Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH; öffentliche Zustellung; Aufenthaltsermittlung
Leitsatz (NV)
Bei einem Prozessbeteiligten, der sich selbst als wohnsitzlos bezeichnet, erfüllt das FG seine Verpflichtung zu prüfen, ob der Aufenthalt des Prozessbeteiligten allgemein unbekannt ist, durch eine Nachfrage bei der Meldebehörde.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; VwZG § 15 Abs. 1
Gründe
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.V.m. § 114 Satz 1 letzter Halbsatz der Zivilprozeßordnung ―ZPO―). Zwar fehlt es an der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht schon deshalb, weil der Antragsteller nicht entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Finanzgerichts (FG) innerhalb der Rechtmittelfrist die Nichtzulassungsbeschwerde ―und zwar formgerecht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten― eingelegt hat (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ―BFHEntlG―). Verfügt nämlich ein Beteiligter nicht über ausreichende Mittel für die Beiziehung eines solchen Bevollmächtigten für die form- und fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels in einem finanzgerichtlichen Verfahren, so besteht, nachdem ihm PKH bewilligt und eine der genannten Personen beigeordnet worden ist, die Möglichkeit zu einer wirksam formgerechten Einlegung des Rechtsmittels auch noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass dem Antragsteller wegen seiner Mittellosigkeit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird. Um das erreichen zu können, muss der Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist ―im Streitfall innerhalb von einem Monat nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO)― den Antrag auf Bewilligung der PKH stellen und unaufgefordert die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 ZPO vorlegen. Geschieht dies nicht, so kann eine spätere Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich nicht gewährt werden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. März 1986 III R 134/80, BFH/NV 1986, 631, und vom 10. November 1994 VII S 24/94, BFH/NV 1995, 726). Im Streitfall hat der Antragsteller den PKH-Antrag nicht rechtzeitig gestellt. Der Gerichtsbescheid ist nach § 15 Abs. 3 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) an dem Tag als zugestellt anzusehen, an dem seit dem Tag des Aushängens, dem 18. Mai 2000, zwei Wochen verstrichen sind. Die am 1. Juni 2000 beginnende Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde war somit verstrichen, als der Antragsteller am 30. November 2000 seinen Antrag auf Bewilligung von PKH bei der Rechtsantragstelle des FG Berlin gestellt hat.
Die vom FG mit Beschluss vom 19. April 2000 angeordnete öffentliche Zustellung nach § 15 VwZG ist wirksam erfolgt; die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung liegen vor.
Der Aufenthaltsort des Antragstellers ist unbekannt. Im Streitfall ist eine Nachfrage des Gerichts bei der Meldebehörde nach der Anschrift des Antragstellers, der sich selbst als wohnsitzlos bezeichnet hatte, ergebnislos verlaufen. Trotz Aufforderung hatte der Antragsteller zudem in einem Parallelverfahren keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten bestellt. Damit hat das FG seiner Verpflichtung, zu prüfen, ob der Aufenthalt des Antragstellers allgemein "unbekannt" ist, genügt (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 4. August 1992 VII B 93/92, BFH/NV 1993, 701). Der Gerichtsbescheid ist am 18. Mai 2000 an der Gerichtstafel im FG Berlin ausgehängt worden. Die Abnahme des Gerichtsbescheids von der Gerichtstafel erfolgte am 13. Juni 2000 und damit nach Ablauf der Frist von zwei Wochen.
Umstände, die die Versäumung der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als unverschuldet erscheinen lassen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) nicht in Betracht kommt. Da die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde abgelaufen ist, muss der Senat bei der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von PKH davon ausgehen, dass dem Antragsteller bei Einlegung der von ihm beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde durch einen Bevollmächtigten i.S. des § 62a FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte und die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb als unzulässig zu verwerfen wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 567581 |
BFH/NV 2001, 802 |