Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung: Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 i.V.m. § 4 Abs. 5 und 6 UmwStG 1995
Leitsatz (NV)
1. Es ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, dass § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 i.V.m. § 4 Abs. 5 und 6 UmwStG 1995 mit dem Grundgesetz vereinbar ist und nicht in unzulässiger Weise zurückwirkt.
2. Das schutzwürdige Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtsfolgenlage entfällt auch dann im Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich keine Kenntnis von dem Gesetzesbeschluss hatte.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; UmwStG 1995 § 4 Abs. 5-6, § 27 Abs. 3
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 04.11.2008; Aktenzeichen 6 K 4398/99 K, F) |
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.
1. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zu.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entfällt das schutzwürdige Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtsfolgenlage regelmäßig (erst) im Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die Neuregelung. Mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses müssen die Betroffenen mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen und es ist ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten. Der Gesetzgeber ist deshalb berechtigt, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auch auf den Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (z.B. BVerfG- Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, BGBl I 1998, 725, m.w.N.).
Der Senat hat dementsprechend entschieden, dass § 27 Abs. 3 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) i.d.F. von Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7), nach dem § 4 Abs. 5 und 6 UmwStG 1995 i.d.F. von Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) mit erstmaliger Wirkung für Umwandlungsvorgänge anzuwenden ist, deren Eintragung im Handelsregister nach dem 5. August 1997 beantragt worden ist, mit dem Grundgesetz vereinbar ist und nicht in unzulässiger Weise zurückwirkt (Urteil vom 29. April 2008 I R 103/01, BFHE 221, 121, BStBl II 2008, 723).
Soweit die Klägerin vorbringt, wegen des formell verfassungswidrigen Zustandekommens der Neuregelungen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008 2 BvL 12/01, BVerfGE 120, 56, BGBl I 2008, 481) habe sie nicht rechtzeitig Kenntnis von dem Gesetzesbeschluss nehmen können, folgt hieraus kein weiterer Klärungsbedarf. Das Vertrauen in die bestehende Rechtslage hängt nicht davon ab, ob der Steuerpflichtige tatsächlich Kenntnis von dem Gesetzesbeschluss genommen hat. Ausreichend ist vielmehr, dass er von einem derartigen Gesetzesbeschluss Kenntnis nehmen kann. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Gesetzesbeschluss auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses getroffen wurde, obwohl dieser insoweit nicht angerufen worden war.
Die Klägerin kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, die maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen seien bereits vor dem 5. August 1997 abschließend ausgehandelt und beurkundet worden. Ein Vertrauensschutz auf den Fortbestand einer steuergesetzlichen Rechtslage während laufender Vertragsverhandlungen ist nicht einzuräumen, auch dann nicht, wenn diese Verhandlungen Dispositionen ausgelöst haben, die im Vertrauen auf die gegebene Rechtslage erfolgt und als solche grundsätzlich schützenswert sind. Ausschlaggebend ist allein, dass die Handelsregistereintragung als für die Wirksamkeit der Verschmelzung konstitutiven Rechtsakt zu diesem Zeitpunkt noch ausstand und die Beteiligten sonach noch Gelegenheit hatten, auf die neue Rechtslage zu reagieren und sich hierauf einzustellen. Maßgebend kann in diesem Zusammenhang nicht sein, ob dem Steuerpflichtigen entsprechende konkrete Informationen tatsächlich zur Verfügung standen. Solches ließe sich letztlich kaum verlässlich feststellen und überprüfen. Vielmehr kann es nur darauf ankommen, dass er vom Zeitpunkt der parlamentarischen Beschließung an derartige einschlägige Informationen erlangen konnte. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen kann insofern immer nur typisierend geschützt werden, nicht aber bezogen auf den jeweiligen Einzelfall und für den dabei gegebenen subjektiven Informationsstand.
2. Der Senat hält auch die Rüge, das Urteil des Finanzgerichts (FG) weiche vom Senatsurteil in BFHE 221, 121, BStBl II 2008, 723, sowie vom Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) ab (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), für nicht durchgreifend. Dies folgt hinsichtlich des BFH-Beschlusses in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, schon daraus, dass es dort --anders als im Streitfall-- nicht um Dispositionen ging, die nach dem Gesetzesbeschluss noch änderbar waren. Soweit das FG die Anwendungsregelung als tatbestandliche Rückanknüpfung eingeordnet hat, während der Senat offengelassen hat, ob sie als tatbestandliche Rückanknüpfung oder als Rückbeziehung von Rechtsfolgen zu beurteilen ist, handelt es sich um keine entscheidungserhebliche Abweichung. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 2216651 |
BFH/NV 2009, 1848 |