Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Eintritt einer inländischen Reederei in einen zwischen einer ausländischen Reederei und einer ausländischen Werft geschlossenen Schiffbauvertrag als Bestellung i.S. des § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975
Leitsatz (NV)
- Die Zulage nach § 4b InvZulG 1975 sollte kurzfristig und in erster Linie durch Auftragsvergabe des Investors an Dritte eine punktuelle Wirtschaftsbelebung auslösen. Vor diesem Hintergrund muß auch ein Vertragseintritt des Investors bei Anwendung des § 4b InvZulG 1975 anders gesehen werden als bei Zulagengesetzen mit (wenigstens) dreijährigen Verbleibens- und Verwendungsfristen.
- Wenn von einem Vertragsschluß zwischen zwei im Ausland ansässigen Unternehmen im Inland (unmittelbar) keinerlei wirtschaftsbelebende Wirkung ausgeht, kann eine Zulagengewährung aufgrund des Vertragseintritts eines inländischen Unternehmens überhaupt nur gerechtfertigt sein, wenn dieser Eintritt zu einer meßbaren Verstärkung der Wirtschaftstätigkeit im Betrieb des inländischen Unternehmens führt.
- Zwischen der Höhe der Investitionszulage (bezogen auf die an einen ausländischen Schiffbauer bezahlten Anschaffungs- oder Herstellungskosten) und dem Umfang der vom inländischen Besteller in der Zeit nach Fertigstellung des Schiffes ausgehenden wirtschaftlichen Impulse muß ein angemessenes Verhältnis gegeben sein.
- Die Frage, ob der Eintritt einer inländischen Reederei in einen bereits im Jahre 1973 zwischen einer ausländischen Reederei und einer ausländischen Werft geschlossenen Schiffbauvertrag am 21. Juni 1975 als Bestellung innerhalb des Begünstigungszeitraumes (1. Dezember 1974 bis 30. Juni 1975) i.S. des § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975 anzusehen ist, betrifft ausgelaufenes Recht und hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
- Für das Vorliegen einer Divergenz ist stets der Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung maßgebend.
- Mit der Rüge, das FG habe bestimmte Umstände (hier die Folgerungen des späteren Einsatzes des Schiffes ―in Form der Personalmehrung―) ohne ausreichende Tatsachenfeststellungen als "marginal" gewertet, wird ein materiell-rechtlicher Mangel des Urteils und nicht ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht.
Normenkette
InvZulG 1975 § 4b Abs. 2 S. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde, die die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, auf Divergenz sowie auf Verfahrensmängel gestützt haben, ist jedenfalls unbegründet.
1. Zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
Die von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfragen bedürfen ―soweit ihre Klärungsbedürftigkeit überhaupt ausreichend i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt worden ist― keiner Klärung in einem sich anschließenden Revisionsverfahren. Sie betreffen entweder ausgelaufenes Recht oder lassen sich unschwer anhand des Gesetzes und der dazu ergangenen bisherigen Rechtsprechung beantworten (s. hierzu z.B. die Senatsbeschlüsse vom 16. Juli 1997 III B 79/94, BFH/NV 1998, 82, und vom 30. Oktober 1997 III B 123/94, BFH/NV 1998, 623).
a) Für eine materiell-rechtliche Entscheidung im Streitfall ist von Bedeutung, ob der Eintritt der Klägerin in den bereits im Jahre 1973 (zwischen der im Ausland ansässigen A Reederei ―A― und der ebenfalls ausländischen Werft) geschlossenen Schiffbauvertrag am … Juni 1975 als Bestellung innerhalb des Begünstigungszeitraumes (1. Dezember 1974 bis 30. Juni 1975) i.S. des § 4b Abs. 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 anzusehen ist.
Der dieser Frage zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich durch den doppelten Auslandsbezug sowohl von dem im Urteil des Senats vom 1. Juni 1979 III R 53/78 (BFHE 128, 299, BStBl II 1979, 636) gegebenen Sachverhalt als auch von jenem im Urteil des Senats vom 5. Juli 1991 III R 3/87 (BFHE 165, 143, BStBl II 1991, 854). Gleichwohl haben die von den Klägern in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Sie betreffen zum einen ―entgegen der Auffassung der Kläger― ausgelaufenes Recht.
