Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitspflicht der Lehrer. Lernstundenaufsicht. Privatschule. Lernstundenbetreuung an einer Ganztagsschule. Unterrichtspflichtzeit. Zusammenhangstätigkeiten. Annahmeverzug. Angebot der Arbeitsleistung
Leitsatz (amtlich)
Die Lehrkraft an einer Ganztagsschule ist verpflichtet, in angemessenem Umfang Lernstundenaufsicht zu übernehmen.
Orientierungssatz
1. Die Arbeitspflicht des Lehrers an einer allgemeinbildenden Schule erschöpft sich nicht in der Unterrichtserteilung und den sog. Zusammenhangstätigkeiten. Die Pflichtstundenzahl begrenzt nur den zeitlichen Umfang der Arbeitspflicht. Dem Inhalt nach schuldet der Lehrer alle Dienstleistungen, die üblicherweise mit der Aufgabenstellung eines Lehrers verknüpft sind.
2. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der allgemeinbildenden Schule erfordert in einem bestimmten Umfang auch die qualifizierte Betreuung der Schüler in Ganztagsschulen. Die Lehrkraft an einer Ganztagsschule muss in angemessenem Umfang Lernstundenaufsicht übernehmen.
3. Besteht zwischen den Arbeitsvertragsparteien Streit darüber, welche Arbeit erfüllungstauglich ist, bedarf es keines tatsächlichen Angebots der vom Arbeitgeber bereits als erfüllungsuntauglich eingestuften Arbeit.
4. Ein Angebot der Arbeitsleistung ist im Arbeitsverhältnis regelmäßig nicht nach § 296 BGB entbehrlich, da für die Einteilung der Arbeit durch den Arbeitgeber keine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, sondern der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Grundsatz jederzeit bestimmen kann.
5. Verlangt der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeit in rechtlich einwandfreier Art und Weise, kommt er nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer diese Arbeit ablehnt und stattdessen eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet.
Normenkette
BGB § § 293 ff., § 305c Abs. 2, §§ 307, 611, 615; GewO § 106
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 1. März 2007 – 3 Sa 975/06 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 28. Juni 2006 – 6 Ca 3334/05 S – abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf restliche Arbeitsvergütung.
Die im Jahre 1951 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1993 als vollzeitbeschäftigte Lehrkraft bei der Beklagten angestellt. Die Beklagte ist Trägerin einer Mädchen-Realschule (staatlich anerkannte Ersatzschule), die als Ganztagsschule geführt wird. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt ein Arbeitsvertrag vom 1. September 1993 zugrunde, der ua. folgende Regelungen enthält:
“ …
§ 3
Herr/Frau B… erklärt sich bereit, neben den Pflichten, die einem Lehrer an einer vergleichbaren öffentlichen Schule obliegen, an der Verwirklichung der sich aus dem besonderen Charakter der Schule ergebenden Ziele mitzuarbeiten.
Sie/Er wird seine/ihre Tätigkeit nach den Anforderungen der für staatlich anerkannte Schulen geltenden Gesetze und Ordnungen und den Weisungen des Schulleiters in kollegialer Zusammenarbeit mit den übrigen Lehrern der Schule ausüben.
…
§ 5
Das Dienstverhältnis regelt sich grundsätzlich nach dem Bundesangestelltentarif (BAT) vom 23.02.1961 in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages für die Tarifgemeinschaft des Bundes und der Länder geltenden Fassung einschließlich künftiger Änderungen und Zusatzvereinbarungen, soweit nicht abweichende Regelungen getroffen werden.
§ 6
…
Die Lehrkraft wird in Verg./Bes.Gr. A 13 eingestuft.
Die regelmäßige Pflichtstundenzahl einer vollbeschäftigten Lehrkraft beträgt wöchentlich 23 Unterrichtsstunden. Bei Änderungen der Pflichtstundenzahl im öffentlichen Dienst kann der Schulleiter die Pflichtstundenzahl entsprechend angleichen. Die Lehrkraft ist derzeit teilbeschäftigt mit … Unterrichtsstunden.
