Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde; Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses der Verhandlung; Divergenz
Leitsatz (NV)
- Kein Verfahrensmangel i.S. der Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses der Verhandlung ist es, wenn das FG die von ihm berücksichtigten Aktenbestandteile anders würdigt, als es die Klägerin für richtig hält. Hierin kann eine fehlerhafte Beweiswürdigung liegen, die einen materiellen Fehler, aber keinen Verfahrensfehler darstellt.
- Die schlüssige Darlegung (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.) eines Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. erfordert die Herausarbeitung abstrakter Rechtssätze aus den in Betracht kommenden Entscheidungen und deren Gegenüberstellung in der Weise, dass die Abweichung voneinander deutlich wird.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Ersuchens auf Vorlage von Unterlagen im Rahmen der Betriebsprüfung (Bp-Anfrage Nr. 35.3) sowie über die Rechtmäßigkeit von Zwangsgeldern, die zur Erzwingung dieses Ersuchens und zur Erzwingung zweier weiterer Auskunftsersuchen (Nrn. 35.1 und 35.2) betreffend eine mögliche Beteiligung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) an einer Aktiengesellschaft (AG) mit Sitz in der Schweiz vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) angedroht und festgesetzt worden sind.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen gegen die entsprechenden Bescheide als unbegründet abgewiesen. Das FG hielt die Aufforderung des FA, die vertraglichen Unterlagen betreffend die Übernahme der Beteiligung an der AG vorzulegen (Anfrage Nr. 35.3) ebenso für rechtmäßig wie die insoweit festgesetzten Zwangsgelder. Einwendungen gegen die Auskunftsverlangen Nrn. 35.1 und 35.2, die sich auf die steuerliche Relevanz der angeforderten Informationen beziehen und damit Einwendungen gegen den jeweils zu erzwingenden Verwaltungsakt darstellen, hielt das FG nicht mehr für möglich, weil diese, nachdem darüber bereits rechtskräftig durch Urteil entschieden worden sei, im Vollstreckungsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Die zulässigen Auskunftsersuchen könnten mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Ermessensfehler bei der Androhung und Festsetzung der Zwangsgelder seien nicht erkennbar.
Mit der Beschwerde, die sie auf einen Verfahrensmangel bzw. auf die Abweichung der angefochtenen Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) stützt, begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der angebliche Verfahrensmangel noch die behauptete Abweichung des Urteils von einer Entscheidung des BFH hinreichend bezeichnet worden sind.
1. Gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ist die Zulässigkeit und damit auch die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde noch nach § 115 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der vor In-Kraft-Treten des 2.FGOÄndG geltenden Fassung (FGO a.F.) zu beurteilen, weil das angefochtene Urteil vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist.
2. Als Verfahrensverstoß rügt die Klägerin die Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses der Verhandlung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil es das FG verabsäumt habe, in seinem Urteil vorgelegte Unterlagen zu berücksichtigen bzw. weil es trotz entgegenstehender Aktenlage von dem Nichtvorliegen entscheidungserheblicher Tatsachen ausgegangen sei. Die schlüssige Rüge eines solchen Verfahrensmangels setzt die genaue Bezeichnung der Aktenbestandteile, die das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht berücksichtigt haben soll, weiter Angaben darüber, welche Schlussfolgerungen sich dem FG aus den übergangenen Aktenbestandteilen hätten aufdrängen müssen, und schließlich Angaben dazu voraus, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (Ruban, Der Rechtsweg zum Bundesfinanzhof, Sonderdruck Steuerliche Vierteljahresschrift 1991, S. 142, 161). Kein Verfahrensmangel in diesem Sinne ist es, wenn das FG die von ihm berücksichtigten Aktenbestandteile anders würdigt. Hierin kann eine fehlerhafte Beweiswürdigung liegen, die einen materiellen Fehler, aber keinen Verfahrensfehler darstellt (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 96 Rz. 21).
