Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Akteneinsichtsrecht für den Beiladungsprätendenten
Leitsatz (NV)
1. Ein Beiladungsprätendent, d.h. eine natürliche oder juristische Person, die möglicherweise notwendig oder einfach beizuladen ist, hat keinen Anspruch auf Akteneinsicht.
2. Die Beschwerde eines Beiladungsprätendenten gegen die Einstellung des Verfahrens nach Rücknahme der Klage durch den Kläger ist nicht statthaft.
Normenkette
FGO § 72 Abs. 2 S. 2, § 78 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (Beschluss vom 29.04.2005; Aktenzeichen 5 K 5451/03) |
Tatbestand
I. Die von H namens der Klägerin, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus H und P, erhobene Klage wegen Umsatzsteuer-Rückerstattung (Az. des Finanzgerichts --FG-- X/03) wurde zurückgenommen. Dieses Verfahren wurde durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung am 13. Mai 2004 gemäß § 72 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt.
Am 30. März 2005 beantragte P, der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer), unter Hinweis darauf, dass er hätte notwendig beigeladen werden müssen, Einsichtnahme in die Prozessakten im Verfahren FG-Az. X/03.
Das FG lehnte den Antrag auf Akteneinsicht ab mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe nach Rücknahme der Klage und Einstellung des Verfahrens kein Rechtsschutzinteresse für die beantragte Akteneinsicht.
Gegen den Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Sein Rechtsschutzinteresse für die Akteneinsicht begründet der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, es sei zwar richtig, dass das Akteneinsichtsrecht nur solange bestehe, solange das Verfahren nicht abgeschlossen sei; er habe seinen Antrag mangels Kenntnis von dem Verfahren aber nicht früher stellen können. Er bestreite vorsorglich das Bestehen einer GbR. Ferner macht er verschiedene Verfahrensfehler des FG sowie die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend und beantragt die "Wiedereröffnung des Verfahrens nach § 56 FGO".
Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 78 Abs. 1 FGO steht das Recht auf Akteneinsicht nur den am finanzgerichtlichen Verfahren Beteiligten zu. Als Beteiligte kommen nach § 57 FGO nur der Kläger, der Beklagte, der Beigeladene oder die Behörde in Betracht, die dem Verfahren beigetreten ist (§ 122 Abs. 2 FGO). Ein Beiladungsprätendent, d.h. eine natürliche oder juristische Person, die möglicherweise notwendig oder einfach beizuladen ist --wie hier möglicherweise der Beschwerdeführer--, hat bis zur erfolgten Beiladung keine im Gesetz bezeichnete Rechtsstellung. Ein Anspruch eines am Verfahren nicht beteiligten Dritten auf Akteneinsicht lässt sich § 78 Abs. 1 FGO nicht entnehmen (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Juli 2004 VII B 90/04, BFH/NV 2004, 1659, m.w.N.).
Gleiches gilt, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Einstellung des Verfahrens wendet und dessen Wiedereröffnung begehrt. Zwar ist eine Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem das Verfahren nach Rücknahme der Klage gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO eingestellt wird, an sich statthaft (z.B. BFH-Beschluss vom 28. März 1990 II B 163/89, BFHE 159, 486, BStBl II 1990, 503). Die Beschwerde könnten aber nur die Hauptbeteiligten erheben. Selbst wenn der Beschwerdeführer notwendig beigeladen wäre, könnte er nicht verhindern, dass der Hauptbeteiligte die Klage zurücknimmt (z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Februar 1992 VIII B 121/91, VIII B 23/92, BFH/NV 1993, 422; vom 31. August 2000 VIII R 33/00, BFH/NV 2001, 320, jeweils m.w.N.). Er kann deshalb auch die Fortsetzung des Verfahrens nicht erzwingen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO; für eine Kostenentscheidung nach § 137 Satz 2 FGO besteht kein Anlass. Für eine Entscheidung nach § 139 Abs. 2 Satz 3 FGO ist grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 8. März 2004 VII B 138/03, BFH/NV 2004, 974, m.w.N.).
Fundstellen
BFH/NV 2006, 76 |
BFH/NV 2006, 77 |