…”
Im Schuljahr 2004/05 betrug die Unterrichtspflichtzeit für vollzeitbeschäftigte Lehrer im Alter der Klägerin an Realschulen in Bayern gemäß der Bekanntmachung des Kultusministers vom 19. August 2004 (KWMBl. I S. 306) 24 ½ Unterrichtsstunden je 45 Minuten. Die Beklagte wies der Klägerin ab August 2004 lediglich 22 Unterrichtsstunden in deren Fächerkombination Deutsch/Erdkunde/Geschichte zu. Sie forderte die Klägerin auf, statt der fehlenden 2 ½ Unterrichtsstunden fünf Aufsichtsstunden je 45 Minuten im Rahmen der Nachmittagsbetreuung der Schüler zu erbringen. Die Klägerin war lediglich bereit, drei Aufsichtsstunden je 45 Minuten zu übernehmen. Daraufhin leistete die Beklagte im Schuljahr 2004/05 eine um 1/24,5 gekürzte Vergütung.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Differenzvergütung. Sie habe ihre Arbeitspflicht voll erfüllt und sei nicht verpflichtet, in dem geforderten Umfang Lernstundenaufsicht zu leisten. Diese Tätigkeit sei nicht vertragsgemäß und nicht auf Grund zwingender schulischer Belange gerechtfertigt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 2.015,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin müsse wie die an staatlichen Schulen beschäftigten Lehrkräfte im Rahmen ihrer Arbeitszeit von 41 Stunden/Woche Aufsichtstätigkeiten übernehmen. Nach der Gesamtplanung für das Schuljahr 2004/05 hätten sich für die Klägerin 22 Unterrichtsstunden wöchentlich ergeben. Da die Klägerin sich geweigert habe, zwei weitere Aufsichtsstunden je 45 Minuten abzuleisten, sei die Kürzung der Vergütung berechtigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 1.177,69 Euro nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen mit der Begründung abgewiesen, die Ansprüche bis Dezember 2004 seien mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Das Landesarbeitsgericht hat die allein von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hält die Beklagte an ihrem Antrag auf vollständige Abweisung der Klage fest.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur vollständigen Abweisung der Klage. Für den geltend gemachten Anspruch fehlt es an einer Grundlage.
I. Der Anspruch folgt nicht aus § 611 Abs. 1 BGB.
1. Die Klägerin macht geltend, die ungekürzte Vergütung stehe ihr schon deshalb zu, weil sie die versprochenen Dienste allein durch die 22 Unterrichts- und drei Aufsichtsstunden wöchentlich geleistet habe. Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Die Arbeitszeit der Klägerin in dem maßgebenden Zeitraum des Schuljahres 2004/05 betrug 41 Stunden wöchentlich.
aa) Die Arbeitspflicht der Klägerin wurde nicht durch die in § 6 Abs. 5 des Arbeitsvertrags genannten 23 Unterrichtsstunden erfüllt. Vielmehr richtet sich die Dauer der vertraglichen Arbeitszeit nach der Verweisung in § 5 des Arbeitsvertrags. Dessen § 6 Abs. 5 stellt nur einen Hinweis auf die bei Vertragsschluss geltende Pflichtstundenzahl dar (vgl. nur BAG 12. September 2006 – 9 AZR 675/05 – BAGE 119, 248, 252 ff.).
bb) Nach § 5 des Arbeitsvertrags der Parteien richtete sich die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin grundsätzlich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) einschl. dessen Änderungen und Zusatzvereinbarungen. In dem hier maßgeblichen Zeitraum fand nach Nr. 3 der damit ebenfalls in Bezug genommenen Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 l I BAT) die tarifliche Regelung der Arbeitszeit in § 15 BAT keine Anwendung. Für angestellte Lehrkräfte galten vielmehr die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten (Senat 19. Dezember 2007 – 5 AZR 260/07 –, Rn. 10 mwN). Gemäß § 2 der auf Grund der Ermächtigung in Art. 80 Abs. 1 BayBG ergangenen Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst (AzV) vom 25. Juli 1995 (GVBl. S. 409) betrug die regelmäßige Arbeitszeit der Beamten seit dem 1. September 2004 ab Beginn des 51. Lebensjahres bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres 41 Stunden in der Woche (§ 1 Ziff. 1 der Verordnung vom 27. Juli 2004 – GVBl. S. 347). Die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag ist wirksam (Senat 19. Dezember 2007 – 5 AZR 260/07 –, Rn. 8) und hält einer AGB-Kontrolle stand (Senat 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 –, Rn. 19 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18; BAG 29. August 2007 – 4 AZR 561/06 –, Rn. 34).
cc) Die Parteien haben eine Vollzeitbeschäftigung vereinbart. Das steht zwischen ihnen außer Streit und ist vom Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei im Einzelnen ausgeführt worden. Die Klägerin hatte danach im hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Juli 2005 41 Stunden wöchentlich zu arbeiten.
b) Die Klägerin hat im Schuljahr 2004/05 nicht mehr als 39 Stunden und 20 Minuten wöchentlich gearbeitet.
aa) Die drei Aufsichtsstunden je 45 Minuten stellen einschl. der Pausenzeiten insgesamt Arbeit im Umfang von zwei Stunden und 30 Minuten dar. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, diese Arbeit müsse im Rahmen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit besonders gewichtet werden. Vielmehr fallen Vor- und Nachbereitungstätigkeiten oder sonstige Zusammenhangstätigkeiten bei der Lernaufsicht nicht an.
bb) Die Beklagte räumt ein, mit den 22 Unterrichtsstunden nebst den Zusammenhangstätigkeiten habe die Klägerin 36 Stunden und 40 Minuten gearbeitet. Das ergebe sich aus der Unterrichtsverpflichtung von 24 ½ Stunden einer mit 41 Stunden/Woche in Vollzeit arbeitenden Lehrkraft und der hieran anknüpfenden sog. 100-Minuten-Regelung. Die Klägerin hat zwar gemeint, diese Regelung könne eigentlich nur im öffentlichen Dienst, nicht für private Schulen gelten. Sie hat aber nicht vorgetragen, ihre Unterrichtsleistung müsse in bestimmter Art und Weise höher gewichtet werden. Nach den Darlegungen der Klägerin kann keinesfalls angenommen werden, sie habe im Zusammenhang mit ihren 22 Unterrichtsstunden je 45 Minuten mehr als 36 ⅔ Zeitstunden gearbeitet. Die Klägerin durfte sich nicht darauf beschränken, die Geltung der Umrechnungsregelung zu bestreiten. Vielmehr ist sie darlegungs- und beweispflichtig, wenn sie geltend macht, der Unterricht sei höher zu gewichten. Dem wird ihr Vortrag nicht gerecht.
