Entscheidungsstichwort (Thema)
Untätigkeitsklage: Rechtsmißbrauch, Zulässigkeit - Adressierung eines Steuerbescheids - Akteneinsicht - Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs.1 FGO (Anfechtungsklage ohne abgeschlossenes Vorverfahren) ist rechtsmißbräuchlich und daher unzulässig, wenn sie zu einem Zeitpunkt erhoben wird, zu dem wegen eines vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Musterverfahrens (hier Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages) weder die Rechtsbehelfsbehörde noch das FG eine Entscheidung in der Sache treffen können.
2. Eine rechtsmißbräuchlich erhobene Untätigkeitsklage kann nicht in die Zulässigkeit hineinwachsen.
Orientierungssatz
1. Eine Untätigkeitsklage ist nicht darauf gerichtet, die Untätigkeit der Behörde im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren zu beenden. Es soll vielmehr bereits vor der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung ein Erfolg in der Sache durch das Gericht ermöglicht werden, wenn die Finanzbehörde das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren unangemessen verzögert.
2. Die Adressierung eines Steuerbescheids an den Kläger zu Händen des Prozeßbevollmächtigten führt nicht zur Ungewißheit oder Unbestimmtheit des Empfängers (vgl. BFH-Urteil 9.8.1991 III R 169/90).
3. NV: Die Gewährung der Akteneinsicht erfolgt grundsätzlich auf der Geschäftsstelle des mit der Streitsache befaßten Gerichts. Die Übersendung der Akten an das FA oder an ein anderes Gericht am Geschäftsort des Prozeßbevollmächtigten steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Das Gericht handelt dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn es die Versendung der Akten ablehnt, weil die Akten bei Gericht benötigt werden oder bei bevorstehender mündlicher Verhandlung eine rechtzeitige Rücksendung der Akten nicht mehr gewährleistet ist.
4. NV: Liegen erhebliche Gründe i.S. von § 227 ZPO für die Aufhebung oder Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung vor, verdichtet sich die in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht, d.h. der Termin muß in diesen Fällen zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs aufgehoben werden, selbst wenn dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird (vgl. BFH-Rechtsprechung).
5. Die Verfassungsbeschwerde wurde gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluß vom 12.6.1995, Az. 2 BvR 1127/92).
Normenkette
AO 1977 §§ 122, 363; FGO § 46 Abs. 1, §§ 74, 78, 155; ZPO § 227
Verfahrensgang
Tatbestand
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1989) vom 10. August 1990. Der unter dem Datum des 21. August 1990 eingelegte Einspruch wurde u.a. damit begründet, daß der Grundfreibetrag zu niedrig sei. Außerdem richtete sich der Einspruch gegen die nach Auffassung des Klägers nicht ordnungsgemäße Adressierung des Steuerbescheides an den Kläger zu Händen des Prozeßbevollmächtigten.
Der Kläger bat in der Einspruchsschrift um die umgehende Übersendung einer klagefähigen Entscheidung. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Mit Schriftsatz vom 24.Juni 1991 erhob der Kläger Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das Finanzgericht (FG) lud zur mündlichen Verhandlung auf den 2.Oktober 1991. Die Ladung wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 4.September 1991 zugestellt.
In einem Schreiben vom 6.September 1991, das am 23.September 1991 beim FG einging, beantragte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) oder beim Amtsgericht X für die Zeit nach dem 26.September 1991. Der Senatsvorsitzende des FG teilte dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers daraufhin mit Schreiben vom 24.September 1991 mit, daß eine Versendung der Akten wegen des bevorstehenden Termins zur mündlichen Verhandlung nicht erfolgen könne. Er stellte dem Prozeßbevollmächtigten anheim, die gewünschte Akteneinsicht am 27. September 1991 in der Geschäftsstelle des FG vorzunehmen. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nahm die Möglichkeit der Akteneinsicht nicht wahr. Er behauptete, das Schreiben über die Gewährung der Akteneinsicht erst am 28.September 1991 erhalten zu haben.
