Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländischer Wohnsitz eines im Ausland studierenden Kindes
Leitsatz (NV)
1. Die Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes durch ein im Ausland studierendes Kind setzt nicht voraus, dass es hier mindestens fünf Monate im Jahr lebt.
2. Ob im Einzelfall bei Anwendung der vom BFH mehrfach dargelegten Rechtsgrundsätze von einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auszugehen ist, unterliegt der Tatsachenwürdigung des FG; seiner Entscheidung kommt insoweit keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Normenkette
AO §§ 8-9; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 25.03.2008; Aktenzeichen IV 119/2006) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und seine Familie sind 1990 als sowjetische Staatsangehörige aus der Ukraine zugezogen; sie sind mittlerweile deutsche Staatsbürger. Der 1984 geborene Sohn studiert seit dem 1. November 2005 bis voraussichtlich September 2011 an der Nationalen Universität in Kiew.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte den Antrag auf Kindergeld ab, da der Sohn seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland oder einem anderen EU- bzw. EWR-Staat habe. Der Kläger trug demgegenüber vor, sein Sohn habe den Hauptwohnsitz in der Wohnung seiner Eltern behalten. Dort werde sein Zimmer für ihn bereitgehalten, in dem sich sein gesamtes Mobiliar und seine persönlichen Sachen befänden. Nach Abschluss des Studiums in der Ukraine wolle er das Jurastudium in Deutschland fortsetzen. Er komme drei bis vier Mal im Jahr für jeweils vier Wochen nach Deutschland.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass im Ausland studierende Kinder allenfalls dann einen inländischen Wohnsitz bei ihren Eltern beibehielten, wenn sie sich dort fünf Monate im Jahr aufhielten (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294). Die vom Kläger vorgetragenen Inlandsaufenthalte des Sohnes lägen unter fünf Monaten im Jahr und seien darüber hinaus auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, da sich aus den ukrainischen Stempeln keine Rückschlüsse auf Einreisen nach Deutschland ergäben.
Mit seiner gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde trägt der Kläger vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Dem BFH-Urteil in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294 lasse sich entnehmen, dass langjährig im Ausland studierende Kinder jedenfalls dann einen inländischen Wohnsitz beibehielten, wenn sie sich insgesamt fünf Monate im Jahr in der elterlichen Wohnung aufhielten. Das FG leite daraus zu Unrecht ab, dass ein viermonatiger Aufenthalt nicht ausreiche, denn das BFH-Urteil habe keineswegs eine Mindestdauer festgelegt. Das FG habe zudem den Leitsatz dieses BFH-Urteils nicht richtig angewandt und unrichtig daraus verwiesen, dass es keine entscheidende Rolle spiele, ob Mobiliar und persönliche Sachen in Deutschland verblieben seien.
Das FG habe den Sachverhalt verfahrensfehlerhaft auch mangelhaft aufgeklärt, da es im Laufe des Verfahrens keinerlei Hinweise darauf gegeben habe, dass die Inlandsaufenthalte als nicht hinreichend nachgewiesen erachtet würden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt, ist die Beschwerde bereits mangels ausreichender Darlegung des Zulassungsgrundes (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) unzulässig.
Beruft sich der Beschwerdeführer auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, so muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage muss er begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die zu der für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfrage bereits vorhanden ist, auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung bislang keine Klärung herbeigeführt hat (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32 ff.).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Es trifft zwar zu, dass die Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes durch ein im Ausland studierendes Kind nach dem BFH-Urteil in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294 nicht voraussetzt, dass es dort mindestens fünf Monate im Jahr lebt. Damit wird aber keine im allgemeinen Interesse zu klärende Rechtsfrage bezeichnet.
Der BFH hat mehrfach die Rechtsgrundsätze dargelegt, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zwecke des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (§§ 8, 9 der Abgabenordnung) beibehält. Ob im Einzelfall bei Anwendung dieser Grundsätze von einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auszugehen ist, hat das FG unter Berücksichtigung der Umstände des Falles im Wege der Tatsachenwürdigung zu beurteilen. Der Entscheidung des FG als Tatsacheninstanz kommt insoweit keine grundsätzliche Bedeutung zu (Senatsbeschluss vom 31. Mai 2007 III B 50/07, BFH/NV 2007, 1907, m.w.N.).
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Das FG hat seine Pflicht zur Sachaufklärung nicht verletzt. Denn der Umfang der Sachaufklärungspflicht des FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) richtet sich nach dessen materiell-rechtlichem Standpunkt (Senatsbeschluss in BFH/NV 2007, 1907). Da das FG den vorgetragenen Umfang der Aufenthalte in der Wohnung des Klägers nicht für ausreichend hielt, brauchte es nicht festzustellen, ob diese zutrafen.
Fundstellen