltgruppe 9 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1. Oktober 2005 anwendbaren Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (Bund und Kommunen – TVöD). In § 34 Abs. 2 TVöD heißt es:
“Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, können nach einer Beschäftigungszeit (Absatz 3 Satz 1 und 2) von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Soweit Beschäftigte nach den bis zum 30. September 2005 geltenden Tarifregelungen unkündbar waren, verbleibt es dabei.”
Die bis zum 30. September 2005 anwendbar gewesene Vorschrift des § 55 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) lautet auszugsweise:
“(1) Dem unkündbaren Angestellten (§ 53 Abs. 3) kann aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden.
(2) Andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, berechtigen den Arbeitgeber nicht zur Kündigung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen.
Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis ferner zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen, wenn der Angestellte dauernd außerstande ist, diejenigen Arbeitsleistungen zu erfüllen, für die er eingestellt ist und die die Voraussetzung für seine Eingruppierung in die bisherige Vergütungsgruppe bilden, und ihm andere Arbeiten, die die Tätigkeitsmerkmale seiner bisherigen Vergütungsgruppe erfüllen, nicht übertragen werden können. …
…”
Satz 4 der Protokollerklärung zum 3. Abschnitt (Besitzstandsregelungen) des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) lautet wie folgt:
“§ 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT, Nrn. 7 und 10 SR 2o BAT, Nr. 3 SR 2 × BAT/BAT-O bleiben in ihrem bisherigen Geltungsbereich unberührt.”
Gemäß einem Beschluss der Stadtvertretung übertrug die Beklagte das bisher von ihr betriebene JAW mit Wirkung zum 30. Mai 2006 auf eine J… GmbH. Insoweit wurde ein verbandsgebundener Haustarifvertrag abgeschlossen (TV-JAW). Durch den Übergang des JAW entfiel der bisherige Arbeitsplatz der Klägerin. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die J… GmbH. Mit Schreiben vom 12. September 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. März 2007, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Sie bot der Klägerin zugleich die Weiterbeschäftigung als Pflegehelferin in einem Alten- und Pflegeheim unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe 3a TVöD an. Die Klägerin hat dieses Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen und Änderungsschutzklage erhoben.
Die Klägerin macht geltend, die von der beklagten Stadt ausgesprochene Änderungskündigung verstoße schon gegen § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT, da dieser nur eine Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe zulasse. § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD beziehe sich ohne Einschränkungen auf die früheren Regelungen des BAT über die ordentliche Unkündbarkeit und damit auf § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT. Auch fehle es der Kündigung an einem wichtigen Grund. Jedenfalls sei eine Herabgruppierung um sechs Entgeltgruppen (ca. ¼ der Nettovergütung) unverhältnismäßig und müsse von der Klägerin billigerweise nicht hingenommen werden.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 12. September 2006 sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat ihren Klagabweisungsantrag wie folgt begründet: Der in § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD geregelte Bestandsschutz umfasse nicht die Regelung des § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT. Die Änderungskündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Ein freier geeigneter Arbeitsplatz unter Berücksichtigung der erforderlichen Qualifikation zu weniger einschneidend ändernden Bedingungen habe nicht zur Verfügung gestanden. Die Beklagte habe vielfältige Anstrengungen unternommen, der Klägerin anderweitig eine adäquate Stelle zu verschaffen, die leider fruchtlos verlaufen seien.
Das Arbeitsgericht hat der Änderungsschutzklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beschränkung einer Änderungskündigung zur Herabgruppierung auf maximal eine Gehaltsgruppe gemäß § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT sei von dem nunmehr maßgeblichen § 34 Abs. 2 TVöD nicht übernommen worden. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 34 Abs. 2 TVöD für eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung mit Auslauffrist sei gegeben. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf einem nicht mehr existenten Arbeitsplatz sei der Beklagten nicht zuzumuten. Weitere freie Hauswirtschaftsstellen gebe es bei der Beklagten nicht. Für freie Erzieherstellen der Entgeltgruppe 6 in der Kindertagesstätte C… sei die Klägerin nicht geeignet. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin zur Erzieherin weiterzuqualifizieren, habe nicht bestanden.
