Leitsatz (amtlich)
1. Ist von zur Einkommensteuer zusammenzuveranlagenden Eheleuten eine gemeinsame, von ihnen beiden unterschriebene Einkommensteuererklärung nicht abgegeben worden, muß der Steuerbescheid der Ehefrau besonders zugestellt werden, um ihr gegenüber wirksam zu werden.
2. Die mit dem Ehemann zusammenveranlagte Ehefrau ist zu dem auf des Ehemannes Klage in Gang gebrachten gerichtlichen Verfahren nicht beizuladen, wenn der von dem Mann angefochtene Einkommensteuerbescheid ihr gegenüber nicht wirksam geworden oder aber unanfechtbar geworden ist.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 1; AO § 210 Abs. 2; StAnpG § 7 Abs. 2
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin lebt nach ihrer Darstellung seit Juli 1966 endgültig getrennt von ihrem Ehemann, dem Kläger im Verfahren betreffend die gegen die Eheleute gerichteten Einkommensteuerbescheide 1962 bis 1964.
Nach mehrfachen erfolglosen Aufforderungen an den Ehemann der Beschwerdeführerin, die Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen für 1962 und 1963 abzugeben, einer Aufforderung an die Eheleute, die entsprechenden Erklärungen für 1964 abzugeben, und erfolglosem Schriftwechsel des FA mit dem Ehemann schätzte das FA (Beschwerdegegner) die Besteuerungsgrundlagen und setzte u. a. die Einkommensteuer für die bezeichneten Veranlagungszeiträume fest. Auf den von dem Ehemann gegen die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide eingelegten Einspruch, den der Bevollmächtigte des Ehemannes begründete, forderte das FA diesen erneut auf, die Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen für 1962 bis 1964 abzugeben, und wies - als dies nicht geschah - den Einspruch durch die an die Eheleute adressierte Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Die Ehefrau war vom FA nicht gemäß § 241 Abs. 1 Satz 1 AO zugezogen worden. Die Zustellungsurkunde für die Einspruchsentscheidung - Zustelltag: 23. September 1966 - lautet nur auf den Ehemann.
Im Verfahren über die von dem Ehemann angestrengte Klage gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 1962 bis 1964 hat das FG durch den von der Ehefrau mit der Beschwerde angefochtenen Beschluß die Ehefrau zu dem gerichtlichen Verfahren, soweit es sich auf die Einkommensteuer bezieht - gestützt auf § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO - beigeladen; als Begründung für die Beiladung ist formblattmäßig angegeben, durch die Klage des Ehemannes würden wegen der durch § 7 Abs. 2 StAnpG angeordneten Gesamtschuldnerschaft die rechtlichen Interessen auch der Ehefrau berührt. Der Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin vortragen läßt, sie habe in den Jahren 1962 und 1963 und im Jahre 1964 nur so geringe Einkünfte gehabt, daß eine sie treffende Einkommensteuerschuld nicht entstanden sein könne, hat das FG nicht abgeholfen.
Der Beschwerdegegner hat erklärt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (4 000 DM für 1962; 2 000 DM für 1963) seien der Ehefrau zuzurechnen; allerdings gebe die Steuererklärung 1961, die dem FA als Maßstab für die Schätzung gedient habe, keine Auskunft darüber, aus welcher Tätigkeit der gewerbliche Gewinn erzielt worden sei. Die Beschwerdeführerin erwiderte, sie sei weder an einer gewerblichen Tätigkeit ihres Mannes beteiligt gewesen, noch habe sie selbst eine solche Tätigkeit ausgeübt. Das FA habe auf Frage auch nicht angeben können, welcher Art der gewerbliche Betrieb der Beschwerdeführerin gewesen sein solle.
Der im Verfahren über die Beschwerde beteiligte Kläger hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auf die Beschwerde wird der Beiladungsbeschluß aufgehoben.
1. Der angefochtene Beschluß ist auf § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO gestützt. Nach dieser Vorschrift kann das FG von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Vor der Beiladung ist der Steuerpflichtige zu hören, wenn er am Verfahren beteiligt ist (Abs. 1 Satz 2).
Die Beschwerde hat nicht schon deswegen Erfolg, weil das FG, der Vorschrift des § 60 Abs. 1 Satz 2 FGO zuwider, den Steuerpflichtigen von Erlaß des Beiladungsbeschlusses nicht gehört hat. Diese Vorschrift ist im Interesse des Steuerpflichtigen geschaffen worden; er soll Gelegenheit haben, gegen die Beiladung sprechende Gründe vorzutragen.
