Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten NZB
Leitsatz (NV)
1. Ein Verstoß des FG bei der Beweisführung gegen Denkgesetze stellt eine Verletzung materiellen Rechts dar.
2. Wird als Verfahrensmangel unzureichende Sachaufklärung gerügt, so erfordert § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO die Angabe des voraussichtlichen Beweisergebnisses sowie die Darlegung, weshalb das angefochtene Urteil auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann.
3. Die formellen Anforderungen aus § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Begründung einer NZB können im Einzelfall eine Auseinandersetzung mit der im angefochtenen Urteil enthaltenen Begründung gebieten.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine aus zwei Zahnärzten (Eheleute) bestehende Praxisgemeinschaft mit zahnärztlichem Labor. Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) für die Streitjahre (1978 bis 1982) geänderte Umsatzsteuerfestsetzungen, in denen er zusätzlich Lieferungen von Altgold bzw. Goldabfällen an die Firmen A und B in Höhe zwischen rund . . . DM und rund . . . DM (netto) erfaßte. Beide Firmen hatten hierüber der Klägerin Gutschriften erteilt.
Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Goldlieferungen seien nicht von ihr, sondern von der Zahnärztin bewirkt worden. Diese habe das Gold schon seit vielen Jahren besessen. Der Einspruch blieb erfolglos.
Im Klageverfahren hörte das Finanzgericht (FG) die Zahnärztin an und vernahm den die Klägerin betreuenden sog. Goldvertreter der Firma A als Zeugen. Sodann wies es die Klage mit der Begründung ab, das FA habe die Lieferung des Altgolds an die Firma A und die Firma B als Umsätze der Klägerin zu Recht erfaßt. Die Klägerin habe nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, daß nicht sie, sondern die Zahnärztin das Altgold verkauft habe. Zwar habe diese bei der Anhörung im einzelnen dargelegt, daß sie selbst Altgold besessen habe. Gleichwohl habe nicht festgestellt werden können, daß es sich bei den in den Gutschriften erfaßten Altgoldbeständen um diejenigen gehandelt habe, die aus dem Privatbesitz der Zahnärztin stammten. Selbst wenn dies der Fall wäre, habe nicht festgestellt werden können, daß die Zahnärztin das Gold im eigenen Namen und nicht im Namen der Klägerin veräußert habe. Maßgeblich für die Umsatzbesteuerung sei, wer im Außenverhältnis als Verkäufer auftrete.
Der sog. Goldvertreter habe nicht bekundet, daß die Zahnärztin, welche die Praxisgemeinschaft gelegentlich allein gegenüber der Firma A vertreten habe, das Altgold ausdrücklich im eigenen Namen und für eigene Rechnung veräußert habe. Bei der Kundennummer, die sich auf den Gutschriften der Firma A befinde, handle es sich um die Kundennummer der Klägerin. Zwar hätten unter dieser Kundennummer auch Privatgeschäfte der Zahnärztin abgewickelt werden können, da es für die Firma A unerheblich sei, ob das Altgold aus Praxis- oder Privatbeständen stamme. Es sei aber Sache des betreffenden Zahnarztes, jeweils darauf hinzuweisen, daß das Gold nicht aus seiner Praxis, sondern aus seinen Privatbeständen stamme. Danach könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Zahnärztin das Altgold an die Firma A für die Klägerin veräußert habe.
Hinsichtlich der Lieferungen an die Firma B sei das FA zu Recht davon ausgegangen, daß es sich um Lieferungen der Klägerin gehandelt habe; denn die Klägerin sei Adressatin der Gutschriften. Da die Klägerin den Gutschriften nicht widersprochen habe, wäre es ihre Sache gewesen, für jeden Umsatz im einzelnen nachzuweisen, daß es sich um Geschäfte der Zahnärztin im eigenen Namen und nicht um solche Lieferungen gehandelt habe, welche von der Zahnärztin in ihrem, der Klägerin, Namen ausgeführt worden seien.
Dem Beweisantritt der Klägerin dafür, daß die Zahnärztin Altgold besessen habe, sei bei dieser Sachlage nicht nachzugehen gewesen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin Verfahrensmängel dergestalt geltend, daß der Sachverhalt ungenügend aufgeklärt worden sei, daß die Beweisführung einen Verstoß gegen Denkgesetze enthalte und daß das FG nicht von einer weiteren Beweiserhebung habe absehen dürfen.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig; sie wird verworfen. Das Vorbringen der Klägerin genügt nicht den formellen Anforderungen aus § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision kann u. a. dann zugelassen werden, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Wird die Nichtzulassungsbeschwerde hierauf gestützt, so ist innerhalb der Beschwerdefrist der Verfahrensmangel zu bezeichnen (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dies erfordert, daß Tatsachen genau angegeben werden, die den Verfahrensmangel schlüssig ergeben (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 65 i. V. m. § 120 Anm. 37 ff.).
a) Soweit sich die Klägerin auf einen Verstoß gegen die Denkgesetze bei der Beweisführung beruft, was sie offenbar als Verfahrensmangel ansieht, ist diesen Anforderungen schon deshalb nicht genügt, weil eine fehlerhafte Beweiswürdigung keinen Verfahrensfehler darstellt, sondern einen Verstoß gegen das materielle Recht. Entsprechendes gilt für Verstöße gegen die Denkgesetze, auch wenn die betreffenden Mängel nicht bei der rechtlichen Subsumtion vorliegen, sondern bei der Würdigung von Tatsachen (Gräber / Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 28 f.).
b) Die formellen Anforderungen aus § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO sind ferner nicht gewahrt, soweit die Klägerin geltend macht, das FG hätte diejenigen Bediensteten der Firma A vernehmen müssen, von denen die Behälter mit dem umstrittenen Gold geleert worden sind. Insoweit hat die Klägerin zwar ausgeführt, daß sich eine solche Beweisaufnahme aufgrund der Bekundungen des vernommenen Zeugen (,,Goldvertreter") hätte aufdrängen müssen und daß diese Bediensteten die betreffenden Gegenstände würden benennen können sowie daß hierdurch hätte festgestellt werden können, daß die Gegenstände noch aus der . . . zeit gestammt hätten und dementsprechend sich nicht ihr, der Klägerin, zurechnen ließen. In diesen pauschal gehaltenen Bemerkungen, mit denen noch nicht einmal die ,,Gegenstände" näher bezeichnet sind, geschweige denn die Gründe für eine Zuordnung zu ,, . . . zeiten", liegt weder die erforderliche Angabe des voraussichtlichen Beweisergebnisses, noch ist mit ihnen dargetan, weshalb das Urteil auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann. Hierzu wären nähere Darlegungen im Hinblick darauf unumgänglich, daß das FG seine Entscheidung von solchen Umständen letztlich gar nicht abhängig gemacht hat. Wie den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, ist die Klägerin vor dem FG im Hinblick darauf unterlegen, daß das FG die Klageabweisung auf die Ansicht gestützt hat, es habe nicht festgestellt werden können, daß die Zahnärztin das Gold im eigenen Namen und nicht im Namen der Klägerin veräußert habe. Hierbei hat das FG sogar eingeräumt, daß das Gold ursprünglich von der Zahnärztin besessen worden sein könnte.
c) Schließlich entspricht die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, soweit die Klägerin rügt, das FG habe hinsichtlich der Goldlieferungen an die Firma B wirksame Ermittlungen unterlassen und nicht einmal die Zahnärztin hierzu befragt. Auch insoweit fehlt es an der Angabe des voraussichtlichen Beweisergebnisses. Außerdem läßt das Vorbringen der Klägerin die Auseinandersetzung damit vermissen, daß das FG im angefochtenen Urteil der Klageabweisung hinsichtlich der hier erörterten Lieferungen eine gesonderte Begründung gewidmet hat. An der betreffenden Stelle heißt es, hinsichtlich dieser Lieferungen sei das FA zu Recht davon ausgegangen, daß es sich um Lieferungen der Klägerin gehandelt habe; denn die Klägerin sei Adressatin der Gutschriften. Da die Klägerin den Gutschriften nicht widersprochen habe, wäre es ihre Sache gewesen, für jeden Umsatz im einzelnen nachzuweisen, daß es sich um Geschäfte der Zahnärztin im eigenen Namen und nicht um solche Lieferungen gehandelt habe, welche die Zahnärztin in ihrem, der Klägerin, Namen ausgeführt habe. Da bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen ist (vgl. Gräber / Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 65 i. V. m. § 120 Anm. 39), hätte die Klägerin aufgrund des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO hierauf näher eingehen müssen.
Fundstellen