Mit dem Antrag auf Akteneinsicht hatte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers zugleich den Antrag verbunden, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 2.Oktober 1991 aufzuheben, weil die beantragte Akteneinsicht zwischen seinem Urlaubsende am 26.September 1991 und dem 2.Oktober 1991 aus organisatorischen Gründen kaum möglich sei. Diesen Antrag lehnte der Senatsvorsitzende des FG mit Entscheidung vom 24.September 1991 mit der Begründung ab, dem Prozeßbevollmächtigten sei bereits mit Schreiben vom 30.Juli 1991 vor Antritt seines Jahresurlaubs mitgeteilt worden, daß am 2.Oktober 1991 mündliche Verhandlungen über mehrere der von ihm eingereichten zahlreichen Untätigkeitsklagen vorgesehen seien. Wenn er trotzdem keine organisatorischen Vorbereitungen getroffen habe, um die Akten in den dann später tatsächlich auf den 2.Oktober 1991 anberaumten Sachen rechtzeitig einsehen zu können, so sei dies von ihm zu vertreten.
Mit einem weiteren Schreiben vom 4.September 1991, das am 25.September 1991 beim FG einging, beantragte der Prozeßbevollmächtigte erneut Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung. Diesmal begründete er den Antrag damit, daß er am 2.Oktober 1991 dienstlich verhindert sei. Wie er dem FG bereits mit Schreiben vom 1.August 1991 mitgeteilt habe, führe er am 2.Oktober 1991 in der Zeit von 12.00 bis 19.00 Uhr öffentliche Beratungen für den Z-Bund durch. Die Terminvereinbarung sei bereits Ende 1990 erfolgt. Diesen Antrag wies der Vorsitzende des FG mit Entscheidung vom 1.Oktober 1991 zurück. Er wies darauf hin, daß er auf das Schreiben des Prozeßbevollmächtigten vom 1.August 1991 mit Schreiben vom 14.August 1991 angeregt habe, einen Fachkollegen mit der Terminsvertretung zu beauftragen, falls eine fachliche Vertretung der Mandanten in der mündlichen Verhandlung für erforderlich gehalten werde. Ein Prozeßbevollmächtigter, der innerhalb von wenigen Wochen mehr als 1 000 Untätigkeitsklagen erhebe, müsse sich auf gerichtliche Termine einstellen. Gerichtstermine seien gegenüber anderen Terminen vorrangig.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers wiederholte seinen Antrag auf Terminsaufhebung wegen dienstlicher Verhinderung nochmals in einem Schriftsatz, der kurz vor der mündlichen Verhandlung am 2.Oktober 1991 beim FG einging. Zugleich beantragte er, das Verfahren gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die dort anhängigen Musterverfahren betreffend die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags auszusetzen. Das Gericht lehnte in der mündlichen Verhandlung sowohl den nochmaligen Antrag auf Terminsaufhebung als auch den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ab. Der Kläger war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.
Auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2.Oktober 1991 wies das FG die Untätigkeitsklage des Klägers als unzulässig ab. Es vertrat die Auffassung, die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 46 FGO für eine Untätigkeitsklage seien nicht gegeben. Es liege nämlich ein ausreichender Grund dafür vor, daß das FA über den Einspruch noch nicht entschieden habe. Dieser ausreichende Grund liege darin, daß vor dem BVerfG wegen der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages auch für das Streitjahr Verfahren anhängig seien, von deren Ausgang die Entscheidung des Streitfalles abhänge. Wenn die Tatsache, daß eine Verfassungsbeschwerde anhängig sei, nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die FG verpflichte, anhängige Verfahren gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des BVerfG auszusetzen (Hinweis auf BFH-Beschluß vom 8.Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641), müsse dies erst recht für das FA gelten, das über einen Einspruch zu entscheiden habe. Dieser Grund für die Untätigkeit des FA sei dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers, dessen Wissen sich der Kläger zurechnen lassen müsse, auch bekannt gewesen. Er habe selbst in der Klageschrift auf die beim BVerfG anhängigen Musterverfahren hingewiesen und deshalb dann später die Aussetzung des Klageverfahrens beantragt. Unter diesen Umständen sei es reiner Formalismus, wenn man verlange, das FA hätte den Grund für die Untätigkeit noch ausdrücklich mitteilen müssen.
Das FG ließ die Revision nicht zu. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er stützt die Beschwerde u.a. auf Verfahrensmängel und auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Verfahrensmängel sieht der Kläger darin, daß die beantragte Akteneinsicht nur auf der Geschäftsstelle des FG ermöglicht worden ist. Außerdem sei die Akteneinsicht unter zeitlichen Umständen gewährt worden, die ihrer Verweigerung gleichkomme. Um eine ordnungsgemäße Akteneinsicht zu gewährleisten, hätte das FG den Termin zur mündlichen Verhandlung am 2.Oktober 1991 aufheben müssen. Diese Verpflichtung zur Terminsaufhebung habe auch wegen der dienstlichen Verhinderung des Prozeßbevollmächtigten bestanden. Das Gericht müsse auf die beruflichen Belange eines Prozeßbevollmächtigten soweit wie möglich Rücksicht nehmen. Durch die Nichtgewährung der Akteneinsicht und die Nichtaufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung sei sein ―des Klägers― Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.
