Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel; keine Wiedereinsetzung bei unverschuldet versäumter mündlicher Verhandlung; Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
Leitsatz (NV)
1. Es begründet keinen Verfahrensfehler, wenn ein ordnungsgemäß geladener Beteiligter aus einem in seiner Person oder in der Person des Prozessbevollmächtigten liegenden, wenn auch unverschuldeten Grund nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte.
2. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen unverschuldeter Versäumung des Termins zur mündlichen Verhandlung kommt im finanzgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht.
3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann zwar dadurch verletzt werden, dass das FG über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund nachgereichter Schriftsätze nicht entscheidet. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Ergehen des Urteils ist aber nicht mehr möglich.
Normenkette
FGO §§ 56, 91 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 4; ZPO § 114 S. 1
Tatbestand
I. Im finanzgerichtlichen Ausgangsverfahren wegen Einkommensteuer der Jahre 1998 bis 2000 sowie 2002 bis 2004 war streitig, ob bestandskräftige Einkommensteuerbescheide zu ändern und verschiedene Aufwendungen des Antragstellers, Klägers und Beschwerdeführers (Antragsteller) sowie dessen Ehefrau zu berücksichtigen seien.
Das Finanzgericht (FG) hatte am 10. April 2006 die Antragsteller zu der auf den 29. Mai 2006 um 10.00 Uhr anberaumten mündlichen Verhandlung geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne diesen verhandelt und entschieden werden könne.
Die Antragsteller waren zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Das FG führte die mündliche Verhandlung durch. Es stellte im Sitzungsprotokoll fest, dass die Antragsteller ordnungsgemäß geladen waren. Am Schluss der Sitzung verkündete das FG das angefochtene Urteil, mit dem die Klage als unbegründet abgewiesen wurde, ohne die Revision zuzulassen.
Der Antragsteller erklärte am 29. Mai 2006 gegenüber dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zur Niederschrift, dass er aus gesundheitlichen Gründen einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stelle.
In den Urteilsgründen nahm das FG gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten (Finanzamt --FA--) Bezug und führte ergänzend aus, dass sich die Antragsteller durch ihr Nichterscheinen selbst um die Möglichkeit gebracht hätten, ihr Vorbringen zu konkretisieren und Nachweise vorzulegen. Ob sie die Möglichkeit hätten, nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, erscheine fragwürdig, da diese Norm für Fristen, aber nicht für Termine gelte.
Die Antragsteller wandten sich gegen das Urteil mit Nichtzulassungsbeschwerde und beantragten zugleich, ihnen für die Durchführung des Verfahrens wegen Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Die nichtvertretenen Antragsteller tragen sinngemäß vor, dass das FG über ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung unzutreffend entschieden habe.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1. Der Antrag ist zulässig, auch wenn er von den Antragstellern persönlich und nicht durch eine vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsberechtigte Person gestellt worden war. Denn für den beim BFH als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf Bewilligung von PKH gilt der Vertretungszwang nach § 62a FGO nicht (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 114 Satz 1 ZPO hat.
Beantragt ein Kläger vor dem BFH Prozesskostenhilfe, ohne dabei fachkundig durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu sein, ist jedenfalls erforderlich, dass er zumindest in laienhafter Form schlüssig die Gründe vorträgt, auf die er seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt.
Nach diesem Maßstab hat auch bei der gebotenen summarischen Prüfung und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass an die Erfolgsaussichten der Sache im PKH-Verfahren keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 5. Februar 2003 1 BvR 1526/02, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2003, 1857, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2003, 720), die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragsteller keine Aussicht auf Erfolg. Denn die Antragsteller haben Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nicht schlüssig vorgetragen; es ist auch nicht erkennbar, dass solche Gründe vorliegen könnten.
a) Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht darin, dass trotz Ausbleiben der Antragsteller verhandelt und entschieden worden war. Diese Möglichkeit sieht § 91 Abs. 2 FGO ausdrücklich vor. Die Antragsteller waren dadurch auch nicht i.S. des § 119 Nr. 4 FGO im Verfahren nicht vertreten. Denn nach der Rechtsprechung des BFH liegt kein Verfahrensfehler vor, wenn ein ordnungsgemäß geladener Beteiligter aus einem in seiner Person oder in der Person des Prozessbevollmächtigten liegenden, wenn auch unverschuldeten Grund nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte. Dies gilt auch für den Fall einer plötzlich auftretenden Krankheit (vgl. BFH-Beschluss vom 1. Februar 1999 X R 146/96, BFH/NV 1999, 958, m.w.N.). § 119 Nr. 4 FGO setzt voraus, dass der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, weil das Gericht bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch dem Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juni 2002 VII B 171/01, BFHE 198, 330, BStBl II 2002, 870; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 17). Das trifft hier nicht zu, denn die Antragsteller waren ordnungsgemäß geladen worden.
b) Das FG hat auch nicht verfahrensfehlerhaft über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen unverschuldeter Versäumung des Termins zur mündlichen Verhandlung entschieden. Denn eine solche Wiedereinsetzung kommt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH im finanzgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht (vgl. Beschluss vom 1. März 2001 VII B 235/00, BFH/NV 2001, 1130, m.w.N.).
c) Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann zwar dadurch verletzt werden, dass das FG über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund nachgereichter Schriftsätze nicht entscheidet. Das FG hatte aber keinen Anlass, die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu erwägen, nachdem es bereits am Ende der Sitzung das Urteil verkündet hatte und nicht ersichtlich ist, dass ihm zu diesem Zeitpunkt der Antrag auf Wiedereinsetzung bereits zugegangen war. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Ergehen des Urteils ist aber nicht mehr möglich.
Fundstellen
Haufe-Index 1707913 |
BFH/NV 2007, 936 |