a) Soweit die Klägerin als Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO beanstandet, dass sich das FG auf Seite 20 seiner Urteilsbegründung die Auffassung des seinerzeit zuständigen FA zu Eigen gemacht habe, wonach keine geeigneten Schritte eingeleitet worden seien, um die rechtsgrundlos geleistete Zahlung zurückzufordern, obwohl die Rückgewähr dieses Betrages im Wege der Entnahmebuchung auf das Verrechnungskonto des rechtsgrundlos Bereicherten P bei der Klägerin zum 31. Dezember 1991 und auf den 31. Dezember 1995 erfolgte, fehlt es an eingehenden Ausführungen dazu, inwieweit die von der Klägerin genannten Umstände hätten erheblich sein können. Allein die Äußerung, dass das Fehlen dieser Rückforderung dem Klagebegehren vom FG entgegengehalten wurde, reicht dafür nicht aus.
b) Die Klägerin beanstandet weiter, dass das FG zum Themenkomplex steuerrechtlich anzuerkennende Beteiligung der Klägerin an der AG auf Seite 20 seines Urteils die Relevanz der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des P mit dem Hinweis verneine, er äußere lediglich eine Rechtsansicht, zu deren Überprüfung es gerade der vom FA angeforderten Unterlagen und Auskünfte bedürfe. Nach Auffassung der Klägerin trage diese Begründung die Nichtberücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung des P nicht. Sie sei im Gegenteil für die maßgebliche Frage, ob Sonderbetriebsvermögen vorliegen könne, einschlägig. Mit den dazu im Weiteren gemachten Ausführungen der Klägerin wird aber kein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO schlüssig gerügt, sondern ein materieller Rechtsfehler geltend gemacht, der darin bestehen soll, dass das FG die materiell-rechtlichen Konsequenzen, die sich aus dem von P eidesstattlich Versicherten ergeben sollen, angeblich verkannt hat.
c) Auch aus der Rüge, das FG habe hinsichtlich einer für möglich gehaltenen Treuhandschaft für die Klägerin im Hinblick auf die Beteiligung an der AG, die eidesstattlichen Versicherungen des Verwaltungsrates der AG, der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin und des P nicht berücksichtigt, ergibt sich der behauptete Verfahrensfehler des FG nicht. Tatsächlich hat nämlich das FG die genannten eidesstattlichen Versicherungen berücksichtigt und gewürdigt. Es hat aber die des Verwaltungsrates der AG nicht für glaubhaft gehalten. Denen der Mitarbeiter hat es einen Beweiswert abgesprochen, weil es im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin davon ausging, dass die Mitarbeiter der Gesellschaft keine Kenntnis gehabt haben. Insoweit handelt es sich ebenfalls um eine vom FG vorgenommene Beweiswürdigung, die dem materiellen Recht zuzurechnen ist.
d) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe das Vorbringen der Klägerin in ihrem Schreiben vom 3. April 1997 zu Unrecht dahin ausgelegt, dass damit eine Beteiligungsquote an der AG eingeräumt worden sei, während aus dem Kontext des Schreibens zu entnehmen sei, dass es darin nur um die Diskussion der Mitwirkungspflicht gegangen sei, ist dem ebenfalls nicht ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zu entnehmen. Auch hier geht es nur um eine dem materiellen Recht zuzurechnende Beweiswürdigung.
3. Der Vorwurf, das FG könne, ausgehend von der Irrelevanz der genannten eidesstattlichen Versicherungen, nur unter Verstoß gegen Entscheidungen des BFH zu den Voraussetzungen und Grenzen des Betriebsvermögensbegriffs zu der Auffassung gelangt sein, notwendiges gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen sei trotz der mitgeteilten Gegebenheiten im Streitfall denkbar, lässt sich nicht schlüssig eine Abweichung des FG-Urteils von den genannten Entscheidungen des BFH entnehmen. Die schlüssige Darlegung (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.) eines Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. erfordert die Herausarbeitung abstrakter Rechtssätze aus den in Betracht kommenden Entscheidungen und deren Gegenüberstellung in der Weise, dass die Abweichung voneinander deutlich wird. Diesen Voraussetzungen werden die Ausführungen der Klägerin nicht gerecht, die eine solche Gegenüberstellung angeblich abweichender Rechtssätze nicht enthalten.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen