Entscheidungsstichwort (Thema)
Abhängigkeit einer Brauerei nach § 2 Abs. 3 BierStG 1993
Leitsatz (NV)
1. Bei der Beurteilung der Frage, wann eine Brauerei von einer anderen Brauerei i.S. von § 2 Abs. 3 BierStG 1993 rechtlich oder wirtschaftlich abhängig ist, kommt es auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an, so dass ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
2. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung aller auf ein Abhängigkeitsverhältnis hindeutenden Anhaltspunkte, wie z.B. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, die Gewährung von kapitalersetzenden Darlehen, Preisabsprachen oder das Fehlen wesentlicher Bestandteile einer Produktionsstätte.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; BierStG 1993 § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 06.04.2006; Aktenzeichen 14 K 4578/04) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellt in eigenen Betriebsräumen Bier her. Die Gesamtjahreserzeugung betrug im Streitjahr weniger als 200 000 hl, so dass das Hauptzollamt T, dessen Zuständigkeit nunmehr auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) übergegangen ist, die Biersteuer zunächst unter Anwendung eines nach § 2 Abs. 2 des Biersteuergesetzes 1993 (BierStG 1993) ermäßigten Biersteuersatzes festsetzte. Aufgrund des Ergebnisses einer Außenprüfung, bei der eine Abhängigkeit von einer österreichischen Brauerei (Ö-AG) festgestellt worden war, setzte das Hauptzollamt T die Biersteuer unter Anwendung des Regelsteuersatzes (§ 2 Abs. 1 BierStG 1993) neu fest. Der gegen den Änderungsbescheid gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg; auch die daraufhin erhobene Klage blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass im Streitfall die Voraussetzungen für die Gewährung eines ermäßigten Biersteuersatzes nicht erfüllt seien, denn die Klägerin sei wirtschaftlich von einer anderen Brauerei abhängig. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages eine 100 %-ige Tochter der X-Brauerei AG (X-AG) sei, die den Geschäftsführern der Klägerin Weisungen erteilen könne. Neben diesem unstreitigen Abhängigkeitsverhältnis bestehe für die Klägerin auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Ö-AG, die zu … % an der X-AG beteiligt sei. An dieser sei zu … % auch eine Beratungs- und Beteiligungs-GmbH (GmbH) beteiligt. Durch Herrn A, der aufgrund seiner Stellung in den Unternehmen sowohl die Geschicke der Ö-AG als auch die der GmbH steuern könne, werde es der Ö-AG ermöglicht, die personelle Besetzung der Gesellschaftsorgane der X-AG und damit der Klägerin zu steuern. Dieser Schlussfolgerung stehe die Einbindung der Ö-AG in eine Holding nicht entgegen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG richtet sich die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Beschwerde, die die Klägerin im Wesentlichen mit einer Verletzung von § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 BierStG 1993 und von § 17 des Aktiengesetzes (AktG) begründet. Bisher nicht höchstrichterlich entschieden sei die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Brauerei von einer anderen Brauerei abhängig sei und ob der aktienrechtliche Begriff der Abhängigkeit Geltung beanspruchen könne. Entgegen den Ausführungen des FG treffe es nicht zu, dass die Klägerin von der Ö-AG wirtschaftlich abhängig sei. Diese Feststellung stehe im Widerspruch zum Betriebsprüfungsbericht. Die von der Klägerin übernommenen Verluste der X-AG habe diese stets mit eigenen Mitteln ausgeglichen, ohne auf Zuwendungen der Ö-AG angewiesen zu sein. Ferner verfüge die Klägerin über eine von der Ö-AG unabhängige Vertriebsorganisation.
Der Umstand, dass Herr A nach der Satzung der Ö-AG bei Stimmengleichheit im Vorstand den Ausschlag geben könne, begründe kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Ö-AG und der X-AG und der Klägerin. Zu berücksichtigen sei, dass Herr A selbst dem Einfluss der der Ö-AG übergeordneten Konzerngesellschaft ausgesetzt sei. Die Holding sei an der Ö-AG zu über … % beteiligt. Maßgeblich sei der aktienrechtliche Abhängigkeitsbegriff, wie er auf der Grundlage des § 17 AktG von Rechtsprechung und Lehre entwickelt worden sei. Dabei erlange die Einflussmöglichkeit des Mehrheitsgesellschafters ausschlaggebende Bedeutung, der in der Lage sei, die personelle Zusammensetzung des Aufsichtsrats und damit mittelbar des Vorstands nach seinem Willen zu bestimmen.
Nach Ablauf der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 FGO) hat die Klägerin durch einen neuen Prozessvertreter schriftsätzlich die Rechtsfrage aufgeworfen, ob die vom FG gefundene Auslegung des Tatbestandsmerkmals der wirtschaftlichen Unabhängigkeit i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 BierStG 1993 mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (Alkoholstrukturrichtlinie) in Einklang steht und ob im Streitfall tatsächlich eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin an der Ö-AG gegeben ist. Dabei hat sie u.a. auf ein Erkenntnis des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2000 GZ 99/17/0450 verwiesen.
