Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung
Leitsatz (NV)
1. Für eine einstweilige Anordnung auf Unterlassung von Pfändungsmaßnahmen durch das Finanzamt fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn Steuerrückstände, die zu Vollstreckungsmaßnahmen geführt haben, gezahlt worden sind und eine Fortsetzung der Vollstreckung nicht droht.
2. Zur Wirkung einer ,,Zahlung unter Vorbehalt".
3. Zur Wiederholungsgefahr nach beendeter Vollstreckung.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1
Tatbestand
Die Antragsteller stellten beim Finanzgericht (FG) den Antrag, das Finanzamt im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sämtliche Pfändungs- und Vollstreckungsmaßnahmen in Höhe eines Betrages von 3 065,40 DM zu unterlassen, bis über das beim FG anhängige Verfahren auf Gewährung einer Investitionszulage und eine Schadensersatzklage gegen das FA wegen Amtspflichtverletzung entschieden sei. Das FG lehnte den Antrag mit der Begründung ab, es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung, da gegenwärtig keinerlei steuerliche Forderungen gegen die Antragsteller geltend gemacht würden. Soweit es sich um die Forderungspfändung aus Einkommensteuer III/85 handele, bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil der streitige Betrag gezahlt worden und die Pfändung dadurch erloschen sei. Falls der Antrag dahin gehe, alle etwaigen weiteren Vollstreckungsmaßnahmen zu unterbinden, fehle ihm ebenfalls das Rechtsschutzbedürfnis, weil es regelmäßig zumutbar sei, etwaige weitere Vollziehungsmaßnahmen abzuwarten und dagegen Anträge auf Aussetzung der Vollziehung oder Vollstreckungsschutz zu stellen.
Die Antragsteller legten gegen den Beschluß des FG Beschwerde ein: Ihrem Antrag fehle nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da die vom FA vorgenommenen Pfändungen nicht durch Zahlungen erloschen seien. Die Zahlungen seien jeweils nur unter Vorbehalt geleistet worden. Drohende Maßnahmen des FA könnten nicht durch Anträge auf Aussetzung der Vollziehung abgewehrt werden, weil derartige Anträge nicht gestellt werden könnten. Vollstreckungsmaßnahmen seien durchaus zu befürchten, weil das FA bereits drei Kontopfändungen ausgesprochen habe und auch einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckungsmaßnahmen mit Schreiben vom 26. August 1985 zurückgewiesen habe. Das FA sei anzuhalten, willkürliche Maßnahmen zu unterlassen und sich rücksichtsvoll zu verhalten. Es bestehe jederzeit die Möglichkeit, daß das FA bei Zurückhaltung von Steuerbeträgen wegen nicht geklärter Zahlungsansprüche wiederum Pfändungsmaßnahmen ergreife. Derartige Steuerbeträge seien laufend an das FA zu leisten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Voraussetzung für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes. Beide sind glaubhaft zu machen (§ 114 Abs. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Fehlt es an einer der Voraussetzungen, so kann dem Antrag nicht stattgegeben werden. Im Streitfall fehlt es schon an einem Rechtsschutzbedürfnis.
Den Antragstellern fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag, da die rückständigen Steuerforderungen, insbesondere die Einkommensteuer III/85, gezahlt worden sind und die Pfändung dadurch erledigt ist. Demzufolge hat die bereits ausgebrachte, aber inzwischen erledigte Pfändung keine nachteiligen Wirkungen mehr für die Antragsteller, durch die diese beschwert sein könnten und aus denen sich ihr Rechtsschutzbedürfnis ergeben könnte.
Unerheblich für das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller im Streitfall ist es, daß die Zahlung unter Vorbehalt geleistet worden ist. Durch den Zusatz ,,unter Vorbehalt" bei einer Zahlung wird die rechtliche Wirkung einer Zahlung nicht beeinflußt. Auch die unter Vorbehalt vorgenommene Zahlung hat zur Folge, daß der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 47 der Abgabenordnung (AO 1977) erloschen ist und gemäß § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 die Vollstreckung einzustellen sowie nach § 257 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben waren.
Da keine Steuerrückstände vorhanden sind, die ein Tätigwerden des FA im Vollstreckungsverfahren auslösen können, droht den Antragstellern gegenwärtig eine Vollstreckung durch das FA nicht mehr. Auch früher durchgeführte Pfändungen und eine Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollstreckung gemäß § 258 AO 1977 begründen keine Wiederholungsgefahr, da eine Vollstreckungstätigkeit durch das FA Steuerrückstände voraussetzt, an denen es hier aber unstreitig nach Zahlung der offenen Beträge fehlt.
Das FG hat es auch zu Recht abgelehnt, dem Begehren der Antragsteller durch eine einstweilige Anordnung zu entsprechen, alle etwaigen weiteren Vollstreckungsmaßnahmen in der bestimmten Höhe zu unterlassen, bis über die Gegenansprüche der Antragsteller entschieden worden sei. Seine Auffassung, hierfür fehle das Rechtsschutzbedürfnis, wird gerechtfertigt durch die Erklärung der Antragsteller selbst, die Pfändungsmaßnahmen des FA nur bei ,,Zurückhalten von Steuerbeträgen" erwarten. Es besteht kein schutzwürdiges Interesse der Antragsteller daran, die von ihrem eigenen ungewissen künftigen Verhalten, nämlich der etwaigen Nichtzahlung von künftig fällig werdenden Steuern, abhängigen Pfändungsmaßnahmen des FA schon jetzt zum Gegenstand eines Rechtsstreits zu machen.
Daß das FA künftig willkürlich ohne Beachtung der Vollstreckungsvoraussetzungen Pfändungsmaßnahmen ergreifen werde oder in der Vergangenheit bereits ergriffen hat, ist von den Antragstellern nicht glaubhaft gemacht worden (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Hierfür reicht der Hinweis der Antragsteller auf in anderen Zusammenhängen ihnen gegenüber angeblich vorgenommene Schikanen des FA nicht aus.
Fundstellen
Haufe-Index 414559 |
BFH/NV 1986, 681 |