Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinschaftliche Klagebefugnis der Gesellschafter für eine GbR
Leitsatz (NV)
1. Hat das FG die Klage einer GbR mangels Prozessfähigkeit als unzulässig abgewiesen, ist die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde insoweit zulässig.
2. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Gesellschafter einer GbR für diese mangels anderer Vereinbarungen auch dann nur gemeinschaftlich klagebefugt sind, wenn einer der Gesellschafter für eine im Namen der Gesellschaft erhobene Klage die Erteilung einer Vollmacht schikanös verweigert.
3. Hat der vollmachtlose Prozessvertreter auch das Beschwerdeverfahren zu verantworten, so sind ihm auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren aufzuerlegen, wenn der Beigeladene sich an dem Beschwerdeverfahren durch Sachvortrag beteiligt und durch Stellung eines Antrags ein Kostenrisiko getragen hat.
Normenkette
FGO § 58 Abs. 2, §§ 62, 115 Abs. 2, § 139 Abs. 4; BGB § 709 Abs. 1, § 714
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 24.08.2005; Aktenzeichen 2 K 2018/02) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GbR, die neben dem Klägervertreter aus weiteren sechs Gesellschaftern besteht; sie wurde 1993 gegründet, um gemeinsam ein Mietshaus zu erwerben, zu sanieren und zu vermieten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte den Abzug von Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördGG) im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung wegen einer sog. "Scheinrechnung" nicht an und änderte dementsprechend die Feststellungsbescheide für die Streitjahre. Der Einspruch hiergegen blieb erfolglos.
Im Klageverfahren wies das Finanzgericht (FG) den Klägervertreter mit Schreiben des Berichterstatters vom 14. April 2004 darauf hin, dass die Klage unzulässig sein könnte, weil sie nicht von allen Gesellschaftern erhoben wurde; die Vollmacht des Klägervertreters war nur von zwei der sieben Gesellschaftern unterschrieben. Dieses FG-Schreiben blieb inhaltlich unbeantwortet; der Klägervertreter beantragte vielmehr mit Schreiben vom 14. Juli 2004 lediglich "eine Entscheidung durch den Senat". Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. August 2005 erschien weder die Klägerin, noch war sie vertreten. Das FG wies die Klage mangels Prozessfähigkeit der Klägerin als unzulässig und unbegründet ab, erlegte die Kosten dem vollmachtslosen Klägervertreter auf und ließ die Revision nicht zu.
Hiergegen wendet sich die Klägerin vertreten durch den bisherigen Klägervertreter mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht grundsätzliche Bedeutung, Verfahrensmängel und Verletzung rechtlichen Gehörs geltend. Während des Beschwerdeverfahrens hat sie Prozessvollmachten von vier weiteren Gesellschaftern eingereicht.
Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Der Beigeladene beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Trotz der vom FG angenommenen Prozessunfähigkeit der Klägerin (§ 58 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. §§ 709 Abs. 1, 714 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) muss die Beschwerde insoweit als zulässig betrachtet werden, damit die damit in Zusammenhang stehenden Argumente der Nichtzulassungsbeschwerde geprüft werden können (zur insoweit vergleichbaren Situation der Zulässigkeit einer Revision bei fraglicher Prozessfähigkeit einer GbR s. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. August 1989 V R 36/84, BFH/NV 1990, 386, m.w.N.).
2. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Hat das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, muss der Beschwerdeführer einen Zulassungsgrund bezüglich jeder dieser Begründungen darlegen (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Beschluss vom 9. Dezember 2004 V B 85/04, BFH/NV 2005, 712). Anders formuliert bedeutet dies, dass die Revision nicht zuzulassen ist, wenn auch nur eine tragende Begründung besteht, gegen die die Nichtzulassungsbeschwerde nicht durchgreift.
