Prof. Dr. Stefan Müller, Lina Warnke
Rz. 134
§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB schreibt die periodengerechte Erfassung von Aufwendungen und Erträgen vor. Anders als bei einer Einnahmenüberschussrechnung i. S. v. § 4 Abs. 3 EStG, die für Steuerpflichtige ohne gesetzliche Buchführungs- und Abschlusserstellungspflicht eine Gewinnermittlung aus der Saldierung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben gestattet, hat die Gewinnermittlung unabhängig von den zugehörigen Zahlungszeitpunkten zu erfolgen. Neben dem Grundsatz der Periodenabgrenzung i. e. S. stellt die Vorschrift auch einen Bezug zwischen den Aufwendungen und Erträgen sowie dem jeweiligen Zahlungsvorgang her (Grundsatz der Pagatorik bzw. Periodenabgrenzung i. w. S.). Entsprechend sind nur Aufwendungen und Erträge zu erfassen, die bereits auf Zahlungen zurückzuführen sind oder zu einem späteren Zeitpunkt einen Zahlungsvorgang auslösen bzw. auslösen sollen. Die Berücksichtigung kalkulatorischer Verrechnungen scheidet aus.
Rz. 135
Die Normierung innerhalb des § 252 HGB ist dabei insofern irreführend, als dass der Grundsatz nicht bewertungsbezogen ist. Auch ist infolge der Verwendung des Begriffs "Zahlungen" im Kontext des § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB auf die Abgrenzung des Begriffs Zahlungen und damit letztlich dessen Ausprägungen ("Auszahlungen" und "Einzahlungen") von den Begriffen "Ausgaben" und "Einnahmen" zu achten. Während unter Ausgaben/Einnahmen Veränderungen des Nettogeldvermögens zu verstehen sind, umfassen Aus- und Einzahlungen Veränderungen des Bestands an liquiden Mitteln.
Maßgeblich für die Erfolgsermittlung bzw. deren Periodenzuordnung ist damit nicht (erst) der Zeitpunkt, in dem ein Rechtsanspruch bzw. eine Rechtsverpflichtung entsteht oder die liquiden Mittel zu- oder abfließen, wobei Deckungsgleichheit der Zeitpunkte natürlich gegeben sein kann.
Rz. 136
Nicht weiter konkretisiert ist in § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB wie in Folge der Vorgabe zur Erfolgsermittlung unabhängig von den zugehörigen Zahlungszeitpunkten bei der periodengerechten Erfassung von Aufwendungen und Erträgen vorzugehen ist. In Konsequenz hat sich in Schrifttum und Rechtspraxis die Anwendung des Verursachungsprinzips herauskristallisiert, wobei sich die Anwendung dieses Prinzips letztlich auf die Periodisierung von Aufwendungen beschränkt.
Für die Ertragsperiodisierung ist das Realisationsprinzip maßgeblich (Rz 109 ff.) – der Zeitpunkt der Verursachung der Aufwendungen liegt regelmäßig vor der Ertragsentstehung und Ertrags- sowie Gewinnrealisation liegen entsprechend zeitlich auf gleicher Ebene. Umstritten ist, inwieweit das Realisationsprinzip dabei nur den Gewinn i. e. S., d. h. den positiven Unterschiedsbetrag aus Verwertungsertrag und nachkalkulierten Vollkosten, oder auch negative Erfolgsbeiträge erfasst (Gewinn i. w. S.). Die Beschränkung des Realisationsprinzips auf den Gewinn i. e. S. erfordert die nachgelagerte Einführung eines weiteren (nicht kodifizierten) Grundsatzes – konkret des Grundsatzes der Abgrenzung der Sache und der Zeit nach. Nicht zuletzt deshalb wird hier die Anwendung des Gewinns i. w. S. favorisiert (Rz 110).
Rz. 137
Aus dem Verursachungsprinzip folgt die Erfassung von (ggf. nicht vom Realisationsprinzip abgedeckten) Aufwendungen in der Periode der wirtschaftlichen Verursachung. Letztlich handelt es sich erneut um ein Prinzip mit Konkretisierungsbedarf und mangelnder eindeutiger Bestimmbarkeit, d. h. i. E. mit Ermessensspielräumen.
Ermessensspielräume im Kontext des Verursachungsprinzips
Sachverhalt
Eines der Schiffe des Offshore-Transportunternehmens C ist am 1.2. in einem schweren Sturm in der Nordsee auf eine Sandbank aufgelaufen. Das Schiff wurde schwer beschädigt. Bereits am 28.12. des vorherigen Gj ist das Bugstrahlruder ausgefallen – die Reparatur in der Werft war für Mitte Februar angesetzt. Am 26.1. ist zudem das Echolot ausgefallen.
Beurteilung
Eine eindeutige Periodenzurechnung der Aufwendungen ist – zumindest auf Basis der vorliegenden Informationen – nicht möglich. Sowohl das defekte Bugstrahlruder als auch das defekte Echolot können die Havarie verursacht haben. In Abhängigkeit der Argumentation über die Auswirkungen der beiden Defekte kann sich eine wirtschaftliche Verursachung sowohl in der vergangenen als auch der aktuellen Periode ergeben.
Rz. 138
Liegt den Aufwendungen nicht ein Verursachungsereignis, sondern eine Ursachenkette zugrunde, ist der Periodisierung das letzte Ereignis der Kette zugrunde zu legen.
Einschränkend ist zu berücksichtigen, wenn die rechtliche Entstehung einer Verpflichtung bis zum Bilanzstichtag erfolgt ist, die wirtschaftliche Verursachung aber in einer späteren Periode zu verorten ist. In diesen Fällen ist die Periode der rechtlichen Entstehung maßgeblich.