Die formularmäßige Bezugnahme des FG auf § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO und § 7 Abs. 2 StAnpG ist keine ausreichende Begründung für die Beiladung. Gleichwohl ist eine Aufhebung und Zurückverweisung nicht geboten. Der Senat kann in der Sache selbst erkennen und sich auf die Aufhebung des Beschlusses beschränken.
2. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, welche rechtlichen, auf Steuergesetzen beruhenden Interessen der Ehefrau durch die im Verfahren über die Klage des Ehemannes zu erwartende Entscheidung berührt werden; der Umstand, daß gemäß § 26 Abs. 3 EStG zusammenzuveranlagende Ehegatten aufgrund § 7 Abs. 2 StAnpG Gesamtschuldner sind, ist im Streitfall unerheblich.
a) Gemäß § 210 Abs. 2 AO ist es, wenn zur Entrichtung einer Steuer mehrere Gesamtschuldner verpflichtet sind, zulässig, gegen die Gesamtschuldner einen einheitlichen Steuerbescheid zu erlassen. Nach den bei den Akten befindlichen Einkommensteuerberechnungsbogen sind die Einkommensteuerbescheide 1962 bis 1964 an den Steuerpflichtigen und an die Ehefrau gerichtet worden. Aus den Akten ist jedoch nicht ersichtlich, daß die Bescheide auch der Ehefrau zugestellt worden sind. Dies war unerläßlich, um den Bescheid ihr gegenüber wirksam werden zu lassen. Da im Streitfall - abweichend von dem Sachverhalt, der dem Urteil des BFH IV 48/65 vom 13. August 1970 (BFH 100, 171, BStBl II 1970, 839) zugrunde liegt - gemeinsame, von beiden Eheleuten unterschriebene Steuererklärungen nicht abgegeben worden sind, war die Zustellung der Bescheide nur an den Ehemann - der Einspruch und Klage eingelegt hat - der Beschwerdeführerin gegenüber unwirksam (§ 91 Abs. 1 Satz 1 AO); ob dem Urteil IV 48/65 im übrigen beigetreten werden kann, braucht hier nicht erörtert zu werden.
Selbst wenn jedoch angenommen würde, die Steuerbescheide seien auch der Ehefrau zugestellt worden, käme eine Beiladung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht in Betracht. In diesem Falle wären die Einkommensteuerbescheide der Ehefrau gegenüber unanfechtbar geworden. Der Ehemann hat wegen der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide nur für sich Einspruch und Klage eingereicht. Da die Steuerbescheide der Ehefrau gegenüber unanfechtbar geworden wären, könnten die Einspruchsentscheidung und die noch ausstehende Entscheidung des FG weder eine rechtliche Wirkung für noch eine solche gegen die Ehefrau entfalten. Die durch § 7 Abs. 2 StAnpG vorgeschriebene Gesamtschuldnerschaft schließt die Möglichkeit verschiedener Steuerfestsetzungen gegenüber den zusammenzuveranlagenden Ehegatten nicht aus (Urteil des BFH VI R 301/66 vom 5. Februar 1971, BFH 101, 358, BStBl II 1971, 331).
Da die Steuerbescheide der Ehefrau gegenüber nicht wirksam geworden sind, kann die Entscheidung des FG deren steuerrechtliche Rechtsverhältnisse nicht berübren. Diese Entscheidung ist insbesondere unerheblich für die die Ehefrau betreffende Gesamtschuld, die das FA noch festzusetzen hätte. Dies würde auch dann gelten, wenn die Steuer der Ehefrau gegenüber schon unanfechtbar festgesetzt wäre. Hierbei kann außer Betracht bleiben, daß die von dem Kläger inzwischen getrennt lebende Beschwerdeführerin Tatsachen vorgetragen hat, aus denen sich ergibt, daß sie nur im Jahre 1964 Einkünfte gehabt hat, die der Beschwerdegegner durch Steuerbescheid nicht erfaßt hat, sich überdies im Falle einer Aufteilung gemäß § 7 Abs. 3 StAnpG nach den bisher bekannten Tatsachen eine Steuerschuld der Beschwerdeführerin nicht ergeben würde. Außer Betracht bleiben kann auch, daß der Beschwerdegegner außer einer Behauptung, der die Beschwerdeführerin alsbald widersprochen hat, nichts dafür vorbringen konnte, daß die Ehefrau eigene Einkünfte gehabt habe, die zur Entstehung einer Steuerschuld geführt haben könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 69632 |
BStBl II 1972, 287 |
BFHE 1972, 45 |