Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der Divergenz bei doppelter Begründung
Leitsatz (NV)
1. Stützt das FG sein Urteil auf mehrere Gründe, muß für eine erfolgreiche NZB hinsichtlich jeder Begründung eine Divergenz dargelegt werden.
2. Mit der Rüge, das FG habe unter Verletzung von § 96 Abs. 1 FGO gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, muß dargelegt werden, inwieweit das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruhen kann.
3. Das FG verletzt seine Untersuchungspflicht nicht, wenn es lediglich als Folge einer (möglicherweise falschen) materiellen Rechtsauffassung eine weitere Sachaufklärung unterläßt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2-3, § 96 Abs. 1, § 76
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), Mutter und zwei Söhne, betreiben eine ärztliche Gemeinschaftspraxis. Mit Wirkung ab 1. April 1984 schlossen die Kläger auf unbestimmte Zeit einen Arbeitsvertrag als Bürohilfe mit S, einer Tante der Klägerin, die damals bereits 81 Jahre alt war. Zum 1. Januar 1989 schlossen sie mit der Ehefrau eines Klägers (N) einen Arbeitsvertrag als Aushilfskraft für Ernährungsberatung und Telefondienst.
Im Anschluß an eine Außenprüfung versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) die steuerliche Anerkennung der Arbeitsverhältnisse und ließ im Rahmen der Gewinnfeststellungen für die Streitjahre 1989 bis 1991 die Lohnaufwendungen nicht zum Abzug als Betriebsausgaben bei der Praxisgemeinschaft zu.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Es nahm an, daß die Kläger Mutter, Vater und Sohn seien, und ging davon aus, daß Frau S im Verhältnis zu den Klägern eine nahe Angehörige sei. Die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an die steuerliche Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses unter nahen Angehörigen stelle, sah das FG als nicht gegeben, weil es unter fremden Dritten undenkbar sei, daß mit einer 81jährigen Frau, die zuvor 50 Jahre im Ausland gelebt habe, ein Arbeitsvertrag als Bürohilfe abgeschlossen werde. Die Zahlungen an Frau S seien auch deshalb keine Betriebsausgaben, weil sie als "Versorgungsaufwand" privat veranlaßt seien. Es sei für das Gericht offensichtlich, daß der "Arbeitsvertrag" nur ein Vorwand zur Ermöglichung der steuerlichen Abziehbarkeit der im eigentlichen Kern gewollten Unterstützungsleistungen für Frau S sei.
Dem Arbeitsverhältnis mit Frau N versagte das FG die steuerliche Anerkennung, weil der Vertrag unter fremden Dritten so nicht abgeschlossen worden wäre. Denn fremde Personen hätten nicht nur eine bestimmte Wochenstundenzahl für die Arbeitsleistung vereinbart, sondern genau beschrieben, welche Arbeitsleistungen im einzelnen erbracht werden müßten. Eine weitere Sachaufklärung brauche deshalb nicht zu erfolgen.
Mit ihrer dagegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf Divergenz und Verfahrensfehler stützen, begehren die Kläger die Zulassung der Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil.
1. Divergenz
a) Abgesehen davon, daß Frau S keine nahe Angehörige der Kläger sei, liege der Entscheidung des FG der konkludent aufgestellte Rechtssatz zugrunde, daß Arbeitsverträgen zwischen nahen Angehörigen allein im Hinblick auf die neben dem eigentlichen Arbeitsvertrag bestehenden persönlichen Gegebenheiten (hier: das hohe Alter von Frau S) steuerlich die Anerkennung verweigert werden könne. Damit weiche das FG u. a. vom Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. November 1989 GrS 1/88 (BStBl II 1990, 160, 164) ab, in dem entschieden sei, daß es bei der Frage nach der Üblichkeit bei einem Ehegatten-Arbeitsverhältnis darauf ankomme, daß dieses "inhaltlich (sachlich)" dem entsprechen müsse, was auch bei Arbeitsverträgen unter fremden Dritten üblich sei.
b) Auch im Rahmen der Begründung, daß die Lohnaufwendungen keine Betriebsausgaben darstellten, weil sie nicht betrieblich, sondern privat veranlaßt seien, weiche das FG von der Rechtsprechung des BFH ab. Den Ausführungen des FG liege konkludent der Rechtssatz zugrunde, daß Aufwendungen dann privat veranlaßt seien, wenn sie subjektiv privaten Zwecken zu dienen bestimmt seien. Damit verkenne das FG die vom BFH aufgestellten Rechtssätze zum Begriff der Veranlassung und weiche u. a. vom BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2--3/88 (BStBl II 1990, 817, 823) ab, nach dem eine betriebliche Veranlassung immer dann gegeben sei, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhingen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt seien. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des FG reiche es nach Auffassung des BFH bei der Prüfung der betrieblichen oder beruflichen Veranlassung nicht aus, allein auf die subjektiven Tatbestandsmerkmale abzustellen, die das FG zudem unzutreffend ermittelt habe.
