Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Zur Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung; Zur Ungleichbehandlung von um die zumutbare Belastung gekürzter Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung gegenüber dem steuerlichen Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben
Leitsatz (NV)
- Von Verfassungs wegen bestehen gegen die Kürzung von als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Krankheitskosten um die nach Familienstand und Kinderzahl gestaffelte zumutbare Belastung keine Bedenken, solange dem Steuerpflichtigen unter Anwendung dieser Regelung ein verfügbares Einkommen verbleibt, das über dem geltenden Regelsatz für das Existenzminimum liegt.
- Um eine Ungleichbehandlung der Abzugsfähigkeit der Krankenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben gegenüber den um die zumutbare Belastung zu kürzenden Aufwendungen für Krankheitskosten dazutun, muss insbesondere auch darauf eingegangen werden, dass die Versicherungsbeiträge nur im Rahmen der Höchstbeträge abziehbar sind.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 2a, 3, § 33 Abs. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Beschwerde legt die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dar (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Eine durch den Bundesfinanzhof (BFH) geklärte Rechtsfrage ist regelmäßig nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit im Allgemeinen keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben. Eine Ausnahme von dieser Regel gilt aber vor allem dann, wenn gewichtige neue rechtliche Gesichtspunkte in der Rechtsprechung oder in der Literatur vorgetragen worden sind, die der BFH noch nicht geprüft hat. In diesem Fall hat die Beschwerde allerdings in der Begründung substantiiert darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser (bereits entschiedenen) Rechtsfrage umstritten und inwiefern sie im Allgemeininteresse klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden ist. Dazu ist es erforderlich, dass die Beschwerde ausgehend von der Entscheidung des BFH im Einzelnen in der Beschwerdeschrift konkret darlegt, welche neuen gewichtigen rechtlichen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage in welcher Entscheidung der Finanzgerichte (FG)und/oder dem Schrifttum vorgetragen werden, die der BFH bisher noch nicht geprüft hat. Zur Begründung des allgemeinen Interesses reicht der Vortrag nicht aus, die Rechtsfrage sei bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden. Ebenso wenig wird ein Zulassungsgrund durch die Begründung dargetan, das FG habe im konkreten Fall das Recht unzutreffend angewendet (BFH-Beschluss vom 12. März 1998 III B 22/97, BFH/NV 1998, 1528, unter Ziff. 1. der Gründe, m.w.N.).
2. a) Der BFH hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mehrfach Stellung genommen.
Durch den Ansatz einer ―nach dem Gesamtbetrag des Einkommens, des Familienstandes und der Kinderzahl― gestaffelten zumutbaren Belastung soll dem Steuerpflichtigen entsprechend seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit zugemutet werden, einen Teil der Belastung selbst zu tragen (vgl. BFH-Urteile vom 14. Dezember 1965 VI 235/65 U, BFHE 85, 83, BStBl III 1966, 242; vom 15. November 1991 III R 30/88, BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179, unter Ziff. 2. der Gründe; vom 8. August 1997 VI R 158/90, BFH/NV 1998, 441, unter lit. b der Gründe). Die nur vereinzelt gegen diese Regelung geltend gemachten Bedenken hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in dem Nichtannahmebeschluss vom 29. Oktober 1987 1 BvR 672/87 (Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Einkommensteuergesetz 1975, Allg. Rechtsspruch 39) von Verfassungs wegen nicht geteilt, solange dem Steuerpflichtigen unter Anwendung dieser Regelung ein verfügbares Einkommen verbleibe, das über dem geltenden Regelsatz für das Existenzminimum liege.
Die Beschwerde setzt sich mit der Rechtsprechung und dem Schrifttum konkret überhaupt nicht auseinander, insbesondere geht sie in keiner Weise substantiiert unter Einbeziehung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und des einschlägigen Fachschrifttums auf die von der Beschwerde lediglich ganz allgemein angezogenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe ein.
Dies gilt in gleicher Weise hinsichtlich der Frage, ob eine verfassungskonforme Reduktion des Anwendungsbereichs in § 33 Abs. 3 EStG in Betracht kommen könnte (vgl. etwa zur teleologischen Reduktion Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 33 EStG Rz. 58, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1996 II B 82/96, BFH/NV 1997, 254, m.w.N.).
Schließlich fehlen auch Darlegungen zur Breitenwirkung der angestrebten Revisionsentscheidung (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 15. September 1994 V B 181/93, BFH/NV 1995, 978, m.w.N.).
b) Die Beschwerde lässt gleichermaßen die notwendige Auseinandersetzung zu der weiteren aufgeworfenen Rechtsfrage vermissen, wonach die unterschiedliche steuerliche Behandlung des Abzugs von Krankenversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben einerseits und der durch Berücksichtigung der zumutbaren Belastung nur eingeschränkt zulässigen Abziehbarkeit notwendiger Krankheitskosten andererseits gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße.
Das FG hat im angefochtenen Urteil in Übereinstimmung mit dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 24. Mai 1991 4 K 1235/90 (nicht veröffentlicht ―NV―) einen solchen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verneint. Die gegen das letztgenannte Urteil eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hatte keinen Erfolg (vgl. Beschluss des BFH vom 6. April 1992 III B 99/91, NV), ebenso wenig die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde (vgl. den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 14. März 1997 2 BvR 861/92, und dazu die Anmerkung von Dürr in Die Information über Steuer und Wirtschaft 1997, 543).
Die Beschwerde geht insbesondere auch nicht auf den vom FG herausgestellten Gesichtspunkt ein, wonach Krankenversicherungsbeiträge ebenfalls nur im Rahmen der Höchstbeträge nach § 10 EStG als Sonderausgaben beschränkt abzugsfähig sind.
c) Angesichts der Rechtsprechung und der Nichtannahmeentscheidungen des BVerfG kann auch nicht ausnahmsweise die ordnungsgemäße Darlegung wegen offensichtlicher grundsätzlicher Bedeutung der auf Verfassungsverstöße gestützten Rechtsfragen als entbehrlich angesehen werden (vgl. allgemein BFH-Beschluss vom 17. Juni 1997 VIII B 72/96, BFH/NV 1997, 882, m.w.N.).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 424948 |
BFH/NV 2000, 704 |