Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel; Terminsverlegung
Leitsatz (NV)
1. Bei Vorliegen erheblicher Gründe ist das FG verpflichtet, einen anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen.
2. Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen. Dazu muss es in der Lage sein, sich über das Vorliegen eines Verlegungsgrundes ein eigenes Urteil zu bilden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, ist Aufgabe desjenigen, der die Verlegung beantragt.
3. Der Hinweis auf eine bestehende Arbeitsunfähigkeit reicht für eine Terminsverlegung auch dann nicht, wenn diese durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegt ist, die Bescheinigung sich aber zur Art und Schwere der Erkrankung nicht äußert.
4. Bringt ein Kläger vor, er habe beabsichtigt, ca. sechs Stunden vor Beginn der mündlichen Verhandlung eine knapp 600 km lange Fahrstrecke von seinem Wohnort zum FG in München anzutreten, liegt es nahe, dass das FG Bedenken hinsichtlich einer plötzlichen schweren Erkrankung des Klägers hegt, die die Terminswahrnehmung verhindert.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; ZPO § 227 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügen, das Finanzgericht (FG) habe ihren Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt und sie seien deshalb im erstinstanzlichen Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen, berufen sie sich zwar auf eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör. Darin kann ein Verfahrensmangel liegen. Im Streitfall ist ein solcher indes nicht gegeben.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein FG zwar grundsätzlich verpflichtet, einen anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorliegen (BFH-Beschlüsse vom 23. November 2001 V B 224/00, BFH/NV 2002, 520; vom 1. Februar 2002 II B 38/01, BFH/NV 2002, 938; vom 18. März 2003 I B 122/02, BFH/NV 2003, 1584). Ein solcher Grund kann u.a. darin liegen, dass ein Beteiligter oder sein Prozessbevollmächtigter unerwartet erkrankt ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 520, 521, m.w.N.). Jedoch ist nicht jegliche Erkrankung ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann (BFH-Beschluss vom 17. April 2002 IX B 151/00, BFH/NV 2002, 1047, m.w.N.). Insoweit genügt der Hinweis auf eine bestehende Arbeitsunfähigkeit auch dann nicht, wenn diese durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegt ist, die Bescheinigung sich aber zur Art und Schwere der Erkrankung nicht äußert (BFH-Beschlüsse vom 23. Oktober 2002 III B 167/01, BFH/NV 2003, 80, und vom 6. Oktober 2003 XI B 170/02, BFH/NV 2004, 216).b) Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen. Dazu muss es in der Lage sein, sich über das Vorliegen eines Verlegungsgrundes ein eigenes Urteil zu bilden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, ist Aufgabe desjenigen, der die Verlegung beantragt (BFH-Beschluss vom 28. August 2002 V B 71/01, BFH/NV 2003, 178, m.w.N.); das gilt jedenfalls dann, wenn der Antrag --wie hier-- erst kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird. Deshalb muss, wenn in dieser Situation der Antrag auf Terminsverlegung mit einer plötzlichen Erkrankung begründet wird, der Antragsteller dem Gericht regelmäßig nähere Angaben zu Art und Schwere der Krankheit machen und diese vor allem auch glaubhaft machen (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 91 Rz 3). Bei Vorlage eines ärztlichen Attestes muss dieses entweder Verhandlungsunfähigkeit bescheinigen oder eine so genaue Schilderung enthalten, dass das FG selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung ein Erscheinen zum Termin verhindert oder nicht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 80). Fehlt es daran, so darf das FG den Verlegungsantrag regelmäßig ablehnen.
c) Im Streitfall ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger nicht, dass bei Anlegung dieser Maßstäbe das FG den anberaumten Verhandlungstermin hätte verlegen müssen.
aa) Ausweislich der finanzgerichtlichen Akten hat das FG die Klägerin wie den Kläger ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen. Weshalb die Klägerin den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen konnte, ist der Beschwerdeschrift nicht im Ansatz zu entnehmen. Die Beschwerdebegründung entspricht insoweit schon nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
bb) Soweit sich der Antrag auf Terminsverlegung auf den Kläger und dessen Erkrankung bezieht, hat sich das FG mit diesem Antrag ausführlich auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb die vom Kläger vorgetragenen Gründe nicht ausreichend substantiiert und überdies nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sind. Zum einen sei der vom Kläger behauptete "Gichtanfall" nicht so konkret und nachvollziehbar dargestellt worden, dass sich das FG ein Urteil darüber hätte bilden können, ob der Kläger tatsächlich verhandlungsunfähig gewesen sei. Zum andern sei die Erkrankung nicht glaubhaft gemacht worden.
Diese Überlegungen sind aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das gilt nicht nur angesichts des Umstandes, dass der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen geplant hatte, ca. sechs Stunden vor Beginn der mündlichen Verhandlung eine knapp 600 km lange Fahrstrecke von seinem Wohnort zum FG in München anzutreten, was das FG angesichts der beträchtlichen Entfernung und der Verkehrsverhältnisse zu Recht in Zweifel gezogen hat. Dass das FG danach auch Bedenken hinsichtlich einer plötzlichen schweren Erkrankung des Klägers hegt, die die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung verhindert, liegt auf der Hand. Hinzu kommt, dass das vom Kläger nachgereichte ärztliche Attest zwar dessen Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, aber keine Hinweise darauf enthält, dass der Kläger am Terminstag verhandlungsunfähig oder so schwer erkrankt war, dass sein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden konnte. Angesichts des äußerst kurzfristig gestellten Antrags auf Terminsverlegung wäre es überdies Sache des Klägers gewesen, sich bereits vor dem Telefonat mit dem Vorsitzenden zum Arzt zu begeben und das ärztliche Attest dem FG nicht erst --wie hier geschehen-- zwei Tage nach der mündlichen Verhandlung sondern bis zur mündlichen Verhandlung zukommen zu lassen. Denn gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminsverlegung sind hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit zu stellen, weil anderenfalls die Gefahr bestände, dass die Entscheidung allein vom Beteiligten abhängen würde, was mit dem Ziel einer möglichst zügigen Durchführung des Verfahrens nicht vereinbar wäre (Senatsbeschluss vom 31. Juli 1997 VIII B 94/96, BFH/NV 1998, 66, m.w.N.; Gräber/Koch, a.a.O., 6. Aufl., § 91 Rz 4 "Erkrankung").
Insgesamt gesehen ist daher die Schlussfolgerung des FG, ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung sei nicht gegeben, im Ergebnis nicht zu beanstanden.
d) Der Kläger rügt auch zu Unrecht, das FG hätte nicht erst in der mündlichen Verhandlung über seinen Antrag auf Terminsaufhebung entscheiden dürfen. In der Terminsladung wurde der Kläger ordnungsgemäß darauf hingewiesen, dass bei seinem Ausbleiben ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne. In der Beschwerdebegründung werden auch keine besonderen Gründe genannt, aus denen sich ergeben könnte, er habe nicht mit einer Entscheidung über seinen Antrag erst in der mündlichen Verhandlung zu rechnen brauchen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 80).
Fundstellen
Haufe-Index 2270944 |
BFH/NV 2010, 230 |
KP 2010, 25 |