Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Antrags auf PKH; Antrag auf Feststellung höherer verbleibender Verlustabzugsbeträge
Leitsatz (NV)
- Im Hinblick auf die Prozeßlage entspricht es dem Interesse des Antragstellers, seinen persönlich gestellten Antrag nicht bereits als Beschwerde gegen den PKH ablehnenden Beschluß des FG auszulegen, sondern dahingehend, daß PKH begehrt wird für eine noch durch eine postulationsfähige Person einzulegende Beschwerde.
- Eine Klage auf gesonderte Feststellung höherer verbleibender Verlustabzugsbeträge nach § 10d Abs. 3 EStG ist ohne Durchführung des nach § 44 Abs. 1 FGO vorgeschriebenen Vorverfahrens unzulässig.
Normenkette
FGO §§ 142, 44 Abs. 1; EStG § 10d Abs. 3
Tatbestand
I. Der in den Streitjahren getrennt veranlagte Antragsteller erzielte von 1987 bis 1996 aus seiner künstlerischen Tätigkeit Verluste in Höhe von rd. 145 000 DM. Mit Ausnahme der Jahre 1993 und 1995, in denen der Antragsteller Zahlungen seiner Ehefrau als Einnahmen erfaßte, betrugen die Einnahmen jeweils 0 DM. Für die Jahre 1990 bis 1992 fand eine Außenprüfung statt, die zu dem Ergebnis kam, eine Gewinnerzielungsabsicht sei zu verneinen. Nach anschließender Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens wegen Einkommensteuer 1990 bis 1992 wurden die Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit vorläufig angesetzt. Die Einkommensteuer für die Streitjahre 1992 bis 1995 beträgt 0 DM. Für das Streitjahr 1996 wurden die Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit --gleichfalls vorläufig-- mit 0 DM angesetzt. Der Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1995 wurde als unzulässig, der gegen den Bescheid 1996 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit seiner Klage, über die das Finanzgericht (FG) bisher nicht entschieden hat, macht der Antragsteller geltend, seine Nachträge zu den Einkommensteuerbescheiden für 1992 bis 1996 hätten erhebliche Auswirkungen auf den verbleibenden Verlustvortrag. Die mit Schriftsatz vom 14. Januar 1997 vorgetragenen Zahlungen an seine Ehefrau sowie die Einnahmen aus deren Honorarzahlungen an ihn seien steuerlich anzuerkennen. Er strebe einen Totalgewinn an. Für das Klageverfahren beantragte er Prozeßkostenhilfe (PKH) sowie Beiordnung eines Steuerberaters.
Das FG hat den Antrag auf PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage mit Beschluß vom 1. Dezember 1998 abgelehnt.
Am 25. Januar 1999 ging beim FG das folgende persönliche Schreiben des Antragstellers ein:
"Betr.: Az.: ..., Beschluß vom 14. Jan. 1999, zugestellt am 19. 01. 1999
in dem oben näher bezeichneten Verfahren über die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1987 - 1996 beantrage ich Prozeßkostenhilfe sowie die Beiordnung eines Rechtsanwaltes beziehungsweise Steuerberaters."
Selbst eine 12 Jahre andauernde künstlerische Verlusttätigkeit reiche nicht aus, die Ernsthaftigkeit der Gewinnerzielungsabsicht zu bestreiten. Eine weitere Begründung folge nach Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Das FG betrachtete das Schreiben als Beschwerde und half ihr nicht ab.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Senat wertet das beim FG am 25. Januar 1999 eingegangene Schreiben des Antragstellers als Antrag auf PKH und Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten für eine noch einzulegende Beschwerde gegen den Beschluß des FG vom 1. Dezember 1998. Dafür spricht zum einen der Wortlaut, demzufolge nicht die Überprüfung eines FG-Beschlusses, sondern PKH beantragt wird. Darüber hinaus entspricht es im Hinblick auf die Prozeßlage dem Interesse des Antragstellers, den Antrag dahingehend auszulegen, daß dieser sich auf eine von einer postulationsfähigen Person noch einzulegende Beschwerde bezieht (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Juli 1996 V S 7/96, V B 50/96, V B 51/96, BFH/NV 1997, 196).
