Entscheidungsstichwort (Thema)
Empfangender Unternehmer muss für Vorsteuerabzug eindeutig und leicht nachprüfbar aus dem Abrechnungspapier festzustellen sein
Leitsatz (NV)
1. Zur Zulässigkeit einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde muss der Beschwerdeführer dartun, dass das vorinstanzliche Gericht dem angefochtenen Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem ‐ ebenfalls tragenden ‐ abstrakten Rechtssatz einer Entscheidung des BFH abweicht. Das Finanzgericht ist in diesem Sinne nicht von der Rechtsprechung abgewichen, soweit es die Klage deshalb abgewiesen hat, weil die Klägerin wegen eines anderen, in der Nähe angesiedelten Unternehmens gleicher Firma nicht aus dem Abrechnungspapier eindeutig und leicht nachprüfbar als das empfangende Unternehmen festzustellen sei.
2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor, wenn die Entscheidung auf die Würdigung der Gesamtumstände des zur Entscheidung anstehenden Einzelfalles beruht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3; UStG § 14
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 15.01.2007; Aktenzeichen 16 K 165/06) |
Tatbestand
I. Streitig ist der Abzug von Vorsteuern. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine sog. Mantelgesellschaft, war im Handelsregister unter dem Namen "…" (A GmbH) eingetragen. Sie fungierte seit Juni 2005 als Auffanggesellschaft der insolventen Firma "…" (B KG), die insbesondere für den englischen Markt produzierte. Im Hinblick auf die Absatzchancen in England hielt sie es für zweckmäßig ihren Namen in Anlehnung an den der dortigen Vertriebsgesellschaft ("…") in "…" (C GmbH) abzuändern und fasste am 1. Juni 2005 einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss. Seit der Beschlussfassung und Aufnahme des Geschäftsbetriebes firmierte die Klägerin im Geschäftsleben unter der neuen Firma C GmbH. Die Eintragung ins Handelsregister scheiterte jedoch.
In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für Juni bis September 2005 nahm sie Vorsteuern aus Rechnungen in Anspruch, die an die neue Firma C GmbH adressiert waren. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) lehnte den Vorsteuerabzug ab.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Aus den vorgelegten Rechnungen gehe weder hervor, dass die Klägerin Leistungsempfängerin sei, noch könne dies durch Auslegung der Rechnungen und sonstigen Umstände leicht und eindeutig festgestellt werden. Dass mit der verwendeten Firma ausschließlich die Klägerin gemeint sein könne, könne schon deshalb nicht als selbstverständlich unterstellt werden, weil es unstreitig in der Nähe des Sitzes der Klägerin in X eine Firma unter dem gleichlautenden Namen "C GmbH" mit Sitz in Y gebe, die ihre Geschäftstätigkeit unmittelbar nach dem hier vorliegenden Streitzeitraum aufgenommen habe und nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie zuvor bereits unter diesen Namen aufgetreten sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Wird eine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich das Ergebnis trägt, muss hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 18. Juli 2007 VI B 31/07, BFH/NV 2007, 1884; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 28, m.w.N.).
1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Zur Zulässigkeit einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde muss der Beschwerdeführer dartun, dass das vorinstanzliche Gericht dem angefochtenen Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem --ebenfalls tragenden-- abstrakten Rechtssatz der Entscheidung eines anderen Gerichts abweicht. Das setzt voraus, dass der Beschwerdeführer die betreffenden Rechtssätze der Vorentscheidung und des anderen Gerichts so genau bezeichnet, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 48 ff. und § 116 Rz 42 f.).
a) Die Klägerin hat weder einen von der Rechtsprechung des BFH oder eines anderen Gerichts abweichenden Rechtssatz dargetan, noch dargelegt, dass der angefochtenen Entscheidung ein solcher zugrunde liegt. Tatsächlich ist das FG auch von der Rechtsprechung des BFH in dem Urteil vom 26. April 2001 V R 50/99 (BFHE 194, 536) und in dem Beschluss vom 2. April 1997 V B 26/96 (BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443) ausgegangen. Es hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin wegen des anderen, in der Nähe angesiedelten Unternehmens gleicher Firma nicht aus dem Abrechnungspapier eindeutig und leicht nachprüfbar als das empfangende Unternehmen festzustellen sei.
