Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision wegen fehlender Entscheidungsgründe
Leitsatz (NV)
Eine Entscheidung kann auch dann i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht mit Gründen versehen sein, wenn ein Teil der wesentlichen Gründe fehlt. Es muß sich dann aber um grobe Fehler handeln.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger war gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Schwester und seiner Schwägerin seit dem Jahre 1975 Miteigentümer eines Zweifamilienhauses. Der Miteigentumsanteil des Klägers betrug ein Sechstel. Die Grundstücksgemeinschaft war aus einer Erbengemeinschaft entstanden. Die Mutter des Klägers bewohnt die Erdgeschoßwohnung; die Kläger nutzen seit dem Jahre 1982 die Obergeschoßwohnung. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden seit dem Entstehen der Grundstücksgemeinschaft gesondert und einheitlich festgestellt und -- nach der Sachverhaltsdarstellung in der Vorentscheidung -- den Miteigentümern im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zugerechnet.
Aufgrund des Erbteilungs- und Zuwendungsvertrages vom ... November 1991 erhielt der Kläger das Grundstück zu Alleineigentum. Gleichzeitig räumte er seiner Mutter ein lebenslängliches Wohnungsrecht an der Erdgeschoßwohnung ein. Auf zwei Räume des Erdgeschosses bezog sich das Wohnungsrecht nicht. Der Kläger verpflichtete sich außerdem, an seine Schwester und Schwägerin Gleichstellungsgelder in Höhe von jeweils 12 500 DM zu zahlen. Im Hinblick auf die vom Kläger in den zurückliegenden Jahren durchgeführten werterhöhenden Investitionen sollte eine weitere Ausgleichung beim Tod der Mutter nicht stattfinden. Noch im selben Vertrag übertrug der Kläger einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück auf seine Ehefrau, die Klägerin.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1991 die im Feststellungsbescheid ausgewiesenen anteiligen Einkünfte des Klägers aus der Grundstücksgemeinschaft. Die darüber hinaus geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse für die Zeit nach dem Abschluß des Erbteilungs- und Zuwendungsvertrages kürzte er jedoch (u. a.) mit dem Hinweis, die Kläger könnten die Nutzungswertbesteuerung nur entsprechend dem bisherigen Miteigentumsanteil des Klägers in Höhe von einem Sechstel fortführen.
Im Einspruchsverfahren machten die Kläger geltend, aufgrund des vom Kläger erworbenen Alleineigentums müsse diesem ab dem ... November 1991 auch der gesamte Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung zugerechnet werden. Wortlaut und Zweck des §21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erforderten eine Versteuerung des Nutzungswerts einer Wohnung und nicht der (Bruch-)Teile einer Wohnung. Darüber hinaus sei der Kläger in die Rechtsstellung der Miterben eingetreten.
Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, der Kläger habe die Miteigentumsanteile der übrigen Erben teilweise entgeltlich und teilweise unentgeltlich als Einzelrechtsnachfolger und nicht -- wie für eine Fortführung der Nutzungswertbesteuerung erforderlich -- als Gesamtrechtsnachfolger erworben.
Mit ihrer Klage begehrten die Kläger weiter, die Nutzungswertbesteuerung für die selbstgenutzte Wohnung nicht auf einen Anteil von einem Sechstel zu begrenzen. Die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des §52 Abs. 21 Satz 2 EStG lägen vor, weil dem Kläger der Nutzungswert im Jahre 1986 in Höhe seines Miteigentumsanteils zugerechnet worden sei. Wegen des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs dürfe der Nutzungswert nur für die gesamte selbstgenutzte Wohnung ermittelt werden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, einem Steuerpflichtigen, der die Wohnung im Wege der Einzelrechtsnachfolge erst nach dem 31. Dezember 1986 erworben habe, stünden die Rechte aus der Übergangsregelung des §52 Abs. 21 Satz 2 EStG nicht zu (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Januar 1994 IX R 143/90, BFHE 174, 133, BStBl II 1994, 457).
Mit ihrer Revision rügen die Kläger, die Vorentscheidung sei nicht mit Gründen versehen (§116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Urteilsbegründung gehe in keiner Weise darauf ein, daß dem Kläger bereits vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft der volle Nutzungswert für die Obergeschoßwohnung zuzurechnen gewesen sei.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und bei der Einkommensteuerfestsetzung für 1991 einen um 15 246 DM erhöhten Werbungskostenüberschuß aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Gegen das Urteil des FG steht den Beteiligten die Revision zu, wenn das FG oder der BFH sie zugelassen hat (§115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG --). Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, wenn einer der in §116 Abs. 1 FGO bezeichneten Verfahrensmängel gerügt wird. Im Streitfall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt.
