Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachholende Anpassung der Betriebsrente im Konzern
Leitsatz (amtlich)
- Bei der Anpassung von Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung nach § 16 BetrAVG ist von einem Anpassungsbedarf in Höhe des Kaufkraftverlustes seit Rentenbeginn und nicht von einem Anpassungsbedarf lediglich der letzten drei Jahre auszugehen (vgl. Urteil des Senats vom 28. April 1992 – 3 AZR 142/91 – zur Veröffentlichung bestimmt).
- Die Anpassung von Betriebsrenten kann ganz oder teilweise abgelehnt werden, soweit dadurch eine übermäßige Belastung des Unternehmens verursacht würde.
- Wegen der wirtschaftlichen Verflechtung von Konzerngesellschaften kann es bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf die wirtschaftliche Lage des Konzerns ankommen. Voraussetzung ist eine enge wirtschaftliche Verknüpfung der Unternehmen (Bestätigung von BAGE 61, 94 = AP Nr. 22 zu § 16 BetrAVG).
- Eine solche enge Wirtschaftliche Verknüpfung kann auch ohne Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages bei einem qualifiziert faktischen Konzern vorliegen. Voraussetzung dafür ist, daß das herrschende Unternehmen die Geschäfte des beherrschten Unternehmens dauernd und umfassend geführt hat (im Anschluß an BGHZ 95, 330, 346 – Autokran; BGHZ 107, 7, 15 – Tiefbau und BGH Urteil vom 23. September 1991 – II ZR 135/90 – Video – AP Nr. 1 zu § 303 AktG).
Normenkette
BetrAVG § 16; BGB § 315; AktG §§ 291, 302
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 14.03.1991; Aktenzeichen 12 Sa 55/91) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 22.11.1990; Aktenzeichen 2 Ca 1124/90) |
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 1991 – 12 Sa 55/91 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob und in welcher Höhe die Betriebsrente des Klägers gemäß § 16 BetrAVG anzupassen ist.
Der Kläger war vom 1. Januar 1965 bis 31. März 1983 bei der Beklagten beschäftigt. Am 17. Dezember 1965 sagte ihm die Muttergesellschaft der Beklagten, die R…, …, eine Altersrente zu. Am 30. September und 3. Dezember 1975 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, mit der sie die frühere Versorgungszusage durch eine neue ersetzten. Danach belief sich die Altersrente des Klägers bei seinem Eintritt in den Ruhestand am 1. April 1983 auf monatlich 7.004, – - DM.
Die Beklagte erhöhte die Rente in der Folgezeit nicht, weil ihre schlechte finanzielle Situation und die beabsichtigte Absenkung der Versorgungsanwartschaften bei den aktiven Mitarbeitern keine Anpassung der Betriebsrenten erlaube.
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der R… mit Sitz in London. Diese ist Alleingesellschafterin der Beklagten. Aufgabe der Beklagten ist der Vertrieb der im R… -Konzern produzierten Geräte der Bürokommunikation in der Bundesrepublik Deutschland und der dazugehörige Service. Im Konzern sind Konzernverrechnungspreise festgelegt, an die die Beklagte gebunden ist. Die Einstandspreise gelten für alle europäischen Tochtergesellschaften. Im März 1986 zahlte die Muttergesellschaft an die Beklagte 50 Mio DM gegen Gewährung eines Genußrechts. Das Genußrecht gab der Muttergesellschaft ein Gewinnbezugsrecht, wonach ihr nach Thesaurierung von 15 Mio DM der gesamte zukünftige Gewinn der Beklagten bis zu einem vereinbarten Höchstbetrag von 95 Mio DM zustand. Wegen der Genußrechtseinzahlung forderte die Beklagte von der Muttergesellschaft nicht das restliche gezeichnete Kapital von 50 Mio DM.