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es ist der Ansicht, dass die aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig sei. Der Gesetzgeber habe nicht beabsichtigt, die sich im Einzelfall stellende Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit ausschließlich nach gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zu klären. Im Übrigen reiche selbst nach § 17 AktG eine lediglich mittelbare Einflussnahme aus.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, denn die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. In ihrer im Stil einer Revisionsbegründung vorgebrachten Beschwerde übersieht die Klägerin, dass das FG seine Entscheidung auf mehrere Begründungen gestützt hat, von denen jede geeignet ist, die Entscheidung zu tragen. So hat das FG ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund eines bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages unstreitig wirtschaftlich von der X-AG abhängig ist. Allein diese vom FG als offenkundig bezeichnete Abhängigkeit von einer anderen Brauerei ist als ausreichend anzusehen, um der Klägerin die begehrte Steuervergünstigung zu versagen.
Darüber hinaus hat das FG zusätzlich auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin von der Ö-AG festgestellt. Allein diese Feststellung hat die Klägerin mit ihrer Beschwerde angegriffen und hierzu Rechtsfragen aufgeworfen, die sich auf die konzernrechtlichen Verflechtungen der X-AG mit der Ö-AG und auf die Anwendbarkeit des AktG beziehen. Ihrem Vortrag ist nicht zu entnehmen, dass diese Fragen in dem angestrebten Revisionsverfahren auch einer Klärung zugeführt werden könnten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fehlt es an der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage, wenn das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere die Entscheidung tragende Gründe gestützt hat, jedoch nur zu der nicht allein entscheidungserheblichen Begründung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wird (Senatsentscheidung vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978, m.w.N.).
2. Aber selbst wenn die Klägerin die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen auch auf das Rechtsverhältnis zwischen ihr und der X-AG bezogen haben sollte --was in Anbetracht der insbesondere auf konzernrechtliche Verflechtungen abstellenden Begründung dieser nur schwerlich entnommen werden könnte--, kommt eine Zulassung der Revision deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen, insbesondere ihre Bedeutsamkeit für eine Vielzahl von Fällen, nicht hinreichend dargelegt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei der Beurteilung, ob eine Brauerei von einer anderen Brauerei rechtlich oder wirtschaftlich abhängig ist, auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankommt. Vorzunehmen ist eine Gesamtwürdigung aller auf ein Abhängigkeitsverhältnis hindeutenden Anhaltspunkte, wie z.B. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, die Gewährung von kapitalersetzenden Darlehen, Preisabsprachen oder das Fehlen wesentlicher Bestandteile einer Produktionsstätte. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass in der Brauwirtschaft ein breites Spektrum an unterschiedlichen Fallkonstellationen anzutreffen ist. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Brauerei von einer anderen Brauerei i.S. von § 2 Abs. 3 BierStG 1993 abhängig ist, lässt sich daher nicht allgemein beantworten. Etwas anderes hat die Beschwerde nicht darzulegen vermocht.
3. Soweit die Klägerin rügt, dass das FG von einem fehlerhaften Verständnis der rechtlichen Abhängigkeit i.S. von § 17 AktG ausgegangen sei und dass es bei richtiger Anwendung dieser Bestimmung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, richtet sich die Beschwerde gegen die materiell-rechtliche Würdigung des FG. Ein solches Vorbringen allein kann nach der Rechtsprechung des BFH nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen (BFH-Entscheidungen vom 15. Juni 2004 VI B 220/00, BFH/NV 2004, 1419, und vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215). Im Übrigen reicht die bloße Behauptung, dass ein allgemeines Interesse der betroffenen Verkehrskreise an der Klärung der Frage besteht, ob die in § 2 Abs. 3 BierStG 1993 angesprochene Abhängigkeit aktienrechtlich zu interpretieren ist, und dass die Frage einen größeren Kreis von Steuerpflichtigen betrifft, nicht aus, um i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen, dass die Frage inhaltlich klärungsbedürftig ist.
4. Die erst nach Ablauf der Begründungsfrist nachgeschobenen Gründe, mit denen zugleich eine neue Rechtsfrage von vermeintlich grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen worden ist, können nicht mehr berücksichtigt werden. Denn eine Berücksichtigung von nachträglich gemachten Ausführungen ist ausnahmsweise nur in den Fällen möglich, bei denen es sich lediglich um ergänzende Erläuterungen und Vervollständigungen, nicht jedoch um nachgeschobene Gründe handelt (Beermann in Beermann/Gosch, FGO § 116 Rz 54, m.w.N.). Im Streitfall trifft die Behauptung der Klägerin nicht zu, dass ihr neuer Vortrag lediglich klarstellenden und ergänzenden Charakter hat. Denn zur Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität der streitentscheidenden Norm des deutschen Biersteuerrechts haben bisher weder das FG in seinem Urteil noch die Klägerin in dem fristgerecht eingegangenen Schriftsatz der Beschwerdebegründung Ausführungen gemacht. Die neu aufgeworfene Rechtsfrage --verbunden mit der Anregung zur Anrufung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und dem Hinweis auf ein österreichisches Erkenntnis zu dieser Frage-- ist daher als ein Nachschieben von Gründen zu werten, das als nicht fristgerechtes Vorbringen zurückzuweisen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1712820 |
BFH/NV 2007, 873 |