cc) Hiervon abgesehen umfasst der Verweis in § 5 des Arbeitsvertrags auch die öffentlich-rechtlichen Regelungen über die Unterrichtspflichtzeit der Lehrer an Realschulen einschl. der hier maßgebenden Konkretisierung der Arbeitszeit durch die Bekanntmachung des Kultusministers vom 19. August 2004 (KWMBl. I S. 306). Mit dieser vertraglichen Regelung soll eine Gleichstellung der Klägerin mit den angestellten und beamteten Lehrern des öffentlichen Dienstes erreicht werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Parteien auf eine eigenständige Konkretisierung der Arbeitszeit verzichtet haben und letztlich die Bestimmung der Unterrichtspflichtstunden dem Freistaat Bayern als dem Dienstherrn der beamteten Lehrer überlassen haben. Denn bei der Festsetzung der Pflichtstundenzahl für beamtete Lehrkräfte sind die Grenzen billigen Ermessens zu wahren (BAG 15. Dezember 2005 – 6 AZR 227/05 – BAGE 116, 346, 349 ff., 351; speziell für Bayern: 13. Juni 2006 – 9 AZR 588/05 –, Rn. 20 bis 22, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 30 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 21; 12. September 2006 – 9 AZR 675/05 – BAGE 119, 248, 251; Senat 8. November 2006 – 5 AZR 5/06 –, Rn. 17, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 177 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 10, alle mwN). Die Klägerin hat eine Verletzung der Grenzen des billigen Ermessens nicht annähernd dargelegt. Ihre Arbeitspflicht wurde ebenso wie die der im öffentlichen Dienst beschäftigten Realschullehrer wirksam auf 24 ½ Unterrichtsstunden konkretisiert.
2. Darüber hinaus ist die Klägerin der Auffassung, die beanspruchte Vergütung stehe ihr zu, weil sie die versprochenen Dienste anderweitig, nämlich durch zusätzliche Arbeiten geleistet habe. Sie hat sich insoweit auf Arbeitstätigkeiten neben dem Unterricht und der Lernstundenaufsicht berufen. Damit hat sie aber nicht schlüssig vorgetragen, sie habe im vollen Umfang ihrer vertraglichen Wochenarbeitszeit gearbeitet; denn bei den aufgeführten Tätigkeiten handelt es sich nicht um zusätzliche Arbeiten, sondern überwiegend um Zusammenhangstätigkeiten mit dem Unterricht oder um Tätigkeiten, die an die Stelle des Unterrichts treten, aber zeitlich nicht wie Unterricht gewichtet werden. Zudem hat die Klägerin die Dauer der angeblich zusätzlichen Arbeiten nicht genannt. Ob sie bis zu drei Vertretungsstunden im Monat ohne zusätzliche Vergütung ableisten muss, bedarf danach keiner Entscheidung.
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 611 Abs. 1 in Verb. mit § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte ist nicht mit der Annahme der Arbeitsleistung im Umfang von einer Unterrichtsstunde wöchentlich in Verzug gekommen. Vielmehr hat die Klägerin eine vertraglich geschuldete, billigem Ermessen genügende und zeitlich der Unterrichtslücke entsprechende Arbeitsleistung abgelehnt.
1. Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293 BGB). Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben unter Hinweis auf die Entscheidung des Neunten Senats vom 19. Januar 1999 (– 9 AZR 679/97 – BAGE 90, 329) ein Angebot der Klägerin als nach § 296 BGB entbehrlich angesehen. Dem ist nicht zu folgen. Zwar kann die Klägerin Arbeitsleistungen erst erbringen, wenn die Beklagte einen Stundenplan aufgestellt und die Klägerin zur Arbeit eingeteilt hat. Doch ist hierfür nicht eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Die Beklagte kann die Lage der Arbeitszeit, insbesondere einzelner Stunden, um die es hier nur geht, jederzeit nach den schulischen Erfordernissen bestimmen. Im ungekündigt bestehenden Arbeitsverhältnis ist § 296 BGB regelmäßig unanwendbar (Senat 25. April 2007 – 5 AZR 504/06 –, Rn. 19, AP BGB § 615 Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 20). Andererseits bedurfte es keines tatsächlichen Angebots (§ 294 BGB). Ein wörtliches Angebot der Klägerin, eine weitere Unterrichtsstunde leisten zu wollen, genügte, weil die Beklagte bei und durch Erstellung des Stundenplans erklärt hatte, sie werde diese Leistung nicht annehmen, und weil für die Ableistung der weiteren Unterrichtsstunde eine Ergänzung des Stundenplans erforderlich war (§ 295 Satz 1 BGB). Besteht zwischen den Arbeitsvertragsparteien Streit darüber, welche Arbeit erfüllungstauglich ist, bedarf es keines tatsächlichen Angebots der vom Arbeitgeber bereits als erfüllungsuntauglich eingestuften Arbeit.