Es ist den Klägern zwar zuzugeben, daß auch spätere InvZulG verschiedentlich auf den Zeitpunkt der Bestellung abstellen; entsprechende Vorschriften finden sich noch im InvZulG 1996. Doch ist all diesen Gesetzen gemeinsam, daß sie drei- oder mehrjährige Verbleibens- und Verwendungsfristen enthalten. Eine vergleichbare Vorschrift fehlt in § 4b InvZulG 1975. Dadurch muß einer Bestellung i.S. des § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975 zwangsläufig eine andere, wirtschaftlich weiterreichende Bedeutung zukommen.
In den Fällen, in denen der Gesetzgeber die Gewährung einer Investitionszulage von der Einhaltung der (wenigstens) Drei-Jahres-Frist abhängig gemacht hat, genügt für den mit der Zulage bezweckten Erfolg in der Regel der wirtschaftliche Impuls, den eine tatsächliche Nutzung des betreffenden Wirtschaftsgutes durch den Investor über den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum hin gibt (vgl. hierzu z.B. das Senatsurteil vom 12. April 1994 III R 64/91, BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711). Die Zulage nach § 4b InvZulG 1975 sollte hingegen kurzfristig und in erster Linie durch Auftragsvergabe des Investors an Dritte eine punktuelle Wirtschaftsbelebung auslösen (s. insbesondere das Urteil in BFHE 165, 143, BStBl II 1991, 854).
Vor diesem Hintergrund muß auch ein Vertragseintritt des Investors bei Anwendung des § 4b InvZulG 1975 anders gesehen werden als bei Zulagengesetzen mit (wenigstens) dreijährigen Verbleibens- und Verwendungsfristen. Entsprechende materiell-rechtliche Aussagen zu § 4b InvZulG 1975 hätten demnach insoweit keine Gültigkeit für andere, insbesondere spätere InvZulG.
b) Ungeachtet dessen könnte die hier maßgebliche Frage wohl nur in dem Sinne beantwortet werden, wie im Urteil in BFHE 165, 143, BStBl II 1991, 854, Abschn. II. Nr. 3. b dd angedeutet. Da im Streitfall von dem Vertragsschluß zwischen der A und der Werft im Inland (unmittelbar) keinerlei wirtschaftsbelebende Wirkung ausgehen konnte, könnte eine Zulagengewährung aufgrund des Vertragseintritts der Klägerin überhaupt nur gerechtfertigt sein, wenn dieser Eintritt zu einer meßbaren Verstärkung der Wirtschaftstätigkeit in ihrem Betrieb geführt hätte. Dies läßt sich unschwer aus dem Sinn und Zweck des § 4b InvZulG 1975, eine alsbaldige Konjunkturbelebung zu bewirken, herleiten (s. im übrigen auch die Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1992, 18).
c) Soweit die Kläger noch weitere Rechtsfragen für klärungsbedürftig i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO halten, handelt es sich dabei entweder um Teilaspekte der oben abgehandelten Problematik, was insbesondere für die Frage nach der Notwendigkeit einer meßbaren Verstärkung der Wirtschaftstätigkeit im Betrieb des inländischen Bestellers gilt, oder die betreffenden Fragen sind offensichtlich nicht klärungsbedürftig. Das ist auch bei der Frage der Fall, ob bei einem Vertragseintritt wie hier auch beim im Ausland ansässigen Auftragnehmer innerhalb des Begünstigungszeitraumes eine vermehrte Wirtschaftstätigkeit ausgelöst worden sein müßte. Es ist den Klägern zuzugeben, daß sich nach der vom Finanzgericht ―FG― gegebenen Begründung auch diese Frage stellen kann. Doch liegt es nach Auffassung des Senats sehr ferne, für die Gewährung der Zulage nach § 4b InvZulG 1975, die die inländische Wirtschaft beleben sollte, eine zeitgleiche Belebung der Wirtschaftstätigkeit in einem im Ausland gelegenen Betrieb zu verlangen.
Im übrigen fehlt es hinsichtlich der zusätzlich aufgeworfenen Rechtsfragen weitgehend an einer ausreichenden Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO und damit bereits an der Zulässigkeit der betreffenden Rügen. Die Kläger haben es insbesondere unterlassen, insoweit auf etwa unterschiedliche Meinungen in der Rechtsprechung und im Schrifttum hinzuweisen (zu diesem Erfordernis s. z.B. den Senatsbeschluß vom 24. September 1998 III B 28/96, BFH/NV 1999, 340).
2. Zur Divergenz
Insoweit machen die Kläger eine Abweichung von mehreren Rechtssätzen des Senatsurteils in BFHE 128, 299, BStBl II 1979, 636 geltend.
Ob diese Abweichungen tatsächlich vorliegen, könnte schon deshalb zweifelhaft sein, weil dem Senatsurteil ein zumindest teilweise anderer Sachverhalt zugrunde lag. Dort war der ursprüngliche Auftraggeber ―anders als im Streitfall― ein inländisches Unternehmen. Doch kann diese Frage dahingestellt bleiben.
Der Senat hat die von den Klägern als entscheidend angesehenen Aussagen des o.g. Urteils in seinem späteren Urteil in BFHE 165, 143, BStBl II 1991, 854 in Frage gestellt und teilweise auch ausdrücklich modifiziert (s. Abschn. II. Nr. 3. b, dd und Nr. 4. der Entscheidungsgründe). Insbesondere in Nr. 4. der Entscheidungsgründe hat er verlangt, daß ein angemessenes Verhältnis zwischen der Höhe der Investitionszulage (bezogen auf die an den ausländischen Schiffbauer bezahlten Anschaffungs- oder Herstellungskosten) und dem Umfang der vom inländischen Besteller, hier der Klägerin, in der Zeit nach Fertigstellung des Schiffes ausgehenden wirtschaftlichen Impulse gegeben sein müsse. Mithin scheidet das Urteil in BFHE 128, 299, BStBl II 1979, 636 als Divergenzmaßstab aus. Denn für das Vorliegen einer Divergenz ist stets der Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung maßgebend (s. hierzu z.B. den Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9. November 1994 II B 142/93, BFH/NV 1995, 489).
Die erfolglose Divergenzrüge führt im Streitfall aber auch nicht etwa zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (s. zu dieser Möglichkeit z.B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 69). Denn insoweit besteht ―wie oben ausgeführt― kein Klärungsbedarf mehr.
3. Zur Verfahrensrüge
Die hier geltend gemachte unzureichende Sachaufklärung ist schon nicht schlüssig dargelegt.
a) Soweit die Kläger rügen, das FG habe die Folgewirkungen des späteren Einsatzes des Schiffes (in Form der Personalmehrung) ohne ausreichende Tatsachenfeststellungen als "marginal" gewertet, machen sie in Wirklichkeit einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils und nicht einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend (s. hierzu z.B. das BFH-Urteil vom 22. Januar 1985 VII R 112/81, BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562, Abschn. II. Nr. 2. der Entscheidungsgründe; s. auch Ruban in Gräber, a.a.O., § 115 Anm. 27).
Ungeachtet dessen geben die Kläger in der Beschwerdebegründung selbst nicht an, welchen der inländischen Wirtschaft zugute kommenden Kostenschub die behauptete Personalmehrung (im Verhältnis zur beantragten Investitionszulage von nahezu 900 000 DM) in etwa auslöste. Sie räumen im Gegenteil ein, daß die in der Klagebegründung angegebene Aufstockung des Personals nur "größtenteils" durch den Erwerb des Schiffes bedingt war; auch wird nicht mitgeteilt, wieviele der zusätzlich angeheuerten Seeleute Inländer waren. Damit wäre auch nicht hinreichend i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt, zu welchem Ergebnis eine weitere Sachaufklärung geführt hätte. Entsprechende Ausführungen wären aber insbesondere im Hinblick auf Abschn. II. Nr. 4. der Gründe des Senatsurteils in BFHE 165, 143, BStBl II 1991, 854 (zur Meßbarkeit des von der Klägerin ausgegangenen wirtschaftlichen Impulses im Vergleich zur Höhe der beantragten Investitionszulage) vonnöten gewesen.
b) Auch die Rüge, das FG habe angebotene Beweise nicht erhoben, ist schon nicht schlüssig vorgetragen. Hier hätte es u.a. der Darlegung bedurft, daß die Kläger diesen Mangel bereits vor dem FG gerügt haben oder weshalb sie dies nicht tun konnten (s. hierzu z.B. den Beschluß des BFH vom 13. August 1998 VI B 189/96, BFH/NV 1999, 326).
c) Unzulässig ist schließlich auch die Rüge, die Ausführungen des FG zum Chartervertrag entbehrten der Grundlage. Zur Erhebung einer zulässigen Aufklärungsrüge wäre es hier insbesondere geboten gewesen, diesen Vertrag nunmehr vorzulegen oder wenigstens darzulegen, was sich aus diesem Vertrag im Hinblick auf eine meßbare Verstärkung der Wirtschaftstätigkeit der Klägerin (im Begünstigungszeitraum) ergeben hätte.
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 302463 |
BFH/NV 1999, 1640 |