B. Dem stimmt der Senat im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zu.
I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die streitgegenständliche Änderungskündigung nicht bereits wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD iVm. § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT unwirksam ist. § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT, der nur eine Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe zugelassen hätte, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht mehr auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit der inzwischen weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum (Bröhl ZTR 2006, 174, 179; Eylert in Bepler/Böhle/Martin/Stöhr TVöD Stand Juni 2008 § 34 Rn. 60 f.; Linck/Scholz AR-Blattei SD 1010.7 Stand August 2006 Rn. 63 ff.; APS/Künzl 3. Aufl. § 2 KSchG Rn. 273b; Bredemeier/Neffke/Weizenegger TVöD/TV-L § 34 Rn. 18; Guth in Görg/Guth/Hamer/Pieper TVöD § 34 Rn. 80 f.; Guth PersR 2008, 313, 316; Steinherr in Sponer/Steinherr TVöD Stand Januar 2007 Vorbem. § 34 Ziff. 6.2; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Juli 2008 § 34 Rn. 33; Fritz ZTR 2006, 2, 10f.; aA APS/Kiel 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 318p; Hock ZTR 2005, 558, 560ff.) zutreffend angenommen.
1. Für dieses Auslegungsergebnis spricht schon der Wortlaut des § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD (so auch Bröhl ZTR 2006, 174, 179; Eylert in Bepler/Böhle/Martin/Stöhr TVöD Stand Juni 2008 § 34 Rn. 61; Guth in Görg/Guth/Hamer/Pieper TVöD § 34 Rn. 80; Guth PersR 2008, 313, 316; Fritz ZTR 2006, 2, 10f.). Er stellt nur auf die Tatsache der “tariflichen Unkündbarkeit” als solche ab. Bei dieser soll es “verbleiben”. Eine Deutung, dass es insgesamt, also auch hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der Unkündbarkeit, “beim Alten” verbleiben soll, lässt sich aus dem Wortlaut nicht entnehmen. Die einzelnen Modalitäten der “verbleibenden” tariflichen Unkündbarkeit werden gerade nicht erwähnt und geregelt.
2. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass dieses Verständnis des Wortlauts durch den sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergebenden Willen der Tarifvertragsparteien bestätigt wird. So ist in der Protokollerklärung zum 3. Abschnitt des TVÜ-VKA in Satz 4 ausdrücklich geregelt, dass § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT in seinem “bisherigen Geltungsbereich” unberührt bleibt. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT ohnehin unbegrenzt in Geltung bliebe (Bröhl ZTR 2006, 174, 179; Eylert in Bepler/Böhler/Martin/Stöhr TVöD Stand Juni 2008 § 34 Rn. 61; Bredemeier/Neffke/Weizenegger TVöD/TV-L § 34 Rn. 18; Guth in Görg/Guth/Hamer/Pieper TVöD § 34 Rn. 80; vgl. auch Fritz ZTR 2006, 2, 10f.; Steinherr in Sponer/Steinherr TVöD Stand Januar 2007 Vorbem. § 34 Ziff. 6.2; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Juli 2008 § 34 Rn. 33). Die weitere Übergangsvorschrift des § 14 Abs. 3 TVÜ-VKA spricht im Übrigen von einem “Erwerb” des Sonderkündigungsschutzes, wenn am 30. September 2005 schon eine Beschäftigungszeit von zehn Jahren zurückgelegt war, nicht generell von der Weitergeltung des früheren Tarifrechts (Bröhl ZTR 2006, 174, 179).
3. Für die tarifliche Besitzstandsregelung des § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD verbleibt, wie die Vorinstanz ebenfalls zutreffend erkannt hat, bei einem derartigen Verständnis auch ein ausreichender Anwendungsbereich (vgl. Bröhl ZTR 2006, 174, 179; Eylert in Bepler/Böhler/Martin/Stöhr TVöD Stand Juni 2008 § 34 Rn. 61; Guth in Görg/Guth/Hamer/Pieper TVöD § 34 Rn. 80; Steinherr in Sponer/Steinherr TVöD Stand Januar 2007 Vorbem. § 34 Ziff. 6.2). So führt § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD insbesondere zu einem Bestandsschutz für Arbeiter, die bisher unter die Anwendung des § 52 BMT-G fielen, und die deshalb – ohne Altersbegrenzung – schon tariflich ordentlich unkündbar waren.