2. Annahmeverzug der Beklagten liegt auch dann nicht vor, wenn die Klägerin die Leistung einer weiteren Unterrichtsstunde angeboten hat.
a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob die Klägerin die Leistung einer weiteren Unterrichtsstunde wörtlich angeboten hat. Dies liegt freilich nahe, da sie erst im Prozess mit Erfüllung argumentiert hat, davor aber nur das Ansinnen abgelehnt hat, weitere Lernstundenbetreuung statt Unterricht zu übernehmen. An ein konkludentes Angebot sind in diesem Zusammenhang keine hohen Anforderungen zu stellen.
b) Jedoch ist die Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 in Verb. mit § 6 Abs. 2 GewO Sache des Arbeitgebers. Verlangt der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeit in rechtlich einwandfreier Art und Weise, kommt er nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer diese Arbeit ablehnt und stattdessen eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet. Wie ausgeführt durfte die Beklagte von der Klägerin außer der schon zugewiesenen Arbeit im Umfang von 22 Unterrichtsstunden nebst drei Betreuungsstunden noch Arbeit im Umfang von 100 Minuten verlangen. Zeitlich entspricht das zwei Betreuungsstunden je 45 Minuten zuzüglich einer zehnminütigen Pause. Die Beklagte durfte auch zwei weitere Betreuungsstunden zuweisen, obwohl die Klägerin bereits drei Betreuungsstunden übernommen hatte.
aa) Der Inhalt der Arbeitspflicht eines Arbeitnehmers ergibt sich in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag. Das Landesarbeitsgericht hat den Vertrag nicht ausgelegt, sondern ist ohne Begründung davon ausgegangen, die Klägerin schulde nur Unterricht einschl. der damit verbundenen Zusammenhangstätigkeiten, es habe deshalb zur Ersetzung durch andere Tätigkeiten einer wirksamen allgemeinen Regelung im Arbeitsvertrag oder einer speziell auf die Ersetzung bezogenen Abrede der Parteien bedurft. Der Senat kann den Vertrag demgegenüber unabhängig davon, inwieweit es sich um eine typische Regelung handelt, selbst auslegen; denn der maßgebliche Auslegungsstoff steht fest.
bb) Die Klägerin ist als “Lehrkraft” eingestellt worden. § 6 Abs. 5 des Arbeitsvertrags nennt eine bestimmte regelmäßige Pflichtstundenzahl. Konkrete Aufgaben werden darüber hinaus nicht festgelegt. Hieraus lässt sich nicht schließen, die Arbeitspflicht erschöpfe sich in der Unterrichtserteilung und den sog. Zusammenhangstätigkeiten. Die Pflichtstundenzahl begrenzt vielmehr nur den zeitlichen Umfang der Arbeitspflicht. Dem Inhalt nach schuldet der Lehrer alle Dienstleistungen, die üblicherweise mit der Aufgabenstellung eines Lehrers an einer allgemeinbildenden Schule verknüpft sind (BAG 26. April 1985 – 7 AZR 432/82 – BAGE 48, 327, 333 f. – Klassenfahrten). Mangels näherer Festlegung sind das Berufsbild des betreffenden Fachlehrers und die bei Vertragsschluss für beide Seiten erkennbaren Umstände maßgebend. Die Unterrichtserteilung ist die Regel, von der aber durchaus Ausnahmen bestehen können.
cc) Die Lehrkraft an einer Ganztagsschule muss in angemessenem Umfang Lernstundenaufsicht übernehmen.
Die Aufgabenstellung einer allgemeinbildenden Schule erschöpft sich nicht in der Vermittlung von spezifischem Fachwissen in den einzelnen Unterrichtsfächern. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule erfordert in der heutigen Gesellschaft und angesichts der modernen Arbeitswelt in einem bestimmten Umfang auch die qualifizierte Betreuung der Schüler in Ganztagsschulen. Eine Lernstundenaufsicht am Nachmittag durch fachlich und pädagogisch befähigte Lehrkräfte prägt den Charakter einer Ganztagsschule und kann entscheidend zu ihrem guten Ruf beitragen; das gilt gerade dann, wenn die Aufsicht führenden Lehrer selbst an der Schule unterrichten, die Schüler kennen und deren “Hausaufgaben” punktuell begleiten und betreuen. Diese Umstände sind nicht ohne Einfluss auf das durch die Arbeitsaufgaben geprägte, gesetzlich und tariflich nicht abschließend festgelegte Berufsbild des Lehrers. Die Lernstundenaufsicht ist dem Berufsbild des Lehrers nicht fremd. Dessen Arbeitsaufgabe muss sich insgesamt auf den Dienst als Lehrkraft beziehen, die “Wertigkeit” der einzelnen Tätigkeit ist kein geeignetes Abgrenzungskriterium (vgl. BAG 16. Oktober 2007 – 9 AZR 144/07 –, Rn. 45 ff., 48, ZTR 2008, 208, 209).
Schließt der Lehrer einen Arbeitsvertrag mit dem Träger einer Ganztagsschule, ergeben die Umstände, dass zum Inhalt der Arbeitspflicht in angemessenem Umfang auch die Lernstundenaufsicht gehört. Ein Anteil von zehn Prozent der Gesamtarbeitszeit ist im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der außerunterrichtlichen Tätigkeiten regelmäßig nicht unangemessen. Damit wird nicht in Frage gestellt, dass die den Kern des Lehrerberufs ausmachende Unterrichtstätigkeit deutlich überwiegt. Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags hat sich die Klägerin in das pädagogische Konzept der Ganztagsschule der Beklagten eingeordnet und die bezeichneten Pflichten übernommen.
dd) Unter Einbeziehung der typischen Vertragszwecke, wie sie von verständigen und redlichen Vertragsparteien verfolgt werden, besteht an der Vertragsauslegung kein Zweifel iSv. § 305c Abs. 2 BGB. Eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aus, weil nicht eine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) zu beurteilen ist, sondern unmittelbar die Hauptleistung der Klägerin festgelegt wird. Eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 in Verb. mit Abs. 3 Satz 2 BGB liegt nicht vor. Das Transparenzgebot verlangt von dem Verwender nicht, alle möglichen Konkretisierungen der Arbeitspflicht und des Weisungsrechts ausdrücklich zu regeln. Vielmehr ist das Weisungsrecht gem. § 106 GewO Ausfluss und Folge der vertraglichen Festlegung der Arbeitspflicht. Die Vertragsparteien können es dabei belassen. Nach diesem Maßstab ist die Festlegung der Arbeitspflicht im Streitfall unter Berücksichtigung der Begleitumstände des Vertragsschlusses (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB) und der begrenzten Möglichkeiten für eine Konkretisierung im Vorhinein ausreichend transparent (vgl. Senat 13. Juni 2007 – 5 AZR 564/06 –, Rn. 29, 30, EzA GewO § 106 Nr. 2 mwN).
ee) Aus den speziellen Regelungen des Arbeitsvertrags und seinen Verweisen auf andere Bestimmungen lässt sich demgegenüber für die Verpflichtung zur Lernaufsicht weder positiv noch negativ etwas gewinnen.