Im Streitfall hat das FG die Klage in erster Linie als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin nicht prozessfähig sei (§ 62 FGO i.V.m. § 58 Abs. 2 FGO); die Klage sei von dem Bevollmächtigten der Klägerin ohne eine wirksame Vollmacht erhoben worden. Hiergegen hat die Klägerin keine durchgreifenden Gründe vorgetragen, weil insoweit weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung berührt sind, noch das Vorliegen von Verfahrensmängeln oder die Verletzung rechtlichen Gehörs ersichtlich ist.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung, wenn es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handelt, deren Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625; vom 27. Februar 1991 II B 27/90, BFHE 163, 495, BStBl II 1991, 465; vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760; vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254; vom 5. Mai 1998 I B 24/98, BFHE 185, 497, BStBl II 2000, 430). Abgesehen davon, dass die Klägerin in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde davon ausgeht, das FG habe ihre Rechtsfähigkeit in Frage gestellt, ist durch die Rechtsprechung des BFH zur Prozessfähigkeit i.S. des § 58 Abs. 2 FGO geklärt, dass die Gesellschafter einer GbR für diese mangels anderer Vereinbarungen nur gemeinschaftlich klagebefugt sind und zwar auch dann, wenn einer der Gesellschafter für eine im Namen der Gesellschaft erhobene Klage die Erteilung einer Vollmacht schikanös verweigert (BFH-Beschluss vom 25. Juli 1995 IV B 161/94, BFH/NV 1996, 155). Von diesen Grundsätzen ist das FG ausgegangen. Ob es diese Grundsätze mit Blick auf eine mögliche, auch konkludent erteilte Vollmacht der fünf Gesellschafter, die die Vollmacht nicht unterschrieben haben zutreffend angewendet hat, ist für die Zulassung der Revision unerheblich; Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476; vom 28. Mai 2004 IX B 19/04, juris). Mit der Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung durch das FG kann auch die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nur dann erreicht werden, wenn es sich bei den behaupteten Mängeln um offensichtliche Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung handelt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. Juli 2003 III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445; vom 29. Juni 2004 III B 98/03, juris). Derart schwerwiegende Fehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht; sie sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.
b) In Bezug auf die mangelnde Prozessfähigkeit der Klägerin liegen weder Verfahrensmängel noch die Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Das FG hat den Klägervertreter vielmehr mit Schreiben vom 14. April 2004 ausdrücklich auf diese erkennbaren Mängel und ihre Folgen hingewiesen, ohne dass der Klägervertreter hierauf eingegangen wäre.
c) Die während des Beschwerdeverfahrens nachgereichten Prozessvollmachten für weitere vier Gesellschafter führen schon deshalb zu keiner abweichenden Beurteilung, weil noch immer nicht alle Gesellschafter Vollmacht erteilt haben und der beigeladene Gesellschafter Z die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig begehrt.
3. Im Übrigen hätte die Nichtzulassungsbeschwerde auch dann keinen Erfolg, wenn die Klage gegen die angefochtenen Feststellungsbescheide und die Nichtzulassungsbeschwerde dahin auszulegen sein sollten, dass Rechtsanwalt und Steuerberater X diese Rechtsmittel gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO im eigenen Namen erhoben hat. Auch wenn das FG insoweit die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hätte, wäre dies im Ergebnis nicht entscheidungserheblich, weil das FG das Klagebegehren in vollem Umfang auch materiell-rechtlich geprüft und beschieden hat. Auch in der Sache sind Gründe, die eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO rechtfertigen könnten, nicht gegeben.
Auf weitere Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kann die Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb nicht gestützt werden, weil Rechtsanwalt und Steuerberater X in der mündlichen Verhandlung, zu der er geladen war, nicht erschienen ist. Er ist nicht durch eine "missverständliche Terminsaufhebung" an der Teilnahme gehindert worden; denn anhand des Aktenzeichens der gerichtlichen Verfügung vom 15. August 2005 war zu ersehen, dass die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung eines von drei auf den 24. August 2005 terminierten Klageverfahren, aber nicht das vorliegende Verfahren betraf.
In der Sache rügt die Nichtzulassungsbeschwerde sinngemäß, die Rechtsanwendung und die Tatsachenwürdigung des FG seien fehlerhaft. Daraus ergeben sich jedoch keine Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO. Offensichtliche Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung liegen nicht vor.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO und § 139 Abs. 4 FGO. Der vollmachtlose Prozessvertreter hat auch das Beschwerdeverfahren zu verantworten (vgl. BFH-Beschluss vom 26. November 1999 III B 63/99, BFH/NV 2000, 592). Ihm sind ferner die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren aufzuerlegen, da der Beigeladene sich an dem Beschwerdeverfahren durch Sachvortrag beteiligt hat und durch Stellung eines Antrags ein Kostenrisiko getragen hat (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 10/92, BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63; BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 712).
Fundstellen
Haufe-Index 1644267 |
BFH/NV 2007, 255 |