2. Verfahrensfehler
a) Das FG habe die Verwandtschaftsverhältnisse der Kläger falsch angenommen, weil es sich ausschließlich auf den Inhalt des Außenprüfungsberichts gestützt und den ausdrücklichen Hinweis der Kläger auf die richtigen Verwandtschaftsverhältnisse in der Klageschrift übergangen habe. Auch das FA habe in einem Schriftsatz darauf hingewiesen, daß es insoweit zwischenzeitlich einem Irrtum erlegen sei, habe aber in der Einspruchsentscheidung die verwandtschaftlichen Beziehungen richtig dargestellt. Damit habe das FG gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, worin eine Verletzung des § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu sehen sei. Gleichzeitig habe das FG damit seiner Ermittlungspflicht nicht genügt.
b) Hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses mit Frau N stütze das FG sein Urteil ausschließlich darauf, daß der (schriftliche) Arbeitsvertrag keine genaue Beschreibung der im einzelnen zu erbringenden Arbeitsleistung enthalte. Das Urteil beruhe insoweit auf einem Verfahrensmangel in Form mangelnder Sachverhaltsaufklärung. Da Arbeitsverträge grundsätzlich auch mündlich abgeschlossen werden könnten, hätte das FG aufklären müssen, ob neben dem schriftlichen Arbeitsvertrag noch mündliche Nebenabreden bestanden hätten. Dabei hätte das FG festgestellt, daß vor Beginn des Arbeitsverhältnisses die Arbeitsleistung mündlich genau festgelegt worden sei.
Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Urteil des FG weicht nicht von einer Entscheidung des BFH ab und beruht auch nicht auf einem Verfahrensmangel.
1. Divergenz
a) Der Senat kann offenlassen, ob -- wie die Kläger meinen -- dem finanzgerichtlichen Urteil der Rechtssatz entnommen werden kann, daß einem Arbeitsvertrag zwischen nahen Angehörigen allein wegen des hohen Alters des Beschäftigten die steuerliche Anerkennung versagt werden dürfe. Das FG hat bei seiner Entscheidung nämlich nicht allein auf das hohe Alter der Frau S abgestellt, sondern die Entscheidung weiter damit begründet, daß der abgeschlossene Vertrag in Wahrheit kein Arbeitsvertrag, sondern ein "Versorgungsvertrag" sei. Hat aber das FG sein Urteil auf mehrere Gründe gestützt, so muß hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegen, um die Revisionszulassung aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde aussprechen zu können (vgl. BFH-Beschluß vom 2. September 1987 II B 86/87, BFH/NV 1988, 785). Das ist hinsichtlich der zuletzt genannten Begründung aber nicht der Fall (s. dazu b).
Ob Frau S als nahe Angehörige der Kläger angesehen werden kann oder nicht, ist eine Frage des materiellen Rechts. Auf eine insoweit falsche Rechtsanwendung durch das FG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht gestützt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 27. April 1995 VIII B 112/94, BFH/NV 1995, 1075, m. w. N.).
b) Entgegen der Auffassung der Kläger enthält das Urteil des FG nicht konkludent den Rechtssatz, "daß Aufwendungen dann privat veranlaßt sind, wenn sie subjektiv privaten Zwecken zu dienen bestimmt sind". Vielmehr ist aus den Ausführungen des FG zur betrieblichen Veranlassung des Aufwands zu erkennen, daß es entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 25. Juli 1991 XI R 30, 31/89, BFHE 165, 89, BStBl II 1991, 842) geprüft hat, ob der Arbeitsvertrag zwischen den Klägern und Frau S ernstlich gewollt und vereinbarungsgemäß durchgeführt worden ist. Dabei ist das FG aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände (Alter und Versorgungsbedürftigkeit der Frau S; keine Feststellung einer Arbeitsleistung durch den Lohnsteuerprüfer; steuerlicher "Vorteil" der Kläger durch Betriebsausgabenabzug und Lohnsteuerpauschalierung) zu der Überzeugung gelangt, daß der "Arbeitsvertrag" nur als Vorwand dienen sollte, um die steuerliche Abziehbarkeit der in Wahrheit gewollten Versorgungszahlungen zu ermöglichen.
2. Verfahrensfehler
a) Mit der Rüge, das FG habe unter Verletzung von § 96 Abs. 1 FGO gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, muß -- wie bei jeder Verfahrensrüge -- dargelegt werden, inwieweit das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Dazu haben die Kläger aber keine Ausführungen gemacht. Im übrigen erscheint es nach der Begründung des vorinstanzlichen Urteils auch ausgeschlossen, daß das FG zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn es die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Klägern zutreffend angenommen hätte. Wäre das FG nämlich richtig davon ausgegangen, daß beide Kläger Söhne der Klägerin sind (und nicht einer deren Ehemann), hätte es Frau S ebenfalls als "nahe Angehörige der Kläger" angesehen. Denn ein Sohn der Klägerin ist -- anders als deren Ehemann -- mit der Tante der Klägerin (weitläufig) verwandt.
b) Schließlich rügen die Kläger zu Unrecht einen Verfahrensfehler in Form einer mangelnden Sachaufklärung (§ 76 FGO). Das FG hat seine Untersuchungspflicht deshalb nicht verletzt, weil es lediglich als Folge seiner (möglicherweise falschen) materiellen Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsaufklärung unterlassen hat (vgl. BFH- Urteil vom 1. Juli 1987 I R 284--286/83, BFH/NV 1988, 12). Das FG ist davon ausgegangen, daß allein mangels genauer Umschreibung der Arbeitsleistung im schriftlichen Arbeitsvertrag das Arbeitsverhältnis mit Frau N steuerlich nicht anerkannt werden kann. Legt man diese Rechtsauffassung zugrunde, war aus der Sicht des FG eine weitere Sachaufklärung nicht notwendig.
Fundstellen
Haufe-Index 422233 |
BFH/NV 1997, 782 |