Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei nicht rechtzeitiger Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
Der Prozeßbevollmächtigte kann zwar die routinemäßige Berechnung und Kontrolle gängiger Fristen einer zuverlässigen und sorgfältig ausgewählten und überwachten Bürokraft überlassen; er bleibt aber verpflichtet, den Ablauf der Frist für die Einreichung der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde eigenverantwortlich nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt wird.
Normenkette
FGO §§ 56, 115 Abs. 3
Tatbestand
Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurden zwei Guthaben von einem Sparkonto ihrer Schwiegermutter auf ein auf ihren Namen neu angelegtes Sparkonto übertragen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) sah hierin eine Schenkung und zog die Klägerin zur Schenkungsteuer heran. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Der Prozeß bevollmächtigte der Klägerin hat rechtzeitig Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, in der er jedoch nur angab, daß er die Beschwerdebegründung in angemessener Zeit vorlegen werde.
Die Begründung wurde nach Ablauf der Monatsfrist (27. März 1995) am 18. April 1995 beim FG eingereicht. Auf einen Hinweis der Geschäftsstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin am 24. April 1995 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung machte er geltend, daß in seiner Kanzlei mit der Überwachung der Fristen eine seit vielen Jahren tätige und äußerst gewissenhafte Mitarbeiterin betraut sei, die insoweit niemals Anlaß zu einer Beanstandung gegeben habe. Die Kanzleimitarbeiterin habe die Rechtsmittelfrist in der Weise vorgemerkt, daß der Rechtsbehelf innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen sei. Demzufolge sei die Beschwerde am 20. März 1995 eingelegt und am 12. April 1995 begründet worden. Ursächlich für dieses Versehen sei der unzureichende Text in der Entscheidung des FG.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
Die Klägerin hat die Beschwerde nicht rechtzeitig begründet.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des anzufechtenden Urteils einzulegen (§ 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Sie muß innerhalb dieser Frist auch begründet werden, d. h., der Beschwerdeführer muß den jeweiligen Zulassungsgrund darlegen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dieses Erfordernis ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Klägerin hat innerhalb der Beschwerdefrist, die am 27. März 1995 ablief, keine Beschwerdebegründung eingereicht. Die am 18. April 1995 beim FG eingegangene Beschwerdebegründung war verspätet.
Die gemäß § 56 FGO beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden. Der Prozeßbevollmächtigte war nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung einzuhalten.
Das Verschulden besteht darin, daß sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit der Rechtslage bezüglich der fristgerechten Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach der FGO nicht hinreichend vertraut gemacht hat. Das ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz, in dem der Prozeßbevollmächtigte ausführt, er werde die Beschwerdebegründung in angemessener Zeit vorlegen, obwohl in der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen FG-Urteil unmißverständlich darauf hingewiesen wird, daß "in der Beschwerdeschrift" die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden muß.
Der Prozeßbevollmächtigte muß die Rechtsmittelbelehrung beachten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 1990 X B 47/89, BFH/NV 1991, 176, und vom 9. April 1991 V R 88/90, BFH/NV 1991, 760, Koch in Gräber, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, § 56 Anm. 30). Mit Beschluß vom 8. April 1992 II R 73/91 (BFH/NV 1992, 829) hat der erkennende Senat entschieden, daß der Prozeßbevollmächtigte zwar die routinemäßige Berechnung und Kontrolle der in seinem Büro gängigen Fristen einer zuverlässigen und sorgfältig ausgewählten und überwachten Bürokraft überlassen kann. Er bleibt aber verpflichtet, den Fristablauf eigenverantwortlich nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt wird. Der Prozeß bevollmächtigte der Klägerin hätte daher spätestens bei Unterzeichnung der Nichtzulassungsbeschwerde am 20. März 1995 den Ablauf der Frist für eine rechtzeitige Begründung der Beschwerde eigenverantwortlich überprüfen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 421029 |
BFH/NV 1996, 336 |