Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Vertagung, wenn angefordertes amtsärztliches Attest nicht vorgelegt wird; Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht nicht
Leitsatz (NV)
1. Der formularmäßigen "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse" lässt sich eine Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit nicht entnehmen.
2. Hat das FG wegen wiederholter Vertagungsanträge für den Fall eines erneuten Vertagungsantrags rechtzeitig die Vorlage eines amtsärztlichen Attests verlangt und kommt dem der Kläger nicht nach, ist ein erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO regelmäßig nicht glaubhaft gemacht worden.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 227
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 25.06.2007; Aktenzeichen 6 K 1096/04) |
Niedersächsisches FG (Urteil vom 25.06.2007; Aktenzeichen 6 K 194/05) |
Niedersächsisches FG (Urteil vom 25.06.2007; Aktenzeichen 6 K 1093/04) |
Gründe
1. Die Verfahren XI B 206/07 und XI B 207/07 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 121 i.V.m. § 73 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
2. Die Beschwerden sind unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht verletzt. Es konnte ohne nochmalige Vertagung entscheiden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angenommen, wenn einem Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben wird, obwohl erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung vorliegen und glaubhaft gemacht werden. Im Allgemeinen reicht zur Glaubhaftmachung die Vorlage eines substantiierten privatärztlichen Attestes aus, aus dem sich die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergibt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Mai 2000 IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353). Schon die dem FG in den Abendstunden vor dem Tag der mündlichen Verhandlung vorgelegte "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse" genügt diesen Anforderungen nicht, denn es lässt sich ihr nicht zweifelsfrei entnehmen, für wen diese ausgestellt worden ist, um welches Krankheitsbild es sich im Einzelnen handelt und dass Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin vorliegt (vgl. zu den Anforderungen an ein privatärztliches Attest z.B. BFH-Beschluss vom 3. August 2005 II B 47/04, BFH/NV 2005, 2041).
Darüber hinaus hat das FG in den Ladungen zur mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2007 ausdrücklich für den Fall einer nochmaligen krankheitsbedingten Verhinderung der Geschäftsführerin der Klägerin darauf hingewiesen, dass in diesem Fall die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen durch ein amtsärztliches Attest, aus dem sich auch ggf. die Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit entnehmen lassen muss, nachzuweisen sind. Ein solches Verlangen ist insbesondere dann rechtens, wenn --wie im Streitfall-- mehrfach die Vertagung von Terminen in der Vergangenheit beantragt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 8. März 2004 IV B 90/02, nicht veröffentlicht --n.v.--; vom 23. Oktober 2001 XI B 45-46/01, n.v.; vom 19. Mai 2004 III B 23/03, n.v.; vom 5. Juli 1999 VIII B 28/99, BFH/NV 1999, 1623, jeweils m.w.N.). Hat das FG dem Kläger mitgeteilt, dass eine Aufhebung eines neuerlich anberaumten Termins nur bei Vorlage eines amtsärztlichen Attestes in Betracht kommt, reicht die bloße Behauptung nicht aus, das Gesundheitsamt habe eine Untersuchung abgelehnt (BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2004 IV B 35/04, n.v.). Dies gilt erst Recht für die nicht belegte Behauptung der Klägerin, das Gesundheitsamt erstelle nur auf behördliche Anforderung Atteste.
Soweit die Klägerin im Übrigen "zur Sache" vorträgt, lässt sich dem kein Grund für eine Revisionszulassung gemäß § 115 Abs. 2 FGO entnehmen. Insbesondere legt sie nicht ansatzweise dar (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe oder aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit oder Rechtsfortentwicklung eine Entscheidung des BFH erforderlich ist.
Fundstellen