Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine PKH, wenn der Antragsteller die Kosten der Prozessführung unter Einsatz seines vorhandenen Vermögens aufbringen kann
Leitsatz (NV)
Verfügt der Antragsteller über Vermögen in Form eines Wertpapierdepots, das die zu erwartenden Kosten der Prozessführung um ein Vielfaches übersteigt und das weder für den Lebensunterhalt verwendet wird noch anderweitig zweckgebunden oder längerfristig fest angelegt ist, hat er dieses Vermögen für die Prozessführung einzusetzen. PKH ist nicht zu gewähren.
Normenkette
AO 1977 § 170 Abs. 2 Nr. 1; BGB § 1812 Abs. 2; EStG § 68; FGO § 142; GKG § 32 Abs. 1, §§ 34, 52 Abs. 3; RVG §§ 13, 32; SGB XII § 90 Abs. 2; ZPO §§ 114, 115 Abs. 2
Tatbestand
I. Der verstorbene Vater des 1991 geborenen Antragstellers bezog bis einschließlich Februar 2001 Kindergeld für seinen Sohn. Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (die Familienkasse) erfahren hatte, dass der Kindesvater bereits ab September 1995 von der Kindesmutter getrennt war und der Antragsteller seitdem im Haushalt der Mutter lebte, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 25. Juli 2003 für den Zeitraum Januar 1996 bis Februar 2001 auf und forderte das Kindergeld von dem Antragsteller und den weiteren Erben der Erbengemeinschaft nach dem verstorbenem Vater --den Revisionsbeklagten zu 1, 3 und 4-- zurück.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage war lediglich hinsichtlich des Zeitraums Januar 1996 bis Dezember 1998 erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) nahm insoweit Festsetzungsverjährung an und vertrat die Auffassung, Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) sei nicht gegeben, weil die Erfüllung der besonderen Mitwirkungspflicht nach § 68 des Einkommensteuergesetzes (EStG) keine Anzeige i.S. des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 darstelle.
Auf die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Familienkasse ist mit Beschluss vom 16. Dezember 2004 VIII B 85/04 die Revision zugelassen worden.
Der Antragsteller begehrt nunmehr die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines namentlich bezeichneten Rechtsanwalts als Prozessvertreter.
Ausweislich der Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom 28. Juni 2004, die lt. Schreiben des Ergänzungspflegers vom 9. März 2005 nach wie vor aktuell ist, bezieht der im Haushalt seiner Mutter unentgeltlich lebende Antragsteller aus einer bis zum 30. September 2009 festgelegten Geldanlage über 47 499 € lt. einem … Entnahmeplan vom 5. September 2003 monatliche Einnahmen von 720 € zuzüglich einer Halbwaisenrente von 96,95 €. Daneben erhielt er nach einer Ertragsgutschrift vom 8. Januar 2004 aus einem Wertpapierdepot, das zum 17. Mai 2004 auf 58 050 € bewertet war, einen jährlichen Bruttoertrag in Höhe von 2 422 €. Abzusetzen sind nach der Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse monatliche Aufwendungen in Höhe von 10,25 € für Zinsabschlagsteuer und Solidaritätszuschlag.
Auf Anfrage der Senatsvorsitzenden hat der Ergänzungspfleger des Antragstellers im Wesentlichen ausgeführt, dass Verfügungen über sämtliche Geldanlagen nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts erfolgen dürften. Die Erträge aus dem Wertpapierdepot würden automatisch von der Bank wieder angelegt. Derzeit weise das Girokonto des Antragstellers, das am 17. Mai 2004 einen Saldo von 15 695,47 € umfasst hat, einen Restsaldo von 2 444,72 € auf.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf PKH und auf Beiordnung eines Prozessvertreters wird abgelehnt.
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
2. Im Streitfall scheitert der Antrag bereits daran, dass der Antragsteller die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen selbst aufzubringen vermag.
a) Die Kosten der Prozessführung belaufen sich im Streitfall für den Antragsteller für den angenommenen Fall seines Unterliegens in der Revisionsinstanz auf insgesamt ca. 2 312 €, wobei ca. 2 000 € auf die Revisionsinstanz entfallen und der verbleibende Betrag die Kosten der ersten Instanz umfasst.
aa) Der nach § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. § 34 GKG maßgebliche Streitwert für die Höhe der Gerichtsgebühren beträgt im Revisionsverfahren 3 926 €. Eine Gerichtsgebühr umfasst 105 € (vgl. Anlage 2 des Kostenverzeichnisses des GKG). Nach Teil 6 Hauptabschn. 1 Abschn. 2 der Anlage 1 des Kostenverzeichnisses des GKG fallen höchstens fünf Gerichtsgebühren an, mithin ein Betrag von 525 €, für den der Antragsteller als Gesamtschuldner nach § 32 Abs. 1 GKG einzustehen hätte.