Während die Schwestergesellschaften der Beklagten, z.B. in England und in Frankreich, im Vergleichszeitraum Gewinne erzielten, belief sich der Bilanzverlust der Beklagten zum 31. Oktober 1988 auf 136, 33 Mio DM. Von dem eingezahlten Eigenkapital von 150 Mio DM war zu diesem Zeitpunkt noch ein haftendes Eigenkapital von 13, 667 Mio verblieben. Zum 31. Oktober 1989 sank der Verlustvortrag auf 89, 932 Mio DM. Ein Gewinn von 47, 401 Mio DM wurde nicht durch operative Maßnahmen, sondern durch Veräußerung eines Betriebsteils, von Maschinen- und Ersatzteilen an den Konzern und eine Reduzierung der Pensionsrückstellungen erzielt. Die Verluste der Beklagten resultierten im wesentlichen daraus, daß erhebliche Marktanteile an japanische Mitbewerber verloren gingen, die mit niedrigen Preisen in den deutschen Markt eindrangen.
Mit seiner am 9. März 1990 erhobenen Klage verlangt der Kläger von der Beklagten eine Anpassung seiner Betriebsrente an die gestiegenen Lebenshaltungskosten seit Rentenbeginn. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne die Anpassung nicht mit der Begründung ablehnen, sie sei nicht leistungsfähig. Leistungsfähig sei jedenfalls die Muttergesellschaft in London. Auf deren wirtschaftliche Lage komme es an, weil sie in jeder Hinsicht über die wirtschaftliche Betätigung der Beklagten bestimme. Insbesondere sei sie berechtigt, Geschäftsführer einzusetzen und abzuberufen sowie direkte Weisungen an die Geschäftsführung der Beklagten zu erteilen. Hiervon habe sie auch in der Vergangenheit ausgiebig Gebrauch gemacht. Im übrigen würden die Bilanzen der Beklagten ohnehin in der Konzernspitze konsolidiert.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 9. März 1990 (Zustellung der Klage) eine um 350,- – DM höhere Rente und ab 19. Juni 1990 (Zustellung der Klageerweiterung) eine nochmals um 350, – - DM höhere Rente zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, es komme mangels eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrages nicht auf die wirtschaftliche Situation der Konzernmutter an. Sie habe weder tatsächlich noch rechtlich die Möglichkeit, ihre Muttergesellschaft zum Ausgleich eines negativen Ergebnisses zu verpflichten. Da die Bundesrepublik Deutschland zu den wichtigsten Märkten der Welt gehöre, habe es in ihrem, der Beklagten, Interesse gelegen, die hier geschaffenen Marktanteile gegenüber der japanischen Konkurrenz zu verteidigen bzw. zurückzugewinnen. Der Einräumung der Genußrechte habe die wirtschaftliche Überlegung zugrunde gelegen, daß die Muttergesellschaft glaubte, an eventuellen Gewinnen der Beklagten zukünftig partizipieren zu können. Zwar dürfe die Muttergesellschaft als Gesellschafterin der Beklagten Weisungen erteilen. Allerdings übersehe der Kläger mit der Behauptung, daß die Muttergesellschaft berechtigt sei, Geschäftsführer einzusetzen, die Kompetenz des Aufsichtsrates. Des weiteren hat die Beklagte die Ansicht vertreten, bei einer Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG seien jedenfalls nicht die gestiegenen Lebenshaltungskosten seit Rentenbeginn, sondern lediglich die Teuerung innerhalb des letzten dreijährigen Prüfungszeitraums, nämlich vom 1. April 1986 bis 31. März 1989, zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, die monatliche Betriebsrente des Klägers ab 9. März 1990 um 350, – - DM und ab 19. Juni 1990 um weitere 280, 36 DM zu erhöhen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger kann ab 9. März 1990 und 19. Juni 1990 die vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilte höhere Rente verlangen.
I. Die Beklagte hatte eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers zuletzt am 1. April 1989 zu prüfen. Das hat das Landesarbeitsgericht richtig entschieden.
Nach § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber die Anpassung der Betriebsrenten alle drei Jahre zu überprüfen. Bei einem Rentenbeginn am 1. April 1983 waren die nächsten Prüfungen am 1. April 1986 und am 1. April 1989 fällig gewesen. Von der Möglichkeit, alle Betriebsrenten gebündelt innerhalb oder am Ende des Jahres vorzunehmen (vgl. Urteil des Senats vom 28. April 1992 – 3 AZR 142/91 – zur Veröffentlichung bestimmt), hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Der Anpassungsanspruch des Klägers nach § 16 BetrAVG bezieht sich daher auf den Stichtag des 1. April 1989 und nicht, wie der Kläger gemeint hat, auf den Zeitpunkt der Klageerhebung.
II. Bei der Prüfung, ob und in welchem Umfang die Betriebsrente des Klägers zum 1. April 1989 anzupassen ist, ist von einem Anpassungsbedarf in Höhe des Kaufkraftverlustes seit Rentenbeginn und nicht von einem Anpassungsbedarf lediglich in den letzten drei Jahren auszugehen (nachholende Anpassung). Dies folgt aus dem Zweck des § 16 BetrAVG. Der Wortlaut der Vorschrift und die Gesetzgebungsgeschichte stehen dieser Auslegung nicht entgegen.
1. Gemäß § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen zu prüfen und darüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind einerseits die Belange des Versorgungsempfängers und andererseits die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Entscheidung des Arbeitgebers unterliegt der gerichtlichen Überprüfung entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (BAGE 48, 272, 276 = AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG, zu II 1a der Gründe).
Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, ob bei nachfolgenden Prüfungen der Anpassungsbedarf ab Beginn der Leistungen oder seit der letzten Prüfung und Entscheidung zu berücksichtigen ist. Die Unterscheidung ist in allen Fällen bedeutsam, in denen bei früheren Anpassungsprüfungen kein voller Geldwertausgleich gewährt wurde.
In Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, die Prüfung des Anpassungsbedarfs beschränke sich auf den Dreijahreszeitraum. Es sei nur die Teuerung seit der letzten Pflichtprüfung festzustellen und lediglich die seither gewährte Leistung anzupassen, wenn die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers dies zulasse. Dies folge insbesondere aus dem streitbeendenden Charakter jeder Anpassungsentscheidung (LAG Hamm Urteil vom 29. August 1989 – 6 Sa 294/89 – NZA 1990, 479; Lieb/Westhoff, DB 1976, 1958, 1969; Schwerdtner, ZfA 1978, 593; Förster/Rößler/Führer, Anm. zu AP Nr. 5 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Geldentwertung; Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 1984, § 16 Rz 108 ff.; Schumann, ZIP 1985, 846 und ZIP 1987, 137; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 1986, 1. Teil, Rz 722; Heubeck, DB 1980, 832; Andresen/Gaßner, DB 1980, 1347).
Die Gegenmeinung vertritt die Auffassung, die Prüfung beschränke sich nicht auf den Zeitraum der letzten drei Jahre, sondern erstrecke sich auf die gesamte Zeit seit dem Rentenbeginn (Höfer/Kemper, DB 1980, 542; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 81 VII 3i, S. 459, 461; Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, 2. Aufl., § 16 Rz 162b, 164a, 267; Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, 3. Aufl., § 16 Rz 3503 ff.). § 16 BetrAVG verlange nach Möglichkeit den Ausgleich der gesamten seit Leistungsbeginn eingetretenen Teuerung. Es sei unsachgemäß, die Teuerungsrate bei Folgeprüfungen nur für den Zeitraum seit der letzten Pflichtprüfung zu ermitteln; ein einmal unterlassener Teuerungsausgleich könne in der Zukunft nicht mehr ausgeglichen werden.
2. Allein mit dem Wortlaut des § 16 BetrAVG läßt sich der Meinungsstreit nicht entscheiden. Der Wortlaut enthält keine Einschränkung in dem Sinne, daß es nur auf den Anpassungsbedarf im letzten Dreijahreszeitraum ankommt.
§ 16 BetrAVG verlangt nach seinem Wortlaut alle drei Jahre eine Anpassungsprüfung nach billigem Ermessen, wobei insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen sind. Damit legt das Gesetz den Dreijahresturnus für den Prüfungstermin fest, trifft aber keine eindeutige Aussage über den Prüfungszeitraum. Allerdings soll es auf die “Belange des Versorgungsempfängers” ankommen. Da das Gesetz eine Auszehrung der Renten vermeiden will, werden die Belange des Versorgungsempfängers nur dann voll berücksichtigt, wenn der volle, fortbestehende Anpassungsbedarf und nicht nur derjenige aufgrund einer Teuerung in den letzten drei Jahren ermittelt wird. Mit der Formulierung, daß nur “laufende Leistungen” zu überprüfen sind, kann eine solche Einschränkung nicht begründet werden. Dieses Merkmal soll die “laufenden Leistungen” von anderen Leistungen abgrenzen. Unter “laufenden Leistungen” sind lediglich “regelmäßig wiederkehrende Leistungen” im Gegensatz zu einmaligen Kapitalleistungen sowie Anwartschaften zu verstehen (vgl. Blomeyer/Otto, aaO, § 16 Rz 38).
3. Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergibt sich kein Hinweis zur Auslegung der Vorschrift. In den Beratungen der Ausschüsse und der gesetzgebenden Körperschaften wurde die Frage des Prüfungszeitraums offenbar nicht diskutiert (zur Entstehungsgeschichte vgl. Fenge, DB 1975, 2371 ff.). Dies spricht jedoch eher dafür, daß keine Beschränkung auf den Prüfungszeitraum der letzten drei Jahre beabsichtigt war. Wäre das gewollt gewesen, so hätte es nahegelegen, eine solche Einschränkung zu verdeutlichen.
4. Die Verpflichtung zur nachholenden Anpassung ergibt sich vor allem aus Sinn und Zweck des § 16 BetrAVG. Der Kaufkraftverlust soll ausgeglichen werden, damit die jeweils zu zahlende Rente der versprochenen Rente zum Rentenbeginn wertmäßig entspricht. Diese Wertsicherung kann nur dadurch erreicht werden, daß ein früher nicht berücksichtigter Anpassungsbedarf bei Wiederholungsprüfungen auszugleichen ist.
a) Bereits in der vorgesetzlichen Rechtsprechung hat der Senat eine Anpassung der Betriebsrenten an die Lebenshaltungskosten unter gewissen Voraussetzungen für erforderlich gehalten. Zur Begründung hat er in seiner Entscheidung vom 30. März 1973 (BAGE 25, 146, 161 = AP Nr. 4 zu § 243 BGB Ruhegehalt-Geldentwertung) ausgeführt: Aus dem Entgeltcharakter der betrieblichen Versorgungsleistungen ergebe sich, daß die Leistung des Pensionärs, die durch die Versorgung entgolten werde, die dem Arbeitgeber während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses erwiesene Betriebstreue, die Gesamtheit der ihm erbrachten Dienste sei. Deshalb müßten Voraussetzungen und Umfang der Ausgleichspflicht vor allem nach dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beurteilt werden. Es komme darauf an, daß der Wert der Versorgungsleistung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Grundsatz erhalten bleibe und in der Folgezeit die gezahlte Rente nicht in ein Mißverhältnis zur versprochenen Gegenleistung gerate.
b) Der Gesetzgeber hat in § 16 BetrAVG diese vorgesetzliche Rechtsprechung im Grundsatz aufgenommen. Er hat den Gedanken der Wertsicherung konkretisiert, schematisiert und in ein besonderes System gekleidet: Die Prüfung soll unter Berücksichtigung der Belange des Versorgungsempfängers und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers in einem dreijährigen Turnus stattfinden. Der Zweck der Anpassung, die Gleichwertigkeit zwischen versprochener und tatsächlicher Leistung zu erhalten, hat sich dadurch nicht geändert. Die “Belange des Versorgungsempfängers”, sein von der Steigerung der Lebenshaltungskosten bestimmter höherer Bedarf, bestehen in der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Die Anpassung muß deshalb grundsätzlich den Kaufkraftverlust der betrieblichen Versorgungsleistungen ausgleichen (Urteil des Senats vom 15. September 1977, BAGE 29, 294 = AP Nr. 5 zu § 16 BetrAVG). Daraus folgt, daß beim Anpassungsbedarf stets die volle Teuerung seit Rentenbeginn zu berücksichtigen ist, soweit diese nicht bereits durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde.
c) Wollte man bei Folgeprüfungen jeweils nur die Teuerung ausgleichen, die seit dem letzten Prüfungstermin eingetreten ist, so würde des Defizit einer früheren Teilanpassung für die gesamte Rentenbezugszeit fortgeschrieben und sogar ausgeweitet. Hierauf weisen Höfer/Reiners/Wüst (BetrAVG, 3. Aufl., § 16 Rz 3505) zu Recht hin. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wäre auf Dauer gestört. Der tatsächliche Anpassungsbedarf bliebe selbst bei voller Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers für alle Zeiten unberücksichtigt. Dies widerspräche dem Zweck des Gesetzes. Es kann nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber habe mit der Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ein einmal eingetretenes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung fortschreiben wollen.
5. Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG führe zu einer streitbeendenden Entscheidung. Streitbeendenden Charakter hat die Anpassungsentscheidung insoweit, als keine Nachzahlungen für abgeschlossene Prüfungszeiträume verlangt werden können. Nur insoweit, also ob und inwieweit am Anpassungstermin die Renten zu erhöhen sind, führt die Entscheidung zur Streitbeendigung. Der Anpassungsbedarf ist nicht Gegenstand der Entscheidung, sondern eine bei der Entscheidung zu berücksichtigende Vorgabe, die weder vom Willen der Beteiligten noch von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bestimmt wird. Die nachholende Anpassung kann daher frühere Anpassungsentscheidungen nicht berühren. Sie berücksichtigt lediglich bei der anstehenden Entscheidung den bestehenden, bisher nicht ausgeglichenen Anpassungsbedarf.
III. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß im Streitfall die Beklagte die nachholende Anpassung nicht wegen unzureichender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verweigern kann. Wegen der wirtschaftlichen Verflechtung der Beklagten im Konzern ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des herrschenden Unternehmens, der Konzernmuttergesellschaft, abzustellen.
1. Aus eigener Kraft ist die Beklagte nicht in der Lage, die Betriebsrenten anzupassen. Die Anpassung würde die Beklagte übermäßig belasten. Bei der Anpassungsprüfung darf der Arbeitgeber seine wirtschaftliche Lage berücksichtigen (§ 16 Halbsatz 2 BetrAVG). Er kann die Anpassung von Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung ganz oder teilweise ablehnen, wenn und soweit dadurch das Unternehmen übermäßig belastet würde. Übermäßig ist die Belastung dann, wenn es dem Unternehmen mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen (Urteil vom 23. April 1985, BAGE 48, 272 = AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war es der Beklagten nicht möglich, den Teuerungsausgleich aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen aufzubringen. Die Beklagte hatte zum maßgeblichen Anpassungsstichtag am 1. April 1989 mehrere Geschäftsjahre mit Verlusten hinter sich. Die Ertragskraft im Jahre 1989 war ungenügend. Die Beklagte lebte von der Substanz. Das Eigenkapital war von 150 Mio DM auf knapp 14 Mio DM zurückgegangen.
2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht im Streitfall die Leistungsfähigkeit der Konzernmuttergesellschaft als maßgeblich angesehen.
a) Die wirtschaftliche Verflechtung von Konzerngesellschaften kann dazu führen, daß bei der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG nicht die wirtschaftliche Lage des Einzelunternehmens, sondern die des Konzerns maßgeblich ist. Dies ist im Grundssatz unumstritten (statt aller: Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 16 Rz 214). Anerkannt ist ferner, daß Voraussetzung dafür eine enge wirtschaftliche Verknüpfung der Unternehmen ist, so daß das Tochterunternehmen wirtschaftlich vom Mutterunternehmen abhängig ist (vgl. Blomeyer/Otto, aaO; Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, 3. Aufl., § 16 Rz 3585).
b) Der Senat hat in seinem Urteil vom 14. Februar 1989 (BAGE 61, 94 = AP Nr. 22 zu § 16 BetrAVG) entschieden, daß es bei Vorliegen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages in der Regel auf die wirtschaftliche Lage der Konzernobergesellschaft ankomme. Beim Beherrschungs- sowie beim Gewinnabführungsvertrag hafte die Muttergesellschaft für die Schulden der Tochter (§§ 291, 302 AktG). Wer Gewinne für sich verlange und die Verluste trage, tue dies nach aller Erfahrung nicht ohne entsprechende Einflußnahme auf das verbundene Unternehmen. Ein selbständiges Wirtschaften auf das Risiko eines Dritten bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Entscheidungsfreiheit sei im Wirtschaftsleben nur schwer vorstellbar. Bei einer solchen Vertragsgestaltung deute alles darauf hin daß das wirtschaftliche Handeln der Tochter durch die Konzernobergesellschaft bestimmt werde.
