Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegungserfordernisse
Leitsatz (NV)
1. In einem Rechtsstreit, ob ein Gesellschafterbeschluss (Gewinnverteilungsbeschluss) zur Vermeidung einer Nichtigkeit umgedeutet werden kann, ist nicht klärungsbedürftig, dass ein Gesellschafterbeschluss grundsätzlich der Auslegung fähig ist und dass dabei die Auslegungskriterien der §§ 133, 157 BGB heranzuziehen sind.
2. Wird mit der Beschwerdebegründung letztlich nur geltend gemacht, dass das FG materiell unzutreffend entschieden habe bzw. dass es anders hätte entscheiden müssen, kann dieses Vorbringen, selbst wenn es in der Sache richtig wäre, nicht zur Zulassung der Revision führen.
3. Mit dem Vortrag, dass das FG die die Rechtsansicht der Klägerin stützenden Rechtsgutachten nicht verwertet habe, werden weder aufklärungsbedürftige (konkrete) Tatsachen noch vom FG nicht erhobene Beweismittel benannt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Streitjahr 2000 eine Körperschaftsteuer-Minderung vorzunehmen ist.
In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr deklarierte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine i.S. des § 316 Abs. 1 Satz 1 (i.V.m. § 267) des Handelsgesetzbuchs (HGB) prüfungspflichtige GmbH, einen Jahresüberschuss in Höhe von 3 549 582 DM. In der Anlage WA zur Steuererklärung ist ausgeführt, dass auf Grund eines Gewinnverteilungsbeschlusses vom 10. Mai 2001 Gewinnausschüttungen für 2000 in Höhe von 7 Mio. DM erfolgt sind (Auszahlung am 26. Juni 2001). Der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000 wurde am 25. Mai 2001 erstellt; ein Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers datiert vom 29. Dezember 2001.
In der Gesellschafterversammlung vom 10. Mai 2001 waren nach "eingehender Beratung der wirtschaftlichen Situation und der Bilanzen zum 31. Dezember 2000" folgende Beschlüsse gefasst worden: "1. Die im Entwurf vorliegenden Bilanzen per 31.12.2000 werden genehmigt. 2. Von dem Gewinnvortrag der GmbH per 31.12.1999 wird ein Betrag von DM 7.000.000,00 am 29.06.2001 an die Verwaltungsgesellschaft ausgeschüttet. 3. Der restliche Gewinnvortrag aus 1999 und der Gewinn 2000 werden auf neue Rechnung vorgetragen. 4. Den Geschäftsführern wird Entlastung erteilt." Nach dem Vortrag des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) wurde im Rahmen einer Außenprüfung ein mit dem Datum 11. Mai 2001 versehener Nachtrag vorgelegt: "Anlässlich der heutigen Nachbesprechung, die um 10:00 … begann und bei der alle Gesellschafter anwesend waren, wird klarstellend schriftlich festgehalten, dass es sich bei der gestern beschlossenen Ausschüttung um eine Vorabgewinnausschüttung handelt." In einer Gesellschafterversammlung am 3. Dezember 2002 wurden folgende Beschlüsse gefasst: "1. Nachdem die Bilanz per 31.12.2000 … am 29.12.2001 geprüft und mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk versehen wurde, wird der Jahresabschluss zum 31.12.2000 erneut festgestellt. 2. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass der Gewinnausschüttungsbeschluss vom 10.05.2001 in vollem Umfang nach wie vor Gültigkeit hat. Die Deutung der Gesellschafterversammlung vom 11.05.2001, dass es sich bei der am 10.05.2001 beschlossenen Ausschüttung um eine "Vorabausschüttung" handelt, ist gegenstandslos."
Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz wies die Klage gegen die ohne den Ansatz einer Körperschaftsteuer-Minderung festgesetzte Körperschaftsteuer durch Urteil vom 15. März 2006 1 K 2473/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1278) ab.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorliege, darüber hinaus sei eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und es lägen Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor.
Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen. Die Klägerin hat keinen Revisionszulassungsgrund (§ 115 Abs. 2 FGO) in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Für die erforderliche Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Vielmehr muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 7. Oktober 2004 VIII B 76/04, BFH/NV 2005, 337). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom 26. August 2004 II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625; in BFH/NV 2005, 337; vom 3. November 2004 X B 121/03, BFH/NV 2005, 350, jeweils m.w.N.).
Die Klägerin sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sinngemäß darin, dass zu klären sei, ob der Gesellschafterbeschluss entsprechend dem tatsächlichen Willen der Gesellschafter umgedeutet werden könne (Vorabausschüttungsbeschluss), da offensichtlich sei, dass die dem Wortlaut des Beschlusses entsprechende Deutung (Gewinnverwendungsbeschluss) die rechtliche Folge der Unwirksamkeit auslöse, was wiederum die Herstellung der Ausschüttungsbelastung im Streitjahr ausschließe. Damit hat die Klägerin eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeinem Interesse nicht dargelegt. Denn dass ein Gesellschafterbeschluss grundsätzlich der Auslegung fähig ist und welche Auslegungskriterien (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) dabei heranzuziehen sind, ist nicht klärungsbedürftig. Das FG hat dies auch seiner Entscheidung zugrunde gelegt, hat allerdings im konkreten Fall eine Auslegung bzw. Umdeutung des Beschlusses in einen Vorabausschüttungsbeschluss unter Hinweis auf die im BFH-Urteil vom 23. April 1992 II R 40/88 (BFHE 168, 365, BStBl II 1992, 790) angeführten Kriterien für einen solchen Beschluss abgelehnt. Im Übrigen kann alleine aus dem Umstand, dass mit Blick auf die Umstellung des Körperschaftsteuersystems vom Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Herstellung der Ausschüttungsbelastung von größerer Bedeutung sind, nicht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO abgeleitet werden.
2. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das ist der Fall, wenn das Urteil des FG von Entscheidungen anderer Gerichte abweicht (Divergenz) oder willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (z.B. BFH-Beschluss vom 12. Mai 2005 V B 146/03, BFHE 209, 105, BStBl II 2005, 714). Zur Darlegung einer Divergenz muss unter genauer Benennung einer Entscheidung, von der abgewichen worden sein soll, kenntlich gemacht werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung durch die hier angegriffene Entscheidung vorliegt.
Diesen Anforderungen wurde in der Beschwerdeschrift nicht entsprochen. Eine "Divergenzentscheidung", in der die Umdeutung eines nichtigen Gewinnverteilungsbeschlusses (insoweit wird auf das Senatsurteil vom 22. August 2006 I R 40/05, BFH/NV 2007, 614 verwiesen), der nach seinem Vollzug auch nicht mehr "geheilt" werden kann, in einen die gewünschten Rechtsfolgen auslösenden wirksamen Gesellschafterbeschluss für geboten angesehen wird, wurde von der Klägerin nicht angeführt. Das FG hat im angefochtenen Urteil im Übrigen eine dem Begehren der Klägerin entsprechende Auslegung geprüft, sie aber nach den konkreten Umständen des Sachverhalts abgelehnt. Mit der Beschwerdebegründung wird letztlich nur geltend gemacht, dass das FG materiell unzutreffend entschieden habe bzw. dass es hätte anders entscheiden müssen. Dieses Vorbringen kann, selbst wenn es berechtigt wäre, nicht zur Zulassung der Revision führen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 8. März 2004 VII B 334/03, BFH/NV 2004, 974; Senatsbeschluss vom 2. September 2005 I B 56-59/05, BFH/NV 2006, 96). Insbesondere ist von der Klägerin auch in keiner Weise dargelegt worden, dass ein "schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler" vorliegen sollte.
3. Wird mit Blick auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht, das Gericht habe gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verstoßen und es habe aufklärungsbedürftige Tatsachen ohne Beweisantritt von Amts wegen aufklären müssen, ist die genaue Angabe der Beweismittel erforderlich, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich ihm aber als noch erforderlich hätte aufdrängen müssen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Februar 1991 V B 94/89, BFH/NV 1992, 668; vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332). Daran fehlt es. Mit dem Vortrag, dass das FG die die Rechtsansicht der Klägerin stützenden Rechtsgutachten nicht verwertet habe, werden weder aufklärungsbedürftige (konkrete) Tatsachen noch vom FG nicht erhobene Beweismittel benannt. Es wird von der Klägerin letztlich nicht mangelnde Sachaufklärung gerügt, sondern es wird das vom FG gefundene Ergebnis als unzutreffend angesehen.
Fundstellen