§ 3 des Arbeitsvertrags verweist auf die Pflichten, die einem Lehrer an einer vergleichbaren öffentlichen Schule obliegen, sowie auf die Anforderungen der für staatlich anerkannte Schulen geltenden Gesetze und Ordnungen. In Betracht kommen die §§ 5 und 9, ggf. in Verb. mit § 40 der Dienstordnung für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern (LDO) vom 24. August 1998 (KWMBl. I S. 466). Während § 5 LDO lediglich die allgemeine Aufsichtspflicht und die Aufsicht im Zusammenhang mit dem Unterricht und sonstigen schulischen Veranstaltungen betrifft, fordert § 9 LDO erzieherischen Einsatz auch außerhalb des Unterrichts, ohne bei der Regelung der Einzelpflichten nach Abs. 3 (“insbesondere”) die Lernaufsicht zu erwähnen. § 9a LDO, der ausdrücklich das Profil der Schule im Zusammenhang mit den außerunterrichtlichen Aufgaben nennt, ist erst am 1. August 2005 in Kraft getreten. Art. 31 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen regelt zwar eine Mittagsbetreuung an Schulen, aber nicht durch wen.
Ebenso ergibt die Verweisung auf den BAT und die SR 2 l BAT gem. § 5 des Arbeitsvertrags nichts. Die Tarifregelungen begründen keine spezifischen Arbeitspflichten. Das gilt auch für § 8 Abs. 2 BAT, der das Weisungsrecht des Arbeitgebers im Rahmen der allgemeinen Grundsätze umschreibt.
ff) Die Weisung der Beklagten entsprach billigem Ermessen, §§ 106, 6 Abs. 2 GewO. Das kann der Senat selbst abschließend entscheiden. Die Klägerin hat keine billigem Ermessen entgegenstehenden Gesichtspunkte vorgebracht. Sie hat nicht einmal geltend gemacht, die von ihr verlangte Lernaufsicht im Umfang von ca. zehn Prozent der Arbeitszeit habe über dem Durchschnitt des gesamten Lehrerkollegiums gelegen. Vielmehr hat sie dem Vortrag der Beklagten, der Durchschnitt im Kollegium habe bei zwölf Prozent gelegen, nicht widersprochen. Besondere Umstände, die gegen den vorgesehenen Einsatz der Klägerin sprechen, sind nicht ersichtlich. Es geht nicht an, dass die Klägerin die Beklagte über § 106 GewO zwingt, von dem Konzept einer qualifizierten Lernaufsicht abzugehen. Die Einstellung einer weiteren Lehrkraft mit der Fächerkombination der Klägerin zum Schuljahr 2004/05 änderte nichts daran, dass die Lernaufsichtsstunden anfielen und auf das Lehrerkollegium zu verteilen waren. Die Beklagte musste nicht etwa die neue Kollegin vorrangig mit Lernaufsicht betrauen. Sie hat zudem die Pausen zwischen den Lernaufsichtsstunden als Arbeitszeit berücksichtigt, die Klägerin hätte statt 100 Minuten Arbeit nur zweimal 45 Minuten Lernaufsicht führen sollen.
c) Da die Klägerin die ihr angetragene Arbeit abgelehnt hat, ist die Beklagte nicht in Annahmeverzug geraten. Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe die Lernstundenbetreuung gar nicht zugewiesen, liegt neben der Sache. Da die Klägerin die Zuteilung abgelehnt hat, brauchte die Beklagte einen entsprechenden Plan nicht aufzustellen. Die Klägerin hätte ihre etwaige Leistungsbereitschaft mittels Aufforderung zur Aufnahme in den Lernstundenbetreuungsplan wieder anzeigen müssen, § 295 Satz 1 und 2 BGB.
III. Die Klägerin hat gem. § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Laux, Kremser, Ilgenfritz-Donné
Fundstellen
Haufe-Index 2010627 |
BAGE 2009, 316 |
DB 2008, 1573 |
EBE/BAG 2008, 106 |
FA 2009, 1 |
FA 2009, 9 |
NZA 2009, 60 |
NZA 2009, 63 |
ZTR 2008, 498 |
AP, 0 |
MDR 2008, 1045 |
NZA-RR 2008, 551 |
RiA 2009, 66 |
AUR 2008, 320 |