4. Offenbar wollten die Tarifpartner auch den Bedenken der Rechtsprechung gegen die Rechtswirksamkeit des früheren Tarifrechts Rechnung tragen (vgl. Bröhl ZTR 2006, 174, 179). § 55 Abs. 2 BAT zielte darauf ab, eine außerordentliche Beendigungskündigung aus betriebsbedingten Gründen auszuschließen, obgleich das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 626 Abs. 1 BGB unabdingbar ist. Dem trug der Senat Rechnung, indem er in extremen Ausnahmefällen, bei auf Dauer sinnentleerten Arbeitsverhältnissen, unter erheblichen Anforderungen eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 Abs. 1 BGB zuließ (etwa Senat 6. Oktober 2005 – 2 AZR 362/04 – AP BAT § 53 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 14 mwN; 24. Juni 2004 – 2 AZR 215/03 – AP BGB § 613a Nr. 278 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 5; 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10).
5. Ferner haben die Tarifvertragsparteien als eines der wesentlichen Ziele bei der Neugestaltung des Tarifrechts die Lösung vom Beamtenrecht angesehen (vgl. Prozessvereinbarung für die Tarifverhandlungen zur Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes (TVöD) ZTR 2003, 73, 74). Durch § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT wurde aber das Arbeitsverhältnis des Unkündbaren einem Beamtenverhältnis angenähert (vgl. Senat 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 – BAGE 121, 347; 6. Oktober 2005 – 2 AZR 362/04 – AP BAT § 53 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 14). Eine Auslegung des § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD, die dies einschränkt, steht daher im Einklang mit einem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten wesentlichen Ziel.
6. Soweit die Revision als “Grundsatzregel” geltend macht, dass den Beschäftigten erworbene Rechte nicht genommen werden und Verschlechterungen nur für neu eingestellte Arbeitnehmer greifen sollten, ist dies nicht geeignet, das bisherige Auslegungsergebnis in Frage zu stellen. Auch wenn eine solche Regel bestünde, entbände sie nicht davon, die von den Tarifvertragsparteien detailliert geregelten einzelnen Bestandsschutzregelungen jeweils auszulegen.
7. Einer derartigen Auslegung kann nicht entgegengehalten werden, die Tarifvertragsparteien könnten einen bestehenden tariflichen Sonderkündigungsschutz nicht ändern und neu ausgestalten (vgl. Guth in Görg/Guth/Hamer/Pieper TVöD § 34 Rn. 81; Eylert in Bepler/Böhler/Martin/Stöhr TVöD Stand Juni 2008 § 34 Rn. 61; Eylert PersR 2007, 92, 99; Bröhl ZTR 2006, 174, 179; Linck/Scholz AR-Blattei SD 1010.7 Stand August 2006 Rn. 67). Jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen ist eine solche Neuausrichtung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtlich zulässig (vgl. BAG 17. Oktober 2007 – 4 AZR 812/06 – AP BAT § 53 Nr. 9; Senat 2. Februar 2006 – 2 AZR 58/05 – BAGE 117, 53).
a) Tarifvertragliche Regelungen tragen den immanenten Vorbehalt ihrer nachträglichen Änderung durch Tarifvertrag in sich (Senat 2. Februar 2006 – 2 AZR 58/05 – BAGE 117, 53; vgl. auch BAG 17. Oktober 2007 – 4 AZR 812/06 – AP BAT § 53 Nr. 9). Der Grundsatz des Vertrauensschutzes kann auch bei tarifvertraglichen Beendigungsnormen nur im Ausnahmefall gegenüber einer tarifvertraglichen Neuregelung durchschlagen (vgl. Senat 2. Februar 2006 – 2 AZR 58/05 – aaO). Einen solchen Ausnahmefall hat die Rechtsprechung bei bloßen Modifikationen von Unkündbarkeitsregelungen, die bereits Ausnahmeregelungen enthalten, nicht angenommen (vgl. für die Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes nach § 53 Abs. 3 BAT: BAG 17. Oktober 2007 – 4 AZR 812/06 – aaO; für die Erweiterung der Tatbestände einer ausnahmsweise möglichen ordentlichen Kündigung bei Beseitigung einer Altershöchstgrenze für die Unkündbarkeit: Senat 2. Februar 2006 – 2 AZR 58/05 – aaO; für die Präzisierung von Ausnahmetatbeständen: Senat 15. November 1995 – 2 AZR 521/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 20 = EzA BGB § 315 Nr. 45).