Zumindest sei ein Verfahrensfehler deshalb gegeben, weil das FG das Verfahren nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt habe. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Hinweis auf BFH-Beschluß in BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641) seien die FG nämlich bei anhängigen Musterverfahren vor dem BFH zur Verfahrensaussetzung verpflichtet. Ein solches Musterverfahren sei das beim erkennenden Senat anhängig gewesene Verfahren III B 76/91, dessen Ausgang das FG habe abwarten müssen. In diesem Verfahren sei es wie im Streitfall um die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage in bezug auf die Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages gegangen. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht der Kläger allgemein in der Frage der Zulässigkeit von Untätigkeitsklagen bei anhängigen Musterverfahren vor dem BVerfG. In diesem Zusammenhang müsse im Interesse der Allgemeinheit auch geklärt werden, ob das FA nicht wenigstens verpflichtet gewesen wäre, eine Vorläufigkeitserklärung des Steuerbescheides anzubieten, wenn es über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages nicht entscheiden wollte. Außerdem sei klärungsbedürftig, ob eine Untätigkeitsklage unzulässig sein könne, wenn das FA den Grund für seine Untätigkeit nicht förmlich mitgeteilt habe. Dabei sei zudem die Grundfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob eine Untätigkeitsklage unzulässig sei, wenn und solange ein ausreichender Grund für die Untätigkeit des FA vorliege (Hinweis auf BFH-Beschluß vom 8.Dezember 1971 VIII B 7/67, BFHE 104, 191).
Der Kläger beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf Verfahrensfehler des FG.
- Das FG hat nicht den Anspruch des Klägers aufrechtliches Gehör durch Verweigerung von Akteneinsicht verletzt.
aa) Das FG hat dem Kläger bzw. seinem Prozeßbevollmächtigten die Akteneinsicht nicht verweigert. Vielmehr ist sie unstreitig am 27.September 1991 in der Geschäftsstelle des FG ermöglicht worden. Damit ist das FG seiner Pflicht zur Gewährung der Akteneinsicht nachgekommen.Die Gewährung der Akteneinsicht erfolgt grundsätzlich auf der Geschäftsstelle des mit der Streitsache befaßten Gerichts. Die Übersendung der Akten an das FA oder an ein anderes Gericht am Geschäftsort des Prozeßbevollmächtigten steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 78 Rdnr.10, m.w.N.). Das Gericht handelt dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn es die Versendung der Akten ablehnt, weil die Akten bei Gericht benötigt werden oder bei bevorstehender mündlicher Verhandlung eine rechtzeitige Rücksendung der Akten nicht mehr gewährleistet ist. Das FG durfte daher im Streitfall die Versendung der Akten an das FA oder an das Amtsgericht X ablehnen.
bb) Eine Verweigerung der Akteneinsicht kann nicht darin gesehen werden, daß die Akteneinsicht unter zeitlichen Umständen ermöglicht worden ist, die nach den Behauptungen des Klägers die Einsichtnahme durch seinen Prozeßbevollmächtigten praktisch unmöglich machten. Denn der Prozeßbevollmächtigte hat diese zeitlichen Umstände zu vertreten. Er hat es sich selbst zuzuschreiben, daß das FG die Akteneinsicht erst am 24.September 1991 und nur unter kurzfristiger, ihn möglicherweise erst verspätet erreichender Benachrichtigung ermöglichen konnte. Der Prozeßbevollmächtigte wußte bereits vor seinem Urlaub auf Grund des Schreibens des Vorsitzenden des FG vom 30.Juli 1991, daß am 2.Oktober 1991 wegen mehrerer Untätigkeitsklagen von ihm vertretener Kläger mündliche Verhandlungen stattfinden sollten. Es mußte ihm daher klar sein, daß zwischen seinem Urlaubsende am 26.September 1991 und dem vorgesehenen Termin der mündlichen Verhandlungen nur wenig Zeit für eine Akteneinsicht blieb. Er hätte daher schon vor seinem Urlaub dafür sorgen müssen, daß ihm das FG in den Verfahren, die auf den 2.Oktober 1991 anberaumt werden sollten, unmittelbar nach seinem Urlaub Akteneinsicht gewährt.