c) Die wirtschaftliche Abhängigkeit des beherrschten Unternehmens vom herrschenden Unternehmen ist in einem qualifiziert faktischen Konzern dieselbe. In einem qualifiziert faktischen Konzern führt das herrschende Unternehmen die Geschäfte des beherrschten Konzernunternehmens dauernd und umfassend. In diesen Fällen ist die faktische wirtschaftliche Abhängigkeit des beherrschten Unternehmens gegenüber dem herrschenden Unternehmen maßgeblich, so daß es auf das Vorliegen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages nicht ankommt. Es wäre unbillig und würde Möglichkeiten des Mißbrauchs eröffnen, wollte man bei § 16 BetrAVG nur beim Vertragskonzern auf die Leistungsfähigkeit des herrschenden Unternehmens abstellen.
Für die Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG gilt das entsprechend, was der Bundesgerichshof zur Haftung des herrschenden Unternehmens für die Verbindlichkeiten des beherrschten Unternehmens ausgeführt hat. Der Bundesgerichtshof hat auch ohne Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags die Haftung des herrschenden Unternehmens nach §§ 291, 302 AktG angenommen, wenn ein qualifiziert faktischer Konzern vorlag, weil das herrschende Unternehmen die Geschäfte des beherrschten dauernd und umfassend geführt hat (BGHZ 95, 330, 346 – Autokran; BGHZ 107, 7, 15 – Tiefbau; BGH Urteil vom 23. September 1991 – II ZR 135/90 – Video – AP Nr. 1 zu § 303 AktG). Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat diese Haftungsgrundsätze übernommen (Urteil vom 15. Januar 1991 – 1 AZR 94/90 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Haftet beim qualifiziert faktischen Konzern die Konzernobergesellschaft, dann muß der Konzern als letztlich Verpflichteter auch für Anpassungsschulden der Tochter haften. Daher ist auch bereits bei Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG beim qualifiziert faktischen Konzern auf die Leistungsfähigkeit der Konzernobergesellschaft abzustellen. Auf diesen Zusammenhang von konzernrechtlicher Haftung und Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers bei der Anpassung von Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 14. Februar 1989 (BAGE 61, 94, 100 = AP Nr. 22 zu § 16 BetrAVG, zu III 1 der Gründe) hingewiesen.
3. Im Streitfall liegt ein solcher qualifiziert faktischer Konzern vor. Die englische Konzernmutter hat die Geschäfte der Beklagten dauernd und umfassend geführt.
a) Als Alleingesellschafterin der beklagten GmbH hatte die Konzernmutter bereits aufgrund des GmbH-Rechts die Möglichkeit, die Beklagte zu führen und die Geschäftsführung zu überwachen. So konnte sie selbst die Gesellschaftsbeschlüsse zur Bestellung und Abberufung der GmbH-Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5 GmbHG) fassen und ihnen Weisungen für die Geschäftsführung erteilen. Dabei kommt es für eine Alleingesellschafterin nicht entscheidend auf etwaige Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats an.
b) Von diesen gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten hat die englische Konzernmutter nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch Gebrauch gemacht. Insbesondere hat sie für die Beklagte verbindliche Konzernverrechnungspreise vorgeschrieben und sie einer eingehenden und umfassenden Planung unterworfen. Obwohl die Beklagte dem harten Konkurrenzkampf japanischer Unternehmen ausgesetzt war, hat sie versucht, im Interesse des Konzerns den deutschen Markt zu halten. Dabei war ihre Vertriebstätigkeit entsprechend dem Willen der Konzernobergesellschaft auf den deutschen Markt und produktmäßig auf die Konzernerzeugnisse beschränkt. Die Beklagte wurde von der Konzernobergesellschaft faktisch wie eine unselbständige Vertriebsabteilung geführt.
c) Die Abhängigkeit der Beklagten zeigt sich auch darin, daß die Muttergesellschaft auf die Einstellung wichtiger Mitarbeiter Einfluß nahm. Schließlich wurde dem Kläger selbst die Versorgungszusage ursprünglich durch die Konzernmutter erteilt. Auch der Umstand, daß die Muttergesellschaft Genußrechte mit Gewinnbezugsberechtigung erwarb, deutet auf den wirtschaftlichen Einfluß der Konzernmutter auf die Beklagte hin. Die wirtschaftliche Abhängigkeit der Beklagten war deshalb ebenso vollständig wie bei einem vertraglichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Gewinne mußte die beklagte GmbH ohnehin an die Alleingesellschafterin abführen. Wird in einem GmbH-Konzern ein solcher die abhängige Gesellschaft gefährdender Zustand ohne vertragliche Grundlage geschaffen, dann bedürfen die Betriebsrentner bei der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG des gleichen Schutzes wie bei einem Beherrschungsvertrag.
d) Die Verluste der Beklagten und die daraus folgende Leistungsunfähigkeit hängen auch ursächlich mit der Leitungsmacht der Konzernmutter zusammen. Gerade die im Interesse des Konzerns vorgeschriebenen Konzernverrechnungspreise sprechen für diesen Zusammenhang. Die Beklagte hat nicht dargelegt. daß die eingetretenen Verluste auf Umständen beruhen, die mit der Ausübung der Leitungsmacht nichts zu tun haben. Die Vermutung, bei der umfassenden Führung der Geschäfte der abhängigen GmbH sei auf deren Belange zugunsten des Konzerninteresses nicht ausreichend Rücksicht genommen, ist nicht widerlegt (vgl. dazu BGHZ 107, 7, 18; BGH Urteil vom 23. September 1991 – II ZR 135/90 – AP aaO, zu 2b der Gründe).
e) Bei dieser Sachlage kann der Senat offen lassen, ob nicht bereits deshalb auf die Leistungsfähigkeit der englischen Konzernmutter abzustellen ist, weil der Kläger darauf vertrauen durfte, daß hinter der erteilten Versorgungszusage der ganze Konzern stehe (vgl. dazu Urteil des Senats vom 19. Mai 1981 – 3 AZR 308/80 – AP Nr. 13 zu § 16 BetrAVG, zu III 1 der Gründe). Für einen solchen Vertrauenstatbestand spricht, daß der Kläger nach seiner Einstellung bei der Beklagten zunächst eine Versorgungszusage von der englischen Konzernmutter erhielt. Erst zehn Jahre später wurde diese Zusage durch eine Versorgungszusage der Beklagten ersetzt.
4. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht auch von der Leistungsfähigkeit der Konzernobergesellschaft ausgegangen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, daß die englische Muttergesellschaft durch die erforderlichen Anpassungen der Betriebsrenten übermäßig belastet wäre. Auch für die nachholenden Anpassungen ist die Leistungsfähigkeit der Konzernmutter zu bejahen. Zwar ist die Leistungsfähigkeit bei nachholender Anpassung besonders sorgfältig zu prüfen (vgl. Urteil des Senats vom 28. April 1992 – 3 AZR 142/91 -zur Veröffentlichung bestimmt, zu III 1 der Gründe). Doch hat auch in diesen Fällen der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, er Werde übermäßig wirtschaftlich durch die Anpassung belastet (vgl. BAGE 48, 284 = AP Nr. 16 zu § 16 BetrAVG).
IV. Danach ist die Beklagte verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers von 7004, -- DM monatlich wegen der zwischen dem 1. April 1983 bis 31. März 1989 um 9 % gestiegenen Lebenshaltungskosten um 630, 36 DM 7. 634, 36 DM monatlich zu erhöhen. Auf die höhere Rente hat der Kläger jedenfalls einen Anspruch ab 9. März 1990 (350, -- DM) und ab 19. Juni 1990 (weitere 280, 36 DM).
Unterschriften
Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Dr. Hromadka, Schoden
Fundstellen
Haufe-Index 838565 |
BAGE, 158 |
BB 1992, 229 |
NZA 1993, 72 |
RdA 1992, 400 |
ZIP 1992, 1566 |
GmbHR 1993, 220 |