b) Gemessen daran unterliegt der vorliegende Eingriff keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. Eylert in Bepler/Böhler/Martin/Stöhr TVöD Stand Juni 2008 § 34 Rn. 61; Eylert PersR 2007, 92, 99; Guth in Görg/Guth/Hamer/Pieper TVöD § 34 Rn. 81; Bröhl ZTR 2006, 174, 179; Linck/Scholz AR-Blattei SD 1010.7 Stand August 2006 Rn. 67). Die Tarifvertragsparteien haben den Sonderkündigungsschutz im TVöD nur graduell verschlechtert. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes sind unverändert geblieben. Die ausnahmslose ordentliche Unkündbarkeit ist erhalten geblieben, lediglich die sehr weitgehende “außerordentliche Unkündbarkeit” im Bereich betriebsbedingter Gründe wurde abgeschafft.
II. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ein wichtiger Grund im Sinne des § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD rechtfertige die streitgegenständliche Kündigung.
1. Die Voraussetzungen einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Änderungskündigung sind beträchtlich und gehen über die Anforderungen an eine ordentliche Änderungskündigung deutlich hinaus (Senat 2. März 2006 – 2 AZR 64/05 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84 = EzA KSchG § 2 Nr. 58).
a) Bereits eine ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung kann nur dann wirksam sein, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist und sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (Senat 2. März 2006 – 2 AZR 64/05 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84 = EzA KSchG § 2 Nr. 58; 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 – BAGE 121, 347). Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, dass heißt die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich ist (Senat 2. März 2006 – 2 AZR 64/05 – aaO; 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 – aaO).
b) Für die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung müssen demgegenüber erheblich verschärfte Maßstäbe gelten. Anderenfalls bliebe der vereinbarte Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit wirkungslos. Der besonderen Bindung muss der Arbeitgeber insbesondere bei Prüfung der Frage, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer mit dem Änderungsangebot zumutet, gerecht werden. Nicht jede mit dem Festhalten am Vertragsinhalt verbundene Last kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung bilden. Entscheidender Gesichtspunkt ist, ob das geänderte unternehmerische Konzept die vorgeschlagenen Änderungen erzwingt, ob diese unabweisbar notwendig und dem Arbeitnehmer zumutbar sind, oder ob es im Wesentlichen auch ohne oder mit weniger einschneidenden Änderungen durchsetzbar bleibt (vgl. Senat 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 – BAGE 121, 347; 2. März 2006 – 2 AZR 64/05 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84 = EzA KSchG § 2 Nr. 58; 18. Mai 2006 – 2 AZR 207/05 – AP BAT § 55 Nr. 5 = EzA KSchG § 2 Nr. 60; 17. März 2005 – 2 ABR 2/04 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 59). Stehen mehrere Möglichkeiten der Änderung der Arbeitsbedingungen zur Verfügung, so fordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diejenige auch ihm zumutbare Änderung anbietet, die den Gekündigten am wenigsten belastet (Senat 17. März 2005 – 2 ABR 2/04 – aaO).
c) Dieser Prüfungsmaßstab gilt auch, wenn die Änderungskündigung infolge eines Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 BGB erfolgt (vgl. für die Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vor Ausspruch einer Beendigungskündigung: BAG 29. März 2007 – 8 AZR 538/06 – AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 14; Senat 17. September 1998 – 2 AZR 419/97 – AP BGB § 626 Nr. 148 = EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 3).
d) Im Prozess wirkt sich die mit der Unkündbarkeit übernommene Verpflichtung des Arbeitgebers auch bei der Darlegungslast aus. Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (Senat 2. März 2006 – 2 AZR 64/05 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84 = EzA KSchG § 2 Nr. 58; 18. Mai 2006 – 2 AZR 207/05 – AP BAT § 55 Nr. 5 = EzA KSchG § 2 Nr. 60).