Zumindest hätte der Prozeßbevollmächtigte organisatorische Vorkehrungen treffen müssen, daß der Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht auch während seines Urlaubs alsbald nach Erhalt der Ladung hätte gestellt werden können. Der Kläger hat in dem beim erkennenden Senat anhängig gewesenen Beschwerdeverfahren wegen der Ablehnung der Richter des FG selbst vorgetragen, daß sein Prozeßbevollmächtigter in der Zeit vom 27.August bis zum 6.September 1991 stunden- bzw. tageweise in seinem Büro anwesend war. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist dem Prozeßbevollmächtigten am 4.September 1991 zugestellt worden. Er hatte also bis zum 6.September 1991 noch ausreichend Zeit, den Antrag auf Akteneinsicht zu stellen und dafür Sorge zu tragen, daß er frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung an das FG abgesandt wurde. Außerdem trägt der Kläger vor, daß sich sein Prozeßbevollmächtigter bis zu dessen Urlaubsende am 26.September 1991 in … aufgehalten habe. Auch dort war er also für sein Büro nicht unerreichbar. Der Prozeßbevollmächtigte hätte daher verhindern können und müssen, daß sein Antrag vom 6.September 1991 auf Gewährung der Akteneinsicht erst so spät beim FG einging, daß die Akteneinsicht ―wie in dem Antrag selbst ausgeführt worden ist― praktisch vor der mündlichen Verhandlung kaum noch möglich war.
b) Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör auch nicht dadurch verletzt, daß es die Anträge auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung abgelehnt hat.
Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein gerichtlicher Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Liegen erhebliche Gründe i.S. von § 227 ZPO vor, verdichtet sich die in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht, d.h. der Termin muß in diesen Fällen zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs aufgehoben werden, selbst wenn dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird (BFH-Urteil vom 14.Oktober 1975 VII R 150/71, BFHE 117, 19, BStBl II 1976, 48; Urteil des erkennenden Senats vom 26.April 1991 III R 87/89, BFH/NV 1991, 830). Im Streitfall waren jedoch keine erheblichen Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung gegeben.
aa) Die Tatsache, daß nach Eingang des Antrags des Klägers auf Gewährung von Akteneinsicht kaum noch Zeit für die tatsächliche Wahrnehmung der Akteneinsicht blieb, konnte kein Grund für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung sein. Diese Tatsache hatte der Prozeßbevollmächtigte nach obigen Ausführungen selbst zu vertreten. Es kann nicht in der Hand des Prozeßbevollmächtigten liegen, durch eine zu späte Stellung des Antrags auf Akteneinsicht eine Terminsaufhebung oder -verlegung zu erzwingen.
bb) Das FG war auch nicht zur Aufhebung oder Verlegung des Termins verpflichtet, weil der Prozeßbevollmächtigte des Klägers behauptet hatte, am Termin der mündlichen Verhandlung einen schon lange vorher vereinbarten öffentlichen Beratungstermin beim Z-Bund wahrnehmen zu müssen. Der BFH hat zwar wiederholt entschieden, daß andere dienstliche Termine eines Bevollmächtigten die Pflicht zur Verlegung eines gerichtlichen Termins begründen können (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFH/NV 1991, 830; vgl. auch die in Ziemer/ Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr.7744/2 zitierten unveröffentlichten Entscheidungen des BFH). In den entschiedenen Fällen ging es aber jeweils um die Verhinderung durch andere gerichtliche Termine (zur Verhinderung eines Klägers selbst durch andere gerichtliche Termine vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 117, 19, BStBl II 1976, 48, und BFH-Urteil vom 5.Dezember 1979 II R 56/76, BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208). Daß auch andere als gerichtliche Termine eines Prozeßbevollmächtigten ein Gericht zur Terminsaufhebung oder -verlegung zwingen können, ist, soweit ersichtlich, bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden.Der Senat kann offenlassen, ob er der Auffassung des FG folgen kann, daß solche anderen dienstlichen Termine stets Nachrang gegenüber gerichtlichen Terminen haben. Denn auch in den Fällen, in denen ein Kläger oder sein Prozeßbevollmächtigter wegen anderer gerichtlicher Termine verhindert ist, hat der BFH nicht ohne weiteres eine Pflicht zur Terminsaufhebung oder -verlegung bejaht. Er hat insofern stets eine Prüfung für erforderlich gehalten, ob nicht eine Verlegung dieses anderen Termins oder eine Vertretung durch einen anderen Prozeßbevollmächtigten zumutbar ist. Dabei kommt es immer auf die jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalles an.