Hinzu kämen Rechtsanwaltsgebühren von ca. 1 437 €. Ausgehend von dem nach § 32 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) maßgeblichen Streitwert beträgt eine Gebühr gemäß § 13 Abs. 1 RVG i.V.m. Anlage 2 des Vergütungsverzeichnisses des RVG 245 €. Nach Anlage 1 Abschn. 2 Unterabschn. 2 des Vergütungsverzeichnisses des RVG fällt eine Prozessgebühr von 1,6, mithin 392 € an. Die Verhandlungsgebühr ist mit dem Faktor 1,5 anzusetzen und beläuft sich somit auf 367 €. Zusätzlich sind eine Auslagenpauschale von 20 € für Post- und Telekommunikationsleistungen sowie Tagegelder in geschätzter Höhe von maximal 160 € einzubeziehen. Ferner wären geschätzte persönliche Auslagen von 300 € zu berücksichtigen. Unter Einbeziehung der Umsatzsteuer von rd. 198 € betragen die außergerichtlichen Gebühren damit insgesamt 1 437 €.
bb) Für den Fall des Unterliegens wären für den in der 1. Instanz nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Antragsteller noch Gerichtsgebühren in Höhe von 312 € anzusetzen, für die er ebenfalls nach § 32 Abs. 1 GKG gesamtschuldnerisch einzustehen hätte (vier Gebühren von jeweils 166 € ausgehend von einem Streitwert von 7 393 € und einer Kostenquote von 47 %, § 34 GKG i.V.m. Anlage 2 sowie Teil 6 Hauptabschn. 1 Abschn. 1 GKG).
b) Nach § 142 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2 ZPO hat die Partei für die Prozessführung ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist, wobei § 90 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend gilt.
Unzumutbar ist hiernach die Verwertung des längerfristig angelegten Festgeldes über 47 499 €, da der Antragsteller aus den Erträgen dieser Anlage seinen Lebensunterhalt finanziert. Diese Kapitalanlage ist wegen ihrer längerfristigen Bindung etwa vergleichbar mit dem Guthaben eines nicht zuteilungsreifen Bausparvertrages, dessen Verwertung in diesem Zusammenhang ebenfalls unzumutbar wäre (vgl. Reicholdt in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 26. Aufl. 2004, § 115 Tz. 22).
Anders zu beurteilen ist demgegenüber das auf dem Wertpapierdepot des Antragstellers befindliche nicht zweckgebundene Vermögen in Höhe von 58 050 € (Stand 17. Mai 2004), das nicht fest angelegt, sondern vielmehr jährlich neu verfügbar ist. Dem steht auch nicht der Hinweis des Ergänzungspflegers auf die hierzu erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1812 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entgegen. Insoweit ist weder vorgetragen noch ersichtlich, weshalb eine Genehmigung zur Freigabe des erforderlichen Geldbetrages nicht beantragt wurde, zumal es sich bei dem benötigten Geldbetrag im Vergleich zu dem danach verbleibenden Restvermögen um eine verhältnismäßig kleine Summe handelt, die derzeit auch nicht zum Bestreiten der allgemeinen Lebenshaltungskosten benötigt wird. Dieses Vermögen ist demnach für die Prozessführung einzusetzen (vgl. Bork in Stein/Jonas, Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 115 Tz. 93).
Offen bleiben kann hiernach, ob auch das auf dem Girokonto des Antragstellers zum 17. Mai 2004 befindliche Geldvermögen von 15 695,47 € zu berücksichtigen wäre, das der Antragsteller offenbar trotz des schwebenden Revisionsverfahrens bis auf den Restbetrag von 2 444,72 € verbraucht hat (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, a.a.O., § 115, Tz. 18).
Fundstellen
Haufe-Index 1391533 |
BFH/NV 2005, 1611 |