Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsbeziehungen bei zum Schein zwischengeschaltetem Unternehmen
Leitsatz (NV)
- Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch ist grundsätzlich derjenige, der nach außen aufgetreten ist, d.h. derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist. In der Regel ergibt sich aus diesem Rechtsgeschäft auch die Höhe des Entgelts. Scheingeschäfte sind unerheblich.
- Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäfts einig sind, wenn sie also das Erklärte nicht wollen. Ob ein derartiges Scheingeschäft vorliegt, ist weitgehend eine Tatfrage, die einer Klärung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2; AO 1977 § 41 Abs. 2 S. 1; UStG § 18
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Abbruchunternehmen. Ihre alleinige Gesellschafterin ist X, die neben Z zugleich Geschäftsführerin ist.
Bei ihr fand eine Steuerfahndungsprüfung statt. Diese kam zum Ergebnis, die Klägerin habe in den Streitjahren 1992 sowie 1994 und 1995 Bagger an ausländische Abnehmer (Firma M1 und Firma M2) "verkauft", die die Bagger ihrerseits kurz darauf zu höheren Kaufpreisen an dritte Abnehmer (Firma K1 und Firma K2) "weiterverkauft" hätten; tatsächlich seien die Unterschiedsbeträge im Wesentlichen von X bzw. Z vereinnahmt worden.
Die Klägerin hatte die Umsätze mit den den ausländischen Abnehmern M1 und M2 in Rechnung gestellten Entgelten versteuert. Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung erhöhte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die Entgelte für die Baggerlieferungen der Klägerin um die Differenz zwischen den den ausländischen Abnehmern (M1 und M2) und den dritten Abnehmern (K1 und K2) in Rechnung gestellten Entgelten.
Die nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klagen hatten im Wesentlichen keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam nach einer Beweisaufnahme zur Überzeugung, dass die Klägerin unmittelbar mit K1 und K2 verhandelt hatte und die Firmen M1 und M2 nur zwischengeschaltet wurden, um zu verschleiern, dass neben den den Firmen M1 und M2 in Rechnung gestellten Entgelten noch weitere Gelder geflossen waren. Es hielt deshalb die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für rechtens, soweit die von K1 und K2 gezahlten Gelder der Klägerin bzw. X oder Z zugeflossen waren.
Das FG ließ die Revision gegen seine Urteile nicht zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit den vorliegenden Beschwerden. Die Klägerin meint, das FG habe die Lieferungen der Bagger an M1 und M2 als Scheingeschäfte beurteilt. Es stelle sich deshalb die Frage, ob es sich um ein Scheingeschäft handele, wenn das vereinbarte und gezahlte umsatzsteuerliche Entgelt wesentlich niedriger sei als das durch das anschließende Liefergeschäft wesentlich höher vereinbarte und gezahlte Entgelt. Diese Frage hänge mit der Frage zusammen, ob das umsatzsteuerrechtliche Entgelt für die Lieferung eines Gegenstands durch einen objektiven Wertmaßstab bestimmt werde. Die Revisionen seien deshalb nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Verbindung der Beschwerdeverfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO.
2. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
a) Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
b) Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung Rechtsfragen aufwirft und sich nicht nur gegen die tatsächliche Würdigung des Sachverhalts durch das FG wendet, bedürfen sie keiner weiteren Klärung mehr durch den BFH, sie sind bereits aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt und aufgrund der von der Klägerin angeführten Vorschrift des § 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eindeutig zu beantworten.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch grundsätzlich derjenige, der nach außen aufgetreten ist, d.h. derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235, m.w.N.). In der Regel ergibt sich aus diesem Rechtsgeschäft auch die Höhe des Entgelts. Scheingeschäfte sind unerheblich (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO 1977).
Nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin unmittelbar mit K1 und K2 an diese die Lieferung zu dem vom FG angenommenen Entgelt vereinbart und M1 und M2 nur zwischengeschaltet, um die wahren Vereinbarungen mit K1 und K2 zu verdecken. Die Klägerin kann im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg geltend machen, es handele sich bei den Vereinbarungen mit M1 und M2 um keine Scheingeschäfte i.S. des § 41 Abs. 2 Satz 1 AO 1977.
Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäfts einig sind, wenn sie also das Erklärte nicht wollen (BFH-Urteil vom 28. Januar 1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655; Klein/ Brockmeyer, Abgabenordnung, § 41 Rz. 23). Ob ein derartiges Scheingeschäft vorliegt, ist weitgehend eine Tatfrage, die einer Klärung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juni 1993 V B 36/93, BFH/NV 1994, 280). Sie hängt im Streitfall ausschließlich von den Vereinbarungen zwischen der Klägerin und K1 und K2 sowie M1 und M2 ab. Diese gingen nach den tatsächlichen Feststellungen des FG dahin, dass der "Verkauf" der Bagger an M1 und M2 tatsächlich nicht gewollt war. Der Umstand, dass das mit M1 und M2 vereinbarte Entgelt wesentlich niedriger war als das mit K1 und K2 vereinbarte Entgelt und unter dem objektiven Wert der Bagger lag, mag zwar bei der tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts durch das FG eine Rolle gespielt haben. Das FG hat aber weder ausdrücklich noch stillschweigend den Rechtsgrundsatz aufgestellt, dass das Entgelt für eine Lieferung dem objektiven Wert des gelieferten Gegenstands entsprechen muss. Der Klägerin ist es insoweit nicht gelungen, in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage herauszuarbeiten, die in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte.
Fundstellen