Nach diesen Maßstäben war unter den besonderen Umständen des Streitfalles keine Aufhebung oder Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung wegen der Verhinderung des Prozeßbevollmächtigten geboten. Die Besonderheiten des Streitfalls liegen darin, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach den in der Entscheidung des Vorsitzenden des FG vom 1.Oktober 1991 getroffenen Feststellungen beim FG innerhalb von wenigen Wochen weit mehr als 1 000 Untätigkeitsklagen für von ihm vertretene Mandanten eingereicht hatte. Trotz dieser von ihm eingereichten zahlreichen Klagen hatte der Prozeßbevollmächtigte dem FG eine verhältnismäßig lange urlaubsbedingte Abwesenheit für die Zeit von Anfang August bis zum 26.September 1991 angekündigt. Der Vorsitzende des FG hat hierauf Rücksicht genommen, dem Prozeßbevollmächtigten aber bereits vor dem Urlaub mitgeteilt, daß nach Urlaubsende eine Reihe von Verhandlungstagen für einen Teil der zahlreichen Untätigkeitsklagen vorgesehen sei, u.a. auch am 2.Oktober 1991. Unter diesen Umständen war es dem Prozeßbevollmächtigten zuzumuten, sich rechtzeitig um einen Vertreter für die Wahrnehmung des Termins am 2.Oktober 1991 zu bemühen, wenn er seinen Beratungstermin beim Z-Bund nicht verlegen konnte. Dies gilt umso mehr, als es um einen raschen Rechtsschutz ging, den das FA angeblich verweigert hatte.
Außerdem ist für den erkennenden Senat nicht ohne weiteres ersichtlich, daß der Beratungstermin beim Z-Bund nicht verlegbar war. Selbst wenn dieser Termin lange vorher festgelegt und in Rundschreiben mitgeteilt worden war, konnte eine Verlegung nicht ausgeschlossen sein. Sie hätte z.B. auch im Falle einer Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten erfolgen müssen.
c) Das FG mußte das Verfahren nicht wegen eines beim BFH anhängigen Musterprozesses nach § 74 FGO aussetzen. Zwar ging es bei dem beim erkennenden Senat anhängig gewesenen Verfahren III B 76/91, das durch Zurücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde erledigt worden ist, um einen vergleichbaren Fall einer Untätigkeitsklage. Eine Aussetzung des Verfahrens im Streitfall kam nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 8.Juni 1990 III R 41/90 (BFHE 161,1, BStBl II 1990, 944) aber nicht schon deshalb in Betracht, weil in derselben Rechtsfrage beim BFH ein Musterprozeß anhängig war. Der BFH-Beschluß in BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641, aus dem der Kläger seine gegenteilige Auffassung herleitet, betrifft nur Musterverfahren vor dem BVerfG und nicht vor dem BFH.
2. Die Sache hat entgegen der Auffassung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung. Die nach Auffassung des Klägers durch den Streitfall aufgeworfenen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind zum Teil durch die Rechtsprechung des BFH geklärt und daher nicht klärungsbedürftig. Zum anderen Teil mögen sie zwar klärungsbedürftig sein. Sie sind in dem etwaigen späteren Revisionsverfahren aber nicht klärungsfähig. Der Streitfall weist nämlich derartige Besonderheiten auf, daß sich die vom Kläger aufgeworfenen klärungsbedürftigen Fragen überhaupt nicht stellen.
a) Im wesentlichen geklärt ist die Frage, welche Auswirkungen beim BVerfG anhängige Musterverfahren auf gleichgelagerte Rechtsbehelfs- und Klageverfahren haben. Der I.Senat des BFH hat entschieden, daß in Fällen, in denen wegen der gleichen Rechtsfrage beim BVerfG eine Verfassungsbeschwerde anhängig ist, unter bestimmten Voraussetzungen eine Aussetzung des Klageverfahrens geboten ist (Beschluß in BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641). Der erkennende Senat hat sich mit Beschluß vom 7.Februar 1992 III B 24, 25/91 (BStBl II 1992, 408) dieser Rechtsprechung angeschlossen und die Voraussetzungen für die Aussetzung des Klageverfahrens näher konkretisiert.
