Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für Privatgutachten sind erstattungsfähig, wenn die Gutachten erforderlich und geeignet waren, den Ausführungen des anderen Verfahrensbeteiligten zu einer schwierigen technischen Frage entgegenzutreten.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 1
Gründe
Aus den Gründen:
Der Kostengläubigerin sind die Aufwendungen für die Gutachten des Prof. Dr. Z. zu erstatten, da sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 139 Abs. 1 FGO). In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird zwar die Auffassung vertreten, daß die Kosten für Privatgutachten, die ein Prozeßbeteiligter während des gerichtlichen Verfahrens eingeholt hat, grundsätzlich nicht zu erstatten seien (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, V, 1. bis 6. Aufl., FGO § 139 Anm. 13; Schunck-de Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 162 Erläuterung 3 b, dd; Beschlüsse des Oberlandesgerichts - OLG - Frankfurt am Main 6 W 626/54 vom 8. Dezember 1954, Monatsschrift für Deutsches Recht 1955 S. 305 - MDR 1955, 305 -, des OLG Düsseldorf 10 W 142/59 vom 1. Juli 1959, MDR 1959, 1022, und des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Lüneburg VI OVG B 56/67 vom 30. August 1968, Neue Juristische Wochenschrift 1969 S. 573 - NJW 1969, 573 -; Schneider: Die Erstattungsfähigkeit der Kosten für Privatgutachten, MDR 1965, 963). Es ist aber auch allgemein anerkannt, daß die Kosten für Privatgutachten in Ausnahmefällen oder unter besonderen Voraussetzungen zu erstatten sind (vgl. außer den vorstehenden Hinweisen: Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz (Handausgabe), 2. Aufl., § 91 ZPO E III b 3; Mattern-Meßmer, Reichsabgabenordnung, 1964, § 316 AO, Tz. 2424; Beschlüsse des OLG Stuttgart 8 W 206/60 vom 11. Oktober 1960, MDR 1961, 155, und des OLG München 11 W 1231/62 vom 31. Januar 1963, NJW 1963, 1682). So ist die Erstattungsfähigkeit der Kosten für Privatgutachten anerkannt worden, wenn schwierige technische Fragen zu beurteilen waren (vgl. Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs - VGH - Württemberg-Baden 2 S II 51/49 vom 15. August 1953, Entscheidungssammlung des Hessischen und des Württemberg-Badischen Verwaltungsgerichtshofes Bd. 3 S. 226, und des OLG Düsseldorf vom 1. Juli 1959, a. a. O.; Stein-Jonas, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 91 VII 5 b; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 30. Aufl., § 91 Anm. 5 unter "Gutachten") oder wenn das Gutachten eingeholt worden ist, um ein Gutachten zu widerlegen, auf das sich der andere Beteiligte für die Richtigkeit seines Standpunktes berufen hatte (vgl. Beschlüsse des OLG Schleswig 7 W 247/59 vom 2. Februar 1960, Versicherungsrecht 1960 S. 1021 - VersR 1960, 1021 -, und des OVG Lüneburg vom 30. August 1968, a. a. O.; Baumbach-Lauterbach, a. a. O.).
In den Verfahren, für die im vorliegenden Fall die Kostenerstattung verlangt wird, waren die Beschaffenheit der eingeführten Erzeugnisse und deren Einordnung als Rückstände oder Nebenerzeugnisse von maßgeblicher Bedeutung. Um die Beschaffenheit und die Frage der Einordnung als Rückstand oder Nebenerzeugnis beurteilen zu können, waren gründliche Fachkenntnisse auf dem Gebiet des Mineralöls erforderlich. Tarifrechtliche Kenntnisse allein reichten dazu nicht aus. Das zeigt sich schon daran, daß das HZA sich zur Begründung seines Standpunktes und seiner Nachforderung auf mehrere Sachverständigengutachten berufen und daß auch das FG mehrere Sachverständige gehört hat. Auch wenn dem HZA darin gefolgt wird, daß die Kostengläubigerin fachkundige Angestellte hatte, die nach Erkundigungen bei der Herstellerfirma hätten in der Lage sein müssen, die Beschaffenheit der eingeführten Erzeugnisse und deren Eigenschaft als Rückstand oder Nebenerzeugnis bei der Einleitung der Verfahren darzustellen, so kann doch nicht davon ausgegangen werden, daß deren Kenntnisse auch ausgereicht hätten, um zu den fachlichen Fragen auf dem Gebiet des Mineralöls, die während der Verfahren aufgetreten sind, eingehend genug und vor allem auch überzeugend Stellung zu nehmen. Dabei ist ganz besonders auch zu beachten, daß die Kostengläubigerin sich in ihren Stellungnahmen mit den vom HZA in die Rechtsstreitigkeiten eingeführten Gutachten wissenschaftlich erfahrener Sachverständiger auseinandersetzen mußte. Unter Beachtung der aufgezeigten Auffassungen in der Rechtsprechung und im Schrifttum zur Frage der Erstattung von Kosten für Privatgutachten kann der Kostengläubigerin nicht widerlegt werden, daß ihr eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in dieser Lage nur unter Zuziehung eines Sachverständigen möglich war, der den Sachverständigen, auf deren Gutachten sich das HZA berufen hat, ebenbürtig war.
Für die Frage, ob die Kosten für die Gutachten des Prof. Dr. Z. zu erstatten sind, braucht nicht untersucht zu werden, in welchem Maße die Gutachten tatsächlich zur Urteilsfindung beigetragen haben. Die Erstattung der Kosten ist allein davon abhängig, ob das Einholen der Gutachten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendig war. Das ist im vorliegenden Fall danach zu beurteilen, ob die Gutachten geeignet und erforderlich waren, den Darlegungen des HZA entgegenzutreten und die Kostengläubigerin dadurch in der Wahrung ihrer Rechte zu unterstützen. Dazu waren die Gutachten des Prof. Dr. Z. geeignet. Das wird ganz besonders dadurch bestätigt, daß das FG ihn als Sachverständigen gehört hat.
Fundstellen
Haufe-Index 69216 |
BStBl II 1971, 400 |
BFHE 1971, 484 |