Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung gegen die öffentliche Hand
Leitsatz (NV)
Die Verfügung der Vollstreckung gegen die öffentliche Hand gemäß den §§ 152 Abs. 1 Satz 1, 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt deren Verurteilung zu einer Geldleistung voraus. Hat das FG aufgrund einer Anfechtungsklage einen Abrechnungsbescheid des FA geändert und darin ein Erstattungsguthaben zugunsten des Klägers ausgewiesen, so liegt darin nicht die Verurteilung zu einer Geldleistung. Es handelt sich vielmehr um ein Gestaltungsurteil, das bezüglich des Hauptausspruches einer Vollstreckung nicht fähig ist.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 2 S. 1, §§ 151, 152 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erstritt als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma X (Gemeinschuldnerin) gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (FA), ein inzwischen rechtskräftiges Urteil des FG mit dem Tenor: "Die Abrechnungsbescheide des Beklagten vom ... über Gewerbesteuer ... der Firma X und die Einspruchsentscheidung vom ... werden in der Weise geändert, daß erstattungsfähige Restguthaben für ... in Höhe von ... DM und für ... in Höhe von ... DM ausgewiesen werden." Damit entsprach das FG dem nach einem Erörterungstermin entsprechend geänderten Antrag des Antragstellers, der ursprünglich neben der Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen auch die Verurteilung des FA zur Auszahlung der Gewerbesteuerguthaben beantragt hatte.
Mit Antrag vom ... beantragte der Antragsteller gemäß § 152 FGO beim FG die Verfügung der Zwangsvollstreckung auf Zahlung von ... DM aus dem genannten rechtskräftigen Urteil. Zur Begründung trug er u. a. vor, das FG müsse die Vollstreckung verfügen, da das FA die Auszahlung der Restguthaben unter Berufung auf eine zwischenzeitlich erklärte Aufrechnung mit einer Umsatzsteuerforderung verweigere.
Das FG wies den Antrag als unzulässig ab, weil das auf eine Anfechtungsklage hin ergangene rechtskräftige Urteil bezüglich der Hauptentscheidung keinen vollstrekungsfähigen Tenor aufweise. Es handele sich vielmehr um ein Gestaltungsurteil, welches den angefochtenen Verwaltungsakt seinem Inhalte nach geändert (Ausweisung eines Erstattungsguthabens im Abrechnungsbescheid) und damit die Rechtslage von sich aus bereits gestaltet habe. Da das Urteil das FA nicht dazu verurteile, einen Geldbetrag an den Antragsteller zu zahlen, könne aus ihm nicht die Vollstreckung des begehrten Erstattungsbetrages verfügt werden.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller unter Hinweis auf die -- seiner Ansicht nach widerspruchsvolle -- Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der Frage, ob nach Festsetzung des Abrechnungsbetrags für das FA eine Zahlungspflicht bestehe oder erst noch eine besondere Klage auf Leistung erforderlich sei, in erster Linie geltend, das FG habe nach der von ihm selbst im Urteil vom ... festgestellten Erstattungspflicht für die Erstattung durch das FA zu sorgen. Jedenfalls sei aber der Antrag vom ... dahingehend auszulegen gewesen, daß die Fortsetzung des Rechtsstreites ... begehrt werde, weil der Antrag ersichtlich auf Leistung des Erstattungsbetrages gerichtet gewesen sei. Das Urteil des FG sei lediglich ein Teilurteil, und der Rechtsstreit über den Leistungsantrag sei folglich noch anhängig.
Der Antragsteller beantragt, den angefochtenen Beschluß des FG aufzuheben und das FG anzuweisen, die Vollstreckung aus dem Urteil des FG vom ... zu verfügen, hilfsweise den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das FG anzuweisen, dem Rechtsstreit ... zur Entscheidung über die Leistungsklage Fortgang zu geben.
Das FA hält den Hauptantrag für unbegründet, weil aus einem Gestaltungsurteil nur wegen der Kosten vollstreckt werden könne, und den Hilfsantrag für unzulässig, da entsprechende Rügen entweder durch Einlegung von Rechtsmitteln gegen das genannte Urteil oder durch ein beim FG anzustrengendes Wiederaufnahmeverfahren hätten geltend gemacht werden müssen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Verfügung der Vollstreckung wegen einer Geldforderung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 FGO durch das FG als Vollstrekungsgericht (§ 151 Abs. 1 Satz 2 FGO) kommt nur "im Falle des § 151" in Betracht. Sie knüpft damit an den konkreten Inhalt des für die Vollstreckung im Einzelfall maßgebenden Titels an (Senatsbeschluß vom 23. Oktober 1990 VII B 205/89, BFH/NV 1991, 690).
Hiernach muß eine der in § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts bzw. eine diesen Einrichtungen zugehörige Behörde (§ 63 FGO) aus einem der in § 151 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Titeln (vgl. Senatsbeschluß vom 30. Januar 1973 VII B 128/71, BFHE 108, 479, BStBl II 1973, 499) zu einer Leistung (hier: Geldleistung) verurteilt worden sein (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 151 Anm. 1; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 151 FGO Tz. 1). Im Streitfall geht es allein darum, ob das Urteil des FG als rechtskräftige Entscheidung (§ 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ein Leistungsurteil in diesem Sinne ist.