Danach ist eine Aussetzung des Klageverfahrens nach § 74 FGO (oder ein stillschweigendes Ruhenlassen) geboten, wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, bei den FG zahlreiche Parallelverfahren anhängig sind (Massenverfahren) und keiner der Beteiligten des Klageverfahrens ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung des FG über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
Diese Entscheidung gilt nicht nur für Klageverfahren, sondern auch für Einspruchsverfahren (s. dort § 363 der Abgabenordnung ―AO 1977―). Die Gleichstellung beider Verfahren ist darin begründet, daß eine unnötige Überschwemmung des BVerfG und auch des BFH mit einer Vielzahl gleichgelagerter Verfahren verhindert werden soll. Diese Erwägungen gelten in gleichem Maße für den Schutz der FG vor unnötigen Verfahren, wenn bei den FÄ Einsprüche in einer Vielzahl von Parallelfällen zu den beim BVerfG anhängigen Musterverfahren vorliegen. Einspruchsentscheidungen der FÄ in solchen Fällen würden nur bedeuten, daß diese Verfahren auf die FG verlagert würden, ohne daß dadurch Fortschritte in der Sache zu erzielen wären.
Da die FG nämlich die Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in den Musterprozessen aussetzen müßten, ist kein Grund ersichtlich, warum die Aussetzung nicht bereits in den Einspruchsverfahren erfolgen sollte. Im Streitfall sind die in dem Beschluß des Senats vom 7.Februar 1992 III B 24, 25/91 dargelegten Voraussetzungen für die Aussetzung (oder das formlose Ruhenlassen) des Einspruchsverfahrens gegeben.
Die vom Kläger mit seiner Klage geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages für das Streitjahr (1989) war im Zeitpunkt der Klageerhebung schon in einem Parallelverfahren beim BVerfG anhängig. Das Niedersächsische FG hatte mit Vorlagebeschluß vom 15.Januar 1991 IX 427 und 437/90 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1991, 260) die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Grundfreibeträge 1986 und 1988 beim BVerfG eingeleitet. Außerdem war das Urteil des erkennenden Senats vom 8.Juni 1990 III R 14-16/90 (BFHE 161, 109, BStBl II 1990, 969), wonach die Grundfreibeträge für die Jahre 1986 bis 1988 verfassungsgemäß sind, durch Verfassungsbeschwerde angefochten worden. Der Grundfreibetrag für das Jahr 1988 stimmte mit demjenigen für das Streitjahr (1989) überein. Mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages für das Jahr 1988 steht also zugleich die Prüfung des Grundfreibetrages für das Jahr 1989 durch das BVerfG an.
Die Verfahren vor dem BVerfG erscheinen nicht als offensichtlich aussichtslos. Dies hat der erkennende Senat in seinem Beschluß vom 7.Februar 1992 III B 24, 25/91 näher dargelegt. Bei den FÄ waren auch eine Vielzahl von Einspruchsverfahren in gleichartigen Fällen (Massenverfahren) anhängig. Irgendwelche Gründe, die ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer Einspruchsentscheidung trotz der beim BVerfG anhängigen Musterverfahren begründen könnten, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.
Der Kläger hat die Untätigkeitsklage folglich zu einem Zeitpunkt erhoben, als das FA eine Einspruchsentscheidung nicht treffen durfte, sondern das Einspruchsverfahren aussetzen oder formlos ruhen lassen mußte. Deshalb hatte das FA einen zwingenden Grund für die Untätigkeit, der noch fortbesteht.
Der Senat kann jedoch entgegen der Auffassung des Klägers offenlassen, ob dieser zwingende Grund für die Untätigkeit des FA für sich allein die Untätigkeitsklage bereits unzulässig machte. Auf diese Frage kommt es nicht an.
b) Entscheidend ist, daß nicht nur das FA an einer Einspruchsentscheidung gehindert war. Auch das FG konnte zum Zeitpunkt der Klageerhebung keine Entscheidung über die Höhe des dem Kläger zu gewährenden Grundfreibetrages treffen. Denn das FG hätte nach dem Beschluß des erkennenden Senats vom 7.Februar 1992 III B 24, 25/91 das Klageverfahren ebenso wie das FA das Einspruchsverfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in den anhängigen Musterverfahren aussetzen oder formlos ruhen lassen müssen, wenn die Untätigkeitsklage zulässig gewesen wäre. Der Kläger kann deshalb die von ihm begehrte Sachentscheidung über einen höheren Grundfreibetrag mit seiner Untätigkeitsklage nicht weiter als im Einspruchsverfahren vorantreiben. Eine solche Untätigkeitsklage widerspricht dem Zweck des § 46 Abs.1 Satz 1 FGO.
