Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen des Revisionsantrags
Leitsatz (NV)
In der Revision kann der Kläger über das erstinstanzliche Begehren nicht hinausgehen. Er kann auch nicht auf einen fallengelassenen Klageantrag zurückgreifen.
Normenkette
FGO §§ 72, 110, 123
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie gaben trotz wiederholter Aufforderung für die Jahre 1982 und 1983 keine Einkommensteuererklärungen ab. Das Finanzamt (- FA -) ging davon aus, daß die Kläger Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit erzielt hätten. Das zuständige Betriebs-FA teilte dem beklagten FA außerdem mit, daß für die vom Kläger unterhaltene . . . Verluste von 22 866 DM bzw. 11 858 DM festgestellt worden seien. Das FA erließ daraufhin im Februar und April 1985 sog. NV-Verfügungen hinsichtlich der Einkommensteuer 1982 und 1983. Im Juni 1986 legten die Kläger Einkommensteuererklärungen für 1982 und 1983 vor. Daraus ergaben sich Bruttoarbeitslöhne der Ehegatten von . . . DM, negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von . . . DM, Zinseinnahmen von . . . DM, Sonderausgaben von . . . DM und außergewöhnliche Belastungen von . . . DM. Das FA lehnte die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung von Amts wegen ab, weil das Einkommen 48 000 DM nicht überschritten habe; eine Veranlagung auf Antrag könne nicht durchgeführt werden, weil die Antragsfrist abgelaufen sei.
Hiergegen erhoben die Kläger Klage beim Finanzgericht (FG); einen Antrag stellten sie nicht und gaben trotz wiederholter Aufforderung durch das FG auch keine Begründung ab. Das FG wies die Klage durch Vorbescheid als unzulässig ab. Hiergegen beantragten die Kläger mündliche Verhandlung. In der Verhandlung nahmen die Kläger die Klage zurück. Das FA stimmte der Klagerücknahme nicht zu. Das FG betrachtete die Klagerücknahme deshalb als unwirksam. Nach Ergehen eines Vorbescheides müsse das FA der Klagerücknahme zustimmen. Das gelte auch, wenn gegen den Vorbescheid mündliche Verhandlung beantragt worden sei; der abweichenden Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei nicht zu folgen. Die Klage müsse als unzulässig abgewiesen werden, weil sie von den Klägern nicht begründet worden sei.
Mit der vom FG zugelassenen Revision begehren die Kläger die Durchführung von Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1982 und 1983. Sie machen sich die Auffassung des FG zu eigen, daß die Klagerücknahme unwirksam gewesen sei, halten die Klage aber für zulässig, weil die Einkommensteuererklärungen vorgelegen hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Das FG hat die Revision entsprechend § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) zugelassen, weil es vom BFH-Urteil vom 3. Februar 1971 I R 51/66 (BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408) abgewichen ist. Die Kläger sind durch die angefochtene Entscheidung auch beschwert, da sie ihrem Begehren nicht entsprochen hat. Dieses Begehren ging nach Klagerücknahme (§ 72 FGO) dahin, die Klage als nicht rechtshängig zu betrachten und allenfalls über die Kostenfolge zu entscheiden; demgegenüber hat das FG die Klage als noch anhängig angesehen und sie als unzulässig abgewiesen. Das Urteil des FG erwächst in Rechtskraft (§ 110 FGO), die bei der Klagerücknahme vermieden wird.
Über dieses erstinstanzliche Begehren kann der Kläger in der Revisionsinstanz nicht hinausgehen. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Klageerweiterung in dieser Verfahrensphase unzulässig (vgl. die Nachweise bei Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 123 Rdnr. 2); dies muß auch gelten, wenn der Kläger in der Revisionsinstanz auf einen fallengelassenen Klageantrag zurückgreift oder einen Klageantrag erstmals in der Revisionsinstanz stellt. So verhält es sich im Streitfall, in dem die Kläger erst im Verfahren vor dem BFH beantragen, das FA zur Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen zu verurteilen.
Vor dem FG haben die Kläger einen derartigen Antrag nicht gestellt. Sie haben zwar Klage gegen die die Veranlagung ablehnende Einspruchsentscheidung erhoben, diese Klage aber nicht begründet und auch keine Anträge gestellt; sie haben zu keinem Zeitpunkt zur Sache Stellung genommen, sondern stets nur auf eine bevorstehende Erledigung der Angelegenheit durch eine Betriebsprüfung hingewiesen. Darum kann auch nicht angenommen werden, sie hätten einen Klageantrag hilfsweise für den Fall gestellt, daß das FG die Klagerücknahme als unwirksam ansehen sollte. Das FG hat deshalb die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, nachdem es zur Unwirksamkeit der Klagerücknahme gekommen war. Im Zivilprozeß müßte ein Versäumnisurteil ergehen, wenn sich die Klagerücknahme mangels Zustimmung des Beklagten als unwirksam erweist und für diesen Fall kein Klageantrag gestellt wird (vgl. Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluß vom 11. März 1968, 8 W 18/68, Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen 1968, 287); im Steuerprozeß muß in einem derartigen Fall die Klage als unzulässig abgewiesen werden (Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, § 72 Rdnr. 28).
Diese Prozeßlage können die Kläger nicht dadurch verändern, daß sie in der Revisionsinstanz einen Klageantrag stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 417750 |
BFH/NV 1991, 829 |