Der Senat folgt der Auffassung der Vorinstanz, wonach das vorbezeichnete Urteil kein Leistungs-, sondern ein Gestaltungsurteil ist. Nach dessen Tenor wird das FA nicht zu einer Leistung, also auch nicht zu einer Zahlung, verurteilt. Es werden vielmehr, indem nun im Gegensatz zur Ausgangslage erstattungsfähige Restguthaben ausgewiesen werden, die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen in ihrem In halt mit unmittelbarer Rechtswirkung abgeändert, die Rechtslage also gestaltet. Es liegt ein typischer Fall des § 100 Abs. 2 Satz 1 zweite Alternative FGO vor. Der Antragsteller hat mit seiner Klage, die sich im Zeitpunkt der Entscheidung für das FG objektiv als Anfechtungsklage darstellte, die Änderung der Abrechnungsbescheide des FA und damit die Änderung von Verwaltungsakten beantragt, die auf Geldbeträge bezogene Feststellungen enthielten. Das FG hat in seinem Urteil die in den Abrechnungsbescheiden getroffenen Feststellungen durch andere ersetzt. Daraus allein ergibt sich aber keine Verurteilung des FA zur Leistung der in Rede stehenden Geldbeträge. Insoweit ist daher eine Vollstreckung aus dem FG-Urteil nicht möglich.
Das entspricht der in § 151 Abs. 3 FGO getroffenen Regelung, wonach Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden können. Bezüglich des Hauptausspruches sind solche Urteile einer Vollstreckung nicht fähig. Hatte die Klage keinen Erfolg oder führte sie lediglich zu einer Abänderung des angefochtenen Verwaltungsakts, bleibt dieser ursprüngliche Verwaltungsakt und das hier auf beruhende Leistungsgebot, freilich nach Maßgabe der finanzgerichtlichen Entscheidung, Grundlage der Vollstreckung. Führte die Klage hingegen zur rechtskräftigen Aufhebung des Verwaltungsakts, entfällt die Grundlage für eine Verwaltungsvollstreckung nach den §§ 249 ff. der Abgabenordnung (AO 1977), und es sind nach den §§ 150 ff. FGO allenfalls Kosten zwangsweise durchzusetzen (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 150, Anm. 1; von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und zur Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 151 FGO Rz. 7).
Wenn der Gesetzgeber nach dem Regelungsgehalt der §§ 150 ff. FGO im übrigen die Vollstreckung gegen eine Behörde aus Urteilen auf Anfechtungsklagen versagt, weil er offensichtlich davon ausgeht, daß das Urteil von der Finanzbehörde freiwillig befolgt wird (vgl. Senatsurteil vom 16. Juli 1980 VII R 24/77, BFHE 131, 158, 168, BStBl II 1980, 632), so steht dies nicht im Widerspruch zu der vom Senat vertretenen Auffassung, daß Abrechnungsbescheide unter gewissen Voraussetzungen als vollziehbare Verwaltungsakte angesehen werden können (vgl. z. B. Senatsbeschluß vom 10. November 1987 VII B 137/87, BFHE 151, 128, BStBl II 1988, 43). In diesen Fällen ging es um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zugunsten des Steuerpflichtigen zur Verhinderung der Durchsetzung des Regelungsgehalts eines Abrechnungsbescheids durch die Finanzbehörde, nicht jedoch um die zwangsweise Durchsetzung von Erstattungsansprüchen des Steuerpflichtigen gegen die Finanzbehörde. Insoweit sind die vom Gesetzgeber angeordneten unterschiedlichen Regelungen der Vollstreckung zugunsten der Verwaltung (§§ 249 ff. AO 1977, § 150 FGO) und zu Lasten der Verwaltung (§§ 151, 152 FGO) zu beachten.
Nach alldem kann der Antragsteller mit der hinter seinem Hauptantrag stehenden Auffassung, das FG habe nach der von ihm selbst im Urteil vom ... festgestellten Erstattungspflicht für eine Erstattung zu sorgen, nicht durchdringen. Da es bereits an den Vollstreckungsvoraussetzungen nach den §§ 152 Abs. 1 Satz 1, 151 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 fehlt, braucht auf die vom Antragsteller aufgeworfene Frage nach der Verwirklichung von dem Steuerpflichtigen günstigen Abrechnungsbescheiden nicht eingegangen zu werden.
Auch der Hilfsantrag des Antragstellers kann keinen Erfolg haben. Das Vorbringen, das FG habe im Urteil vom ... den Klageantrag nicht ausgeschöpft, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Etwaige Bedenken in dieser Hinsicht hätte der Antragsteller durch Einlegung von Rechtsmitteln gegen dieses Urteil oder durch entsprechende Anträge beim FG vorbringen können und müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 420354 |
BFH/NV 1995, 616 |