Nach dieser Bestimmung ist eine Untätigkeitsklage zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage ist entgegen ihrer mißverständlichen Bezeichnung als Untätigkeitsklage nicht darauf gerichtet, die Untätigkeit der Behörde im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren zu beenden (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 46 Rdnr.2, m.w.N.). Es soll vielmehr bereits vor der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung ein Erfolg in der Sache durch das Gericht ermöglicht werden, wenn die Finanzbehörde das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren unangemessen verzögert. Dieser Zweck wird verfehlt, wenn eine Untätigkeitsklage eingereicht wird, obwohl das FG ―ebenso wie das FA― verfahrensrechtlich nicht in der Lage ist, eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Eine solche zweckwidrige Klageerhebung muß als mißbräuchlich und daher als unzulässig angesehen werden, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 46 FGO im einzelnen vorliegen oder nicht.
c) Allerdings konnte der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung die Entscheidung des erkennenden Senats vom 7.Februar 1992 III B 24, 25/91 über die gebotene Verfahrensaussetzung bei anhängigen Musterverfahren vor dem BVerfG noch nicht kennen. Auch die Entscheidung des I.Senats des BFH in BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641 kannte er möglicherweise noch nicht. Das ändert aber nichts an der Mißbräuchlichkeit seiner Klageerhebung.
Zum einen hat der Kläger selbst die Aussetzung des Klageverfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages beantragt. Er hat damit selbst zum Ausdruck gebracht, daß die Klageerhebung nicht dazu dienen sollte, im Klageverfahren eine frühere Sachentscheidung als im Einspruchsverfahren zu erreichen.
Zum andern liegt der Mißbrauch auch darin, daß weder das Klageverfahren noch das Einspruchsverfahren vor der Entscheidung des BVerfG in den Musterverfahren in der Sache Erfolg haben konnten. Selbst wenn nämlich das FG eine Entscheidung in der Sache hätte treffen können, hätte diese nur in einem weiteren Vorlagebeschluß an das BVerfG oder in einer Klageabweisung hinsichtlich des Grundfreibetrages bestehen können. Bei einer Klageabweisung wäre der Kläger zu einer Anrufung des BFH und bei Erfolglosigkeit dort zu einer Verfassungsbeschwerde gezwungen gewesen, wenn er sein Klagebegehren aufrecht erhalten wollte. Er hätte nur ein zusätzliches Kostenrisiko gehabt. In der Sache wäre dadurch für ihn nichts gewonnen worden, da sein Steuerrechtsstreit weiterhin bis zur Entscheidung des BVerfG über die bereits dort anhängigen Musterverfahren in der Schwebe geblieben wäre. Die Erhebung der Untätigkeitsklage erscheint daher im Hinblick auf den Zweck des § 46 FGO, bei Verzögerung durch das FA bereits vor der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung einen Erfolg in der Sache zu ermöglichen, als sinnlos.
Dem Kläger ging es auch nicht darum, über das Klageverfahren und eine eventuelle Vorlage des FG nach Art.100 des Grundgesetzes (GG) oder über eine ―nach Anrufung des BFH― sich anschließende Verfassungsbeschwerde neue Gesichtspunkte gegenüber den beim BVerfG anhängigen Musterverfahren an das BVerfG heranzutragen. Er hat seine Klage im wesentlichen nur mit den bereits beim BVerfG anhängigen Verfahren begründet. Würden die FG in solchen Fällen bei Vorliegen einer Vielzahl von Parallelfällen eigene Entscheidungen treffen, würde dies nur bedeuten, daß die gleiche Rechtsfrage in einer Vielzahl von konkreten Normenkontrollverfahren oder Verfassungsbeschwerden immer wieder an das BVerfG herangetragen würde.
d) Die Mißbräuchlichkeit der Erhebung der Untätigkeitsklage zeigt sich schließlich besonders deutlich darin, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach den in der Entscheidung des Vorsitzenden des FG vom 1.Oktober 1991 (über die Abhaltung der mündlichen Verhandlung) getroffenen Feststellungen bis dahin mehr als 1 000 vergleichbare Untätigkeitsklagen für von ihm vertretene Mandanten eingereicht hatte. Nach Auskunft des Präsidenten des FG vom 12.Februar 1992 sind es mittlerweile 1 252 Untätigkeitsklagen geworden. Wenn man dieses Verhalten des Prozeßbevollmächtigten des Klägers weiterdenkt bis zu der Vorstellung, daß sich alle steuerlichen Berater so verhielten, wäre eine derartige Überschwemmung der FG mit Klagen zu befürchten, daß die Funktionsfähigkeit der FG (insbesondere der Geschäftsstellen) schwer beeinträchtigt würde. Diese Beeinträchtigung würde erfolgen, ohne daß sich für die betroffenen Steuerpflichtigen irgendein Fortschritt in der Sache ergeben würde. Das mißbräuchliche Verhalten seines Prozeßbevollmächtigten muß sich der Kläger zurechnen lassen.
