Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliches Gehör; Akteneinsicht
Leitsatz (NV)
1. Das rechtliche Gehör eines Klägers, der fachkundig vertreten ist, beinhaltet nicht den Anspruch, auch naheliegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte in der mündlichen Verhandlung zu erörtern.
2. Durch nicht gewährte Akteneinsicht wird das rechtliche Gehör nur verletzt, wenn die Akteneinsicht ausdrücklich verweigert worden ist. Zur Darlegung eines derartigen Verfahrensmangels ist zudem zumindest vorzutragen, welche entscheidungserheblichen Umstände sich aus den betreffenden Akten möglicherweise hätten ergeben können.
Normenkette
FGO § 78 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit --insbesondere vor dem Hintergrund bestehender Rechtsprechung und einschlägiger Literatur--, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (vgl. dazu etwa Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Die erforderliche über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung einer Rechtsfrage kann nicht allein mit der Behauptung dargelegt werden, es sei bislang keine Entscheidung zu einem vergleichbaren Fall bekannt geworden, die Rechtsfrage sei aber in einer Vielzahl von Fällen bedeutsam (BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2003 VII B 7/03, BFH/NV 2004, 79; vom 27. Mai 2002 VIII B 150/01, BFH/NV 2002, 1463; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 34).
Im Übrigen fehlt es vorliegend an der Darlegung der Erheblichkeit und damit der Klärungsfähigkeit der vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Frage nach der Bindungswirkung der von ihm bezeichneten "Liste nicht entschiedener Verfahren". Im Ergebnis hat das Finanzgericht (FG) die Einkommensteuer des Klägers für das Streitjahr seiner Berufung auf das von ihm bezeichnete Revisionsverfahren entsprechend herabgesetzt, soweit nach Ablauf der Festsetzungsfrist eine Verböserung erfolgt ist.
2. Zur Darlegung einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) wäre erforderlich gewesen, in der Beschwerdeschrift abstrakte Rechtssätze des erstinstanzlichen Urteils herauszustellen, die mit entscheidungserheblichen Rechtssätzen der Entscheidung eines anderen Gerichts nicht übereinstimmen (vgl. BFH-Beschluss vom 8. März 2004 VII B 334/03, BFH/NV 2004, 974). Diesem Erfordernis wird mit dem bloßen Hinweis des Klägers auf eine bestimmte von der des FG abweichende Auffassung in der Literatur, die mit einer bestimmten BFH-Entscheidung belegt werde, nicht entsprochen.
3. Auch einen Verfahrensfehler der Vorinstanz (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) hat der Kläger nicht dargelegt.
Seine Rüge des Fehlens der Sachurteilsvoraussetzungen ist nicht schlüssig erhoben, da auch dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen ist, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Verfahren vor dem FG eine Teilerledigung des Rechtsstreits erklärt hat. Auch wenn das FA im Klageverfahren eingeräumt hat, dass eine entsprechende Herabsetzung der Steuer zu erfolgen habe, hat es seinerseits keinen Änderungsbescheid erlassen, sondern ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem FG eine derartige Sachentscheidung durch das Gericht beantragt. In diesem Antrag ist --auch konkludent-- keine Erledigungserklärung zu erblicken.
Soweit der Kläger mit dem Vorbringen, das FG habe in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben, dass es eine Teilerledigung nicht für gegeben erachte, eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) infolge einer Überraschungsentscheidung rügen will, ist diese Rüge ebenfalls nicht schlüssig erhoben. Das rechtliche Gehör eines Klägers, der vor dem FG fachkundig vertreten ist, beinhaltet nicht den Anspruch, dass auch nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte in der mündlichen Verhandlung erörtert werden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. September 2003 IV B 48/02, juris; BFH-Urteil vom 10. Juli 2002 X R 65/96, BFH/NV 2002, 1567).
Schließlich ist auch die Rüge des Klägers, das FG habe ihm nicht in hinreichendem Umfange Akteneinsicht gewährt (§ 78 Abs. 1 FGO), nicht schlüssig dargelegt. Durch nicht gewährte Akteneinsicht wird das rechtliche Gehör nur verletzt, wenn die Akteneinsicht ausdrücklich verweigert worden ist (BFH-Beschlüsse vom 6. Mai 1998 II B 109/97, BFH/NV 1998, 1498; vom 9. Mai 2004 III B 24/03, juris). Die Beschwerdeschrift enthält keine Ausführungen dazu, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, sich die beantragte Akteneinsicht (u.a. bei der Geschäftsstelle des FG) zu verschaffen. Weiter hätte zumindest vorgetragen werden müssen, welche entscheidungserheblichen Umstände sich aus den betreffenden Akten möglicherweise hätten ergeben können (BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 1998 I B 29/98, BFH/NV 1999, 627; vom 13. November 1995 V B 91/95, BFH/NV 1996, 553, 554).
Fundstellen
Haufe-Index 1444472 |
BFH/NV 2005, 2216 |