Die Revision ist weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden.
Die Revision ist nicht nach §116 Abs. 1 FGO statthaft. Eine zulassungsfreie Verfahrensrevision ist nur dann zulässig, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ein Mangel i. S. des §116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird (§120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dazu müssen die zur Begründung der Rüge vorgetragenen Tatsachen -- als wahr unterstellt -- die Schlußfolgerung auf den behaupteten Verfahrensmangel rechtfertigen (BFH-Beschlüsse vom 29. Juni 1989 V R 112/88, V B 72/89, BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850, und vom 21. September 1994 VIII R 80--82/93, BFH/NV 1995, 416). Diesen Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung nicht.
Die Kläger machen zwar einen Verstoß gegen §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO geltend, sie tragen jedoch keine Tatsachen vor, die zu der Annahme führen könnten, die Entscheidung des FG sei im Sinne dieser Vorschrift nicht mit Gründen versehen. Zwar ist §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht nur dann verletzt, wenn die Entscheidung überhaupt nicht mit Gründen versehen ist. Ein Verstoß kann auch vorliegen, wenn ein Teil der wesentlichen Gründe fehlt. Es muß sich dann aber um grobe Fehler handeln (Senatsentscheidung vom 28. Januar 1994 IX R 58/92, BFH/NV 1994, 806). Dies kann z. B. der Fall sein, wenn sich das Gericht mit einer von einem Beteiligten aufgeworfenen, eingehend dargelegten und für die Entscheidung erheblichen Rechtsfrage nicht auseinandersetzt (vgl. BFH-Urteil vom 11. September 1996 II R 31/96, BFH/NV 1997, 296). Es muß sich um einen wesentlichen Streitpunkt des Verfahrens handeln (BFH- Beschlüsse vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638; vom 13. November 1996 X R 18/95, BFH/NV 1997, 494). Ob das Gericht auf alle Gesichtspunkte sowie den gesamten Akteninhalt eingegangen ist und zutreffende Schlußfolgerungen gezogen hat, ist hingegen keine Frage der fehlenden Begründung i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Mängel dieser Art eröffnen keine zulassungsfreie Revision (BFH-Beschluß vom 14. November 1995 VIII R 84/93, VIII R 1/94, BFH/NV 1996, 416).
Ausgehend von diesen Grundsätzen enthält die Revisionsbegründung nicht die schlüssige Rüge, das FG habe in den Entscheidungsgründen einen wesentlichen Streitpunkt des Klageverfahrens übergangen. Den Ausführungen der Kläger innerhalb der Revisionsbegründungsfrist läßt sich schon nicht entnehmen, daß sie bereits im Klageverfahren geltend gemacht haben, dem Kläger sei der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung entsprechend den BFH-Urteilen vom 7. Dezember 1993 IX R 169/88 (BFHE 173, 131, BStBl II 1994, 325), vom 11. Mai 1993 IX R 124/89 (BFH/NV 1994, 25) und vom 21. Februar 1989 IX R 246/84 (BFH/NV 1990, 25) schon vor dem Erbteilungs- und Zuwendungsvertrag in vollem Umfang und nicht nur in Höhe seines Miteigentumsanteils zuzurechnen gewesen. Zwar führen sie aus, das FG sei nicht auf "diese entscheidungserheblichen Fragen" eingegangen, "die aufgrund des Vorbringens des Klägers hätten behandelt werden müssen". Jedoch wurden nach ihrem eigenen Revisionsvortrag in den für die Grundstücksgemeinschaft ergangenen Feststellungsbescheiden die Einkünfte entsprechend den Miteigentumsanteilen zugerechnet; und aus dem in der Revisionsbegründung vom 27. November 1995 dargestellten Verfahrensablauf -- einschließlich des dort zusammengefaßten Vorbringens der Kläger im Einspruchs- und Klageverfahren -- ergibt sich nicht, daß die Kläger im Klageverfahren eine anderweitige Zurechnung der Einkünfte in den Feststellungsbescheiden behauptet oder die Rechtmäßigkeit dieser Zurechnung für den Veranlagungszeitraum 1986 mit eingehender Begründung in Frage gestellt hätten. Das gleich gilt hinsichtlich des allgemeinen Hinweises der Kläger auf die Seite 2 der Klagebegründung, wonach sowohl der Nutzungswert als auch der Nutzungswertverzicht auf die gesamte Wohnung "abzustellen" sei.
Fundstellen