2. An diesen Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes gemessen und sie ohne revisiblen Rechtsfehler als erfüllt angesehen. Die Beklagte hat sich nach Hinweisen der Landesverwaltung aus rechtlichen Gründen zur Auslagerung des JAW gezwungen gesehen. Sie hat in einem Tarifvertrag mit der zuständigen Gewerkschaft Regelungen zur weitgehenden Besitzstandswahrung vereinbart, wozu auch ein Rückkehrrecht – bei Erhaltung der Unkündbarkeit – gehörte. Nachdem die Klägerin von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht hatte, hat die Beklage versucht, der Klägerin eine gleichwertige Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern zu verschaffen. Dass eine höherwertige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin unter den gegebenen Umständen nicht möglich war, hat das Landesarbeitsgericht im Einzelnen ausgeführt. Die Revision erhebt insoweit auch keinerlei Rügen.
3. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte hätte der Klägerin die Stelle als Pflegehelferin zu unveränderter oder nicht so stark herabgesetzter und damit übertariflicher Vergütung anbieten müssen.
a) Wenn durch das Änderungsangebot neben der Tätigkeit auch die Gegenleistung (Vergütung) geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung der Vergütungsänderung ist nur dann entbehrlich, wenn sich die geänderte Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt (sog. Tarifautomatik; vgl. Senat 3. April 2008 – 2 AZR 500/06 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 137; 29. November 2007 – 2 AZR 388/06 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 136 = EzA KSchG § 2 Nr. 69; 29. März 2007 – 2 AZR 31/06 – EzA KSchG § 2 Nr. 66). In diesen Fällen ist eine Aufspaltung der unternehmerischen Entscheidung in die Abschaffung bzw. Veränderung der Tätigkeit einerseits und deren Vergütung andererseits aus Rechtsgründen ausgeschlossen, weil die Tätigkeit einer bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet ist (hier: Pflegehelferin, Entgeltgruppe 3a TVöD), so dass sich eine Eingruppierung automatisch aus der übertragenen Tätigkeit ergibt. Ist die Veränderung der Tätigkeit aufgrund der unternehmerischen Entscheidung unabweisbar und daher an sich geeignet, eine außerordentliche Änderungskündigung zu rechtfertigen, so gilt dies auch für die Änderung der Eingruppierung (Senat 21. Juni 1995 – 2 ABR 28/94 – BAGE 80, 185). Dem Arbeitgeber ist es in diesen Fällen regelmäßig nicht zumutbar, lediglich die Tätigkeit des Arbeitnehmers den neuen Gegebenheiten anzupassen und es – übertariflich – bei der bisherigen Bezahlung zu belassen (Senat 17. März 2005 – 2 ABR 2/04 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 59).
b) Zwar hat der Senat Ausnahmen für Fälle außergewöhnlicher Gehaltsreduzierungen nicht generell ausgeschlossen (17. März 2005 – 2 ABR 2/04 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 59). Eine Ausnahmekonstellation ist hier aber zu verneinen. Obschon das Änderungsangebot eine beträchtliche Vergütungsminderung vorsieht, bleibt entscheidend, dass die der Klägerin angebotene Stelle nach Betriebsübergang und Widerspruch die einzige verbliebene Beschäftigungsmöglichkeit war. Der Beklagten blieb insoweit keine andere Wahl.
C. Die Kosten der erfolglos gebliebenen Revision fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
Unterschriften
Rost, Berger, Schmitz-Scholemann, Bartz, K. Schierle
Fundstellen
Haufe-Index 2141665 |
BAGE 2010, 308 |
EBE/BAG 2009, 62 |
NZA 2009, 481 |
AP, 0 |
EzA-SD 2009, 18 |
MDR 2009, 700 |
RiA 2009, 213 |
AUR 2009, 185 |
ArbRB 2009, 166 |
GV/RP 2009, 740 |
FuBW 2009, 926 |
FuHe 2010, 66 |