e) Entgegen der Auffassung des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten konnte die Entstehung von Prozeßzinsen ab Rechtshängigkeit gemäß § 236 AO 1977 allein die Klageerhebung nicht rechtfertigen. Prozeßzinsen sind eine Folge der berechtigten Inanspruchnahme eines Gerichts. Ihre Entstehung kann daher nicht Selbstzweck einer Klageerhebung sein und die sinnlose Inanspruchnahme eines Gerichts ermöglichen.
Im übrigen werden ab Veranlagungszeitraum 1989, also für das Streitjahr, Steuererstattungsansprüche des Klägers, die ihm aufgrund einer etwaigen Erhöhung des Grundfreibetrages zustehen könnten, ohnehin gemäß § 233a AO 1977 verzinst. Die Untätigkeitsklage ist zu einem Zeitpunkt erhoben worden, als der etwaige Zinslauf schon begonnen hatte. Die Entstehung von Prozeßzinsen konnte folglich nicht das Motiv für die Klageerhebung sein. Für den Senat ist daher keinerlei Vorteil ersichtlich, den der Kläger selbst von der Klageerhebung haben könnte.
f) Eine Rechtfertigung und damit die Zulässigkeit des Klageverfahrens läßt sich ferner nicht daraus herleiten, daß der Kläger zusätzlich zur Höhe des Grundfreibetrages die Adressierung des angegriffenen Steuerbescheides zu Händen seines Prozeßbevollmächtigten gerügt hatte und hierüber im Einspruchsverfahren ebenfalls noch nicht entschieden worden war. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats führt die Adressierung des Steuerbescheids an den Kläger zu Händen des Prozeßbevollmächtigten nicht zur Ungewißheit oder Unbestimmtheit des Empfängers (Urteil vom 9.August 1991 III R 169/90, nicht veröffentlicht ―NV―). Die Rüge der ungenauen Adressierung des Steuerbescheids war also nicht berechtigt, so daß es für die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids allein auf die Frage des Grundfreibetrages ankam, die bis zur Entscheidung des BVerfG über die anhängigen Musterverfahren weder vom FA im Einspruchsverfahren noch vom FG im Klageverfahren entschieden werden konnte.
g) Unzutreffend ist schließlich die Auffassung des Klägers, die Untätigkeitsklage sei berechtigt, weil das FA im Einspruchsverfahren zumindest eine Vorläufigkeitserklärung des Steuerbescheides hinsichtlich des Grundfreibetrages hätte anbieten müssen. Der erkennende Senat hat zwar mit Urteil vom 7.Februar 1992 III R 61/91, BFHE 167, 279, BStBl II 1992, 592) entschieden, daß die FÄ unter bestimmten Voraussetzungen durch die FG zur Vorläufigkeitserklärung von Steuerbescheiden hinsichtlich beim BVerfG anhängiger Streitigkeiten über die Verfassungsmäßigkeit anzuwendender Gesetze verpflichtet werden können. Eine solche Verpflichtung durch die FG setzt aber immer voraus, daß der Steuerpflichtige vorher beim FA erfolglos einen Antrag auf die Vorläufigkeitserklärung gestellt hat. Dies ist im Streitfall nicht geschehen.
h) Da die Untätigkeitsklage mißbräuchlich erhoben worden ist, konnte für das FG auch keine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 46 Abs.1 Satz 3 FGO in Betracht kommen, um ein Hineinwachsen der Klage in die Zulässigkeit zu ermöglichen. Eine mißbräuchlich erhobene Klage kann nicht in die Zulässigkeit hineinwachsen. Der Senat braucht daher nicht zu klären, ob ansonsten bei einer unzulässigen Untätigkeitsklage eine solche Pflicht zur Verfahrensaussetzung besteht.
Fundstellen
Haufe-Index 611174 |
BStBl II 1992, 673 |
BFHE 167, 303 |
BB 1992, 1415 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1992, 549 (Leitsatz und Gründe) |