b) Die im Stile einer Revisionsbegründung gehaltenen Ausführungen der Klägerin, dass nach der Rechtsprechung des X. Senats des BFH in dem Urteil vom 7. Oktober 1987 X R 60/82 (BFHE 151, 233, BStBl II 1988, 34) für Zwecke des Vorsteuerabzugs in der Rechnung nicht immer der "wirkliche Name" notwendig enthalten sein müsse, dass nach dem BFH-Urteil vom 17. September 1992 V R 41/89 (BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205) nur das im Streitfall nicht gegebene Auftreten unter fremdem Namen oder fremder Firma nicht schützenswert sei und dass eine Mantelverwendung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer Neugründung gleich stehe, für die es auf die Eintragung im Handelsregister nicht ankommen könne, richten sich im Kern gegen die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Damit wird jedoch keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dargetan, sondern nur, dass das FG nach Auffassung der Klägerin falsch entschieden habe. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht zu begründen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Oktober 2004 III B 131/03, BFH/NV 2005, 339; vom 17. Januar 2002 V B 88/01, BFH/NV 2002, 748, und vom 2. November 2006 XI B 116/05, BFH/NV 2007, 424; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55, m.w.N.).
Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin vorträgt, das FG habe verkannt, dass die Nutzung vor Eintragung in das Handelsregister allenfalls unzulässig gewesen sei, sie den Namen C GmbH aber im Rahmen des Geschäftsverkehrs als den ihren verwendet und damit dem Gebot der Firmenwahrheit mehr entsprochen habe als bei einer Verwendung des auf eine Handelsfirma lautenden Namens der Mantelfirma. Auch damit wendet die Klägerin letztlich nur ein, das Urteil sei unrichtig.
2. Die Revision kann auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen sein (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), wenn das Urteil des FG willkürlich oder unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. BFH-Beschluss vom 30. August 2005 III B 22/05, BFH/NV 2006, 88). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Das FG hat zwar den Einwand der Klägerin, das FA verstoße gegen Treu und Glauben, wenn es die Rechnungen nicht anerkenne, gleichwohl aber die unter dem nämlichen Firmennamen C GmbH übermittelten Umsatzsteuervoranmeldungen akzeptiere, mit dem unzutreffenden Hinweis zurückgewiesen, die Klägerin habe dies nicht nachgewiesen. Denn die entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen finden sich in der Umsatzsteuerakte. Das FG hat aber einen etwaigen Anspruch auf Treu und Glauben für den Vorsteuerabzug auch inhaltlich verneint und damit die Zurückweisung des Anspruchs in dem angefochtenen Urteil kumulativ begründet.
Da die verfahrensfehlerhafte Nichtberücksichtigung des Akteninhalts (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Februar 2006 XI B 36/05, BFH/NV 2006, 1846) demnach für die Klageabweisung nicht entscheidungserheblich war, kann die Entscheidung nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin zugleich einen Verstoß des FG gegen die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO rügt.
3. Die Revision ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Wird die Beschwerde --wie im Streitfall-- mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, so muss in der Beschwerdebegründung eine bestimmte --abstrakte-- klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt und --unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur-- deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dargetan werden (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 26, 32, m.w.N.). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor, wenn die Entscheidung auf der Würdigung der Gesamtumstände des zur Entscheidung stehenden Einzelfalles beruht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Oktober 2000 I B 99/99, BFH/NV 2001, 334; vom 18. Oktober 2004 IX B 132/03, BFH/NV 2005, 371, und vom 9. Juni 2005 VII B 12/05, nicht veröffentlicht).
Die Versagung des Vorsteuerabzugs stützt sich im Streitfall maßgeblich auf die Besonderheit, dass es in der Nähe des Sitzes der Klägerin eine Firma unter dem gleichlautenden Namen "C GmbH" mit Sitz in Y gab, die ihre Geschäftstätigkeit unmittelbar nach dem hier vorliegenden Streitzeitraum aufgenommen hatte und es deshalb nach Auffassung des FG nicht ausgeschlossen werden konnte, dass diese zuvor bereits unter ihrem Namen aufgetreten war. Diese konkrete Würdigung des Einzelfalles ist möglich und wäre für ein künftiges Revisionsverfahren als tatsächliche Feststellung i.S. des § 118 Abs. 2 FGO bindend. Denn in Bezug auf die dieser Würdigung zugrunde liegenden Feststellungen hat die Klägerin keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Februar 2008 VI B 40/07, BFH/NV 2008, 955; vom 8. Dezember 1998 XI B 159/97, BFH/NV 1999, 662, und vom 4. Mai 1993 V B 13/93, BFH/NV 1994, 181).
Soweit die Klägerin zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung darauf abstellt, dass die Frage der Rechnungsstellung bei Lieferungen an ein neu gegründetes Unternehmen zu klären sei und die im Ausgangsfall beschriebene Situation --einer beschlossenen, aber gescheiterten Firmenänderung-- in einer Vielzahl vergleichbarer Fallgestaltungen vorkomme, wäre diese Frage wegen der vorgenannten Besonderheiten des Streitfalles in einem Revisionsverfahren nicht klärbar.
Fundstellen