Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung: Dauerschulden - laufende Verbindlichkeiten
Leitsatz (NV)
Die Qualifizierung einer Schuld als laufende Verbindlichkeit setzt u.a. voraus, daß die Schuld wirtschaftlich mit einem nach Art des Gewerbebetriebs immer wiederkehrenden Geschäftsvorfall zusammenhängt und der Zusammenhang vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Kreditverhältnisses auch tatsächlich gewahrt wird. Unter dem vertraglich begründeten Zusammenhang ist die Gesamtheit der bindenden Vereinbarungen zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer zu verstehen, durch die sichergestellt werden soll, daß die Kreditmittel nur zur Finanzierung eines konkreten einzelnen Geschäfts des Kreditnehmers verwendet werden und der Kredit spätestens dann getilgt wird, wenn das durch dieses Geschäft gebundene Fremdkapital im Verlauf der Abwicklung des Geschäfts dem Kreditnehmer wieder zur Verfügung steht.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1
Gründe
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung
a) Die Rechtsfragen, die nach Ansicht der Klägerin in dem von ihr angestrebten Revisionsverfahren zu klären sind, betreffen die Abgrenzung zwischen den Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs (laufende Verbindlichkeiten), die keine Schulden i.S. des § 8 Nr.1 GewStG (Dauerschulden) sind, und den Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen und deshalb Dauerschulden i.S. der zweiten Tatbestandsgruppe des § 8 Nr.1 GewStG sind. Sinngemäß hat die Klägerin vorgetragen, zu klären sei,
- ob die Qualifizierung einer mit der Anschaffung eines zur Weiterveräußerung bestimmten Wirtschaftsguts zusammenhängenden Kreditschuld als Verbindlichkeit des laufenden Geschäftsverkehrs voraussetzt, daß die Rückführung des Kredits aus dem Veräußerungserlös des Wirtschaftsguts im Kreditvertrag selbst festgelegt wurde,
- ob es für die Qualifizierung von Darlehensschulden als laufende Verbindlichkeiten auch dann auf die Zuordnung der Schuld zur Anschaffung einzelner Wirtschaftsgüter ankommt, wenn durch ein Geschäft mehrere nicht nur zur Weiterveräußerung bestimmte Wirtschaftsgüter angeschafft und zur Finanzierung dieses Geschäfts mehrere Darlehen aufgenommen wurden,
- ob und gegebenenfalls ab wann eine Kreditschuld der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dient, wenn nach den übereinstimmenden Vorstellungen von Gläubiger und Schuldner der Kredit der Finanzierung der Anschaffungskosten eines zur Weiterveräußerung bestimmten Wirtschaftsguts dienen sollte und auch tatsächlich diente und geplant war, ihn aus dem Veräußerungserlös zu tilgen, sich dieser Plan jedoch aufgrund von nach dem Bewertungsstichtag eingetretenen Umständen nicht mehr verwirklichen ließ.
b) Die beiden ersten Rechtsfragen sind entgegen der Ansicht der Klägerin nicht klärungsbedürftig. Sie sind bereits durch den BFH geklärt.
Die Qualifizierung einer Schuld als Verbindlichkeit des laufenden Geschäftsverkehrs setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. voraus, daß die Schuld wirtschaftlich mit einem nach Art des Gewerbebetriebs immer wiederkehrenden Geschäftsvorfall zusammenhängt und der Zusammenhang vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Kreditverhältnisses auch tatsächlich gewahrt wird (s. z.B. BFH-Urteile vom 11.Dezember 1986 IV R 185/83, BFHE 149, 248, BStBl II 1987, 443; vom 7. August 1990 VIII R 30/89, BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nach der BFH-Rechtsprechung insbesondere dann erfüllt, wenn der Gewerbetreibende den Kredit zur Finanzierung von Anschaffungs- und/oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufgenommen hat und ihn - wie mit dem Kreditgeber vertraglich vereinbart - aus dem Verkaufserlös des Wirtschaftsguts tilgt (s. BFH-Urteil vom 18. April 1991 IV R 6/90, BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584 m.w.N.). Was ein vertraglich begründeter Zusammenhang zwischen einem Geschäftsvorfall und einem Kredit ist, bedarf keiner Klärung. Es ist eindeutig, daß darunter die Gesamtheit der bindenden Vereinbarungen zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer zu verstehen ist, durch die sichergestellt werden soll, daß die Kreditmittel nur zur Finanzierung eines konkreten einzelnen Geschäfts des Kreditnehmers verwendet werden und der Kredit spätestens dann getilgt wird, wenn das durch dieses Geschäft gebundene Fremdkapital im Verlauf der Abwicklung des Geschäfts dem Kreditnehmer wieder zur Verfügung steht. Aus diesen Rechtssätzen folgt auch, daß Verbindlichkeiten, die nur hinsichtlich von Teilbeträgen diese Voraussetzungen erfüllen, lediglich in Höhe der Teilbeträge Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs sein können.
c) Die dritte Rechtsfrage kann in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
Sie würde sich im Revisionsverfahren nur stellen, wenn die zu beurteilenden Schulden zunächst Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs waren, weil ihr Entstehen wirtschaftlich mit der Anschaffung von Umlaufvermögen zusammenhing und dieser Zusammenhang in der oben beschriebenen Weise vertraglich begründet wurde. Das FG ist jedoch aufgrund einer Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen zu dem Ergebnis gelangt, ein Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung, der Weiterveräußerung von drei der erworbenen Beteiligungen und der Rückführung der Kredite unter Einsatz des Verkaufserlöses sei mit den Kreditgebern nicht vertraglich vereinbart worden. Daraus folgt, daß die zu beurteilenden Schulden von Anfang an keine Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs, sondern allgemeine Geschäftskredite waren. An diese Würdigung, die nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, wäre der erkennende Senat im Revisionsverfahren gebunden. Die aufgezeigte Rechtsfrage würde sich im Revisionsverfahren somit nicht stellen. Daher läßt sich aus ihr keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache herleiten (s. BFH-Beschluß vom 28. April 1972 III B 40/71, BFHE 105, 335, BStBl II 1972, 575).
2. Das FG-Urteil beruht auf keiner Abweichung von einer Entscheidung des BFH.
Zwar ist das FG von dem BFH-Urteil vom 16. Oktober 1991 I R 88/89 (BFHE 166, 297, BStBl II 1992, 257) abgewichen, als es den Erwerb von Anteilen an vier Gesellschaften mit beschränkter Haftung durch die Klägerin als einen Erwerb von Betrieben, Teilbetrieben oder Anteilen an Betrieben i.S. des § 8 Nr.1 GewStG beurteilte, obwohl die von der Klägerin erworbenen Geschäftsanteile nicht das gesamte Stammkapital der jeweiligen Gesellschaft umfaßten. Das FG-Urteil beruht aber nicht auf dieser Abweichung, da es doppelt begründet ist und auch die zweite Begründung das Urteil trägt (s. BFH-Beschluß in BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524).
Fundstellen
Haufe-Index 419106 |
BFH/NV 1993, 620 |