2. Der Antrag auf PKH ist zulässig.
a) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, daß der Antragsteller sich nicht durch eine der in Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs genannten Personen hat vertreten lassen. Der Vertretungszwang vor dem BFH entfällt für alle Prozeßhandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, also auch für den Antrag auf PKH (BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338, m.w.N.).
b) Es ist für die Zulässigkeit des Antrags auch unerheblich, daß der Antragsteller den Antrag auf PKH beim FG angebracht hat, obwohl für den vorliegenden Antrag auf PKH Prozeßgericht i.S. des § 117 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gemäß § 128 Abs. 1 FGO der BFH ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Tz. 36). Denn was für die Einlegung der Beschwerde (§ 129 Abs. 1 FGO) gilt, muß auch für das sich darauf beziehende PKH-Gesuch Rechtens sein (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Juli 1994 VIII S 1/94, BFH/NV 1995, 92; vom 13. Juli 1995 VII S 1/95, BFH/NV 1996, 10, unter 3. a). Es ist mithin unschädlich, daß der Antrag erst nach Ablauf der Beschwerdefrist beim BFH eingegangen ist.
3. Der Antrag auf PKH ist jedoch unbegründet. Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die beantragte PKH kann deshalb nicht bewilligt werden. Nach § 142 Abs. 2 FGO, § 121 ZPO kommt demnach auch die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten nicht in Betracht.
a) An der Erfolgsaussicht fehlt es allerdings nicht schon deshalb, weil die Frist für die Einlegung der Beschwerde mittlerweile abgelaufen ist, ohne daß der Antragsteller diese durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eingelegt hätte. Der mittellose Beteiligte wird in der Regel bis zur Entscheidung über seinen PKH-Antrag als jemand angesehen, der ohne sein Verschulden an der wirksamen Einlegung des Rechtsmittels verhindert ist (vgl. BFH-Beschluß vom 20. April 1988 X S 13/87, BFH/NV 1988, 728, m.w.N.).
b) Dem Antrag auf Bewilligung von PKH für das Rechtsmittelverfahren kann nicht entsprochen werden, weil bei der gebotenen summarischen Betrachtung (BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217) das FG ohne Rechtsverstoß eine hinreichende Aussicht auf Erfolg für die vom Antragsteller erhobene Klage verneint hat und damit eine noch einzulegende Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluß des FG ebenfalls keine Erfolgsaussicht bietet.
aa) Das FG hat überzeugend dargelegt, daß nach der nunmehr 10 Jahre umfassenden Anlaufzeit keine Aussicht dafür bestehe, daß der Antragsteller mit seiner künstlerischen Tätigkeit noch ein positives Gesamtergebnis erzielen werde. Aus der Fortsetzung der verlustbringenden Tätigkeit könne geschlossen werden, daß der Antragsteller 1996 nicht mit der Absicht Gewinne zu erzielen tätig wurde, sondern aus persönlichen Gründen. Auch die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes kommt daher für 1996 nicht in Betracht.
bb) Die Klage wegen Einkommensteuer 1992 bis 1995 ist mangels Beschwer unzulässig.
cc) Hinsichtlich der gesonderten Feststellung etwaiger höherer verbleibender Verlustabzugsbeträge aus den Jahren 1992 bis 1995 ist die Klage unzulässig, weil es an der Durchführung des nach § 44 Abs. 1 FGO notwendigen Vorverfahrens fehlt. Der Senat weist zur Frage der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs, wenn der Erlaß, die Aufhebung oder die Änderung des Steuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt, auf sein Urteil vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97 (BFHE 187, 523) hin.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; Gerichtsgebühren sind nicht entstanden (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; § 1 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen